Donnerstag, 7. November 2019

Was für ein Glanz in unserer Hütte: Ein Kardinal und eine Fürstin im Pott!

Ja wirklich - im Pott - in Wattenscheid!

Kardinal Müller kommt ja aktuell in der kirchlichen Landschaft meiner Heimat gar nicht gut weg. Als ich gestern einen Gesprächsabend mit dem Kardinal und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis besuchte, war eine der ersten Fragen des Herrn, der sich zu mir setzte: „Warum sind Sie denn hier? Sind Sie eher ein Fan oder ein Gegner?“
Spannend! Ich habe mal geantwortet „Weder noch, und ich würde mir gern selbst ein Bild machen. Im Grunde mag ich ihn.“ Die Frage ging mir im Laufe des Abends noch etwas nach. 

Warum mag ich eigentlich Kardinal Müller? Ich kann nichts dagegen tun, er ist mir einfach sympathisch. Es mag (auch) daran liegen, dass er mich in einigen Merkmalen seines markanten Gesichts und auch im Auftreten an meinen sehr früh verstorbenen Vater erinnert. Ich war ihm schon einmal begegnet bei der Einführung des neuen Kölner Erzbischofs unmittelbar nach meiner Krebserkrankung und erinnerte mich dankbar an das geistliche Wort, mit dem er unsere Nikolausaktion bereichert hatte. Damals hatte mich - zu meinem leichten Erschrecken - die Glaubenskongregation in Rom an meinem Arbeitsplatz angerufen. ;-).

Dass Kardinal Müller heftig umstritten ist, zeigte die Reaktion einiger örtlicher katholischer Akteure auf die Tatsache, dass die Kirchengemeinde in Bochum Wattenscheid die Nutzung der Kirche für die Veranstaltung plötzlich nicht mehr zulassen wollte. Begründet wurde das offiziell mit der Tatsache, dass hierfür 15 Euro Eintritt genommen wurden und man dies irgendwie zu kommerziell fand. Doch dann tönten Vertreter von Maria 2.0 und des Katholikenausschusses der Stadt plötzlich: Kardinal Müller sei wegen seiner erzkonservative Ansichten „nicht willkommen“ und man habe sowieso Protestaktionen geplant. 

Aber davon war gestern abend weder etwas zu hören noch zu sehen. Weder hielten irgendwelche Leute Transparente hoch, noch erhob sich lautstarke Widerrede und keine FEMEN-Vertreterin entblößte sich im Saal. Einige Damen sprachen zwar durchaus kirchen-kritisch (aber leise) miteinander, waren aber offenbar gekommen, um sich einfach selbst einen Eindruck zu verschaffen.  Insgesamt waren aber wirklich vor allem „Fans“ gekommen, Vertreter der Jugend 2000, katholische Blogger, ein Pater der Petrusbruderschaft und der Hamborner Prämonstratenser (den hätte ich mitnehmen können), Priester und engagierte Laien, u.a. so exponierte Persönlichkeiten wie Michael Hesemann und Peter Winnemöller. 

Ein Sturm im Wasserglas? Einige katholische Lautsprecher, die die Gunst der Stunde nutzten? Wie auch immer, dem Vortrag des Kardinals wohnte auch der Ortspfarrer bei und man sah ihn später im freundlichen Austausch mit dem Oberhirten und auch Bischof Overbeck hatte sich am Nachmittag mit seinem Mitbruder im bischöflichen Amt zum Kaffee getroffen. 

Mir fehlt für derlei Boykott-Aktionen jegliches Verständnis. Gerhard Ludwig Kardinal Müller ist ein profilierter Kirchenführer, der der Kirche als Priester, Bischof, Professor, Präfekt der Glaubenskongregation und als Kardinal engagiert gedient hat. Sein Einziges „Manko“ sind klare und eindeutige Meinungen, die einigen Beobachtern offenbar zu „konservativ“ vorkommen.

Konservativ? Ich habe das ganzen Gespräch gestern mit Neugierde und Interesse verfolgt. Ich würde seiner Sicht der Dinge, der Kirche und der katholischen Welt nicht in jedem Aspekt folgen wollen, aber ich hatte an keiner Stelle wirklich Lust zum Widerspruch und fühlte mich niemals gehemmt ihm freundlich Applaus zu spenden. 

Ich würde den Müller-Kritikern durchaus gern zurufen: „So schlimm war es/er gar nicht.“

Und jetzt, wo ich gerade das Interview lese, das Erzbischof Vigano (ja, der in letzter Zeit ständig mit Wortmeldungen gegen Papst und Kurie auf dem Markt ist und der sich vor lauter Angst vor den mörderischen Schergen von Papst Franziskus irgendwo an einem geheimen Ort versteckt), dann empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit für Kardinäle wie Gerhard Ludwig Müller. 

Zumal, wenn dieser – wie ich am Rande der Veranstaltung hörte – seinen Besuch in NRW (ganz ohne Medienrummel) mit einer schlichten Messe für die Inhaftierten in einem Knast begonnen hatte.

Vigano dagegen rief aus seinem Versteck heraus dazu auf, die Peterskirche erneut zu weihen, angesichts dessen, was er als „entsetzliche götzendienerische Entweihungen“ bezeichnet. Was das gewesen sein soll? Er mein allen Ernstes die Übergabe einer grünenden Pflanze durch einen Vertreter der indigenen Völker während des Abschlussgottesdienstes  der Synode im Petersdom und die schon hinlänglich rauf und runterdiskutierte Figur einer werdenden Mutter, die ein bekennender Lebensschützer und Anhänger des katholischen Tradi-Milieus in den Tiber gestoßen hatte. 

Was für eine Freude, dagegen die abgewogenen und dennoch klaren Worte des deutsche Kardinals in der Lohnhalle der ehemaligen Zeche Holland in Wattenscheid zu hören, die er – durchaus wertschätzend – z.B. für die Theologie der Befreiung fand. 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Besucher aus dem Tradi – Milieu mit dem Abend restlos zufrieden waren. Zumal ja auch mancher im Vorfeld deutlich an die harte Haltung des Regensburger Bischofs gegenüber der Piusbruderschaft erinnert hatte. Interessant auch, dass die Fürstin den meisten Applaus bekam, als sie forderte, dass Frauen auf ihre Plätze in der Kirche zurückkehren mögen um den Männern den Raum gewähren, der diesen zustünde. Insbesondere natürlich im priesterlichen Amt! Der Applaus für Kardinal Müller war dagegen meist freundlich aber nicht enthusiastisch.

Zunächst ging es im Gespräch auf einer kleinen Bühne um den Brief des Hl. Vaters an die Katholiken in Deutschland und das darin so deutlich betonte Thema der Evangelisierung.
Die Suche nach Glück sei ja eine Triebfeder des Menschen. Das absolute Glück sei die Gemeinschaft mit Gott in der Ausrichtung des Lebens auf Christus hin. Weiter ging es um die sog.„Kirche der Armen“, wobei der Kardinal zunächst deutlich machte, dass es keine Trennung zwischen einer Kirche im Wohlstand und einer Kirche der Armen geben könne. Anhand der Geschichte seiner eigenen Familie schilderte er die schwierige Situation der Arbeiter in der Zeit seines Aufwachsens nach dem Krieg. Auch legte er dar, dass die Menschen in Südamerika in erster Linie schlicht unsere Schwestern und Brüder seien, denen wir auf Augenhöhe begegnen sollten. Er ergänzte das mit konkreten Erfahrungen aus 15 Jahren seiner Mitarbeit in Lateinamerika. Auch wenn wir als Kirche den Blick auf das ewige Leben richteten, so müssten wir uns doch dafür einsetzen, dass die Armen mit Würde leben könnten. Armut sei ein weiter Begriff  mit einer geistlichen Dimension, was ein Blick in die Seligpreisungen zeige. Wir müssten als Christen bereit sein, freiwillig mit den Brüdern und Schwestern zu teilen. 

Später ging es in dem Gespräch noch um die Amazonassynode und die Frage, ob man dabei nicht aus einem zu großen Abstand auf die Völker am Amazonas (herab)geschaut habe. Selbstverständlich könnten auch die Menschen aus diesen Stämmen dasselbe geistige Niveau erreichen wie die Menschen im Westen. An Fähigkeiten und Begabungen fehle es nicht. Und sie hätten ein Anrecht auf Bildung und gute medizinische Versorgung. Man könne sich nicht an der Zeit der alten Inkas orientieren und diesen Menschen eine gute Entwicklung vorenthalten. 

Mehrfach betonte er im Laufe des Abends, wie sehr die Liturgie, die Verkündigung und die Caritas zusammen gehörten. Die Caritas brauche die Einbindung in die Martyria und Liturgie, denn auch in der Caritas sei es doch das Hauptmotiv, dass wir im Gesicht des anderen Menschen das Gesicht Christi sähen. Die Diakonie sei Ausdruck der Sakramentalität der Kirche. Das Caritative dürfe nicht zugunsten einer Konzentration auf die Liturgie vernachlässigt werden. Hier solle man die Texte des 2. Vatikanums vertieft studieren, u.a. Verbum Dei, Lumen Gentium. Dann würden auch die ganzen Polarisierungen weniger werden. Wer der erste sein will, der soll doch der Diener aller sein. Das sei eine christliche Grundhaltung.

Christen setzten sich für eine integrale Entwicklung ein, wo man das Geistliche und das Materielle in eins sehe. Richtig verstandene Befreiungstheologie sei ja geradezu die Zurückweisung des Marxismus, weil die Kirche die Menschen eben nicht aufs Jenseits vertröste sondern sich schon im Diesseits für diese einsetze. In Christus würden die Orientierung auf Gott und die auf die Welt in eins fallen. Seelsorge könne man nicht von Liturgie und Diakonie trennen.

