Montag, 31. März 2014

Was bleibt nach all dem Streit um Limburg?

Als Münsteraner Domkapitular 2007
Mit keinem Thema habe ich mich in diesem Blog häufiger auseinandergesetzt als mit dem Konflikt rund um den Limbuger Bischof Franz Peter Tebartz - van Elst. Daher liegt es nahe, das Thema abschließend (?) noch einmal aufzugreifen. Der vom Papst inzwischen angenommene Rücktritt und seine Folgen; einige Begleitumstände wie die Veröffentlichung des Prüfberichtes, die Veröffentlichung der Entgegnung des Bischofs, seine Entschuldigung und der angeblich neu bestellte Dienstwagen beschäftigt die Menschen und Medien nun wohl noch einige Tage lang. 
Man darf auch gespannt sein, was der Bischof ohne Bistum in Zukunft mit seinem Leben und seinen Fähigkeiten wohl anfangen wird. Die Diskutanten an allen Fronten bescheinigen ihm ja einhellig eine inspirierende Theologie, Wissen und Kenntnis, Intelligenz...

Enttäuscht sind angesichts des doch sehr eindeutigen Prüfberichtes inzwischen auch viele Christen, die dem Bischof lange die Stange gehalten haben. Mancher nachdenkliche Text in diesen Tagen zeugt davon. Die Angelegenheit hat die katholische Welt nachhaltig erschüttert. 
Während Erzbischof Gänswein – wohl aufgrund frühzeitiger Einsichten in den Prüfbericht noch rechtzeitig zurückhaltend wurde - steht Kardinal Müller nun doch etwas “begossen” da. Und mit ihm noch einige Kommentatoren, die auch heute noch den bösen Medien die Schuld an allem geben. 

Ich habe mich in den letzten Tagen mal an die Relectüre meiner Blogbeiträge gemacht. Kann das, was ich vor Monaten schrieb - mit dem heutigen Wissen – alles noch stehen bleiben?

Im ersten Beitrag vom 5. September 2013 hatte ich schon angefragt, ob die kirchenpolitische Verzweckung des Konfliktes angesichts der Theologie des Bischofs wohl wirklich stimmt. Die Frage beschäftigt mich nach wie vor und ich glaube, viele haben es sich mit der Antwort zu leicht gemacht. Was spricht eigentlich belastbar dafür, dass das Prädikat "Rom-" und "Papsttreu" auf Tebarzt – van Elst stärker zutrifft als auf den Durchschnitt der deutschen Bischöfe? Ich möchte ihm diese “Prädikate” gar nicht absprechen. Aber in den Diskussionen z.B. auf Facebook haben kundige Leute dieser Tage zum Beispiel auch darauf hingewiesen, dass Prof. Vorgrimler Bischof Tebartz van Elst in seinen Lebenserinnerungen als Hoffnungsträger der Liberalen eingeschätzt hat (o.k., das ist jetzt eine Weile her). In seiner Zeit als theologischer Lehrer (und Domvikar) im Umfeld des Münsteraner Doms galt er keinesfalls als konservativ. Hat sich in all den Diskussionen eigentlich einmal jemand wirklich mit seinen Texten und seiner Theologie auseinandergesetzt? Oder ist er eigentlich eher unbeabsichtigt zur Galionsfigur eines kirchenpolitischen Streits geworden, der ihn auf den "konservativen" Schild gehoben hat? Augenscheinlich hat er sich auch nicht ungern auf den Schild heben lassen. Mir scheint, manchmal genügen eher symbolische “Handlungen” und Signale dafür aus. 

Auf die – provozierende – Segnung einer homosexuellen Partnerschaft, die am Anfang mancher Auseinandersetzungen stand, hätte wohl auch Bischof Kamphaus reagiert, reagieren müssen. Handwerklich und menschlich möglicherweise anders, inhaltlich wohl kaum. Die Leute, die das damals inszeniert haben sollten sich selbstkritisch fragen, ob sie den Bischof damit nicht auf einen für das Bistum (und letztlich auch ihre Anliegen) unheilvollen Weg geschickt haben. Berichtet wurde ja auch von der Auseinandersetzung mit einem Pfarrer, weil dieser das Gebet für den Bischof in einer Firmfeier provozierend unterlassen hat. Da fragt man sich wirklich: was soll das? Im Bezug auf die Liturgie war er sicher ein "Ästhet" nach dem Geschmack konservativer römischer Liturgen, aber das hat was mit seiner Persönlichkeit und Lebensart und seinen Lebens- und Liturgieerfahrungen zu tun. Und eine "ordentlich" gefeierte Liturgie erwarte ich heute auch von unseren Bischöfen. Das mag in den 80er Jahren etwas anders gewesen sein, aber aktuell erlebe ich keine “Eigenmächtigkeiten" bei unseren  Bischöfen, im Gegenteil. 

