Mittwoch, 12. November 2014

Raymond Leo Burke: Ein Kardinal und sein Papst

Eines muss man ihm lassen: der Mann macht eine gute Figur! Googeln Sie mal das Stichwort "Kardinal Burke". Sie werden ein wunderbares "Bilderbuch" des Katholizismus finden, und trotz all der – aus der Zeit gefallenen – "Prachtentfaltung", zu der die kath. Kirche in der Lage ist: es gibt kaum Bilder darunter, die nicht eine gewisse Faszination und Würde ausstrahlen. Aber es wirkt auch ein wenig wie aus "längst vergangener Zeit". 
Auf jeden Fall ist ein augenfälliger Kontrast zum Auftreten des amtierenden Papstes Franziskus nicht zu leugnen. Dieser neigt ja eher dazu, mit Blick auf den "Augenhonig" in der katholischen Liturgie etwas "abzurüsten". 

Ähnliche Konstraste gibt es häufiger in der Kirche. Da sind die eher auf schlichte Schönheit setzenden Schwestern und Brüder von Jerusalem; die eher ästhetisch wirkenden und an der Ostkirche orientierten  Schwestern und Brüder von Bethlehem; die sehr kargen Kartäuser und die voll in die Sakristeischränke der letzten hundertfünfzig Jahre greifenden Kleriker des Institutes Christus König (und manche mehr). 

Oft sind mit den äußerlichen "Kleiderfragen" auch theologische Positionen verbunden, allerdings dürfte es schwer sein, vom äußeren Anschein direkt auf "innere Qualitäten" zu schließen oder die Gleichung aufzustellen: "viel Lametta", Spitzen, Bordüren ...  also ... eher konservativ bis traditionalistisch; schlicht dann gleich entspannt und liberal. Manches Mal findet man in der Verpackung etwas, was die äußere Form nicht versprochen hat. (Eine höchst bedenkenswerte Anregung zu dieser Diskussion bietet ausgerechnet die Website www.summorum-pontificum.de, wo man lesen kann: "Katholiken, die der Tradition und damit der Kirche selbst treu bleiben wollen, haben sicher Grund, darüber nachzudenken, inwieweit die aus monarchischen Zeiten überkommenen Zeichen und Symbole heute noch das vermitteln können, was sie einst vermitteln sollten und konnten.") Der Grat zwischen Erhabenheit und Lächerlichkeit kann manchmal sehr schmal sein (was ich ausdrücklich nicht auf Kardinal Burke selbst beziehen möchte).

Kardinal Burke hat sich spätestens seit seinen Auftritten rund um die außerordentliche Bischofssynode im Herbst an die Spitze einer Bewegung gestellt. Er war schon vorher so etwas wie der Patron der konservativ-traditionellen "Fraktion" in der Kirche, er widmete sich dem Institut Christus König und Hoherpriester, einer aufstrebenden Gemeinschaft, die die außerordentliche Form des römischen Ritus und eine gewisse katholische "Buntheit" erfolgreich pflegt. Nun ist er von seinem "erstklassigen" Posten an der römischen Kurie (quasi als oberster Kirchenrechtler) auf einen "drittklassigen" Posten versetzt worden. Zuvor hatte Papst Franziskus ihn schon in zwei wichtigen Kongregationen durch andere Bischöfe abgelöst. (Was auch den Hintergrund haben könnte, dass er hier die Stimme der Ortskirchen gegenüber der Kurie stärken wollte.) 

Der Blog "Demut jetzt" schreibt: "Burke ist eine Reizfigur, er weiss das und es macht ihm nichts aus. Sowohl in seinem liturgischen Auftreten als auch in seinen theologischen Äußerungen ist er wahlweise der Gott-sei-bei-Uns oder der Fels in der Brandung. Gegen ihn wirkt Kardinal Müller geradezu lieb, chillig und liberal."