Natürlich wurde der Kardinal auch nach seiner Freundschaft mit Gustavo Gutierrez befragt. Die Befreiungstheologie sei die Anwendung von „Gaudium et spes“, Gottorientierung und Weltverantwortung gehörten zusammen. Johannes Paul II. habe trotz seiner Erfahrung mit dem real existierenden Marxismus deutlich gemacht, dass die Befreiungstheologie notwenig sei und habe bekanntlich ja „einige Aspekte der Befreiungstheologie“ kritisiert. Kardinal Müller erwähnte den Dreischritt „Sehen-Urteilen-Handeln“ und kritisierte die Beschränkung der Analyse auf soziologische Aspekte durch einige Befreiungstheologen. Er selbst habe mit Gutierrez drei Bücher veröffentlicht und diese Kritik auch mit diesem diskutiert und diese habe diese analytischen Schwächen auch durchaus gesehen. 

Wichtiger als die Fachtheologie sei die Antwort auf die Frage, wie der Glaube entstehe. Der Glaube entstehe im Hören auf Gottes Wort, im Hören auch auf die Traditionen der Kirche.

Sehr interessant war ein kurzer Bericht über eine zuvor stattgefundene Begegnung im Landtag NRW mit Vertretern aller Parteien, die sehr wohlmeinend gewesen seien, einige davon sogar kirchlich engagiert. Sie hätten gefragt: „Was können wir tun, dass die Kirche wieder glaubwürdiger wird“ Das sei zwar eine interessante Frage, nur falsch gestellt. „Der Glaube ist aus sich heraus glaubwürdig.“ „Christus ist glaubwürdig“ Nur wir könnten uns manchmal vor das Licht stellen, das Licht verstellen und den Glauben anderer erschweren. Aber wir müssten nicht den Glauben (wieder) glaubwürdig machen. Eltern, Priester, Religionslehrer, Jugendleiter, jeder Christ sei Mittler des Glaubens. Aber wir stünden dabei nicht zwischen Christus und dem Menschen. Wenn man die Liturgie richtig verstünde kann sie auch nie langweilig sein. Schließlich ginge es in den Sakramenten um eine Christusbegegnung. Es komme darauf an, diese auch als solche erfahrbar zu machen. „Christus ist es, der die Gnade wirkt.“

Wir müssten gute Instrumente sein. Zeugen des Glaubens! Die Kirche sei kein Unternehmen und brauche keine Unternehmensberatungen (höchstens für das Ordinariat als Verwaltung). Gott sei der Berater des Unternehmens Kirche. Das „Herz der Theologie“ muss die Liebe zu Gott sein. Ohne die Liebe wäre alle menschlich-theologische Erkenntnis nichts. 

„Mich musste man nicht wie einen Hund in die Kirche tragen. Meine Eltern haben da mit mir überhaupt keine Mühe gehabt.“

Vielfach verwies der Kardinal auf den evangelischen Theologen Bonhoeffer. So habe die Theologie dem Glauben der Christen und der Gemeinschaft zu dienen. Der Glaube sei ja auch nicht etwas Unvernünftiges. Der Glaube gehe über die menschliche Vernunft hinaus. So sei es vernünftiger im Licht der Offenbarung an Gott zu glauben als gar nicht an Gott zu glauben. 

„Kirche ist nur Kirche, wenn sie Kirche für Andere ist.“ Christus habe als Mensch für Andere gelebt, sein Leben gegeben, darin drücke sich das Wesen der Kirche aus. Kardinal Müller war als Bischof von Regensburg ja Vorsitzender der Ökumenekommission der Bischofskonferenz. Leider gerieten die gemeinsamen Grundlagen im Gottesglauben und die Christuszentriertheit heute eher aus dem Focus. Über dieses in der Tiefe Verbindende müsse man wieder stärker sprechen. 

Es müsse „ein Feuer in einem Theogieprofessor sein“. Es gehe nicht nur darum den Stoff darzubieten. Der Theologieprofessor solle ein guter Apostel des Herrn sein, er müsse seine Studenten lieben und ihnen bei der Suche nach der Wahrheit helfen. Theologie müsse „christozentrisch“ sein. Wir bräuchten wieder mehr „knieende Theologie“, die „Liebe zu Gott sei die Herzmitte der Theologie“. 

Auf die Frage, ob es in Deutschland bereits eine Kirchenspaltung gebe, legte der Kardinal ein engagiertes Bekenntnis zur Einheit der Kirche ab. Niemandem sei es erlaubt, mit der Einheit der Kirche zu spielen. Es gäbe natürlich Basisüberzeugungen, die nicht in Frage zu stellen seien. Darunter die Erkenntnis der Göttlichkeit Jesus Christi (Nizäa) oder die Siebenzahl der Sakramente. „Wir können nicht Pluralität zulassen im Sinne von Häresie.“ Da könne es keine Kompromisse geben. Auch wenn wir heute anerkennen würden, dass die Reformatoren ursprünglich eine innere Reform der Kirche wollten; als Luther die Siebenzahl der Sakramente geleugnet habe, da wäre ein „point of no return“ erreicht worden, das hätte den Bruch vollzogen. Doch heute entdecke die evangelische Theologie durchaus die Gottgegebenheit der Sakramente wieder neu und wir kämen uns an mancher Stelle näher. Jeder Katholik trüge Verantwortung dafür, eine Spaltung nicht herbeizureden und Brüche nicht zu vertiefen. Jeder müsse sich an die Brust schlagen und fragen: „Habe ich vielleicht etwas zu dieser spannungsreichen Situation beigetragen?“ 

In vielen Diskussionen heute gäbe es zu wenig Kenntnis darüber, was die Kirche wirklich lehre. Dies mache manche Diskussionen heute schwierig. Gott meine es ja gut mit den Menschen. Die 10 Gebote seien auch keine Last und kein zeitbedingter Ausdruck des Glaubens der alten Israeliten sondern der Ausdruck des Hl. Willens Gottes.

Heiterkeit kam auf bei seiner Bemerkung, wer entschlossen den Weg der Nachfolge Jesus Christi ginge, dem ginge es innerlich gut. Der bräuchte nicht zu Drogen zu greifen. „Dann reichen mir ein, zwei Gläschen Rotwein nach getaner Arbeit.“

Die Unauflöslichkeit der Ehe sei eine Gnadengabe. Ganzhingabe an einen anderen Menschen sei möglich. Wenn Christus sich ganz hingegeben habe, dann könne auch der Mensch beharrlich bleiben. Die „Freude in Gott“ helfe uns, den einmal eingeschlagenen Weg mit Christus zu vollenden. Die Ehe sei – wie auch das Priestertum ja keine „Unterhaltungsveranstaltung“. „Christus und der Hl. Geist helfen uns über Langeweile und Frust hinweg.“

Rückblickend auf das Gespräch muss ich sagen, dass ich manche gute Impulse gehört habe. Und ich sehe in den Worten des Kardinals keine „Aufreger“ und würde mir wünschen, dass in der Kirche häufiger auf diesem sprachlichen und inhaltlich-theologischen Niveau gesprochen würde. Ich empfand den Kardinal als nachdenklich und tiefgründig. Anders als in mancher Wortmeldung von ihm, die in den letzten Monaten durch die Dialogforen gejagt wurden. Da teile ich die Sorge einiger Beobachter, dass er sein theologische Renommee mit mancher zugespitzten Formulierung verspielt. Ich habe an ihm immer bewundert, dass er in seinen Überzeugungen weder durch Lob noch durch Tadel zu erschüttern war, was eine Nachdenklichkeit und die Bereitschaft auch Dinge zu überdenken, nicht ausschließt. Aber er war nie ein Fähnchen in Winde. Ich hoffe, dass er diesem Stil treu bleibt und sich auch in Zukunft nicht vor irgendeinen Karren spannen läßt. Und schon gar nicht in eine Gegnerschaft zu Papst Franziskus. Auch wenn wir als Katholiken nicht jedes Wort und jede Handlung des Papstes bejubeln müssen und auch ab und an Kritik angebracht ist. So sollte doch ein Bischof oder gar Kardinal nie den Eindruck vermitteln irgendwie gegen ihn zu agieren. Derlei Signale werden auch durch blumige Worte nicht abgemildert. 

Wir brauchen heute wirkliche Brückenbauer und Kardinal Gerhard Ludwig Müller hätte das Zeug dazu. Auch wenn er aktuell keine offizielle Funktion in der Kurie mehr bekleidet könnte er die neue Freiheit nutzen, um Menschen mit unterschiedlicher Position miteinander wieder neu ins Gespräch zu bringen. Vielleicht sollte man ihn als Teilnehmer zum synodalen Weg einladen, das wäre doch einmal ein wirklich mutiger Schritt.

Zum Abschluss vielleicht noch eine Einschätzung, die der Ehrlichkeit willen nicht verschwiegen werden soll. Das Format des Abendgesprächs hat mir nicht wirklich gefallen. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis als „Sidekick“ des römischen Kardinals nur hin und wieder zu Fragen der Erziehung und ihrer Lebenserfahrung als Mutter zu befragen war mir irgendwie zu wenig. Das, was sie hierzu sagen konnte, hätte auch eine fromme Dame aus der Gemeindecaritas sagen können. Auch ihre Schilderung der Stärken des Katholizismus in Afrika blieb etwas blass rund um Stichworte wie: Junge Kirche, Volksfrömmigkeit und Hexenglauben. Originell und unterhaltsam vorgetragen war ihre Haltung, dass Frauen fast alles besser können als Männer, aber ihnen aus dieser Stärke heraus den Raum für Engagement lassen sollten. Sie sei so emanzipiert, dass sie wisse, wo ihr Platz sei. Sie sei auch nicht weniger wert, wenn sie nicht alles mache, was die Männer machten. Anhand der Dressurreiterei erklärte sie augenzwinkernd ihre Sicht auf das Mit- und Zueinander von Männern und Frauen in Kirche und Welt. Jungs wollten nach Ihrer Wahrnehmung nicht mehr ministrieren, weil da zu viele Mädchen seien. (Diese These würde ich glatt bestreiten, in der Regel ist auch das Gegenteil wahr.) Humorvolle und starke Sprüche, ja! 

