Wer den Namen „David Berger“ bei
Google eintippt, der findet dort zahlreiche Fotos eines attraktiven
Herrn im Anzug, meist mit offenem blauen Hemd und Jacket. Der
„Theologe und Publizist“ präsentiert sich vor allem mit seinem
Blog „philosophia perennis“ als reichlich AfD-nah und posiert für
einen Wahlaufruf für diese Partei auch in einem innigen
Doppelportrait mit deren Frontfrau Alice Weidel. Der als Kenner der
Theologie und der Schriften des Hl. Thomas von Aquin einst schon in
jungen Jahren in konservativen und traditionalistischen Kreisen der
Kirche sehr beliebte und hofierte junge Mann hat in den vergangenen
10 Jahren ganz erstaunliche Wandlungen durchgemacht.
Über einige Jahre war er der
Herausgeber der Zeitschrift für konservative Theologie
„Theologisches“, einem Blatt, dass früher einmal monatlich
kostenlos an jeden deutschen Pfarrer geschickt wurde. Während meiner
Ausbildungszeit habe ich es meist vor dem Papierkorb meines
Ausbildungspfarrers gerettet und mit Interesse gelesen.
Berger ist etwas jünger als ich und
begann – wie ich – 1991 seine theologische Ausbildung. Ende März
2010 legte er mit einer Erklärung seine Herausgeberschaft für die
Zeitschrift „Theologisches“ nieder und kam damit seinem Rauswurf
zuvor. Gleichzeitig outete er sich als homosexuell und in einer
langjährigen Partnerschaft mit einem Mann lebend. Zuvor hatte er
eine glänzende Karriere mit Dissertation, Habilitation und Aufnahme
in wissenschaftliche Institutionen hingelegt, die ihm auch eine
Aufgabe als „Lektor der Päpstlichen Kongregation für die
Glaubenslehre“ einbrachten. Im November 2010 brachte er ein Buch
auf den Markt, in dem er über sein Leben als schwuler Theologe in
der katholischen Kirche berichtete. Diesem Buch gab er den Titel „Der
heilige Schein“ und zog zu dessen Vermarktung alle medialen
Register.
So spekulierte er über homosexuelle
Neigungen des Papstes und weiterer Kirchenmänner und teilte mit,
dass nach seinem fachkundigen Urteil zwischen der Hälfte und zwei
Dritteln aller katholischen Priester homosexuelle Tendenzen hätten.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner
entzog Berger 2011 die Lehrerlaubnis, worauf dieser nicht mehr als
Lehrer an einem Kölner Gymnasium unterrichten konnte. Er wechselte
daraufhin in das Berufsfeld des Publizisten und schrieb
kirchenkritische Texte und übernahm die Redaktion eines Magazins für
homosexuelle Männer. In dieser Zeit engagierte er sich stark gegen
die anonyme, reaktionär-vulgärkatholische Website kreuz.net, die
schließlich abgeschaltet wurde. Berger trat in dieser Zeit auch
offiziell aus der Kirche aus.
Nach und nach kam seine konservative
Grundhaltung wieder durch, so dass man sich 2015 von Berger trennte
und das „Männer“-Magazin wenig später einstellte.
Alles diese Vorgänge waren durchaus
Schlagzeilenträchtig. Schon 2015 warf man Berger vermehrt
„Rechtspopulismus“ vor, ein Vorwurf, dessen Berechtigung der
Theologe und Publizist inzwischen mit seinem Blog tagtäglich unter
Beweis stellt, obwohl er in seine Biografie noch eine einjährige
Episode als CDU – Mitglied einfügen konnte, die aber spätestens
mit seiner Wahlempfehlung für die AfD im Herbst 2017 zu Ende ging.
Ich hatte mich bisher immer geweigert,
einen Blick in Bergers Buch zu werfen. Da dieser Autor mir aber im
Netz immer wieder begegnet und mehr und mehr in rechtspopulistischen
Kreisen gehypt bzw. inzwischen auch wieder in konservativen
Kirchenkreisen gelesen wird, habe ich mir kürzlich doch die Mühe
gemacht, Bergers Buch zu lesen. Was mir leicht fiel, da es inzwischen
für rund 50 ct. in den Antiquariaten verfügbar (und als Taschenbuch
schon für 5,49 € zu haben ist).
Mir war Berger schon nach seiner etwas
übergriffigen Kritik an den Theologen Rahner und Hans Urs von
Balthasar suspekt und sein Name blieb daher durchgängig für mich
ein „rotes Tuch“. Für ihn gilt in meinem Empfinden der alte
Spruch: „Der Niederrheiner ist nicht nachtragend, aber er vergißt
auch nichts.“ Leider sind viele der Theologen, die nach wie vor in
Benedikt XVI., ihren geistlichen und geistigen Vater sehen, im Blick
auf Berger heute alles Andere als Niederrheiner.
