Mittwoch, 25. April 2012

Ist eigentlich "alle" mehr als "viele"? - zur Diskussion um das Kelchwort Jesu

Bild: Nicole Cronauge auf http://www.ludgerus2009.de/
„Darf's auch etwas mehr sein?“ In der aktuellen katholischen Diskussion um „viele“ oder „alle“ geht es überhaupt nicht um Mengenlehre. Jeder weiß, dass viele Äpfel, die ich auf einem Wochenmarkt kaufe durchaus „alle“ sein können. Aber, es mag manche erstaunen: Die Diskussion um „für viele“ oder „für alle“ regte in einer normalen Landgemeinde am Niederrhein heute niemanden auf. Das war mein Eindruck am Tag nach dem Papstbrief an die deutschen Bischöfe vom 24. April 2012.
Es ist sicher ungewöhnlich, dass sich Papst Benedikt per Brief in eine – auf den ersten Blick vielleicht nebensächliche Frage der Übersetzung einer liturgischen Formulierung einschaltet.
Seit dem 2. Vatikanischen Konzil sind die regelmäßigen Kirchgänger unter den Katholiken gewohnt, dass der Priester statt der bis dahin vertrauten lateinischen Worte: „Hic est enim calix sanguinis mei, novi et aeterni testamenti qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem peccatorum…“ eine deutsche Übersetzung verwendete, die wie folgt lautet: „Nehmt und trinket alle daraus: das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“
Ein solcher Satz aus dem innersten Zentrum der Hl. Messe prägt sich tief in das Gedächtnis und sicher auch in die Gläubigkeit der katholischen Christen ein. Nun soll an dieser Stelle die Formulierung verändert werden! Der Hl. Vater bringt die Problematik, die manche deutsche Bischöfe in dieser Sache lange zögern ließ, sehr klar auf den Punkt: „Denn für den normalen Besucher des Gottesdienstes erscheint dies fast unvermeidlich als Bruch mitten im Zentrum des Heiligen. Sie werden fragen: Ist nun Christus nicht für alle gestorben? Hat die Kirche ihre Lehre verändert? Kann und darf sie das? Ist hier eine Reaktion am Werk, die das Erbe des Konzils zerstören will? Wir wissen alle durch die Erfahrung der letzten 50 Jahre, wie tief die Veränderung liturgischer Formen und Texte die Menschen in die Seele trifft; wie sehr muss da eine Veränderung des Textes an einem so zentralen Punkt die Menschen beunruhigen.“
Aber trotz dieser Bedenken hat er entschieden, dass die deutsche Übersetzung sich hier deutlicher an das in der Bibel überlieferte Jesuswort anlehnen soll. Dort heißt es – bei den einzelnen Evangelisten unterschiedlich akzentuiert entweder: „für euch“ oder „für viele“. Auch im lateinischen Text der Messe (und in vielen anderen Sprachen) heißt es: „pro multis“. Die Theologen und Liturgiker waren sich aber bei der deutschen Übersetzung nach dem 2. Vatikanischen Konzil einig, dass die Formulierung bedeutet: Jesus hat sein Blut für alle Menschen vergossen und sein Leben zum Heil aller Menschen geopfert. Daran hält auch der Hl. Vater heute fest und erinnert daran, dass der Hl. Paulus z.B. in seinen Briefen auf genau diese Feststellung Wert legt. Aber er wünscht sich auch, dass wir die Worte Jesu getreuer wiedergeben und dass deren Bedeutung in allen Sprachen nicht schon eine Deutung dessen ist, was wohl gemeint ist, sondern eine saubere Übersetzung dessen, was Jesus (vermutlich) im Abendmahlssaal gesagt hat.
Für die weitaus meisten Katholiken dürfte die Frage, ob hier „für viele“ oder „für alle“ gesagt wird nicht so entscheidend sein wie die Antwort auf die (bange) Frage: Und bin ich dabei, gehöre ich dazu?