Am Beeindruckendsten fand ich die freundliche und zugewandte Art, wie sie mit den Besuchern des Abends umging, auch nach der Veranstaltung. Zusätzlichen Erkenntnisgewinn brachte das nicht, sie stand sehr im Schatten des Kardinals. 

Auch entstand durch das Format, bei dem sehr fein ausformulierte Fragen gestellt wurden, nur ganz selten so etwas wie ein direkter Dialog zwischen Fürstin und „Kirchenfürst“. Regina Einig stellte sicher sehr gut durchdachte und zugespitzte Fragen, auf die sich Gerhard Ludwig Müller aber nicht immer einließ. Seine Art zu antworten brach meist die Zuspitzung der Frage auf. 

Warum hat man der Fürstin nicht freie Hand gegeben und ganz auf eine Moderation verzichtet? Sie hat doch mehrfach bewiesen – im Fernsehen und auch mit einschlägigen Gesprächsbänden, dass sie interessante Gespräche zu führen weiß. Hier war die Moderation eher eine Bremse.

Spannend hätte ich es auch gefunden, den Kardinal gemeinsam mit einem alten, erfahrenen Pastor zu befragen oder ihm vielleicht jemanden wie meine treu-katholische Oma zur Seite zu stellen. Oder warum nicht einen ganz normalen Pastoralreferenten wie meinen Nachbarn im Auditorium des gestrigen Abends. Ich glaube, das wäre ein durchaus lohnendes Experiment für eine zukünftige Veranstaltung. Ich biete mich im Übrigen gerne an, wenn der Kardinal ein solches Gespräch am Niederrhein führen möchte, ich sorge für einen Raum und gerne auch für eine Kirche, in der er mit uns Eucharistie feiern kann, Mitte und Höhepunkt unseres Glaubens.

Durch den Wechsel von einer Kirche in einen Veranstaltungsraum hat das Gespräch meiner Wahrnehmung nach deutlich gewonnen. Es war so viel unmittelbarer und sicher auch bequemer. Und der Saal war gut gewählt, ein Raum mit Atmosphäre. Daher hätte man der Veranstaltung sicher mehr als die erschienenen rund 100 Gäste gewünscht. Was auch die Frage der Finanzierung in einem anderen Licht erscheinen lässt. Wenn durch Eintrittsgelder so 1.500 Euro (idealerweise) zusammengekommen sein sollten und man Raummiete und Referentenkosten kalkuliert, kann der Veranstalter damit sicher keinen Profit gemacht haben. Eher im Gegenteil. Daher auch ihm einen herzlichen Dank für seinen Einsatz.

Sonntag, 3. November 2019

Rom ganz unten - auf den Spuren des Petrus und Paulus

Dienstag

Als ich vor einigen Tagen den ersten Teil des Rom-Berichts geschrieben habe, konnte ich noch nicht ahnen, dass die überflüssige Diskussion um die „Pachamama“ - Figürchen noch in dieser Weise weiter getrieben werden würde. Offenbar halten es weite Kreise der katholisch-konservativen Schwestern und Brüder für denkbar, dass Bischöfe (sic!) aus der Region und sogar der Hl. Vater höchstselbst vom dreifaltigen Gott abfallen und fürderhin pan- und polytheistischen Irrlehren folgen. Armin Schwibach twitterte – nun mit Bezug auf die Ergebnisse der Synode: man wisse „gar nicht, wo der Pantheismus aufhört und der Polytheismus anfängt. Heidnisch ist, wie dem auch sei, alles...“ und die Piusbruderschaft ließ wissen, die Synode sei ein „Schauplatz abscheulicher Veranstaltungen“ gewesen. 

Man fragt sich: drehen jetzt alle durch? Kann man das nicht mit weniger „Schaum vor dem Mund“ betrachten? Es geht um ein schlichtes Holzfigürchen... Das viel kritisierte „Ritual“ in den vatikanischen Gärten war ein Liedchen, bei dem 20 Personen aus der Amazonas-Delegation sich um das bunt bemalte runde Stoff-Bild des Amazonas versammelte und dem Papst einige Gegenstände (u.a. eines der kritisierten Bilder überreichte), dann einmal die Hände zum Gebet zum Himmel erhob und sich im Gebet auf die Knie begab, ohne jegliche Hinwendung zu irgendeinem Gegenstand. Das Bild der schwangeren Frau stand dort gleichwertig neben dem eines Krokodils und einer Papageiendarstellung. Ich warte noch auf den Tag, wo irgendwer im Krokodil plötzlich ein Sinnbild des Satan zu erkennen glaubt... Oder im Papagei den Hl. Geist in amazonischer Gestalt. Wirklich ärgerlich war an dieser Stelle für mich nur die Kommentatorin von VaticanNews, die im kreisrunden Bild ein „Mandala“ erkennen wollte und irgendwas über Mandalas im Hinduismus und Buddhismus schwadronierte. Was mit der Amazonas-Kultur nun wahrlich keine Verbindung hat. Es war schlicht ein kreisrundes Bild. Punkt!

Die Tagespost hat den emeritierten Bischof von Xingu hierzu befragt: „Auf Nachfragen sagte Bischof Kräutler, die Leute, die die Pachamama nach Rom gebracht haben, seien „katholische Christen, die weit davon entfernt sind, sie als Gottheit zu verehren“. Es handle sich um ein Symbol der Fruchtbarkeit. Kräutler wörtlich: „Und wenn es für viele eine Gottheit ist, dann ist es ein Angriff auf die Seele eines Volkes, sie in den Tiber zu schmeißen.“

Warum glaubt man den betreffenden Personen nicht, dass sie „Mutter Erde“ so verehren wie es der hl. Franz in seinem Sonnengesang tat? Niemand bestreitet, dass es am Amazonas und vermutlich auch in esoterischen Kreisen hierzulande eine götzenhafte Verehrung einer Pachamama-Kraft/Göttin geben wird. Aber warum sollte jemand, der Gott als Vater und Schöpfer des Himmels und der Erde verehrt, die Dreifaltigkeit ernsthaft um eine vierte Person erweitern wollen? Das ist doch theologisch geradezu absurd.

Zuletzt stelle sogar Bischof Voderholzer (wenn auch in sachlichem Ton) in Regensburg Ferndiagnosen über römische Pachamama – Kulte. Und kam dann irgendwie auch noch auf Bonifatius zu sprechen, der aus der Eiche wenigstens Kapelle und Kreuz zimmern ließ. Ob er damit Kritik an der stumpfen Entsorgung der Holzfigürchen im Tiber andeuten wollte? Recycling ist das Gebot der Stunde, oder? Gerade in Zeiten von Laudato si! 
Papsttreue und Papstbashing liegen anscheinend manchmal nur einen Halbsatz nebeneinander in der Kirche von Heute. Und natürlich bekam auch ein namhafter Mitbruder sein Fett weg, ohne das es für Bischof Voderholzer notwendig war, dessen Namen auch nur zu erwähnen. Manchmal bleibt einem auch als mit viel Humor ausgestatteten katholischen Fußvolk in dieser Kirche das Lachen im Halse stecken. 

Wem nützt denn diese ganze Diskussion? Geht es nicht letztendlich darum, die Ergebnisse der Amazonas-Synode zu skandalisieren und mit Verweis auf angeblichen Pan- und Polytheismus für irrelevant zu erklären? Ist diesen Leuten eigentlich jedes Mittel recht, ihre kirchenpolitischen Gegner zu diskreditieren? Wo bleibt bei diesem zunehmend populistischeren Geballer eine inhaltlich fundierte Widerrede, die die Argumente und Herzensanliegen der theologischen Gegner angemessen würdigt?

Die Mission der Kirche war über Jahrhunderte nur möglich, indem sich die Missionare mit dem Denken und Glauben der Völker vertraut machten. Nur so fanden sie Ansatzpunkte für eine Verkündigung der frohen Botschaft. Davon gibt es aus vielen Ländern und zu allen Zeiten berührende Beispiele. Und in einer zunehmend globalisierten Kirche braucht es diesen katholischen Freiraum. Natürlich ist es Unsinn und völlig unnötig, ein Gebet an „Pachamama“ zu adressieren. Aber für unser Überleben auf dieser Erde können wir vom engen Bezug der indigenen Völker (übrigens auch der nordamerikanischen Indianer) zur Mutter Erde einiges lernen. Wenn wir diese schätzen und schützen, wie unsere eigene Mutter, Vater, Sohn, Tochter, Schwester und Bruder, dann haben wir gut verstanden, was der Schöpfungsauftrag Gottes ist. Wenn wir dann auch mit unseren Mitmenschen so umgehen würden, wie mit Mutter … Bruder, Tochter..., wenn sie uns Nächste sind, auch in der Ferne... Wenn wir schließlich auch den lebendigen Gott als unseren Herrn anerkennen, der uns liebt, mit dem wir im Gebet sprechen, dem wir Anbetung schuldig sind und vor dem wir verantwortlich handeln, dann hat die Menschheit auf dieser Erde Zukunft. Wenn das „Ich“ und das „Geld“ unsere Götzen werden bzw. bleiben, dann sind wir weit eher in Gefahr zum Götzendiener zu werden (und alles zu verspielen) als ein Franziskanerpriester, der sich mit einigen Indigenen vor der symbolischen Mutter Erde in den Staub wirft. 

