Samstag, 31. März 2012

Kollektiver Kirchenaustritt zum „Hasenfest“?

Jetzt bekommt die Formulierung „Hasenfest“ aus der Werbung des Thalia-Buchhandels 2011 doch noch einen ernsteren Hintergrund. Aufgrund kirchlicher Intervention haben die Werbeleute im vergangenen Jahr den Begriff aus ihren Prospekten verbannt. Dezidiert antikirchlich wollten sie ihre Werbung nun doch nicht verstanden wissen. Man sei eher etwas arglos gewesen und wollte den Begriff augenzwinkernd verwenden. (Letztlich könnte es ja auch geschäftsschädigend sein, wenn die kirchlich gebundenen Kunden von der Diskussion ums Hasenfest irritiert würden.)
Dabei beschrieben die Thalia-Werber in Wirklichkeit nur das, was für viele Menschen in Deutschland seit Jahren Realität ist: Ostern ist zu einem fröhlichen Frühjahrsfest mutiert, wäre es nicht ehrlich, es in „Hasenfest“ umzubenennen? Der Karikaturist Thomas Plaßmann hat mich vor einiger Zeit schon herzlich lachen lassen, als er eine Frau und ein Kind vor einem Plakat mit „Frohe Ostern“ zeichnete. Die Frau sagt: „Ich glaub', da ist irgend so ein Hase geboren.“ (Es lässt mich hoffen, dass unsere Firmbewerber schmunzeln oder sogar lachen, wenn ich ihnen diese Karikatur zeige.)
Offensichtlich sind vielen Menschen – auch eingeschriebenen und "steuerzahlenden" Katholiken - die Grundlagen abhanden gekommen. Als Seelsorger beobachten wir schon länger besorgt, dass die Gottesdienste an Gründonnerstag und Karfreitag bei weitem nicht so gut besucht sind wie an Ostern und dass trotz gut besuchter Ostergottesdienste sicherlich 70 – 75 % aller Katholiken in Voerde Ostern ohne Gottesdienst zu feiern wissen.
Das stellt schon die Frage, was ihr Herz und ihre Seele mehr bewegt: das verheißene ewige Leben, der Sieg des Lebens über den Tod oder die Freude der Kinder und Enkel beim Eiersuchen oder beim beherzten Biß in den Schokohasen.
Diese schmerzliche Realität anzuerkennen stände der Kirche gut an. Und es reicht nicht aus, den Anhängern des Hasenfestes und den Frühlingsfestfeierern ihre Festfreude madig zu machen. Wir müssen als Christen auch die Botschaft entgegen setzten, warum wir der Meinung sind, dass es gute Gründe gibt, des Todes und der Auferstehung eines Menschen der Antike (für Christen natürlich viel mehr) noch heute zu gedenken. Ich persönlich kann mir ein Leben ohne diese Hoffnung nicht vorstellen.
Überzeugend finde ich – nicht nur als Christ, sondern auch als denkender Mensch - die Argumente der Kirchenaustrittswerber nicht. Es sind die immer wieder aufgekochten Einseitigkeiten der Diskussionen der vergangenen Jahre. Die Bibel (oder die „Anti-Bekenntnisschriften“) der organisierten Glaubensgegner dürfte gerade mal drei bis vier Seiten umfassen, deren magere Inhalte dann in zahlreichen Websites, Büchern und Magazinen rund um den Dunstkreis der Giordano – Bruno – Stiftung immer wieder aufgekocht und bunt dekoriert in spaßigen Variaten in die Presse und in die Medien gedrückt werden.