Zahlreiche konservative und traditionalistische Initiativen klopfen sich heute schon stundenlang auf die Schultern und übertreffen sich in gehässigen Bemerkungen über die angeblich „ungehorsamen“ deutschen Bischöfe. Andere feiern den Papstbrief gar als persönlichen Triumph. Schließlich lag das Anliegen, in einer neuen Übersetzung wieder stärker den ursprünglichen Text zu betonen, schon seit dem Jahre 2006 auf dem Tisch. Aber das Freudengeschrei dieser Kreise hat einen anderen Hintergrund. Sie hatten mit der Formulierung, dass Christus sein Leben für alle hingegeben hat“ verbunden, dass damit gemeint sei, dass dann auch „alle“ erlöst seien, dass das Heil, unabhängig vom jeweiligen Lebensweg und Lebenswandel, „allen“ geschenkt würde. Darin sahen sie die Grundfesten der Kirche gefährdet und die Legitimation für eine allzu hohe Toleranz gegenüber anderen ungewöhnlichen Lebenswegen. Aber das ist eine Problematik, die auch stärker mit der Selbstlegitimation konservativer und traditionalistischer Kreise zu tun hat. Mit der von Gott geschenkten Gnade und mit Gottes Werben um den Menschen hat es recht wenig zu tun. Natürlich ist es gut für solche Kreise, wenn sie ihren Anhängern erklären können, dass mit den Vielen die gemeint sind, die präzise den Weg gehen und der Weisung folgen, die ihnen von den Priestern, den Oberen und hohen Autoritäten gegeben wird.
Papst Benedikt bleibt in seinem Brief sehr klar bei der historischen und sprachlichen Argumentation, ohne sich auch nur im Ansatz der unter Traditionalisten beliebten Ansicht anzuschließen, „für alle“ sei missverständlich und es ginge in der Diskussion vor allem darum, eine Art Allerlösungsinterpretation zu vermeiden.
Im Grunde müßte denen, die heute überlaut jubeln angesichts der sehr diffenzierten und verständnisvollen Argumentation des Papstes die Freude im Halse stecken bleiben. Hält dieser doch daran fest, dass die Bedeutung der Worte mit „für alle“ richtig wiedergegeben ist, dass er es aber bevorzugt bei diesen „Herrenworten“ möglichst bibeltreu zu sein. Auch die klassische Einheitsübersetzung übersetzt das Wort Jesu nicht mit „für alle“ sondern mit „für viele“.
Es gab einen Kompromissvorschlag, der die Spannung zwischen dem „für alle“ und „für viele“ ein wenig gemildert hätte: „für die vielen“. Aber Papst Benedikt hat – zugunsten einer besseren Texttreue – dagegen entschieden. Die Mühe, alle diese Dinge und Zusammenhänge zu erklären, die will er den Bischöfen und Priestern nicht abnehmen. Das gehört in den Bereich der Predigt und Katechese. Der Glaube ist manchmal sperrig. Aber in dieser Sperrigkeit steckt auch so manche Chance, zu neuen Erkenntnissen zu kommen.
Den traditionalistischen Kreisen dürfte auch nicht schmecken, dass der Papst zunächst eine gute Vorbereitung der Änderung erwartet. Es ist also falsch schon vor einer amtlichen Änderung im vorauseilenden Gehorsam den Text des gültigen Messbuches zu verändern. Nicht einmal Benedikt XVI selbst hat das bei den Hl. Messen bei seinem Deutschlandbesuch getan. Inhaltlich und theologisch sind auch nach dem Brief des Papstes beide Formulierungen: „pro multis“ und „pro omnisbus“ richtig. Aber die Bischöfe sollten sich nun beeilen, die Messbuchübersetzung abzuschließen und die Menschen auf die Veränderung in den liturgischen Texten vorzubereiten.
Das das notwendig sein wird, darauf hat schon Thomas Söding (allzu liberaler ideen unverdächtiger Exeget) im Christ in der Gegenwart hingewiesen: „Man muß mühsam erklären, was gemeint - und vor allem, was nicht gemeint ist. Zumal die nachträgliche Veränderung wird Zweifel aufkommen lassen: Wird das Opfer etwa nicht mehr „für alle", sondern nur noch „für viele" dargebracht? Das kann doch nicht wahr sein, wird aber so verstanden werden. Jene, die zum Gastmahl der ewigen Herrlichkeit geladen sind, sind nicht wenige, sondern unendlich viele, nämlich alle. Wen Gott dann in seinem Reich willkommen heißen wird - wer will das wissen?“
Als Katholiken sollten wir uns an diesem Thema nicht „streiten“. Der Papst gibt in seinem Brief den Verfechtern beider Positionen durchaus recht. Aber ihm steht es zu, eine Entscheidung zu treffen. Sie weicht in diesem Fall von der Entscheidung seines Vorgängers Papst Paul VI. ab. Nehmen wir es als Zeichen der Lebendigkeit der kirchlichen Lehre und Liturgie. Viel wichtiger ist es, miteinander Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die uns erfüllt. Und zu bedenken, dass das Leitwort der Trierer Hl. Rock – Wallfahrt „...und führe zusammen was getrennt ist“ mehr denn je uns allen gilt. Unter dem Dach der Kirche ist viel Raum, wichtig ist, dass es Jesus Christus selbst ist, der uns zur Einheit ermutigt.