Bisher habe ich noch niemanden gefunden, der eine Expertise über die Theologie des Limburger Bischofs jenseits mancher Verlautbarungen und einzelner Predigten abgeben könnte und der sich mit seinen Fachbüchern wirklich auseinandergesetzt hat. Seine Doktorarbeit liegt unter dem Titel vor: “Der Erwachsenenkatechumenat in den Vereinigten Staaten von Amerika. Altenberge 1993. 629 S.”. Entsprechend hat er in der Folge im Bistum Münster das Erwachsenenkatechumenat bearbeitet und manche durch eine gewisse eigenwillige Überhöhung der dazugehörigen Riten manche auch “genervt”. Das lief aber eher unter "Lieblingsthema" denn unter "klassischer, konservativer Theologie". Er war dann der Herausgeber einer Festschrift für den – nicht gerade konservativen - Pastoraltheologen Dieter Emeis. Habilitiert hat er sich dann sechs Jahre später mit dem Thema: “Gemeinde in mobiler Gesellschaft. Kontexte - Kriterien - Konkretionen. Würzburg 1999. 815 S.” Er gilt als Ghostwriter eines kleinen Büchleins zur Zukunft der Pastoral im Bistum Münster, verantwortet noch von Bischof Lettmann. Aber das war das übliche Rezept mit Zusammenlegungen, Großgemeinden, Zielgruppenpastoral, angereichert mit allerlei Allgemeinplätzen, wie das bei so pastoralen Papieren gängig ist. Sturm gelaufen gegen diese Rezepte sind eher die traditionell gebundenen Katholiken, die auf die sonntägliche Messe in ihrer Kirche Wert legten und sich mit der Idee “geistlicher Hochorte” auf Kosten der Pastoral in der Fläche nicht recht anfreunden konnten. Nach seiner Weihe bevorzugte er bei allen "Auftritten" - im Gegensatz zu seinen Mitbischöfen den vollen bischöflichen Ornat. Aber ist das jetzt schon "konservativ"?


In meinem zweiten Beitrag vom 11. Oktober 2013 hatte ich durchaus Verständnis für das ein oder andere “Bauliche”, aber in der Summe bin ich dann zu der Überzeugung gekommen: der Bischof kommt um einen Rücktritt wohl nicht mehr herum (den er – wie wir jetzt wissen – im Gespräch mit dem Papst 14 Tage später wohl auch angeboten hatte). 


Als dann die “Kulisse” für das Bischofsdrama von der Lahn von den Unterstützern des Limburger Bischofs immer dunkler und schlechter geschrieben wurde, habe ich einen dritten Beitrag etwas “dagegen” geschrieben. Hier hatte ich kürzlich einen freundlichen Dialog mit einem der Autoren, die damals auf diese Weise den Bischof wieder hochschreiben wollten. 


Kann man die Episode Bischof Franz Peter und sein Bistum Limburg nun abschließen? Ich fürchte nicht. Sie hat erhebliche Verwerfungen zu Tage treten lassen. Zahlreiche Menschen sind getroffen, verletzt... Der Streit, ob die Medien überzogen haben oder nicht – er schwelt nach wie vor. Am Bischof von Limburg a.D. scheiden sich nach wie vor die Geister. Spätestens beim nächsten medienwirksamen Thema wird alles wieder da sein. Aber vermutlich gehören die notwendigen Auseinandersetzungen nicht mehr auf die Titelseiten der Zeitungen sondern eher in persönliche Gespräche und ins eigene Reflektieren. 

Vielleicht wäre es gut, wenn der “Richtungsstreit” in der Kirche jenseits der konkreten Situation in Limburg weiter diskutiert würde. Ob der Bischof nun noch für den bestellten BMW in Haftung zu nehmen ist oder nicht ... was trägt das noch zum Verständnis bei? Es hilft der Person Franz Peter Tebartz – van Elst nicht, wenn sich weiterhin viele hinter ihm versammeln und gegen die Front machen, die diesen skeptisch sehen. Nein, es beschädigt ihn. Wir sollten zeigen, dass Christen Fehler eingestehen können und einen neuen Anfang machen dürfen. Das gilt für den Bischof selbst, das gilt auch für viele Protagonisten in diesem Streit, mögen Sie nun Johannes Eltz, Michael Hesemann, Daniel Deckers, Martin Lohmann oder Markus Gehling heißen. Die Zeit ist reif dafür, die Karwoche steht vor der Tür...

Und der Bischof selbst? In einem Beitrag im Forum kreuzgang.org fällt ein hartes Urteil: “Ich meine wohl, in seiner Persönlichkeit ist angelegt ein großer Mangel an Selbstkritik und Kritikfähigkeit, ein Übermaß an Überzeugtsein von sich selbst und seinen Meinungen, gepaart mit einem großen Unvermögen, Kritik und kritische Töne, auch wohlwollende, in ihrer sachlichen Berechtigung wahrzunehmen und ggf. darauf zu reagieren. Nach außen kommt das als Arroganz und Beratungsresistenz heraus. Als arrogant galt TvE schon in Münster, noch als Priester. Seine abschließenden Stellungnahmen machen letztlich deutlich: Schuld sind immer die anderen, nicht er."