Giordano Bruno würde sich vermutlich ob der Oberflächlichkeit der Protagonisten der nach ihm benannten Stiftung beständig im Grabe umdrehen. Da hatte sein Denken und vermutlich auch sein Glaube ein ganz anderes Format. Anders als Denker wie Giordano Bruno geht es den heutigen Kirchengegenern nicht darum, kirchliches und gläubiges Denken zu beeinflussen und für eine Reform desselben zu streiten, sondern sie bekämpfen gleich den religiösen Glauben und die Kirche(n) im Paket. Im Namen der angeblichen „Aufklärung“ wird der Glaube lächerlich gemacht, die „Sünden“ der Kirche unreflektiert und ohne den historischen Kontext präsentiert und die humane, revolutionäre, menschenfreundliche Seite der Kirchengeschichte und ihrer vielen „Heiligen“ negiert. Ich würde gerne einmal hören, wie diese Leute über Persönlichkeiten wie Edith Stein, Franziskus von Assisi und Mutter Theresa denken. Vermutlich würden entsprechende Wortmeldungen von Karl-Heinz-Deschner oder Michael Schmidt-Salomon den Menschen die Augen öffnen, die aus einer gewissen Kirchendistanz oder Kritik heraus mit dem kämpferischen Atheismus sympathisieren.
Ich bin der festen Überzeugung, dass unserer Gesellschaft durch die Kritiker und Ablehner des religiösen Glaubens kein Gefallen getan wird. Die Gesellschaft wird davon nicht profitieren, denn im Windschatten der Glaubenslosigkeit verbreitet sich auch zutiefst inhumanes Gedankengut (Peter Singers „Praktische Ethik“, Wirtschaftsliberalität und „Raubtierkapitalismus“, Abtreibung als „Menschenrecht“, PID, Spätabtreibung und Behindertenfeindlichkeit...)
Was uns durchaus fehlt sind profilierte Kirchenkritiker, die als denkende und gläubige Menschen den Kirchenleuten auf Augenhöhe begegnen. Es würde der Kirche sicher gut tun, von klugen Köpfen auf ihre Widersprüchlichkeiten und Einseitigkeiten hingewiesen zu werden. Auseinandersetzung in der Sache hilft auch den gläubigen Menschen. Wir brauchen Leute, die die Kirche und ihre Geschichte, die den Glauben und die Theologie kennen und den Mut zeigen, ihre kritischen und berechtigten Anfragen entschlossen vorzutragen. So wie es Giordano Bruno getan hat. Leute, die dann trotzdem mit Freude Ostern feiern und den anderen ihr Hasenfest gönnen können.
Wer weiß, vielleicht reicht es denen eines Tages dann nicht mehr, zu feiern, weil irgendein Hase geboren wurde, sondern sie möchten feiern, weil sie erfahren haben, dass durch Gottes Wirken die Liebe und das Leben stärker sind als der Tod. So unwahrscheinlich ist das nicht, denn diese Botschaft "zündet" seit fast 2000 Jahren aus eigener Kraft.
Frohe und gesegnete Ostern! Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