P.S.: In der evangelischen (lutherischen) Kirche heißt es übrigens: "Das ist + mein Blut des neuen Testaments, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden."

Der Brief des Papstes findet sich hier: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=582515
Interessant auch die Meinungen der Wissenschaft: http://www.muenster.de/~angergun/pro-multis.html
Heiße Diskussionen dazu immer auf http://www.kreuzgang.org/

Sonntag, 22. April 2012

Bericht von der Wallfahrt zum Hl. Rock nach Trier: 2. Teil

(Bitte lesen Sie zunächst den ersten Teil des Berichtes http://www.kreuzzeichen.blogspot.de/2012/04/bericht-von-der-wallfahrt-zum-hl-rock-1.html)
Ebensowenig hat sich bis heute ein Betrug beweisen lassen. Letztlich aber kommt es auch weniger auf einen eindeutigen Beleg der Echtheit an. Als Christen haben wir ein Sakrament, das noch viel mehr auf Christus verweist, als es ein Textil jemals könnte. „Nehmt und esst alle davon“ so hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt. Dieses Brot „ist mein Leib“. Wie sollte jemals ein Textil, das Christus getragen hat, bedeutungsvoller werden als dieses Zeichen seiner Gegenwart in unserem Leben. Dieser bedeutungsvolle Zusammenhang wurde auch dadurch unterstrichen, dass in vielen Kirchen rund um den Dom den ganzen Tag über die Hl. Eucharistie zur Anbetung ausgesetzt war.
Dennoch machte die Begegnung mit den vielen Christen aus aller Welt und die Begegnung mit diesem, seit Jahrtausenden verehrten Kleid die Pilger still und nachdenklich. In der Bibel wird berichtet, dass einmal eine kranke Frau das Gewand Jesu berührt hatte. Sofort spürte sie, dass sie geheilt war und Christus spürte, dass von ihm eine Kraft ausgegangen war. Er blickte die Frau an und sagte ihr „Dein Glaube hat Dir geholfen!“. Jeder Pilger wird eine innere Spannung, eine Krankheitserfahrung, eine innere Verletzung mit nach Trier getragen haben. Im Leben läuft es nicht immer rund. Mag vom Gewand Christi auch kein Wunder mehr ausgehen, trotzdem hinterläßt eine solche Wallfahrt Samenkörner des Glaubens und der Ermutigung in unserem Leben. Das haben die Pilger von heute vermutlich (oder auch hoffentlich) erfahren dürfen.
Im großen Pilgerzelt im Palastgarten gab es eine leckere, einfache Verpflegung. Anschließend bummelten alle zurück zum Dom, wo der Stadtführer, Herr Karl Mikolai uns mit der Geschichte der Stadt Trier und ihrer Bauten vertraut machte. Besonders die römische Vergangenheit hinter und in den heutigen Bauten ließ er immer wieder hindurchscheinen. Schließlich ist Trier die älteste Stadt Deutschlands und war zeitweise Residenz römischer Kaiser. Die Führung endete in der Konstantinsbasilika. Dort, wo einst dem römischen Kaiser gottgleiche Verehrung entgegengebracht wurde, feiern heute die evangelischen Christens Triers ihren Gottesdienst. Ein beeindruckendes Gebäude, heute der größte erhaltene römische Bau in ganz Europa.