Aber, schwenken wir zurück zu unseren römischen Erlebnissen. Einige aus unserer Gruppe hatten sich einer Frühführung durch die vatikanischen Museen angeschlossen. Sie wollten einmal in Ruhe die sixtinische Kapelle erleben. Wie schwer das ansonsten ist, musste dann die zweite Hälfte der Gruppe später erleben, als sie Michelangelos Fresken mit Tausenden von Menschen „teilen“ mussten. Es ging zu wie im Kölner Hauptbahnhof zur Hauptverkehrszeit. Von geistlicher Atmosphäre war kaum etwas zu spüren. Dagegen kam auch die geistliche Kraft der Malerei (im Übrigen auch die der eher unbeachteten seitlichen Wandgemälde) kaum an. Dabei waren die Schlangen vor dem Museum noch vergleichsweise kurz gewesen. Dennoch schoben sich Menschenmassen durch die Räume dieses unglaublichen Hauses der Kunst. Man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Wobei ich ehrlich gestehe, dass mich Michelangelos Kunst auch jetzt, nachdem ich das Original gesehen habe, nicht innerlich berührt. Das ist nicht meins! Da bin ich offenbar Kunstbanause und stehe andächtig vor Otto Dix Christopherus.

Die antiken Büsten in einem Saal faszinierten uns zuerst. Die Gesichter! Wie mitten aus dem Leben, mit lebendigster Mimik und in vollendeter Ausführung standen sie zu Hunderten auf Borden an den Wänden. Dann ein weiterer Höhepunkt, zwei Säle voller steinerner Tiere, die wirkten, als würden sie gleich durch den Raum springen. So folgte ein Highlight dem Nächsten. Die kostbare Ausgestaltung der Räume und deren Ausmalung liefen dabei manchmal sogar den Exponaten den Rang ab. Jeder neue Saal bot wieder neue Überraschungen. 

Da war ganz schnell die etwas schwierige Diskussion vergessen, ob wir als Pilgergruppe auch ohne einen mitreisenden Priester das Museum besuchen könnten. Hier half uns die Empfehlung und Beauftragung durch Bischof Genn weiter, das priesterliche Freiticket wollte man einem Katechisten und religious Teacher, der noch dazu kein Ordensmann war, aber nicht gewähren. Und führen durfte ich meine Gruppe auch nicht, was eine zweite Diskussionsrunde dieser Art notwendig machte. „Pastoralreferent“, mit dem Begriff und Beruf konnte niemand dort etwas anfangen, auch wenn sicherlich nicht wenige Kollegen die Museen schon mal besucht hatten. 

Auf dem Weg zur den von Raffael ausgemalten Räumen und zur sixtinischen Kapelle ging es durch einige Ausstellungsräume mit Bildern berühmter moderner Künstler, Chagall, Gauguin, van Gogh, Dix, Schmitt-Rottluff, Müller, Matisse – sogar bis hin zu Francis Bacon. Es fehlte im Grunde kein berühmter Künstler der Neuzeit. Ein van Gogh – Bild (der barmherzige Samariter) hing in einem wenig beachteten Nebenraum und man hatte den Eindruck, man könne es problemlos im Rucksack verschwinden lassen... 
Insgesamt, tolle Werke, von denen ich meist gar nicht wusste, dass sie im Vatikan hängen. Besonders zwei Bilder von Otto Dix, die mich schon länger faszinierten und die ich nun einmal als Original zu sehen bekam. 

Dann standen wir in den weltberühmten Stanzen des Raffael. Naja, standen wäre zu viel gesagt. Wir wurden durch diese ehemaligen päpstlichen Gemächer hindurchgeschoben. Aber das war noch immer weit erträglicher als der Troubel in der Sixtina. Und, ich wurde in meiner schon etwas vorgeprägten Meinung bestätigt, dass mich dieser Raum religiös kaum berührt. 

Dafür kam ich an anderer Stelle auf meine Kosten, z.B. im Saal, wo Kirchenkunst und liturgische Geräte und Gewänder ausgestellt wurden, Reliquiare, Monstranzen und manches mehr. Wunderbar!

Aber irgendwann war der Bild- und Informationsspeicher des Gedächtnisses übergelaufen und man hatte schon viel zu viel gesehen. Das Museum verdient einen Aufenthalt von mindestens einer Woche, um seine Sammlungen angemessen würdigen zu wollen. Leider war die große Amazonas-Ausstellung im völkerkundlichen Bereich noch nicht eröffnet. Aber man konnte hineinsehen. Das wird sicher großartig. Vielleicht wird das sogenannte „Pachamama“-Bild ja auch dort ausgestellt?

Über den Abend in Trastevere habe ich ja schon berichtet, mit einem kurzen Besuch auf dem Petersplatz und einigen besinnlichen Gedanken dort ging dann der Tag zu Ende.

Mittwoch

Am Mittwoch morgen hieß es dann wieder: Frühauf! Leider hatte sich die Hoffnung, in den Bereich der Generalaudienz zu kommen, wo ein direkter Kontakt zum Hl. Vater möglich wäre, nicht erfüllt. Zu viele Gruppen hatten hierfür offenbar angefragt, Bischöfe in Begleitung von Bildungseinrichtungen aus Amerika, manche Brautpaare, interreligiöse Delegationen, viele Ordensschwestern und manche andere Bischöfe. Um sieben gab es Frühstück und mit Öffnung des Petersplatzes reihten wir uns auch in die Schlangen ein. 

Am Vortag hatten wir im deutschen Pilgerbüro an der Engelsbrücke unsere Zugangskarten für die Audienz abgeholt, so dass wir diesmal ohne Sorge auf die Sicherheitskontrollen zugingen. Und so fanden wir im vorderen Bereich und recht nah an den Fahrwegen an denen der Papst über den Platz fahren sollten ein Plätzchen.

Bevor der Hl. Vater auf den Platz kam, wurden dann in unterschiedlichen Sprachen die Pilger begrüßt, auch wir aus St. Peter und Paul in Voerde. Schön! Dann dauerte es aber auch nicht mehr lange und man konnte links neben dem Petersdom das Papamobil sehen und schon war er da. Die Aufregung der Leute war groß. Er hielt es fast niemanden mehr auf seinem Platz und dann standen fast alle auf den Stühlen, um besser sehen zu können. Hier und da hielt der Hl. Vater an, um ein Kind zu segnen oder jemanden zu begrüßen. Leider konnten wir ihn mit der süßen Pauline nicht anlocken ;-). Das wäre noch mal ein Highlight gewesen. Mit großer Geduld fuhr der Papst den ganzen großen Petersplatz ab, während ringsum alle die Hälse reckten, um ihn gut zu sehen. Zum Schluss kam er noch ein weiteres Mal direkt bei uns vorbei, bevor die Katechese begann. Dazu nahm er auf einem großen Stuhl unter einem Dach vor dem Petersdom Platz, flankiert von Erzbischof Gänswein. 

In der Katechese ging es um einen Abschnitt der Apostelgeschichte. Der Papst beschäftigt sich jeweils fortlaufend mit einem weiteren Abschnitt dieses biblischen Buches. Diesmal ging es um die tiefgreifende Auseinandersetzung um die Heidenmission und die Beschneidung von Christen aus dem Heidentum beim sogenannten Apostelkonzil. Also auch eine Frage der Inkulturation. 

Ein sehr heißes Eisen! Und es ging gleichzeitig um geistliche Entscheidungsfindung und das nicht weniger heiße Stichwort der „Synodaliät“. Hier war ein Wort des Papstes an die ukrainischen Bischöfe viel zitiert worden, dass man in dem Sinne: „Die Kirche ist kein Parlament, es gibt keine Mehrheitsentscheidungen bei uns“ interpretieren könnte. Diesen Gedanken hat der Papst in der Audienz dann weiter ausgeführt: „Die Versammlung von Jerusalem gibt uns wichtige Aufschlüsse über die Art und Weise, wie wir Divergenzen angehen und die Wahrheit in der Liebe (vgl. Epheser 4,15) suchen sollten. Sie erinnert uns daran, dass die kirchliche Methode für die Lösung von Konflikten auf  dem Dialog basiert – einem Dialog aus aufmerksamem Hinhören und auf geistlicher Unterscheidung im Licht des Heiligen Geistes. Das hilft uns, die Synodalität zu verstehen.“

„Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“: So beginnt der Text der Einigung, auf die sich die Streithähne von Jerusalem damals verständigt haben. „Das ist Synodalität: die Anwesenheit des Heiligen Geistes. Andernfalls ist das nicht Synodalität, sondern ein Parlament oder etwas Derartiges…“

Aus diesen Gedanken kann man keinesfalls ablesen, dass Franziskus demokratische Entscheidungsfindung ablehnt. Im Gegenteil, es geht ihm darum, dass nicht einfach Minderheitenstimmen abgebügelt und überstimmt werden und auch, dass man in kirchlichen Diskussionen nicht an den eigenen, brettharten Überzeugungen festhält, sondern sich auf die Argumente Anderer einläßt, alles wirklich intensiv durchdenkt und dem Geist Gottes die Möglichkeit gibt, im Dialog wirksam zu werden. Wer würde sich dies nicht auch bei Entscheidungsfindungen in einer Demokratie viel stärker wünschen. Daher ist für Franziskus die Alternative zur Demokratie nicht die Diktatur oder Monarchie oder gar eine klerikale Theokratie sondern er möchte, dass man den oft mühsamen Weg der Synodalität geht. 