In seiner letzten Öffentlichen Stellungnahme entschuldigt sich Bischof Franz Peter Tebartz - van Elst und schließt mit den Worten: “Ich hoffe, dass es jenseits wechselseitiger Beschuldigungen und Verletzungen gelingt, aus der Distanz das Geschehene zu verstehen und Einsichten zu gewinnen, die zu einer Versöhnung führen können. Dafür werde ich beten, meine ganze Kraft einsetzen und bitte auch um das Gebet.”

Spannend wäre zu wissen, an wen er dabei zuerst denkt, an seine Gegner, das Domkapitel, die Journalisten? Es wäre gut, wenn er dabei vor allem an sich denkt. Und ich hoffe, dass die, die nun für ihn Verantwortung tragen (und damit meine ich auch alle, die ihn bis zum heutigen Tag schätzen und in Schutz nehmen), meinen es wirklich gut mit ihm und helfen ihm zur “Katharsis”, helfen ihm auf dem schmerzhaften Weg zur Selbsterkenntnis. Nein TvE ist nicht an allem schuld, ja, TvE ist schlecht und ungerecht behandelt worden... Und es gibt keinerlei Anlaß (mehr) über die Person schlecht zu sprechen. Der emeritierte Limburger Bischof ist ein Mensch mit vielen Stärken und – wie wir sehen konnten – mit Fehlern. Wichtig ist, dies mit den Augen Gottes anzusehen, der ihn (und uns) trotzdem annimmt. Noch überwiegt bei ihm offensichtlich das Gefühl unverstanden zu bleiben und ungerecht behandelt worde zu sein. Ich würde mir wünschen, dass er in einigen Wochen mit voller Überzeugung auf die Frage: “Wer ist Franz Peter Tebartz-van Elst?” die Antwort geben kann: “Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.”

Umso mehr sollten wir alle das tun, was Bischof Felix Genn uns empfohlen hat, für den Bischof, seine Familie und Freude und das Bistum Limburg zu beten. Und vielleicht auch dem Beispiel des Moderators auf kreuzgang.org folgen und den Diskussionsstrang endgültig schließen. Keine weiteren Beiträge mehr möglich! Ich für meine Teil verspreche das hiermit feierlich!

Samstag, 22. März 2014

Die Kirche und der Sex

http://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2014-5.html
In der Kirche steht zur Zeit ein Doppel-Thema (wieder) ganz oben auf der Tagesordnung: die Sexualmoral und die Unauflöslichkeit der Ehe. Die anstehende Bischofssynode über Ehe und Familie im Herbst im Vatikan sorgt dafür, dass vielfältige (teils irrationale) Hoffnungen und Befürchtungen mit Blick auf diese Thematik durch die aktuelle öffentliche Debatte “geistern”.
Es lohnt sich also, hierüber einmal ins Nachdenken zu kommen. Ich versuche das mit Gedanken zunächst zum Themenkreis “Kirche und Sex” und dann zur Frage der Wiederverheiratung.

Ein spontaner Blick auf “Gloria.tv” am Tag als ich diesen Text begonnen habe zeigt: Es gibt für die “Traditionalisten” nur noch ein Thema. Man berichtet von einem amerikanischen Priester, der konstatiert: “In der Ehe-Frage erschüttert Satan die Kirche derzeit bis in ihre Grundfesten.” ... Die Verwirrung sei heute noch massiver als während der Verhütungsdebatte in den 60er Jahren. Dann forderten deutsche Bischöfe angeblich “öffentlich die Auflösung des Ehebandes” und Regina Einig weiß in der Tagespost zu berichten, dass andere deutsche Bischöfe eine zweite “Königsteiner Erklärung” fürchten. Für seine Bemerkung “Wiederverheiratete seien keine “Christen 2ter Klasse”” bekommt der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz im zugehörigen Forum den Spottnamen “Kardinal Murks” und andere Diskutanten sprechen “Wiederverheiraten” das Christ-Sein gleich vollständig ab. Es rumort also im “Bauch” der katholischen Kirche.

Man hat den Eindruck, an der Frage der Ehe sehen gewisse Kreise gleich ihr ganzes Kirchenbild in Gefahr. Mehr “Barmherzigkeit” hier ... sorge für das endgültige Zerbröseln der katholischen Lehre. Andere befürchten – und manche Umfrage gibt ihnen recht – ein weiteres Auseinanderfallen von kirchlicher Morallehre und dem “praktischen Leben der Menschen”. Hier der erratische Block der kirchlichen Lehrverkündigung, dort die Menschen, auch die Katholiken, die das kunstvolle Lehrgebilde kaum mehr zur Kenntnis nehmen und tun, was das Gewissen sagt.