Montag, 26. März 2012

Abtei Mariawald und die reformierte Liturgie...

Diesen Text habe ich vor einiger Zeit auf "orden-online.de" geschrieben. Da gerade die Diskussion um eine volle Eingliederung der Piusbruderschaft wieder neu aufflammt passt er vielleicht auch in dieses Blog.
Mit Interesse verfolge ich die Diskussion um die "Tridentinische" Liturgie. Als 1967 geborener und getaufter Katholik bin ich ja Kind des Konzils. Ich kenne aus eigenem Erleben im Grunde nur die Liturgie der “Neuen Messe” und ich glaube, mit Herz und Seele, nach wie vor. Die Hl. Messe, die kath. Liturgie ist die Form, in der ich mit Gott in Kontakt komme. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass er darin zu mir spricht, dass er im Brot des Lebens, im Opfermahl der Eucharistie präsent ist, dass er sich hierin zu mir neigt, mit mir im tiefsten kommuniziert und ich spüre immer wieder, dass dies wahrhaft so ist.
Wie kann eine Liturgie schlecht sein, die nach wie vor Millionen von Katholiken Lebenskraft und Glauben schenkt? Ich erlebe dies Tag für Tag in der Gemeinde, in der ich lebe und mitarbeite. Mich erschreckt diese bösartige Polemik, die immer wieder anzutreffen ist wenn es um “Neue” und “Alte” Messe geht. Ich bin kein schlechterer Katholik, diesen Verdacht möchte ich von mir weisen. Letztlich richtet sie sich doch gegen zahllose Konzilsväter und einige Päpste und kann doch niemals unter dem Deckmantel der Kirchentreue geäußert werden. Auch die reformierte Liturgie hat ihr Recht.
Dennoch unterstütze ich inzwischen (nachdem ich die Diskussion schon länger verfolge) den Wunsch unseres Hl. Vaters Benedikt, den "alten lateinischen Ritus" als außerordentliche Form der Eucharistiefeier zuzulassen. Es stimmt, was sich über fast 1.900 Jahre liturgisch entwickelt hat, kann ja nicht schlecht sein und ist es auch nicht. Bei allem was ich weiß: es handelt sich doch nicht um eine Liturgie, die sich im Laufe dieser Jahre nicht gewandelt hätte. Und auch die neue Liturgie wurzelt in dieser Tradition.
Aber: die alte Liturgie kann nur dann wahrhaftig sein, wenn sie in gewisser Achtung vor der neuen Liturgie gefeiert wird. Sie verliert ihre Würde, ihren Rang, ihre tiefe Spiritualität, wo sie als allein richtig und seligmachend verzweckt (und gegen andere liturgische Traditionen gewendet) wird. Liturgie ist reiner Gottesdienst. Gott hat Geduld mit uns Sündern. Er kämpft nicht im Mantel von Gebet und Gottesdienst. Ich bin dankbar für das Experiment “Mariawald”.
Aber ich habe auch Sorgen. Das II. Vat. Konzil hat doch eindeutig festgestellt, dass die “Alte Messe” einer weiteren Entwicklung bedürfe. Ganz bestimmt ist man häufig hier über das Ziel hinweg geschossen, fehlte bei mancher Reform die notwendige Behutsamkeit. Für mich ist die “Alte Messe” auch ein Stück über Jahrzehnte konserviert worden, transportiert theologische Einsichten, die neuer sprachlicher Fassung und gedanklicher Durchdringung bedürfen. Wir haben das ja auch an der Diskussion über die Karfreitagsfürbitte gesehen. Ich würde mir eine sensible Reform im Sinne von Weiterentwicklung der “Alten Messe” und ihr dann mehr Raum in den Riten der Kirche (von denen es ja noch einige mehr gibt) wünschen.
Die Krise der Kirche, der Orden ist eine Folge gesellschaftlicher Entwicklung im Westen. Es ist dieselbe Krise, die schon in den 60er Jahren zu den Reformen des Konzils geführt hat. Sie ist nur tiefer geworden, die Reformen haben sie nicht bremsen können. Die reine Rückkehr in die Vergangenheit wird diese gesellschaftliche Krise nicht mindern. Im Gegenteil. Ich bin sicher, dass Mariawald einen gewissen, begrenzten Aufschwung nehmen wird. Hoffentlich mißt der Abt “Erfolg” nicht an Zahlen. Ich war gern in Mariawald. Der Orden, seine Regel, seine geistlichen Schriften haben meinen Glauben sehr bereichert. Sie haben durchaus erfolgreich gewirkt, nicht nur bei mir persönlich, die Trappisten.
Trappist zu sein, das erfordert eine tiefe geistliche Berufung. Da reicht die Freude an der “Alten Liturgie” nicht aus. Im Grunde ist es daher gut, dass auch die strengeren Bräuche wieder kehren, da werden evtl. Kandidaten gleich in die ganze Breite der Berufung der Berufung der Trappisten geführt. Der Aufschwung der Abtei wird aber nur begrenzt sein.
Die Liturgie allein macht es nicht. Meines Wissens blühen andere Trappistenabteien trotz reformierter Liturgie (siehe Sept Fons und Novy Dvur). Ich denke wegen der Eindeutigkeit, Strenge und Treue zur Berufung. Ich weiß nur wenig, aber dass Mariawald davon nicht profitieren konnte hat mit vielen Bedingungen in diesem Kloster zu tun. Soweit ich weiß ist auch der Kartäuserorden eine schrumpfende Gemeinschaft, trotz der Treue zur kartusianischen Liturgie, die die Reform des Konzils nicht nachvollzogen hat. Die so offensichtlich von einigen Schreibern vermutete Erfolgsorientierung der Klöster mit überlieferter Liturgie ist kein Selbstläufer. Möglicherweise war der Schritt von Abt Josef ein richtiger Schritt.
Ich würde mir wünschen, dass Mariawald wieder aufblüht und Bestand hat, als Insel des Glaubens in dieser Welt. Ich hoffe sehr, dass die Abtei sich nicht als Insel im Meer des Unglaubens präsentiert sondern als lebendiger Teil der einen heiligen römischen katholischen und apostolischen Kirche, die auch in Schleiden und Heimbach, in Abenden und Wolfgarten, in Aachen und Monschau lebendig ist. Und nach wie vor auch in meiner Stadt Voerde am Niederrhein. Allen Diskutanten wünschen ich Gottes Segen und seinen Frieden im Herzen.