Wie der zu verstehen sein könnte ergibt sich vielleicht auch aus einem anderen Gedanken, der bei der Audienz Thema war: „Die Kirche ist eine Kirche im Aufbruch, oder sie ist nicht Kirche. Sie ist auf dem Weg und macht immer mehr Platz, damit alle hineinkönnen, oder sie ist nicht Kirche. Eine Kirche mit offenen Türen – immer mit offenen Türen! Wenn ich hier in Rom oder anderswo Kirchen mit verschlossenen Türen sehe, dann ist das ein übles Zeichen. Kirchen müssen immer offene Türen haben, denn das zeigt, was eine Kirche überhaupt ausmacht: Sie ist immer offen!“

Insofern sei die Kirche „keine Festung, sondern ein Zelt“: Das Schöne an einem Zelt sei, dass es sich beliebig erweitern lasse, damit „alle“ darin Platz finden, so der Papst.



Einige Grundgedanken aus dieser Katechese wurden auch auf dem Platz direkt in wichtige Sprachen übersetzt. Dann widmete sich der Papst zunächst den anwesenden Bischöfen und den unterschiedlichen Besuchergruppen, die das Glück einer direkten Begegnung mit dem Hl. Vater hatten, u.a. auch eine interreligöse Gruppe mit Vertretern des Islam und der Sikhs. 

 Insgesamt war die Audienz ein frommes und fröhliches Ereignis. Auf dem Platz herrschte eine kaum beschreibliche Stimmung über alle Sprach- und sonstigen Grenzen hinweg. Man empfand sich als große Gemeinschaft von Gläubigen. Mit besonderer Herzlichkeit, so war später zu hören, widmet sich Franziskus den anwesenden Brautpaaren. „Da ist er ganz Pastor!“. Diese posierten anschließend in ihren Festkleidern noch auf dem Petersplatz vor der Kulisse des Petersdomes. Weil sie allein und ohne Begleitung zur Audienz zugelassen werden, ergab sich man putziges Bild, wen die Paare sich per Selfistick ablichten oder einen Helfer auf den Platz finden mussten, der das Erinnerungsbild machte. 

Interessant ist das Bild von der Festung und dem Zelt auch noch vor einem anderen Horizont. In den Tagen in Rom nahm auch die Diskussion über den Benedikt-Film „Bewahrer des Glaubens“ an Fahrt auf. Immer mehr Stimmen erhoben sich zu seiner Verteidigung, zuletzt auch Kardinal Schönborn von Wien. Das ist sicher ehrenwert, und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass Papst Benedikt in dem Film (der ansonsten ja eher gelobt wird, auch von nachdenklichen, kirchlich verbundenen Leuten) zu schlecht wegkommt. Aber es ist ja auch nicht zu leugnen, dass die Kirche vor allem aus einem Grund heute in der Öffentlichkeit derart ramponiert dasteht. Man hat allzu lange geglaubt: „Das darf alles nicht öffentlich werden, denn das würde der Glaubwürdigkeit der Kirche schaden.“ Aber wir merken jetzt, dass der Satz etwas anders formuliert gehört: „Das muss öffentlich werden, denn sonst würde es der Glaubwürdigkeit der Kirche schaden.“ Ohne Glaubwürdigkeit kann die Kirche keine moralische Vorbildrolle einnehmen. Und ohne moralische Vorbildrolle kann sie ihre Werte nicht glaubwürdig vertreten, geschweige denn verkünden. Und glaubwürdig können wir nur dann wieder werden, wenn wir uns bescheiden hinter die Opfer stellen und nicht alle Kraft für die Verteidigung der Kirche aufwenden. Das Lied vom leidenden Gottesknecht bei Jesaja ist einer der Kerntexte der kirchlichen Verkündigung. Warum sollte es nicht auch für die Kirche in der heutigen Situation gelten? „Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und meine Wange denen, die mir den Bart ausrissen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Und GOTT, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden.“

Am Nachmittag waren wir mit dem Kuraten der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell Anima verabredet. Wir waren neugierig, wie eine katholische Gemeinde in Rom „funktioniert“. Und wie halt das ganz normale kirchliche Leben vor Ort aussieht. Leider war Konrad Bestle am späteren Nachmittag doch verhindert, aber er sorgte dafür, dass der Zivi der Gemeinde Rolf Tunaj sich liebevoll um uns kümmerte. 

Kurat Bestle selbst ließ es sich nicht nehmen, unsere Gruppe zu begrüßen und einige Einblicke in das Leben der Gemeinde zu geben, bevor er zu einer Gedenkfeier für die von Rom aus nach Auschwitz deportierten jüdischen Bürger aufbrechen musste. Bei einer Razzia am 16.10.1943 waren zahlreiche Juden gefangen genommen worden. Am 18.10.1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert. Dem Papst gelang es nicht, die Gefangenen frei zu bekommen. Einige werfen ihm nun vor, nicht energisch genug agiert zu haben. Andere verweisen auf die Tatsache, dass in Ordenshäusern und vatikanischen Gebäuden zahlreiche Juden versteckt wurden. So gibt es auch in der jüdischen Gemeinschaft viele Stimmen, die Pius XII. verteidigen, wie z.B. den jüdischen Oberrabbiner Roms Israel Zolli, der sich später taufen ließ und den Namen Eugenio annahm. „Im Schlafzimmer des Papstes in Castel Gandolfo sind in dieser Zeit einige jüdische Kinder im persönlichen Bett des Papstes geboren worden.“ wusste Konrad Bestle zu berichten. Interessant war auch der Aspekt, dass das Gemeindeleben schwerpunktmäßig am Sonntag stattfinde, weil die Gemeindemitglieder meist eine lange Anreise aus dem Umland haben. Also trifft man sich zur Messdienerstunde, zum Erstkommunionunterricht und zur Hl. Messe am Sonntag rund um die Kirche. 

Rolf Tunaj zeigte und erklärte uns dann die schöne und große Kirche, die von zahlreichen Persönlichkeiten, von Königen und Fürsten im Laufe der Jahrhunderte wunderbar ausgestattet wurde. Die Kirche sollte für die Pilger aus deutschen Landen heimatliche Gefühle wecken und in Deutschland bekannte Heilige zeigen. Aus unserer Perspektive, die wir die sehr schlichte Pauluskirche gewöhnt sind, unterschied sich diese römische Kirche im Stil der Hochrenaissance aber eher wenig von den anderen Kirchen in Rom und eher viel von den heimatlichen Kirchen. Rolf zeigte uns auch den Altar, an dem der damalige Kardinal Ratzinger ganz besonders gern zelebriert hatte. 

Hier in Santa Marie dell'Anima liegt übrigens auch ein Papst begraben, nämlich der während des Pontifikats Benedikt XVI. häufig erwähnte Papst Hadrian VII. Dessen Amtszeit war schwierig, fiel sie doch in die Zeit der Reformation. Hadrian war selbst ein Reformpapst, der auf die durchaus berechtigten Anfragen der Reformatoren Antworten geben wollte, er schränkte den Luxus der päpstlichen Hofhaltung ein und machte sich aber damit wenige Freunde. Er kam mit seinen Reformen leider zu spät, was sich auch in einem Spruch auf seinem Grab ausdrückt, der auf ihn selbst zurückgeht. „Proh dolor! Quantum refert in quae tempora vel optimi cujusque virtus incidat! – Ach, wieviel hängt doch davon ab, in welche Zeit auch des besten Mannes Wirken fällt!“

Hadrian war vor Johannes Paul II. der letzte nicht italienische Papst und der vor Benedikt letzte Papst mit deutschen Wurzeln, wenngleich sein Heimatort Utrecht heute ja in den Niederlanden liegt. Nicht umsonst fand er sein Grab am Ende nicht im Petersdom, sondern jenseits des Tibers in St. Maria dell'Anima. Und dies wohl auch, weil seine Reformideen den Vielen, die vom päpstlichen Hofstaat profitierten, deutlich zu weit gingen. Er soll ein tief frommer, persönlich bescheidener und integrer Mann gewesen sein. Wie schade, dass er nicht schon früher den Stuhl des Hl. Petrus bestiegen hatte. Wer weiß, was der Kirche dann erspart geblieben wäre. 

Die Stunde mit Rolf verging wie im Flug, aber wir hatten uns im Pfarrsaal zu einem Gespräch mit Monsignore Dr. Michael Kahle verabredet, der als Mitarbeiter der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung in Rom lebt. Wer bei Papstmessen sorgfältig hinschaut, der kann ihn immer wieder in einer Funktion dort entdecken, so auch am Sonntag. Bei der Kreation der neuen Kardinäle vor einigen Wochen war er es, der dem Hl. Vater die Ernennungsurkunden anreichte. Aber das gehöre eigentlich nicht zu seinen engeren beruflichen Aufgaben, erklärte er uns später. 

Rolf Tunaj hatte uns mit erfrischenden Getränken versorgt und dann war Msgr. Kahle auch schon da. In lockerer Weise brachte er uns die Aufgaben der Kongregation näher. So geht es unter anderem um die Übersetzung liturgischer Texte und Bücher in Sprache und Mentalität der Länder. Das sei nicht immer einfach, wie er an zwei Beispielen erklärte. So kennt man z.B. im Koreanischen die persönliche Anrede „Du“ nicht. Das bringt z.B. bei der Beichte das Problem mit sich, dass man nicht sagen kann: „Ich spreche Dich los...“. Der koreanische Vorschlag, dann den Namen des Betreffenden zu nennen ist ja auch nicht umsetzbar, weil es sich ja häufig um eine anonyme Ohrenbeichte handelt. Daher musste man eine Formel finden, die persönliche Zuwendung Gottes mit der Botschaft der persönlichen Lossprechung verbindet. Oder ein weiteres Beispiel aus Japan. In dieser Kultur ist ein Kuss in der Öffentlichkeit obszön. Wie kann man dann den Kuss des Altars oder des Evangelienbuches ausführen? Das würde nicht richtig verstanden. Daher mussten hier andere Gesten der Verehrung gefunden werden. 