Auch wenn die Sexualität im gesellschaftlichen Leben gerade in den vergangenen Jahrzehnten einen unglaublichen Bedeutungswandel erfahren hat, mit der menschlichen Urkraft “Sexualität” hat sich die Kirche seit Jahrhunderten schwer getan. Aber vermutlich ist das so falsch formuliert. Mit dieser Urkraft – und wie sie in “menschliche” Bahnen zu lenken ist – beschäftigt sich die Menschheit, ja jeder einzelne Mensch seit Jahrtausenden. Also, gemeinsam mit der gesamten Menschheit sucht die Kirche nach einem Weg, diese schwer zu bändigende Kraft in gute Bahnen zu leiten. Wohl keine andere Antriebskraft des Menschen ist so ambivalent, keine andere Kraft vermag den Menschen auch auf solche Irrwege und Perversionen zu führen.

Rund um die Sexualität gibt es zahlreiche “Verirrungen”, die auch in einer entchristlichten Gesellschaft in einem großen Konsens abgelehnt werden. Dennoch wächst die Toleranz für mancherlei Ausdrucksformen der Sexualität, die noch für unsere Eltern “tabu” waren. Die Frage bleibt also, wo liegen die Grenzen? Eine Grenze ist klar und eindeutig, manches, was sich mit Sexualität verbindet ist schlicht ein Verbrechen: Zwangsprostitution – wobei schon die aussichtslose wirtschaftliche Lage mancher Frauen das Kriterium “Zwang” erfüllen dürfte. Ich denke, dass die weitaus meisten Prostituierten nicht absolut freiwillig in diesem Beruf arbeiten. Gewalt und Vergewaltigung in der Partnerschaft, Mißbrauch von Kindern und Erwachsenen, Folter und Erniedrigung, Menschenhandel bis hin zu der grauenhaften Strategie von Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung. Aber für einen humanen Umgang mit meinem “Sexualpartner”, mit meiner und ihrer Sexualität braucht jeder Mensch Kriterien, Regeln, Sensibilität, Verständnis. Nicht alles was möglich ist und Lust bereitet (oder den Trieben “abhilft”) kann auch ausgelebt werden.

Bei ihre Suche nach Richtlinien im Umgang mit der eigenen Sexualität ist die Kirche, sind ihre Theologen und ihre Kirchenväter auf die mit der Sexualität verbundene Fruchtbarkeit gestoßen. Ob sich daraus Kriterien entwickeln lassen...? Sicherlich! “Die Liebe zwischen Frau und Mann kreist nicht in sich selbst, sie überschreite und objektiviert sich in den aus ihrer Liebe hervorgehenden Kindern.” ... Das gilbt nicht nur für den Akt der Zeugung, sondern reicht darüber hinaus.” (Aus der Rede von Walter Kardinal Kasper vor dem Kardinalskollegium). Aber es bleibt eine Spannung; wenn die Sexualität des Menschen ausschließlich auf Fruchtbarkeit ausgerichtet ist ... warum “ergreift” sie den Menschen so stark (und oft) und warum spielt sie dann für die Liebesbeziehung zweier Menschen eine so große Rolle? Dann hätte der Schöpfer doch aus ihr doch eine Kraft formen können, die den Menschen weniger packt und die leichter zu steuern ist. Wo liegt der tiefere Sinn?

Bei fast allen anderen Lebewesen auf dieser Welt gehört die Sexualität in eine bestimmte, zeitlich eng umrissene “Brunftzeit”, dient in erster Linie der Fortpflanzung. Dass sie beim Menschen noch weitere Funktionen hat und nicht so an die fruchtbaren Zeiten der Frau gebunden ist, sollte uns nachdenklich machen. Ist es nicht eine Gabe des Schöpfers, dass die Sexualität des Menschen anders ist, dass sie auch dazu dient, Liebe, Zärtlichkeit, Gefühle auszutauschen und die Bindung zwischen zwei Menschen zu stärken und das Band der Liebe spürbar zu machen? Ich glaube, es fehlt in der Kirche die rechte Sprache und die rechte Freude an der Schönheit der Sexualität. Sehr eindrucksvoll zeigte sich das vor einigen Jahren an dem Hype um den Franziskanerpater Ksawery Knotz. Er schreibt Bücher mit dem Titel „Sex und Sakrament“ und „Sex ist göttlich – die Erotik eines Katholiken“. Der Priester sagt u.a.: “Der körperliche Akt ist (…) ein Gebet, das die Liebenden in diesem Moment vor Gott sprechen – ein wirkliches Gebet vor dem Akt kann auch tatsächlich dabei helfen, die Anwesenheit von Gott noch stärker zu spüren. Ein erfülltes Liebesleben ist ein Weg, sich Gott zu nähern.“ Mal ehrlich, ich glaube bis heute sind die Bücher nicht mal bei Weltbild auf deutsch verfügbar. Wir können sicher selbst im aufgeklärten katholischen Deutschland noch was lernen. Was in der säkularen Gesellschaft (und Öffentlichkeit) zuviel davon ist, das fehlt uns in der Kirche. Wie wäre es einmal von Ksawery Knotz zu lernen und die Sache Sex und Kirche viel viel positiver rüber zu bringen.