Wie auch immer, die Lektüre des Buches
„Der heilige Schein“ ist durchaus erhellend. Ich habe nicht
bereut, den Band gelesen zu haben. Bei einer oberflächlichen
Lektüre, erscheint es geradezu so, als wolle Berger die Analyse der
Autorin Liane Bednarz in ihrem Buch „Der heilige Schein“
vorwegnehmen. So verwendet er mehrfach den später eher Bednarz
zugeschriebenen Begriff der „Rechtskatholiken“ und sieht noch
weit stärkere und tiefergehende inhaltliche und personelle
Verflechtungen des konservativ-katholisch-traditionalistischen
Milieus mit rechtsextremen Kreisen im In- und Ausland. Hier
beschreibt Berger auch ausdrücklich Verbindungen zur NPD (die AfD
gab es damals ja noch nicht) und er tut dies aus intimer
Milieukenntnis.
Der Klappentext des Buches gibt zwei
Rezensionen wieder. In der ZEIT stand offenbar „Dieses Buch gehört
zum Unglaublichsten, was derzeit über die katholische Kirche zu
lesen ist.“ Im Tages-Anzeiger wurde geurteilt: „Der heilige
Schein trifft den Nerv der Kleriker-Kirche und des
Ratzinger-Pontifikats.“ Diesem Urteil möchte ich mich nicht
anschließen. Das Buch beleuchtet einen sehr kleinen, wenn auch
aktiven und sicher einflussreichen Teil der Kirche. Es zeigt, dass
und wie finanzkräftige konservative Personen Einfluss auf den Kurs
von Kirche und Theologie zu nehmen versuchen. Hier beschreibt der
Autor seine Verbindungen in diese Welt konservativer und teils
adeliger Akteure, deren Verbindungen untereinander und bis hinein in
den Vatikan. Was er hier berichtet, erscheint mir durchaus zutreffend
und interessant, wenngleich es im Grunde auch schon wieder Geschichte
ist. Viele Protagonisten sind inzwischen verstorben, sie wirken nun
nur noch über ihre Nachlässe in der Finanzierung gewisser
Initiativen nach.
Über „die Kirche“ sagt das Buch
allerdings nur wenig aus. Die ist ja nach wie vor von den normalen
Pfarrgemeinden und den Ordensgemeinschaften geprägt. Das von Berger
beschriebene erzkonservative Milieu spielt hier nur am Rande eine
Rolle, allenfalls dann, wenn ein Pfarrer aus diesem Umfeld in einer
Gemeinde eingesetzt ist und entsprechende Initiativen startet. So
käme ich in unserer Gemeinde vielleicht mal auf drei oder vier
Personen, die ich dem traditionalistischen Milieu zurechnen würde
und wohl kaum ein Promille der Gemeindemitglieder hätte vor 2010
eine halbwegs konkrete Vorstellung haben können, wer dieser Dr.
habil. David Berger überhaupt ist.
Wie bei Liane Bednarz fragt man sich
auch bei Berger immer wieder, wo die „rote Linie“ zu ziehen wäre
zwischen Papst- und Kirchentreuer-katholischer Theologie und
legitimen konservativen Überzeugungen und reaktionären
Übertreibungen und menschenverachtenden Machtspielen.
Der Titel der Buches „Der heilige
Schein“, spielt auf Bergers Beobachtung an, dass er – nach seiner
Auffassung relativ offen - schwul war und mit seinem Lebenspartner
zusammenlebte, den er als „Cousin“ auch beständig in seinem
Umfeld hatte. Dies sei von der Kirche geflissentlich so lange
ignoriert worden, wie der „Schein“ gewahrt blieb, wo nicht offen
die Homosexualität zum Thema gemacht wurde. Dies sei überhaupt ein
typisches Kennzeichen einer weit verbreiteten „Scheinheiligkeit“
in der Kirche, für die er noch andere „Belege“ präsentiert.
Über Bergers Analyse und Deutungen
wird man sicher streiten können. Sie erscheinen aber teilweise
reichlich konstruiert und vom Bemühen um Selbstrechtfertigung
getragen. Im Grunde ist „Der heilige Schein“ ein eher
autobiografisches Buch, das wenig über die katholische Kirche als
sehr vielschichtige Organisation, immerhin aber etwas über das
konservativ-traditionalistische Milieu und letzlich recht viel über
die Persönlichkeit David Bergers offenbart. So spürt man durchaus,
dass er seine eher konservative Grundhaltung letzlich nicht in Frage
stellt. Seine Hinwendung an das eher liberale Kirchenmilieu erscheint
unter dem Druck seiner theologischen Gegner und der Kritiker seiner
privaten Lebensführung aus eben diesem Umfeld.