Donnerstag, 22. März 2012

Manchmal ist es zum Haare-Raufen...

Foto von der Amtseinführung von
Stephan Ackermann als Bischof von Trier
Wem wollen Sie das eigentlich erklären; dass die Kath. Kirche einer Kindergartenleiterin in einem Kindergarten in Königswinter kündigt, weil diese nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe nun zu ihrem neuen Lebenspartner gezogen ist. Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche stünde damit auf dem Spiel, die Erzieherin habe schließlich einen Verkündigungsauftrag.

Gleichzeitig verteidigt der Trierer Bischof Stephan Ackermann die Situation, dass einige pädophile Priester, die als Missbrauchstäter in (weniger schweren) Fällen überführt worden sind, weiterhin als Priester in Diensten des Bischofs und der Kirche stehen. Man könne doch kein „Guantanamo“ für solche Priester (z.B. in einem Schweigekloster) einrichten, sondern sei hier weiterhin in der Verantwortung, solche Priester im Dienst zu behalten, so Bischof Ackermann. Damit seien sie doch auch unter Aufsicht.
Zweifellos ist das ein ehrenwertes Anliegen, schließlich gibt es sehr viele Pädophile außerhalb der Kirche, die als „tickende Zeitbomben“ mitten unter uns leben. Aber mal ehrlich gefragt, wie glaubwürdig kann ein solcher Priester seinen Dienst tun, predigen, das Wort Gottes verkünden, wenn er mit dieser Schuld leben muss?
Wenn die Kirche so viel Verantwortung gegenüber einer gescheiterten Existenz zeigt, müsste sie dies auch an anderen Stellen tun, um glaubwürdig und überzeugend zu bleiben.
Müsste dann nicht die barmherzige Haltung der Kirche nicht ebenso den Gescheiterten in einer Ehe und im Priestertum gelten? Die Kindergartenleiterin hat sicher ihren Anteil am Scheitern ihrer ersten Ehe, aber außerhalb dieser Beziehung (und vielleicht ihren eigenen Kindern gegenüber) hat sie keinerlei Schuld auf sich geladen. Man muss der Kirche zu Gute halten, dass man ihr zunächst eine andere Stelle in einer anderen Einrichtung angeboten hat.
Viele Menschen empfinden das als zwiespältig, als doppelbödig. Solche Nachrichten sind es, die die Glaubwürdigkeit der Kirche zutiefst untergraben. Für die Kirche in Königswinter hat das die Folge, dass der Jugendhilfeausschuss ihr die Trägerschaft der Einrichtung entziehen wird. Ob das die „Entweltlichung“ ist, die der Papst gemeint hat?
Natürlich müsste man in diesem Fällen mehr differenzieren, aber wer tut das schon? Solche Nachrichten bestätigen und manifestieren sich in den Hinterköpfen. Früher hieß ein beliebter Spruch „Gegen Gott habe ich nichts, aber eine Menge gegen sein Bodenpersonal.“ Solche Sprüche konnte man mit Humor, Freundlichkeit und gute Arbeit entkräften. Aber heutzutage wird in der Öffentlichkeit, nicht ohne unsere Schuld eine verbreitete öffentliche Meinung zementiert, die Kirche sei ein „Hort von Kinderschändern“. Nach wie vor wird der Lebensunterhalt dieser Menschen aus Kirchensteuermitteln bestritten. So viel „Fürsorge“ würde sich mancher, aus anderen Gründen verurteilte Straftäter auch wünschen.
Wenn dann als „Sahnehäubchen“ noch die Meldung dazu kommt, dass das Erzbistum München knapp 10 Millionen Euro für ein Gästehaus in Rom ausgeben kann, während allüberall der Rotstift regiert, fragt sich selbst der kirchentreue Pastoralreferent, was eigentlich los ist in seiner Kirche. Und flüchtet sich trotzdem in das Wissen, dass Kirche ja viel mehr ist als die drei folgenden Schlagzeilen.