Zumal wir als Kirche vielleicht einer zwar übersexualisierten aber dennoch manchmal eigentümlich verklemmten "Welt" durchaus auch eine positive Botschaft zu vermitteln hätten. Jahrhundertelang waren wir nicht unbeteiligt daran, die Urkräfte der menschlichen Sexualität eher zu dämonisieren, denn ins rechte Licht zu setzen. Das führte auch zu einem völlig verzerrten Blick auf die Rolle der Frau, die zur "Verführerin" stilisiert wurde. Bis heute sind Reste einer solchen Sicht im Bewußtsein der Menschen übrig geblieben. Dabei hätte man wissen können, dass Kräfte, die dämonisiert und nicht "angeschaut" werden, erst recht ihre dämonische Macht entwickeln, wie die Mißbrauchsdebatte in Kirche und Gesellschaft wieder schmerzlich vor Augen führt.

Ohne einem Priester, Mönch oder Bischof zu nahe treten zu wollen. Kann auch in der zölibatären Lebensform ein Keim für einen etwas skeptischen Blick auf die menschliche Sexualität liegen? Oft herrscht in den kirchlichen Köpfen ein eigenartig theoretisches Verständnis, ein etwas verzerrter Blick auf die Urkraft der Sexualität. Kann es sein, dass ein Bischof (manchmal) diese menschliche Kraft vor allem in Zerrbildern erfährt, beim Nachdenken über Pornografie und Sexualität, in der Auseinandersetzung über Mißbrauchsfälle in der Kirche, in den eigenen – abzuwehrenden (gerne auch zu sublimierenden – sexuellen Regungen, im Nachdenken über die immer weiter gehende Sexualisierung in Medien, Netzwerken, Werbung und im menschlichen Zusammenleben? Es wäre daher jedem, der über die menschliche Sexualität nachdenkt, mehr als zu wünschen, dass er selbst einmal Erfahrungen gelingender, liebevoller Sexualität gemacht hat. Nach katholischen Vorstellungen ist das aber für einen zölibatären Priester nur in seltenen Ausnahmefällen möglich. Theoretisches Nachdenken über Sexualität bleibt immer in gewisser Weise “defizitär”. Daher gehört auch der “Sachverstand” von verheirateten Paaren in die Diskussion hinein, ja er sollte auch für die Theologie fruchtbar gemacht werden.

Auf der anderen Seite wird in der Diskussion (beispielsweise über den Zölibat) allzu oft so getan, als ob erfülltes Leben ohne gelebte Sexualität gar nicht denkbar wäre. Auch ist die gesamte Diskussion oft von der Vorstellung dauernder sexueller “Höchstleistungen” bestimmt, die mit dem “Liebesleben” der allermeisten Paare in der Wirklichkeit eher wenig zu tun hat. Hier könnte die Kirche auch jenseits lehramtlicher Positionen hilfreiche Wege aufzeigen. Wenn es uns gelingt, eine Theologie des Leibes, vielleicht sogar eine Theologie der Sexualität zu entwickeln, die es den Christen möglich macht, den Sexualtrieb zu “zivilisieren” oder besser sogar “zu heiligen”, dann wäre das doch ein wirkliches Geschenk für die Welt. Eine Theologie, die nicht von Verzicht und Askese ausgeht, sondern von dem Geschenk, das der Schöpfer uns in der Sexualität gemacht hat.

Wenn es uns gelingt aus der Rolle des Spaßverderbers und Schlafzimmerkontrolleurs herauszukommen; wenn wir durch eine Verkündigung, die das Thema Sex vom Kopf wieder auf die Füße stellt, wieder mit den Menschen ins Gespräch kommen, dann bin ich sicher, dass viele Fragen rund um Treue, voreheliche Sexualität, Empfängnisverhütung wieder richtig gestellt werden können. Ich bin sicher, dass wir damit unseren Zeitgenossen, zumal den Christen und Katholiken unter ihnen helfen, die richtigen Antworten selbst zu finden. Sie werden auf jeden Fall umso richtiger, je mehr wir wieder – auf Augenhöhe – mit ihnen ins Gespräch kommen und mit unserer frohen Botschaft wahrgenommen werden. Auch wenn wir dann damit leben müssen, dass viele zu Antworten kommen, die nicht immer zu 100 Prozent mit der kirchlichen Morallehre deckungsgleich sind. Aber ich bin überzeugt, dass sie dann immer noch näher an der frohen Botschaft Jesu sind als dies heute – weitgehend - der Fall ist.

Donnerstag, 13. März 2014

"Geschwächte Bischöfe" oder "ein deutscher Papst"?