Ein weiterer Aufgabenbereich seien Beschwerden von Gläubigen, die das Recht hätten, sich an den Hl. Stuhl zu wenden. Diese würden, wenn sie Substanz hätten, an den zuständigen Bischof weiter geleitet, um mit ihm zu Lösungen zu kommen. Häufig zeige sich aber, dass hinter solchen Beschwerden auch persönliche Geschichten stecken, Animositäten oder dass jemand nur seine Vorstellungen im Sinn habe und nicht die Weite der katholischen Liturgie. Aber, es habe auch jeder Katholik das Recht, eine gut gefeierte Liturgie in jeder Gemeinde, die er auf der Welt besuche, vorzufinden, eine Liturgie, in der er sich – auch als Fremdsprachler – orientieren könne. 

Ein anderer Bereich sei die Verleihung des Titels „päpstliche Basilika Minor“ für besondere und pastoral herausragende Kirchen. Und auch die Aufnahme von Seligen und Heiligen in die Kalender der Diözesen und Ordensgemeinschaften gehört zu den Aufgaben der Kongregation. So erklärte er uns am Beispiel Kardinal von Galens, warum sein Gedenktag nur in den Bistümern Münster und Berlin gefeiert werde, weil es für diesen – als Seligen – hier einen Bezug zu den Orten seines Lebens und Wirkens gäbe.

Im Gespräch schilderte Kahle kurz seinen Lebenslauf, studiert habe er in Köln, Münster und in Rom. An seine Münsteraner Zeiten habe er gute Erinnerungen, auch weil sein Heimatpfarrer Kardinal von Galen sehr verehrte. Nach einer Zeit als Kaplan u.a. in Nippes kam er 2006 als Domvikar und Domzeremoniar an den Kölner Dom. Hier war er u.a. auch für die Papstliturgien beim Weltjugendtag zuständig. Eigentlich habe er vorgehabt, Kardinal Meisner in dieser Funktion bis zum Ende seiner Zeit als Erzbischof von Köln zu begleiten, aber es kam anders. 2011 wurde er zum Dr. theol. promoviert. Meisner habe ihm dann die Leitung des Bonner Theologenkonvikts Collegium Albertinum übertragen, was einige schwierige Jahre für ihn gewesen seien. Und offenbar habe man ihn in Rom nicht vergessen, denn als sein Vorgänger in Rom plötzlich und unerwartet verstarb, habe man ihn angefragt, ob er dessen Aufgabe übernehmen wolle. Und so sei er 2015 nach Rom gekommen. Zur Kongregation gehörten auch mehr als 30 Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt, die sich regelmäßig in Rom treffen. Aus Deutschland sei auch sein eigener Bischof, Kardinal Woelki dabei. Zwischen 8 und 12 Personen arbeiten heute in der Kongregation, die auch schon einmal 42 Mitarbeiter gehabt hätte. 

Das Gebäude der Kongregation liegt im Übrigen unmittelbar gegenüber unserer Unterkunft zwischen Borgo Santo Spirito und der Via della Conciliazione.

Wir kamen auch noch kurz über die prekäre Finanzlage des Vatikan ins Gespräch. Monsignore Kahle erzählte, dass er als Kaplan in Nippes genau zwei Mal im Jahr beim Kirchenvorstand war. Einmal, um vier Leute für die Fronleichnamsprozession zu gewinnen und einmal, um ihnen für diesen Dienst zu danken. Ansonsten, seien dort Banker, Steuerberater und oft Wirtschaftsfachleute. Als Priester habe er Theologie und Philosophie studiert und Kunstgeschichte. Von Finanzfragen wisse er viel zu wenig und ganz ähnlich sei es doch auch mit Kurienbischöfen und Kardinälen, die sich auf externen Sachverstand verlassen müßten. Und da könne man auch schon mal Fehler machen und sich auf die falschen Leute verlassen (da treten dann Leute auf, gut angezogen, professionell, die als gute Katholiken bekannt sind und die man aus anderne Zusammenhängen schon kennt. Und manchmal vertraut man diesen Leuten einfach zu naiv). Dazu käme der „römische Klüngel“. Insgesamt bemühe man sich im Vatikan die Kosten zu senken und er hoffe, dass die Krise überwunden werden könne. 

Die Aufgaben der Priester seien doch Andere, Verkündigung, Sakramentenspendung. „Wir müssen den Leuten das Schwarzbrot des Glaubens anreichen.“ Und einfach bei diesem Kern bleiben, den Menschen diesen Glauben anzubieten, damit diese zugreifen können. Auch diese Bewegung ist wichtig, dass die Menschen frei bleiben selbst und bewußt dieses „Glaubensbrot“ anzunehmen. 

Als Papst Franziskus seinen ersten Weihbischof in Rom geweiht habe, habe er diesem mitgegeben: „Predige kurz!“ Wichtig sei doch, dass das Evangelium durchscheine und das ginge oft auch in wenigen Worten. Es komme doch nicht darauf an die eigenen Ideen in der Predigt auszuschmücken. (Ich hoffe, ich habe die Positionen von Dr. Kahle hiermit sinngemäß richtig wiedergegeben, da ich das aus dem Gedächtnis tun muss).

Nach einer munteren und sehr spannenden Fragerunde machten wir uns wieder auf den Weg in die Straßen der Stadt oder zurück zu unserer Unterkunft. Die deutsche Nationalkirche liegt ganz in der Nähe der Piazza Navona. Gegenüber befindet sich die französische Nationalkirche, St. Nikolaus von Lothringen. Nikolaus ist ja der Patron dieser französischen Region. Hier findet sich als Altarbild eine Darstellung, die Nikolaus als Teilnehmer des Konzils von Nicäa zeigt. Es wird berichtet, dass er mit dem Bischof Arius über die christologische Frage der Göttlichkeit Jesu Christi handgreiflich aneinander geriet. Auf dieses Bild hatte mich Gerhard Ludwig Kardinal Müller vor einigen Jahren einmal aufmerksam gemacht, als er ein geistliches Wort zu unserer Nikolausaktion beitrug. Leider war die Kirche entweder geschlossen oder man konnte sie nur durch ein Gitter ansehen und nicht näher herantreten. Einige Fotos gelangen mir aber dennoch. 

Einige unserer Mitpilger kehrten später zum Konzert des Paderborner Domchors in die gastfreundliche „deutsch-italienische“ Gemeinde zurück. Für andere klang der Tag in einem gastlichen Restaurant im Licht der Peterskuppel aus. 

Donnerstag

Am Donnerstag morgen hieß es (mal wieder) früh raus. Wir hatten uns mit 15 Pilgern zur Frühmesse in der Kirche am deutschen Friedhof im Vatikan angemeldet. Die Schweizer Garde leitete uns freundlich durch die Sicherheitskontrollen und so durften wir das Tor durchschreiten, das üblicherweise dem normalen Rompilger verschlossen bleibt, wenn er sich nicht als deutschsprachiger Besucher des kleinen Friedhofs, der zum deutsch-ungarischen Priesterkolleg gehört, ausweisen kann. Diese Besonderheit weist zurück in Zeiten, als das riesige Reich der Habsburger u.a. noch Österreich und Ungarn umfasste. Mit dem Ende des ersten Weltkrieges zerfiel dieser Vielvölkerstaat. Im Vatikan hat sich jedoch ein Priesterkolleg erhalten, in dem deutsche und ungarische Studenten gemeinsam leben und studieren. Dazu gehört auch eine schöne Kirche und der Friedhof, auf dem ein in Rom verstorbener Deutscher (Pilger) ein Anrecht auf Beisetzung haben soll. Wir wollten diesen Ernstfall jedoch nicht erproben ;-). 

Es war Joseph Kardinal Ratzinger, der die Tradition begründete, dass eine der Hl. Messen, die in S. Maria della Pietà, der Kirche des Campo Santo Teutonico in der Wochen gefeiert werden, durch einen der deutschen Kardinäle im Vatikan gefeiert werden. Es war also spannend, wer von Ihnen den Gottesdienst zelebrieren würde, zu dem wir uns dort um sieben Uhr versammelt hatten. Feierlich zogen zahlreiche Priester mit Kardinal Kurt Koch in die eher schlichte 1501 geweihte Kirche ein. Kardinal Koch ist im Vatikan für die Ökumene zuständig. Der ehemalige Oberhirte des Bistums Basel steht als Präsident dem Päpstlichen Rate zur Förderung der Einheit der Christen vor und ist Mitglied zahlreicher anderer Kongregationen der päpstlichen Kurie. In der Kirche kamen diesmal durchaus „heimatliche“ Gefühle auf, u.a. durch das vertraute Gotteslob und die auch recht vertraute Architektur. 

Der Kardinal sprach mit leiser Stimme und leichtem schweizer Akzent. Weil er etwas gebeugt geht, wirkt er älter, obwohl er nocht nicht 70 Jahre alt ist. Die Evangelienperikope aus dem Lukasevangelium war nicht leicht: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern Spaltung.“
In seiner kurzen Homilie versuchte er nicht, das Evangelium zu verharmlosen, sondern legte dar, dass Christus von uns eine Entscheidung fordert und eine klare Haltung. Man ahnte, warum dieser Kardinal offenbar von vielen seiner Gesprächspartner sehr geschätzt wird und nie durch polarisierende Wortmeldungen in der katholischen Öffentlichkeit auffällt. 

Im Anschluss an die Hl. Messe verbrachten wir noch einige Zeit auf dem deutschen Friedhof, im Grunde ein wunderschöner Ort und Garten, der dem Besucher in jeder Hinsicht mit Fragen von Tod und Leben konfrontiert. So liegt hier auch Schwester Pascalina begraben, die aus Deutschland stammende Schwester, die Euginio Pacelli, den späteren Papst Piux XII. über 40 Jahre begleitete. Oder Alexis Windisch-Graetz, junger Spross eines alten Adelshauses, der offenbar mit dem Motorrad verunglückte und vor wenigen Jahren hier beigesetzt wurde. 