Er schildert sich selbst als
theologisch „Verführten“, der durch die Leute um sich herum über
die „roten Linien“ hinaus gedrängt wurde. Er schildert auch
seinen Kampf gegen besonders extreme theologische Positionen und
gegen Antisemitismus, obskure Glaubensformen und Gruppen und manches
mehr. Man spürt jedoch, dass er sich in einem, teils von extremen
Überzeugungen geprägten Umfeld und Unterstützerkreis um einen
theologisch verantworteten Weg mit Maß und Mitte bemüht.
Interessanterweise bezieht er schon
damals Stellung gegen eine positive Haltung gegenüber den Muslimen,
die offenbar vor 10 Jahren noch in der konservativ-katholischen Szene
verankert war, weil man im Islam einen Partner gegen die weitere
Auflösung von Moral und Sittlichkeit erkannte. Das würde heute
vermutlich nicht mehr so vertreten werden, aber David Berger hat
seine Position hier inzwischen auf seinem aktuellen Blog noch
deutlich zugespitzt.
Insoweit ist Berger inzwischen einen
aufschlußreichen Weg gegangen. Seine Themen haben sich aus dem
Bereich des Theologischen stark in die Welt der Politik und
Gesellschaft verlagert. Man kann sicher sagen, dass er sich
radikalisiert hat. Das, was ihm in seinem theologischen Wirken
offenbar wichtig war – scheint inzwischen vergessen. David Berger
ist mit seinem Blog bestimmt kein Vertreter von Maß und Mitte mehr.
Originellerweise nennt er ihn –
anknüpfend an seine früheren Orientierungen – gerade auch an
Thomas von Aquin - auf lateinisch: „Philosophie perennis“ und
will sich damit die Orientierung an zeitlosen, immergültigen,
kulturübergreifenden Prinzipien zur Leitlinie machen. Diesem
Anspruch wird er aber keineswegs mehr gerecht.
David Berger war einmal ein aufgehender
Stern am Theologenhimmel, mit dem konservative Theologen einige
Hoffnungen verbanden. Aber er war auch jemand, der sich nicht einfach
vor den Karren spannen ließ, sondern durchaus eigenständige Wege
ging. Es wäre (auch ihm) sehr zu wünschen, dass er einmal –
altersweise und altersmilde – zu seinen Wurzeln zurückkehren möge.
Hoffentlich dauert es nicht mehr allzu lange.
Er gibt mit seinem Buch „Der heilige
Schein“ tiefe Einblicke, welche Folgen es haben kann, dass die
Kirche und ihre Theologie noch immer ein gebrochenes Verhältnis zur
Homosexualität und zu homosexuellen Menschen hat. Besonders zeigen
sich diese Brüche unter denen, die doch eigentlich der kirchlichen
Lehre zu 100 Prozent folgen möchten und den selbst gesetzten
Ansprüchen nicht gerecht zu werden vermögen. Das Ergebnis ist
keineswegs glänzend, nicht überzeugend und noch weniger anziehend.
Mich hat er nicht überzeugt mit der
Idee, dass die Homosexualität (und andere moralische „Verfehlungen“)
von Kirchenleuten systematisch ausgenutzt werden, um die kleinen
Rädchen im Getriebe gefügig zu machen. Auch wenn er solche
persönlichen Erfahrungen schildert. Dennoch darf man auch sein Buch
getrost als Gewissenserforschung lesen. Im Beichspiegel trifft mich
auch nicht jede einzelne Frage. Aber wo sie mich trifft, da sollte
ich nicht schnell weiter blättern, sondern genauer hinschauen. Daher
wäre Bergers Buch auch den kirchlichen Verantwortungsträgern
empfohlen, um hier die notwendigen Hinweise zwischen den Zeilen zu
lesen.
Wenn sich die Heiligkeit der Kirche zu
einem heiligen Schein entwickelt, dann fehlt nur wenig, dass sich
ihre Scheinheiligkeit offenbart. Daher ist es so wichtig, dass sich
die Kirche nicht nur an der philosophia perennis orientiert, sondern
wirkliche Antworten findet, die sich in Bibel und Tradition verankert
wissen, aber auch im Leben der Menschen hilfreich sind, weil sie ihre
Erfahrungen, Kämpfe, Sorgen und ihr Versagen mit berücksichtigen.
Der Weg, den die Kirche weisen will, er muss gangbar sein. Ein jeder
Mensch trägt seine eigene, individuelle Last. Jesus sagt dazu:
„Nehmt euer Kreuz auf euch und folgt mir nach.“ Das ist Kirche!
Und: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich
will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn
ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden
für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Das putzige Bild von David Berger mit Alice Weidel findet sich hier:
https://philosophia-perennis.com/2017/09/14/david-berger-afd/
https://philosophia-perennis.com/2017/09/14/david-berger-afd/
David Berger war 2013 schon einmal Thema in diesem Blog:
http://kreuzzeichen.blogspot.de/2013/02/wie-macht-man-in-der-kirche-karriere.html
http://kreuzzeichen.blogspot.de/2013/02/wie-macht-man-in-der-kirche-karriere.html