“Habemus Marx” posteten gestern einige Katholiken in die sozialen Netzwerke, als bekannt wurde, dass der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx der neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ist. 
Die weiter gehenden Kommentare hielten sich – interessanterweise – durchaus in der Waage. Die Einen loben Marx dafür, dass er eher konservativ sei. Die Anderen betonten, dass er in jüngster Zeit eher liberale Töne anschlug. Die neue Tagesthemen – Moderatorin Pinar Atalay vermochte ihn im abendlichen Interview nicht eine eindeutige Stellungnahme für die Teilnahme von wiederverheirateten Katholiken am “Abendmahl” festzunageln. Die Medien berichten allesamt recht positiv über den gebürtigen Westfalen, den es ins “barocke” München verschlagen hat. Die FAZ weiß zu berichten, dass die Mehrheit für Marx knapp war. “Die Weihbischöfe” hätten letztlich den Ausschlag gegeben, will Daniel Deckers wissen. Wie er das bei einer geheimen Wahl herausbekommen hat, das wird sein Geheimnis bleiben. Oder hat er einfach nur gerechnet? 63 wahlberechtigte Mitglieder, 27 Diözesanbischöfe, ah – es stimmt: wenn alle Weihbischöfe gegen ihn gestimmt hätten – wäre er es nicht geworden ;-).

Ein “deutscher” Papst sei der Vorsitzende der Bischofskonferenz natürlich nicht, betonten gestern zahlreiche Bischöfe, zuvorderst der Kardinal selbst in seiner ersten Stellungnahme. In seiner morgendlichen Predigt im Paulusdom hatte dieser zwar klar gemacht, dass er theologisch auf einer Linie mit Papst Franziskus liegt; von Auftreten und Habitus kommt der Münchener aber doch ganz anders rüber. Eher der Typ “barocker Fürstbischof”, wie manche Kommentatoren meinten, den Freuden des Lebens nicht abgeneigt, Zigarrenraucher, Gerne – Esser und Trinker (Fresser und Weinsäufer)? Bin ja mal gespannt, wann man sich mit seiner Residenz oder den Bauplänen in der Münchener Innenstadt beschäftigt. 

Nun, wir werden sehen, wie er in den nächsten Jahren der katholischen Kirche in Deutschland ein Gesicht gibt. Es ist ihm – in unser aller Interesse – viel “Erfolg” zu wünschen. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen den Beistand des Hl. Geistes, Kreativität, stets das rechte Wort und Gottes reichen Segen. 

Ein Diözesaner des Limburger Bischofs, der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach nutze die Aufmerksamkeit, die ihm die diesjährige Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe einbrachte, zu einem starken Statement, das er mit den Worten: “Gemeinschaft der Geschwächten” überschrieb. 

“Die Bischofskonferenzen, die erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschaffen worden sind, haben das Amt des katholischen Bischofs demontiert und in einer Weise zum Schrumpfen gebracht, dass von dem eigentlichen Bild, das die Kirche von dem Bischofsamt hat, nicht viel übrig gelassen hat.” Mit dieser steilen These eröffnet er das Gespräch. Ob er da wohl übersehen hat, dass die (nach einigem Vorgeplänkel) am 22. Oktober 1848 erstmals tagende "Versammlung der deutschen Bischöfe" den damaligen Kölner Erzbischof Johannes von Geissel zum Vorsitzenden wählte und dass die deutsche Bischofskonferenz mitnichten eine “Erfindung” des Konzils ist? Nachzulesen ist das in einem interessanten Papier auf: www.dbk.de/fileadmin/redaktion/bildmaterial/ueber_uns/Geschichte-Deutsche-Bischofskonferenz_Langfassung.pdf.

Das Deutschlandfunk-Gespräch erinnert sehr an Mosebachs starkes (und sicher lobenswertes) Engagement für die außerordentliche Form des röm. Ritus und gegen eine “Häresie der Formlosigkeit”. Aber nicht immer ist das II. Vaticanum “Schuld” an allen Mißständen. Im Gegenteil, hier zeigt sich, dass dieses Konzil einer schon länger in vielen Ländern “gelebten” Idee von Brüderlichkeit, Kooperation und Miteinander eine verbindliche Form gab. 

Die Herausforderungen, die mit einem solchen Zusammenschluß verbunden waren, benannten die Bischöfe schon 1867 wie folgt: Sie hielten in der Geschäftsordnung fest, dass sie in den "bischöflichen Conferenzen ... nicht den deutschen Episkopat als eine Gesamtheit" vertreten wollten. Sie beabsichtigen vielmehr, "alle zwei Jahre für die Dauer von höchstens sieben Tagen" in Fulda zusammenzukommen, um "sich persönlich kennen zu lernen", um "das Band der Liebe und der Einheit zu stärken" und "solche Verhältnisse und Maßnahmen zu besprechen und zu berathen, welche die Interessen der Religion in unserer Zeit besonders berühren".

Vom Ende des 2. Weltkrieges bis zu dem, von Mosebach als “Zeitenwende” verstandenen, 2. Vatikanischen Konzil führte wieder ein Kölner Erzbischof, Josef Kardinal Frings, die Deutsche Bischofskonferenz. 

Mosebachs erster (und im Grunde einziger) inhaltlicher Einwand gegen die Neuerung der Bischofskonferenzen ist: “Man hat die Illusion einer Nationalkirche geschaffen, die so in der katholischen Tradition überhaupt nicht vorgesehen ist. Die katholische Kirche kennt nicht die Vorstellung von Nationalkirchen. Jeder Bischof ist in seinem Bistum im Grunde Papst und steht in unmittelbarer Verantwortung, in Äquidistanz zur gesamten Kirche.”