Vorn in der Kirche hängen zwei große Epitaphien, die ein Skelett darstellen. Eines trägt eine Sanduhr in der Hand und das goldene Portrait eines Kardinals. „Bedenke Mensch, dass Du Staub bist und wieder zum Staub zurück kehrst!“

Das Grab des österreichischen Kurienbischof Alois Hudal auf dem Friedhof, der einst auch Rektor des Priesterkollegs war, erinnerte an einen dunklen Aspekt der Kirchengeschichte in der frühen Nachkriegszeit. Hudal gehört mit zu den Klerikern, die namhaften Nationalsozialisten die Flucht aus dem besiegten Deutschland möglich machten (über die sog. Rattenlinie). Gleichzeitig hatte Hudal möglicherweise auch einen gewissen Anteil daran, dass bei der schon erwähnten Razzia gegen die römischen Juden statt der von Hitler geforderten 8.000 Juden „nur“ 1.000 Menschen verhaftet und deportiert wurden, weil er einen Brief an den deutschen Stadtkommandanten Roms geschickt und darin mit dem öffentlichen Protest des Papstes gedroht hatte. 

Den Morgen nutzte ich zum Shoppen in den hübschen Nebenstraßen rund um den Vatikan, wo zahlreiche Fachgeschäfte für Kirchenbedarf und fromme Andenken auf Kundschaft warteten. Besonders der Borgo Pio gegenüber dem St. Andreas – Tor lohnt einen Besuch. Wo kann es einem sonst passieren, dass man vier Eis schleckenden (Amazonas-)Bischöfen begegnet, die einfach so über die Straße schlendern, ohne von irgendwem besonders beachtet zu werden. Und hier gibt es auch manche Dinge, mit denen man preisgünstig seine Nikolausbestände aufstocken kann, preiswerte Mitren, Messgewänder, Pektoralschnüre und manches mehr. Ein weißer Pileolus für den Papst kostet ab 49,50 Euro aufwärts, Priester (schwarz) und Bischöfe (lila) kommen etwas günstiger davon. Auch Priesterhüte (Saturno), Soutanen und Birette mit Troddeln in allen Farben der Kirche sind im alltäglichen Bestand und sogar Bischofsstäbe „von der Stange“ für den Bedarf von Bischöfen in aller Welt, die es sich nicht leisten können, einen Kirchenkünstler mit einem individuellen Stück zu beauftragen. (Wer mich etwas kennt, der ahnt, dass ich dieser Versuchung nicht widerstehen konnte.) Jedenfalls gab es in diesen Geschäften alles zwischen Kitsch und Kunst zu kaufen, was das klerikale Herz begehrt und alles zu durchaus gemäßigten Preisen. 
Noch schöner übrigens war das Schaufenster des berühmten Kirchenschneiders Gammarelli, dessen kleines Ladengeschäft unweit des Pantheon etwas versteckt gegenüber der Kirche Santa Maria sopra Minerva liegt. Hier gab es sogar Pontifikalpantoffeln und Pontifikalhandschuhe zu kaufen und natürlich ebenfalls einen fein gearbeiteten seidenen Pileolus für den Hl. Vater. Hier bietet Rom wahrlich viele spannende Geschäfte, in denen alte Handwerkstechniken gepflegt werden und echte Künstler ihres Fachs – aller Automatisierung zum Trotz – noch immer tätig sind. Man könnte stundenlang gucken (und kaufen), wenn Zeit und Geld reichlich vorhanden wären. 

Um 14 Uhr trudelten alle Pilger unserer Gruppe nach und nach am Fuße der gewaltigen „Schreibmaschine“ ein, wie die Römer scherzhaft den „patriotischen Altar“ des ersten italienischen Königs Victor Emmanuel II. nennen, das in Erinnerung an diesen nach seinem Tod bis 1925 in die Ruinen des antiken römischen Forum hingeklotzt wurde. Als König von Sardinien und Piermont errang Vittorio Emanuele II. die Einheit Italiens. Im Verlauf der Einigungsbewegung (Risorgimento) kam es auch zum Untergang des italienischen Kirchenstaats. So wurde er (der zweite) der erste König von ganz Italien und regierte es bis zu seine Tode 1878. Hier befindet sich auch das Denkmal des unbekannten Soldaten. 

Hinter dem Denkmal und dem benachbarten Kapitolshügel beginnt die Ausgrabung des Forum Romanum und man hat einen schönen Blick über das Gelände auf das Kolosseum. Erst zu Mussolinis Zeiten wurde die mittelalterliche Überbauung des Geländes wieder beseitig und die bedeutsamen Orte der Antike frei gelegt. So auch der „Nabel der Welt“, der Punkt von dem aus die römischen Straßen in die ganze bekannte Welt ausgingen und deren Entfernungen bemessen wurden. Nur wenige Schritte hinter dem Denkmal des ersten italienischen Königs findet man noch einige Kirchengebäude, mit denen besondere Orte überbaut wurden, u.a. das erhalten gebliebene römische Staatsgefängnis. 

Hier schmachtete u.a. Paulus, im sogenannten Mamertinischen Kerker oder Carzer Tullianus. Wer sich nun einen gewaltigen Gefängnisbau vorstellte, wurde enttäuscht. Die Römer kannten keine Gefängnisstrafe im heutigen Sinne. Für normale Delikte wurde in der Regel zu Körperstrafen, Zwangsarbeit oder Sklaverei (beispielsweise auf Galeeren) verurteilt. Wer jedoch hier einsaß, der mußte mit dem Schlimmsten rechnen. Neben Paulus war der Tradition nach auch Petrus hier, aber auch viele römische Staatsgefangene hier, z.B. Vercingetorix - wenn auch einige Jahrzehnte vorher. Auch saßen die jeweiligen Feinde des amtierenden Kaisers hier ein, bevor sie – öffentlichkeitswirksam erdrosselt oder anders hingerichtet (teilweise direkt im Kerker) auf der genomischen Treppe der Öffentlichkeit zum Begaffen dargeboten wurden. 

Im Boden der heutigen Krypta aus dem Mittelalter befindet sich noch heute das kreisrunde Loch, durch das die Gefangenen in den etwa 6 x 5 m großen, runden Karzer geworfen wurden. Für uns heute ist es kaum vorstellbar, unter welchen Umständen, ohne Toiletten und ohne Versorgung die Menschen dort vegitieren mussten. 

Paulus wurde eines Tages aus dem Kerker hervorgeholt (nachdem er zuvor einige Zeit in relativer Freiheit in einer Art Hausarrest in Rom leben konnte) und zur Hinrichtung geführt. In dieser Zeit entstanden einige seiner bedeutsamen Briefe. Weit vor den Toren der Stadt an einem Ort, wo drei Quellen entsprangen, hat man ihn hingerichtet. Die Legende weiß, dass der Kopf des Paulus dreimal zu Boden fiel, worauf hier die Quellen entsprangen. Heute befindet sich an dem Ort Tre Fontane ein altes Kloster der Zisterzienser, das später unter dem Mariawalder Mönch Franz Pfanner durch die Trappisten wieder besiedelt wurde. 

Paulus wurde auf einem Friedhof (einer römische Nekropole vor den Toren der Stadt beigesetzt, über der dann unter Konstantin die Basilika St. Paul vor den Mauern entstand. Diese frühe Basilika wurde im Jahre 324 errichtet und bis 386 erheblich erweitert. Sie bestand bis zum 15. Juli 1823 und fiel in der darauffolgenden Nacht einem verheerenden Brand zum Opfer, der selbst die antiken Marmorsäulen zerspringen ließ. Bis zum Jahr 1854 wurde die Basilika auf der Grundlage der alten Pläne und Formen wieder aufgebaut und vermittelt daher das authentische Bild einer frühchristlichen Basilika. Das Mosaik am Triumphbogen aus dem 5. Jahrhundert konnte restauriert werden, ebenso wie der Baldachin über dem Papstaltar und das Apsismosaik aus dem 13. Jahrhundert. Bei der Restaurierung geriet allerdings das Bildnis Christi etwas brummiger als zuvor.  Im Jahre 2006 wurde der Sarkophag mit den Gebeinen des Apostels untersucht, mit dem Ergebnis, dass die Knochen darin tatsächlich von einem Menschen aus dem 1. Jahrhundert stammen und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich die Gebeine des Paulus sind. Die originale Grabplatte mit seinem Namen und dem Schriftzug Apostolomart(yrer) ist in einem kleinen Museum am Kreuzgang zu sehen. Sehr beeindruckend. Hier befindet sich auch der Reliquienschatz.

Überhaupt ist der Eindruck beim Betreten der Basilika mehr als überwältigend. Man wird von einem Wald von Säulen begrüßt und betritt einen gewaltigen, sehr einheitlichen unbestuhlten Kirchenraum. Unter dem Papstaltar kann man zum Grab des Apostels hinabgehen und kniet auf urchristlichem Boden vor dem Sarkophag des Apostels. Hinter dem Papstaltar in der Apsis feiert die kleine Gemeinschaft von Benediktinermönchen der angeschlossenen Abtei ihre Gottesdienste. Beeindruckend auch die vielen Portraits aller Päpste seit Petrus bis hin zu Franziskus. 

Bevor man die Basilika betritt, ist man schon vom Atrium der Kirche angesprochen. Hier umgibt ein Umgang einen quadratischen Innenhof, der mit Palmen bewachsen ist. Eine große eindrucksvolle Paulus-Statue prägt den Hof, wie auch das Mosaik dahinter, wobei das alles eine Hinzufügung späterer Zeiten ist. Die aktuell auch noch gesichert werden muss, weil das Gelände zum nahen Tiber hin langsam absackt. 