Fakt ist, dass Kardinal Burke – weltlich gesprochen – an Einfluss verloren hat. Es macht für ihn keinen Sinn, zukünftig Reden vor Leuten zu halten, die ihm sowieso zustimmen. Er muss sehen, wie er seine Überzeugungen und Argumente weiterhin in den kirchlichen Diskurs einbringen kann und zwar in der sachlich - theologischen Auseinandersetzung mit anderen Positionen. Ich denke, das Papstwort von der Synode gilt auch ihm: "Nach dem letzten Konsistorium, bei dem über die Familie gesprochen wurde, hat mir ein Kardinal geschrieben: ‚Schade, dass einige Kardinäle aus Respekt vor dem Papst nicht den Mut gehabt haben, gewisse Dinge zu sagen, weil sie annahmen, dass der Papst vielleicht anders denkt.’ Das geht nicht! Das ist nicht Synodalität! Man muss alles sagen, was man sich im Herrn zu sagen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Zögern!“ Das dies nicht "leere Worte" waren hat der Papst u.a. auch durch die Berufung des Bischofs von Bologna Carlo Kardinal Caffarra belegt, der sich als entschiedener Kritiker der Position von Kardinal Kasper profiliert hatte. 

Der Aufschrei in der Szene der Burke – Verehrer hallt jedenfalls seit Tagen nach. Viele haben sich hinter ihn gestellt und ihn mehr und mehr zur konservativen Reizfigur gemacht (eine Rolle, die er durchaus aktiv angenommen hat). Vermutlich ist es ihm aber nicht recht, was seine "Fans und Freunde" nun schreiben und lamentieren. (Wer solche Freunde hat...) Ein viel gelesener Blogger, der Kreuzknappe, hat gleich das Bloggen aus Protest vorläufig eingestellt. Seine Ankündigung, nun weniger öffentlich zu schreiben als still zu beten, sollten sich einmal die langsam in Richtung Sedisvakantismus abgleitenden Kommentatoren und Schreiberlinge der einschlägigen Tradi – Homepages zu Herzen nehmen. Der Haß, der sich dort zur Zeit gegen Papst Franziskus entlädt, ist so manche Beichte und jahrelanges Bußschweigen wert. 

Gloria – TV widmet ihnen am Tag nach der Nachricht gleich die kompletten "Nachrichten". Dort wird ein amerikanischer, geistlicher Blogger zitiert: "Durch Burke’s Entlassung hat Franziskus ein mediales Megaphon für seine zunehmend enttäuschten katholischen Gegner geschaffen.“ Franziskus hat diesen Katholiken – Zitat – „einen klaren Anführer (gegeben), sondern Burke auch zu einer Berühmtheit und zu einer Art Märtyrer gemacht.“ 

Ich denke, man muss Papst Franziskus zugestehen, dass er sich sein Führungspersonal selbst auswählt. Wer die Kurie reformieren will (was der große Wunsch vieler Kardinäle war), der muss auch Strukturen verändern und Personen austauschen. Das tut der Papst, mit Ruhe, aber gründlich. 

Ich glaube nicht daran, dass die Tatsache der Ablösung des obersten Kirchenjuristen hilfreich ist, um Papst Franziskus endlich einwandfrei in das hierzulande vertraute kirchenpolitische Koordinatensystem einzuordnen. Er entzieht sich den üblichen Kategorien und das war auch wohl ein gewichtiger Grund für seine Wahl und Berufung ins Papstamt. Ich gehe davon aus, dass uns dieser Papst auch in Zukunft noch überraschen wird und dass er sich nach wie vor vor keinen Karren spannen läßt. 

Ihm "Unbarmherzigkeit" oder "Abservieren eines Kritikers" vorzuwerfen oder gar von Bestrafung, Rachegelüsten oder dass der Papst keine "Kritik vertragen" könne zu fabulieren, das offenbart durchsichtige Manöver, den Hl. Vater in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Aber auch die zumeist zustimmenden liberalen Tageszeitungen neigen einer ähnlichen Interpretation zu und preisen die päpstliche Führungsstärke. Beide Variaten dürften nicht stimmen, denn der Betroffene selbst hatte schon vor der Synode mehrfach auf seine bevorstehende Ablösung hingewiesen. Mag sein, dass er sich hierdurch bei der Synode noch eher zu einem offenen Wort ermuntert fühlte. 