Das ist genau der Einwand, dem die deutschen Bischöfe schon 1867 in ihrer Geschäftsordnung Rechnung trugen. Man wolle gerade nicht den “deutschen Episkopat als eine Gesamtheit” vertreten. Die Interviewerin des Deutschlandfunks, Marietta Schwarz, nennt daher die Argumentation Mosebachs auch eine “sehr intellektuelle Diskussion” und fragt den Autor, ob es nicht sinnvoll ist, dass die Bischöfe ein gemeinsames Gremium hätten. Dieser Einwurf bringt Mosebach dazu, über “Bürokratie, Apparate und Verwaltung” zu lamentieren. 

Nach Mosebachs Meinung ist auch nicht der Vorsitzende entscheidend, sondern die eigentlich machtvolle Position sei die des “Sekretärs der Bischofskonferenz”. Da kann ich Mosebachs Sorge nicht teilen, so wie Kardinal Marx auftritt, halte ich es für undenkbar, dass er sich von einem machtvollen Sekretär gängeln ließe. (Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der gerade im Amt bestätigte Pater Dr. Hans Langendörfer SJ sich selbst so sieht.)

Aber man sollte die Sorge des prominenten Frankfurter Katholiken nicht kleinreden. Zumal Mosebach nicht der Einzige ist, der sich über die rechte Gewichtung, das Gleichgewicht von Papst- und Bischofsamt, Synoden und Konferenzen, Beteiligung und Zusammenarbeit Gedanken macht.

Sicherlich gibt es die Gefahr, dass es zu einer “Schwächung” des einzelnen Bischof kommen kann. Obwohl – wen könnte er konkret meinen? Gerade wurde ein solcher (Erz-)bischof emeritiert, der Kölner Kardinal Meisner. Aber dieser ist doch das beste Beispiel, dass das sein kann – aber nicht muss. Meisner hat sich sicher nicht schwächen lassen und nie hinter Beschlüssen einer Konferenz versteckt. Heute braucht das Bischofsamt – mehr als in der Vergangenheit – eine starke und kommunikative Persönlichkeit, jemanden, der es auch auszufüllen versteht. Allein das Amt macht den Amtsträger noch nicht zum Hirten, Lehrer und Priester. 

Wenn ein Bischof sein Amt in dieser Eigenständigkeit ausübt, aber die Vorteile der gemeinsamen Beratung und des gemeinsamen Auftretens nutzt, dann kann durch eine Bischofskonferenz auch eine neue Stärke möglich sein. Nicht nur für die Bischöfe als “Kollektiv” sondern auch für den Einzelnen in der Kollegialität. 

In den letzten Jahren wurde – im Gegenteil – auch eher die mangelnde Solidarität und Absprache unter den Bischöfen bemängelt. Auch Mosebach sieht die Notwendigkeit der Kooperation der Bischöfe und die Vorteile, wenn Bischöfe miteinander sprechen und sich abstimmen. Er schlägt dafür die Synoden vor und verweist auf die bestehenden Kirchenprovinzen. Es scheint vor allem der “Apparat” zu sein, der ihm ein Dorn im Auge ist. Letztlich bleibt aber die Frage, ob sich in den Augen der kirchlichen und nichtkirchlichen Öffentlichkeit dieser Unterschied überhaupt wahrgenommen würde. Und ob eine Synode ohne eine weitere personelle Unterstützung überhaut arbeitsfähig wäre. 

Martin Mosebachs "stichhaltigstes" Argument ist ja die Frage, ob es durch die Konferenz der deutschen Bischöfe eine Art “Nationalkirche” und eine entsprechendes Bewusstsein gefördert wird, etwas, was in der römischen Weltkirche nicht vorgesehen ist. Angesichts der Entwicklung in der orthodoxen Kirche, wo es zahlreiche autokephale Nationalkirchen gibt – ist die Sorge ja auch nicht unberechtigt. Auf der anderen Seite zeigt aber die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Bischöfe (CELAM, gegründet von Papst Pius XII.) über Landesgrenzen hinweg, dass sich hilfreiche Strukturen der Kooperation auch jenseits von “Nationalkirchen” zusammenfinden können. Wichtig bleibt nur aufmerksam zu bleiben, wo sich Strukturen verfestigen, für die es keinen Sinn und keine Notwendigkeit mehr gibt. 

Gegen den Einwand seiner Gesprächspartnerin beim Deutschlandfunk, dass es doch bedeutsam ist, dass die Kirche mit einer Stimme sprechen könne lobt Martin Mosebach die Vielfalt der Stimmen auch unter den Bischöfen, die er als Reichtum begreift. Für ihn sind durchaus kontroverse Meinungen möglich und immer noch besser als ein schwacher Konsens. Die Interviewerin wendet ein, dass ein Katholik doch Orientierung braucht und ob er die denn eher bei seinem Bischof oder beim Papst in Rom suchen solle? 