„Kirche kündigt Erzieherin nach Partnertausch“
Eltern laufen dagegen Sturm. Kommune kündigt der Einrichtung die Trägerschaft.

Hauskauf der Erzdiözese München und Freising
Unser Palast in Rom

Katholische Kirche
Bistum Trier will pädophile Pfarrer weiter beschäftigen

Sonntag, 18. März 2012

Bis dass der Tod uns scheidet...

Ein ganz heißes Eisen ist der Umgang der katholischen Kirche mit den Geschiedenen, die sich wieder verheiratet haben oder eine neue feste Beziehung eingegangen sind. Rund um den Papstbesuch gab es einige Situationen, wo diese problematische Frage im kirchlichen Leben im Focus stand. Schon vor dem Papstbesuch nährte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Zollitsch im Gespräch mit der „Zeit“ die Hoffnung auf neue Wege im Umgang mit wiederverheirateten geschiedene Katholiken, die nach dem kirchlichen Recht vom Sakramentenempfang ausgeschlossen sind. Es gehe darum, Menschen zu helfen, "deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen ist", sagte der Freiburger Erzbischof. Als Beispiel nannte er den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, ein Katholik, der nach einer Scheidung zum zweiten Mal verheiratet ist. „Er ist für mich ein Katholik, der seinen Glauben lebt und darunter leidet, wie die Situation ist“, sagte Zollitsch. Auch Wulff selbst und der Bundestagspräsident Norbert Lammert wiesen in ihren Begrüßungsansprachen beim Besuch des Papstes in Deutschland auf diese Problematik hin.
(Bild: © pfarrbriefservice.de/Adelheid Weigl-Gosse, www.weigl-gosse.de)
Dennoch, das Thema schlug in Deutschland keine hohen Wellen. Einzig die betont konservativen Medien und Internetportale widmeten sich in negativer Weise den Personen, die den Finger in die Wunde gelegt hatten, dass die Kirche im Umgang mit Menschen aus gescheiterten Beziehungen ein Problem hat, das in den Augen der Gesellschaft ihre Glaubwürdigkeit und ihre Bedeutung als moralische Instanz tangiert, ja sogar beschädigt. Aber statt sich dem Thema selbst und seinen Lösungsmöglichkeiten zu widmen oder gar die neue Offenheit kirchlicher Kreise für seelsorgliche Lösungen zu betonen, bekamen Zollitsch, Lammert und Wulff von dort halt Prügel.
Ganz anders jetzt die Situation in der Schweiz, wo der Hirtenbrief von Bischof Vitus Huonder von Chur hohe Wellen schlägt, weil zahlreiche Priester sich weigern, diesen Hirtenbrief überhaupt zu Gehör zu bringen und viele kirchliche Gruppierungen ihrem Bischof offen widerstehen. All dies läßt sich vielleicht auch aus der besonderen jüngeren Geschichte des Bistums erklären und hat auch Gründe in der staatskirchenrechtlichen Verfasstheit der Schweizer Kirche. Ob der Bischof allerdings gut beraten war, in der – noch immer – angespannten Situation seines Bistums gerade ein gewisses Reizthema in den Mittelpunkt eines Fastenhirtenbriefs zu stellen – das sei einmal dahin gestellt. Verkündet hat er letztlich ganz wenig „Neues“, sondern nur die offizielle Lehre wiederholt. Und schon stellen sich die Christen an den bekannten Frontlinien munter gegeneinander.
Auf der Strecke bleiben – einmal mehr – die Betroffenen. Natürlich ist die „Lehre der Kirche“ eindeutig. Natürlich gibt es auch die 10 Gebote, die gleich zweimal vom „Ehebruch“ sprechen. Natürlich sind auch die Aussagen Jesu in dieser Frage eindeutig. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Ehe zur Zeit Jesu noch etwas ganz anderes bedeutete als heute, romantische Liebesbeziehungen, das gab es damals noch kaum. Silberne Hochzeiten wohl auch nicht, und die Verwiesenheit aufeinander für das wechselseitige Überleben und das der Kinder war viel größer als heute. Wer sich von seiner Frau trennte gefährdete deren Leben. Die Ehe hatte einen völlig anderen Stellenwert als heute. Und Jesus verurteilt mit scharfen Worten vor allem den Bruch einer Ehe und die damit verbundene prekäre Situation vor allem für die Frau und die Kinder.