Die Fenster der Basilika bestehen aus ägyptischen Alabaster mit wunderbaren natürlichen Mustern. Zar Nikolaus stiftete für das Querhaus zwei gewaltige Altäre aus Malachit und leuchtend blauem Lapislazuli. Auch hier gibt es mehr zu sehen, als das Auge bei einem Besuch erfassen kann.

Gemeinsam besuchten wir noch den schönen Kreuzgang mit filigranen, mit Mosaiksteinchen geschmückten Säulen in doppelten Reihen. Von innen war der Kreuzgang von den Benediktinermönchen mit lebendig grünen Kräutern, Thymian, Lavendel und Basilikum bepflanzt und es roch entsprechend angenehm. Die Wände waren mit den Resten antiker Grabplatten belegt, die in der alten Basilika vor dem Brand den Fußboden bildeten. Auch steht dort ein (heidnischer) antiker Sarkophag mit putzigen Putten im „Giebelfeld“, die aber sogenanne „Amorinis“ darstellen und mit den christlichen barocken Putten nur das Erscheinungsbild gemein hatten. Auf der Stirnseite war ein Götterwettstreit abgebildet, bei dem zwei römische Götter (ursprünglich Pan und Apollo, hier in einer Fassung des Ovid der Satyr Marsyas mit der Flöte und Apollo mit der Lyra/Laute) um die Gunst des Publikums buhlten, was dann mit der „Häutung“ des unterlegenen Kontrahenten endete. An diesem Beispiel konnte man schön die Vorbilder der späteren christlichen Kunst studieren. 

Im angeschlossenen Museum wurde u.a. an das 2. Vatikanische Konzil erinnert. Der damalige Territorialabt von St. Paul nahm als Konzilsvater daran teil. Hier verabschiedeten wir uns von Dr. Susanne Hohwieler, die uns kenntnisreich, humorvoll und mit viel Gefühl für die Gruppe auf den Spuren des Hl. Paulus geführt hatte und manches Detail erschloss, dass uns sonst nicht aufgegangen wäre. 

Nach dem Ende der Führung begann das erste und einzige Regenschauer unseres Aufenthaltes in Rom. Mit der Buslinie 23 kehrten wir aber einigermaßen trocken zum Petersdom zurück. Die Straßenhändler hatten inzwischen auf Regenponchos umgestellt.

Freitag

Auch am Freitag morgen hieß es früh raus! Wir hatten mit Monsignore Kahle vereinbart, dass wir um sieben Uhr durch die Sicherheitskontrollen am Petersdom gehen und uns dann an der Sakristei treffen. Gott sei Dank klappt das sehr gut. Am Ausgang der Sakristei erwarteten uns Monsignore Kahle zusammen mit dem Kölner Neupriester Henrik Land. Auch Rolf Tunaj, der Freiwilligendienstleistende der deutschen Gemeinde war mitgekommen. Wir gingen geradewegs in die Krypta unter dem Petersdom und konnten unmittelbar vor dem Petrusgrab die Messe zu Ehren des Apostels feiern. 

Monsignore Kahle wies uns in der Predigt auf eine Kerze vor dem Grab hin, die auf der rechten Seite des Altars leuchtete. Hinter dieser Kerze sei die Grabplatte des Petrus: „Hic est Petros...“, hier ist Petrus. Im Mittelpunkt des Altares steht aber ein Christus-Mosaik und Kahle machte deutlich, wie sehr hier das Messiasbekenntnis des Petrus umgesetzt ist. So komme es weniger auf den Zuspruch Christi an: „Du bist Petrus, der Fels“ sondern auf dessen klares Bekenntnis: „Du bis Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Dass wir diesen festen Glauben an Christus und den Mut zum Bekenntnis als Gnadengeschenk in unser alltägliches Leben aus Rom mitnehmen könnten, das wünschte uns der Prediger von Herzen.

Es war eine wunderbare, geistliche Erfahrung hier an den Quellen des Evangeliums Gottesdienst feiern zu dürfen. Rings um uns feierten zahlreiche andere Pilgergruppen Gottesdienst, aber die Geräuschkulisse lenkte nicht ab vom Zentrum der Feier. 

Zum Abschluss des Gottesdienstes segnete Michael Kahle für jeden Pilger ein kleines Tau-Kreuz aus Olivenholz zur Erinnerung an diesen Moment der Pilgerfahrt und die Plakette der Hl. Petrus und Paulus, die uns auch gestern schon auf den Lebens-Spuren des Paulus und an sein Grab begleitet hatte und die in Zukunft ihren Platz in unserer mobilen „Bauwagen-“Kirche erhalten soll.

Dankbar und bewegt verabschiedeten wir uns von den drei Römern, die uns so manche (Herzens-)Tür geöffnet hatten in den letzten Tagen und die Rom und dem Vatikan lebendige Gesichter gegeben haben. 

Am Freitag wollten wir eigentlich die Katakomben an der Via Appia besuchen, aber ein großer Streik im öffentlichen Nahverkehr machte uns einen Strich durch die Planung. Bis zur Piazza Venezia haben wir es noch geschafft, von dort ging es leider nicht weiter. Wir besuchten dann dort die schöne, aber eher unbeachtete Markuskirche und schlenderten noch ein wenig durch die Stadt. Auf dem Rückweg besuchte ich noch kurz St. Eustache, wo es eine Art „Gedeckten Tisch“ für Bedürftige gab, in einer Seitenkapelle wurden Lebensmittel ausgegeben, im Atrium vor der Kirche konnte gegessen werden. Auch sehr eindrucksvoll.

Überall brummte das Leben, im ruhigen Park neben der Engelsburg hatten sich zahlreiche afrikanische Migranten niedergelassen, die Touristen strömten auf den Petersdom zu, vor dessen Kulisse gab Austen Ivereigh dem Fernsehen ein Interview zu seinem neu erscheinenden Buch „Wounded Shepherd: Pope Francis and His Struggle to Convert the Catholic Church“ über Papst Franziskus. In der Kirche St. Lorenzo (Stützpunkt der Weltjugendtage in unmittelbarer Nähe zum Petersdom) fand gerade Anbetung statt mit zwei jungen Leuten, die dabei zu Gast waren. Hier gab es auch eine interessante Ausstellung zur Amazonas-Synode. Vor einigen Tagen ging vor mir durch die Gassen ein Mönch im Habit der Kartäuser. Wenn der „echt“ war, muss es sich um den Generalprokurator des Ordens gehandelt haben, denn die anderen Ordensmitglieder verlassen die Kartausen nie. Im Zweifel kommt eher der Papst in eine Kartause, als das ein Kartäuserkloster eine Wallfahrt nach Rom macht. 
Den Abend verbrachten wir gemütlich mit unserer Gruppe (wie schon 2005) im römischen Restaurant „La Vittoria“, das für uns einen eigenen Raum reserviert hatten.

Samstag

Und dann brach auch schon unser letzter Rom-Tag an. Auf dem Rückweg von einem letzten Spaziergang über den Petersplatz sahen wir, dass die Tür (das Tor) zur niederländischen Nationalkirche (St. Michele in Sassia), der sogenannten Friezenkerk, offen stand. Als große Freunde des Nachbarlandes kletterten wir die Treppe zu der etwas verborgen hinter unserer Unterkunft gelegenen Kirche hinauf. Drinnen stand auch ein Bischof im Messgewand, der sich mit einer Gruppe Niederländer unterhielt. Wir schauten uns etwas um und am Ende blieb ich allein noch einige Minuten in der Kirche zurück. Der Bischof sprach mich an und fragte, ob ich Niederländer sei. So kamen wir ins Gespräch über meine Heimatstadt und das benachbarte Winterswijk, meine Großtante Gertrud, die als Sr. Maria Irmundis in einem niederländischen Kloster lebte, über Ameland und den Neubeginn der Trappisten auf Schiermonnikoog.

Dann sagte der emeritierte Bischof von s'Hertogenbosch, Msgr. Antonius Hurkmans, dass er jetzt die Hl. Messe feiern wolle. Ich antwortete, dass ich gern dabei geblieben wäre, aber in Kürze mit meiner Gruppe eine Abschlussandacht hätte. Als ich mich jedoch umwandte sah ich eine leere Kirche und mochte doch nicht hinausgehen. 

So schrieb ich in unsere Rom-Gruppe bei Whatsapp, dass ich sehr knapp zum Gebet käme und noch mit dem Bischof die Messe feiern wollte. Das war auch ein ganz eigenes Erlebnis, eine Messe mit Bischof und mir als einzigem Gottesdienstbesucher. Doch nach und nach kamen noch einige aus unserer Gruppe dazu. Die Messe dauerte auch nur 27 Minuten, so dass wir pünktlich um Gottes Segen für die Heimreise beten konnten. Und diese gelang dann auch ohne jede Komplikation, so dass wir erschöpft, aber voller schöner und guter Eindrücke nach einer Woche Rom an der Voerder Pauluskirche voneinander Abschied nahmen. Hoffentlich gibt es ein Wiedersehen mit der Hl. Stadt, auch wenn wir in den von Touristen völlig überlaufenen Trevibrunnen keine Münzen eingeworfen haben.

Nach der Heimkehr schaltete ich "natürlich" Radio Vatikan an. Hier wurde am Sonntag die Abschlussmesse der Amazonassynode übertragen. Natürlich klugerweise auch ganz ohne "Pachamama" - Figürchen. Aber nicht ohne klare Worte des Hl. Vaters. Er betrachtete den Pharisäer und den Zöllner des Evangeliums und predigte gegen eine Religion des ICH. Wirklich eine lesenswerte Predigt: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2019-10/papst-franziskus-wortlaut-predigt-synode-amazonas-bischoefe-mess.html