Die Antwort Mosebachs ist zwar konsequent auf der Linie seiner Argumentation, aber sie überrascht denn doch: Entscheidend sei für den Einzelnen “sein Bischof. Sein Bischof ist die wichtigste Bezugsperson eines traditionellen Katholizismus. Und dieser Bischof ist heutzutage eingeklemmt in eine Fülle synodaler Gremien in seinem Bistum, die da geschaffen worden sind, und in die Bischofskonferenz, und kann sich im Grunde frei überhaupt nicht mehr bewegen.”

Ob er da ein wenig zu sehr vom Fluß seiner Argumentation gezogen wurde? In vielen Diskussion wird ja genau andersrum argumentiert. Da wird nämlich der vermutete oder bekannte Wille des Papstes immer wieder gern gegen die Meinung eines Bischofs ins Feld geführt. Konservativere Gruppen betonen gern ihre “Rom-” und “Papsttreue” gegen die als allzu liberal zugeordneten Ortsbischöfe. Mosebachs eigenem Bischof wurde in den Querelen von seinen Kritikern zunächst vorgeworfen, dass er eher so etwas wie ein “römischer Beamter” denn der Ortsbischof der Diözese Limburg sei.  

Ich möchte Mosebach deutlich widersprechen. Eine Konferenz der deutschen Bischöfe ist unverzichtbar! Wenn es die nicht schon seit über 150 Jahren gäbe – sollte man sie spätestens heute neu erfinden. In der heutigen Zeit und in der Vielgestaltigkeit und Pluralität des Denkens und Argumentierens und der Lebensentwürfe braucht es ein munteres Miteinander der Bischöfe. 

Einheit und Solidarität fallen nicht vom Himmel und sie stellen sich auch nicht automatisch ein, wenn sie nur laut genug postuliert werden. Das haben die Bischöfe schon 1867 erkannt, als sie sich auf die Fahnen schrieben, dass Ziel der Begegnungen sei: “sich persönlich kennen zu lernen", um "das Band der Liebe und der Einheit zu stärken".

Und das, obwohl die Herausforderungen damals noch nicht so groß waren. Ein Bischof - sagen wir mal im Jahre 1925 - hatte eine deutlich andere Amtsführung als ein Bischof heute. Auch war die Globalisierung noch nicht so fortgeschritten. Den Limburg - Hype hätte es unter den damaligen Bedingungen nie gegeben. Informationen bewegten sich gemächlich auf dem Postweg oder über kirchliche Zeitungen. Die Katholiken in einem Bistum blickten vor allem auf den eigenen Bischof – und auf den Papst in Rom. Beide wurden durchaus als Einheit betrachtet. 

Die heutigen Kommunikationsmittel und die sozialen Netzwerke weiten den Blick enorm. Mit einzelnen Bischöfen kann der “normale” Gläubige sogar bei facebook in Kontakt treten. Neben den eigenem Bischof werden auch die anderen Bischöfe mehr wahrgenommen, ja manche Katholiken haben sich ihren “gefühlten Diözesanbischof” im Internet (oder der Zeitung) selbst ausgesucht. Das zeigte sich nicht zuletzt auch bei Unterschriftenaktionen für Kardinal Meisner, Bischof Mixa oder Bischof Tebartz-van Elst, wo Unterzeichner aus dem gesamten Bundesgebiet (Mosebach würde sagen, der Nationalkirche) kamen. In dieser Situation braucht es soviel Miteinander wie notwendig - im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz - und soviel Eigenständigkeit wie möglich im Rahmen der bischöflichen Amtsführung in einer Diözese oder Kirchenprovinz. Daher wäre ich für das Jahr 1925 vielleicht noch geneigt Martin Mosebach zustimmen - für 2014 kann ich es nicht mehr. 

Auch das wohlfeile Lamento über den angeblichen Apparat und das Eigenleben der Verwaltung kann ich nicht recht teilen. Nach freundlicher Auskunft der Pressestelle arbeiten für die Bischofskonferenz 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedensten Bereichen. (Hier ein Organigramm). Ich denke angesichts der Mitarbeiterzahl der bischöflichen Verwaltungen ist das angemessen. Ohne diese Zuarbeit könnte der neue Vorsitzende Reinhard Kardinal Marx diese Arbeit überhaupt nicht leisten.

Und letztlich: wenn die Bischöfe selbst die Zusammenarbeit suchen und pflegen (trotz mancher von Mosebach sicher richtig benannten Risiken und Probleme) - warum sollte dann Martin Mosebach als dort Außenstehender besser wissen was gut und richtig ist als die Betroffenen selbst? 
Noch nie habe ich in den letzten Jahrzehnten einen Bischof (oder gar einen Papst) gehört, der die Sinnhaftigkeit der gemeinsamen Konferenz in Frage stellte. Wohl aber sehe ich Bischöfe, die für ihre eigenen kirchlichen und christlichen Überzeugungen auch über die Konferenz hinaus mit Wort und Tat einstehen.