Ein Mitarbeiter, der seinen Chef (spitzen wir es mal zu) auf offener Bühne widerspricht, der ihm sogar (ob nun so oder anders formuliert) kirchen- und glaubensschädigendes Verhalten öffentlich vorhält, mag zwar dennoch ein guter und verdienstvoller Kardinal und eine wichtige Stimme in der Kirche sein und bleiben; er muss aber nicht zum engen Mitarbeiterkreis des Kritisierten gehören. Von seinen engen Mitarbeitern darf der Papst, gerade auch dieser Papst, ein offenes Wort erwarten, aber er darf auch erwarten, dass dieses offene Wort im geschlossenen Raum bleibt und nicht auf die Straßen und in die Gazetten getragen – oder gar über diesen Weg überhaupt erst ausgesprochen wird. 
Der Papst ist frei in der Auswahl seiner engen und direkten Mitarbeiter. Wenn mir einer sagt, mit Deiner Amtsführung bin ich unzufrieden und Du schadest der Kirche und der Lehre... Dann würde ich sage: natürlich darfst Du diese Meinung haben und vertreten... aber was unsere Zusammenarbeit angeht, hat dies Konsequenzen. Und ein Papst darf von seinen Mitarbeitern erwarten, dass sie loyal bleiben, und im Zweifel auch einmal Wege mitgehen, die sie zuvor im Gespräch kritisch gewürdigt haben. Wer dazu nicht bereit ist, der taugt ganz bestimmt als Kardinal, er eignet sich aber nicht als Präfekt der Apostolischen Signatur.

Werfen wir einmal einen Blick darauf, wer Raymond Leo Kardinal Burke eigentlich ist. Bevor wir ihn selbst in "Schubladen" einsortieren. Viel ist darüber leider nicht zu erfahren, selbst bei "Wikipedia" ist nur ein schmaler Artikel verfügbar. Das mag auch daran liegen, dass die Kirche in Amerika von uns Europäern nicht die gebührende Aufmerksamkeit erhält. 

Geboren wurde er vor 66 Jahren, am 30.06.1948 in Wisconsin, sein Vater starb, als er 8 Jahre alt war. 1975 empfing er den Rom die Priesterweihe durch den heute seligen Papst Paul VI.. Schwerpunkte seiner theologischen Ausbildung und seines Wirkens waren die Priesterausbildung und das Kirchenrecht. Ein entsprechendes Studium mit Promotion absolvierte er in Rom, wo er später als Ehebandsverteidiger am Kirchengericht arbeitete und an der Universität lehrte. Viel erfahren wir hier – jenseits des großen Teichs nicht über diesen Kirchenmann. Wenn, dann findet sich etwas auf eher "einschlägigen" Webseiten; Kritisches findet sich aus seiner Zeit in der amerikanischen Kirche im Netz kaum. Zwei interessante Einblicke liefern vielleicht folgende Notizen aus dem Netz: 

In seiner Zeit als Bischof der Diözese La Crosse (ab 1995) im US-Bundesstaat Wisconsin veröffentlichte er 2003 ein offizielles kirchenrechtliches Dekret, mit dem er Politikern, die für Abtreibung oder Euthanasie eintreten, vom Empfang der Hl. Kommunion ausschloß. Dieser Schritt wurde auch in Europa wahrgenommen. 

Der Blogger "Rom, römer am Römsten" schreibt im Mai 2008 in einem Beitrag über den damaligen Erzbischof von St. Lois und über dessen erfolgreiche Berufungspastoral: "Immer mehr Männer vernehmen wieder den Ruf und folgen ihm. Aber Erzbischof Burke leistete eifrige Hilfe, indem er die Berufungsfrage zur Priorität machte ... die Tatsache, daß er konservativ ist, spricht junge Seminaristen an. Da junge Männer, die heute einer Beufung folgen, in der Regel konservativer sind als ihre Altersgenossen, können sie mit dem Erzbischof leicht eine Verbindung herstellen. Die Seminaristen reden offen darüber, daß sie Burke als ihren spirituellen Vater betrachten und begrüßen die traditionsbewußte Atmosphäre, die der Erzbischof in der Diözese und im Seminar bevorzugt. So ist Burke zum Beispiel einer der großen Unterstützer der tridentinischen Messe, die seit vergangenem Jahr jeden Freitag im Seminar zelebriert wird. Auch wird bei Morgen- und Abendgebet nun auf formellere Kleidung geachtet. Burke sagt, daß solche "kleinen Dinge" hilfreich sind, um eine "starke Identität bei den Seminaristen zu kreieren." ... "Erzbischof Burke wird angerechnet, daß er Probleme, die junge Männer vom Verfolgen ihrer Berufung abhalten könnten, offen anspricht. Er ... kennt die Seminaristen - ihre Namen, ihre Lebensgeschichten, ihre Freuden und Ängste."