Natürlich gibt es aber auch gute Gründe, warum man die biblischen Stellen und die Tradition heute anders deuten und interpretieren müßte. In diesem kirchenpolitischen und moraltheologischen Streit ist eigentlich alles gesagt. Auf Grundlage dieser – jahrzehntealten theologischen Auseinandersetzung, die ja auch Klärungen brachte, ließe sich sicherlich der ein oder andere mutmachende Schritt auf die Betroffenen hin tun. Es ist aber schade, dass in dem ganzen öffentlichen Wortgeklingel um eine barmherzige Kirche viel zu wenig klar wird, dass die Kirche doch eine menschliche Botschaft und eine Wegweisung zu vermitteln hätte.
Was mir fehlt, ist aber auch der Blick auf die Betroffenen? Während sich theologisch manches klar sagen läßt und klären ließe, ist es im konkreten Fall oft auch jenseits dieser Fragen schwierig und wenig klar und eindeutig. Schon das Beispiel des Erzbischofs – der damals noch populäre Bundespräsident Wulff – läßt nachdenklich werden. Wie war noch damals, als der Ministerpräsident Wulff sich von seiner Frau trennte? Die heile Wulff-Welt hatte schon damals (und auch vorher schon lange tiefe) Risse, aber nach außen spielte man das Spiel vom harmonischen Familienleben weiter. Manchen Beobachtern ging der Frauen-Tausch damals (lange vor der Bundespräsidentenwahl) denn auch reichlich fix.
Harald Schmidt brachte das im Spiegel-Gespräch kürzlich so auf den Punkt:
„SPIEGEL: Sie bewundern den Papst?
Schmidt: Er ist für mich durch den Besuch in Deutschland noch mal in eine andere Liga gerückt. Christian Wulff hat bei der Gelegenheit auch die Formulierung dieses Jahres geprägt: "Brüche in den Lebensgeschichten der Menschen". Für mich ein mittelständischer Euphemismus für: die Alte in die Wüste schicken.“
Ich denke, auch diese freche Bemerkung wird der komplexen Situation zweier Menschen, deren (Liebes-)beziehung gescheitert ist nicht gerecht. Aber, eben das ist es in der Regel, ein komplexes, schwer zu entwirrendes Geflecht von Liebe und Hass, Schuld und Sünde, Entfremdung und Anziehung, gemeinsamer Geschichte, Lüge, enttäuschten Gefühlen, Enttäuschungen, Schuldgefühlen und und und... Wenn dann noch Kinder dazwischen stecken, umso schlimmer. Trennung, das klingt leicht und ist doch so schwer. Und nach jeder Trennung braucht es eigentlich Zeit, die ganze „Trümmer-“Landschaft aufzuräumen, bei sich selbst und beim ehemaligen Partner. Mal mehr, mal weniger, ganz individuell, abhängig vom Naturell der Einzelnen, von der Dauer der Beziehung, dem, was gemeinsam aufgebaut und geschaffen und nun wieder „eingerissen“ wurde. Das ist doch eine Beschreibung der Wirklichkeit, die vermutlich recht viele Leser und Beobachter mitgehen können.
Kommt nun noch eine „neue Frau“, ein „neuer Mann“ hinzu wird es vollends unübersichtlich. Und das Aufräumen der Lebens- und Beziehungslandschaft wird gestört. Manche Klärung kann nicht erfolgen, manche Trauer nicht durchgestanden, manche Enttäuschung kann nicht aufgearbeitet werden. Die neue Beziehung „erbt“ in der Regel so manche Belastung. Das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten (zu denen auch der alte Partner (noch) gehört).
Und nach christlicher Auffassung ist auch Gott mit im Boot. Die Ehe ist nämlich, so die katholische Sakramententheologie, ein Spiegelbild der Liebe Gottes zu den Menschen. Und so wie die Liebe Gottes zu den Menschen beständig bleibt, durch alle Krisen hindurch, so soll auch der Mensch jede Krise der Beziehung durchstehen. Als christliche, katholische Eheleute haben sie versprochen, dass sie gute und schwere Zeiten miteinander durchstehen möchten, bis der Tod sie voneinander scheidet. Manch einer hört das in seiner Verliebtheit als freundliches Versprechen, als schöne Hoffnung, aber ohne den nötigen Ernst. In den meisten Fällen ist es auch eher eine Prophezeiung aus jahrhundertelanger Lebenserfahrung der Kirche als ein feierliches Versprechen. Es bedeutet: Dieser Ehe stehen noch schwierige Zeiten bevor, es wird vermutlich Beziehungskrisen geben, Krankheiten, wirtschaftliche Einbrüche und schwere Belastungen. Steht ihr die gemeinsam durch?
Die orthodoxe Kirche hat eine Lösung für Eheleute gefunden, die nach einer gescheiterten Beziehung eine neue Bindung beginnen. Liturgisch hat diese Zeremonie Aspekte einer Bußandacht. Und das ist sicher richtig so. Niemand geht schuldlos aus einer gescheiterten Beziehung. Jeder hat seine Anteile an einer Trennung. Natürlich gibt es auch Ehen, die auseinanderbrechen, in denen man klar den Schuldigen erkennt. Sicher gibt es die „Verlassenen“. Aber ganz so einfach ist es meistens ja nicht. Und nach kirchlicher Auffassung geht es bei der Buße und bei der Beichte nicht darum, sich selbst schuldig zu fühlen, sondern die Situation zu erkennen und diese Erkenntnis Gott hinzuhalten. Gott ist es der uns durch und durch erkennt. So kann eine Beichte, als Sakrament der Versöhnung dazu beitragen, dass ich mich auf Neues einlassen kann.
Und das finde ich in der ganzen Diskussion so verkehrt. Dass auf der einen Seite die kirchlichen Prinzipien hochgehalten und den neu verliebten Menschen vor die Nase gehalten werden. Und das auf der anderen Seite von kirchlicher Barmherzigkeit geschwärmt wird, ohne die konkrete Situation der betroffenen Menschen in den Blick zu nehmen. Gott ist barmherzig. Aber er sorgt auch dafür, dass der Mensch sich selbst erkennt und seine Schuld und seine Unschuld wahrnimmt, sich selbst sieht, so wie er oder sie ist.
Nur wenn das – einigermaßen – gelungen ist, sollten wir in die Diskussion eintreten, ob jemand in einer neuen Verbindung zu den Sakramenten zugelassen wird. In der orthodoxen Kirche sagt man ja. In meiner katholischen Kirche sagt man – zumindest öffentlich – eher nein, will das aber nicht als Ausschluß der wiederverheirateten Menschen begriffen wissen. Ich glaube, hier hat man sich ein wenig in moraltheologische Prinzipienreiterei verrannt. Damit nimmt sich die Kirche – so sehe ich es – die Möglichkeit, einen positiven Beitrag zum gelingenden Miteinander in einer Beziehung zu leisten. Wie heilsam könnte ein solcher Prozess der Zulassung zu einer zweiten Ehe sein, wenn er als Weg der Besinnung und der Heilung gegangen und schließlich gefeiert würde. Wie hilfreich könnte es für eine zweite Beziehung sein, wenn das „Vergangene“ wirklich abgeschlossen wäre. Und bei einem solchen Umgang mit einer gescheiterten Ehe könnte die Kirche wirklich deutlich machen, dass ihr das Anliegen Jesu, Menschen zu einer verläßlichen, sicheren Partnerschaft zu ermuntern etwas bedeutet.