Eine gewisse Direktheit und Offenheit scheint durchaus zu den Charakterzügen des Kirchenmannes zu gehören. Seit 2008 ist er wieder in Rom als Präfekt der Apostolischen Signatur und Präsident des Obersten Gerichtshofs des Vatikanstaates. Im November 2010 nahm ihn Benedikt XVI. als Kardinaldiakon ins Kardinalskollegium auf. 

Bekannt wurde er als einer der wenigen Kardinäle, die persönlich die "außerordentlichen Form  römischen Ritus" zelebrierten. Bilder von Kardinal Burke in der "Cappa Magna" gingen um die (katholische) Welt und wurden teils hochachtungsvoll, teils abschätzig kommentiert. Der "tridentischen Messe" ist Raymond Leo Burke allerdings schon lange verbunden, schon lange vor "Summorum Pontificum" konnten Gläubige in seiner Diözese problemlos diese Form der römischen Liturgie mitfeiern.

Einige merken schon an, dass Kardinal Burke ja erst 66 Jahre alt, Papst Franziskus dagegen schon 78 Jahre alt ist. Und dass dieser nun umso mehr Zeit hat, nicht nur Kardinalpatron der Malteserritter (was ja eher ein Titel als ein Amt ist) sondern als Kardinalpatron aller Traditionalisten durch die Weltgeschichte zu reisen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass diese Rolle einem Mann, der mit der Kirche fühlt, recht sein kann. Daher glaube ich auch nicht, dass er sich ernsthaft der "kirchenpolitischen Rolle" widmen wird, die manche Kommentatoren für ihn vorgesehen haben, die schon mit dem Ruf "Burke for Pope" in die sozialen Netzwerke auszogen. Manche hoffen, dass "Franziskus mit seinem Vorgehen gegen Burke ... selbst die Voraussetzungen schafft, daß ihm eine mächtige innerkirchliche Opposition erwächst, die ihn auch einmal beerben könnte." So etwas ist zwar in der Tendenz denkbar, allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, dass Kardinal Burke sich für eine solche Strategie einspannen ließe. In einem Interview sagte er hierzu: "Ich habe allen Respekt vor dem Petrusamt und möchte nicht den Anschein erwecken, dass ich eine Stimme gegen den Papst bin."

Vielleicht ist es Kardinal Burke ein Trost, was der Blogger Cordialiter schreibt: "Menschlich gesehen war die Aufgabe eines Präfekten der Apostolischen Signatur einflußreicher als die eines Kardinalpatrons des Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom heiligen Johannes von Jerusalem von Rhodos und von Malta. Als Jünger Jesu Christi haben wir aber nicht auf irdisches Prestige zu achten, sondern allein auf die größere Ehre Gottes.
Durch sein Apostolat unter den Ordensrittern kann Kardinal Burke Großes für deren Seelenheil wirken, wie er es bereits als Diözesanbischof ... getan hat. Sollte mittels seines Apostolats auch nur eine Seele mehr durch die unendliche Barmherzigkeit Gottes gerettet werden, hätte es sich gelohnt, die prestigeträchtigere und einflußreichere Aufgabe an der Römischen Kurie zu verlieren ... 
Zudem wird ... (er), befreit von der Last seiner Aufgabe ... und dem Aktenstudium, mehr Möglichkeiten haben, geistlicher Begleiter der Seelen zu sein, die wirklich im Glauben und der Tugend wachsen wollen." 

Das er (und mit ihm viele seiner "Fans") das so sehen kann, das wünsche ich ihm von ganzem Herzen.