Beim anschließenden Gang durch die Stadt wurde für aufmerksame Beobachter deutlich, dass Trier auch die Stadt zahlreicher Religionskritiker war. Einige Geschäfte trugen den Namen der Familie Marx, Karl Marx selbst stammte aus dieser Stadt. Ein Spötter hatte eine alte Unterhose in einem Triptychon als „Unterhose“ von Karl Marx ausgestellt. An vielen Denkmälern und prägnanten Orten hingen selbstgestrickte kleine Hl. Röcke mit einem Zettel dran: „lasst euch nicht aufziehen“. Zog man an diesem Zettel, so ribbelte sich der Strick auf und der winzige Hl. Rock verschwand. Die Botschaft konnte jeder für sich deuten und mit nach Hause nehmen. Leider hatten sich die meisten Kritiker nicht mit den Aussagen der Kirchenleute auseinandergesetzt, denn solche Kritik blieb so oberflächlich wie eh und je. Wohl kaum einer der Christen nahm das ausgestellte Gewand als wundertätige Reliquie. Wohl kaum einer zeigte sich als unkritisch und kirchenhörig, sondern jeder kam mit seiner eigenen Frömmigkeit, mit seinen Gedanken, Gebeten, Zweifeln und Hoffnungen. Anders als vor 500 Jahren nahm auch die Evangelische Kirche in diesem Jahr die Einladung zu der Wallfahrt an, ihr Präses Nikolaus Schneider - zugleich Ratsvorsitzender der EKD - sprach von einer "Gabe des Bistums Trier" auch an seine Kirche.
So blieben auch die punkigen Zaungäste eine Ausnahmeerscheinung, die sich mit ihren schwarzen Klamotten und den umgedrehten Kreuzen demonstrativ vor den Pilgerschlangen aufbauten. Die Freude an dieser Pilgerfahrt ließen sich die Pilger nicht nehmen, weder von äußeren Anregungen noch von ihren inneren Fragen.
Um 18.00 Uhr trafen sich die Voerder Pilger in einer kleinen, wunderschönen Kapelle. Sie gehörte zum bischöflichen Generalvikariat und war dem Hl. Banthus, einem der Trierer Bischöfe geweiht. Seine Gebeine ruhten in diesem Altar. Interessant ist (und nur wenige Menschen wissen das), dass in dieser Kapelle um das Jahr 1970 während der Domrenovierung der Hl. Rock aufbewahrt wurde, bevor er seinen angestammten Platz in der barocken Heiligtumskapelle wieder einnahm. Am 29. Oktober 1971 wurde er ausnahmsweise einem hohen Besuch aus Rußland gezeigt. Der orthodoxe Patriarch von Leningrad und Ladoga, Boris Nikodim war zu Gast. Seitdem gibt es im Trierer Dom auch eine orthodoxe Kapelle unter dem Aufbewahrungsort des Hl. Rocks. In der Banthuskapelle dagegen wurde auch an die selige Schwester Blandine Merten erinnert. Die gebürtige Triererin hatte einige Jahre ihr Studierzimmer neben dieser Kapelle.
Zufällig besuchte kurz vor unsererm Abschlußgebet der Künstler, der das Reliquiar von Sr. Blandine geschaffen hatte, die Kapelle. Den Weg in die Kapelle gefunden hatte auch Martin Mohr, langjähriger KAB-Bezirkssekretär aus unserer Region, der heute für die KAB im Bistum Trier tätig ist. Er begrüßte uns gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Bistums Trier „vor Ort“ und berichtete kurz, wie die Trierer die Wallfahrt erlebten. Nach dem Gebet stellten sich alle Pilger zu einem Erinnerungsfoto vor der Kapelle auf. Zufällig kam in diesem Moment der Leiter der diesjährigen Hl. - Rock – Wallfahrt, Monsignore Dr. Georg Bätzing vorbei und erkundigte sich interessiert nach unserer Pilgergruppe und verabschiedete uns per Handschlag aus Trier. Der Nachfolger von Bischof Felix Genn wird in Zukunft der neue Generalvikar des Bistums Trier sein.
Martin Mohr begleitete uns noch bis zum Bus und gegen 19.00 Uhr rollte unser Bus in Richtung Heimat. Erfüllt von den Tagesereignissen und müde kamen wir gegen 22.30 Uhr dort an.
Mehr:
Zum Pilgertag der KAB am 6. Mai 2012 fährt wohl auch ein Bus aus der Region. Mehr Informationen gibt es im KAB Büro in Wesel, Sandstr. 24, Tel.: 0281/164100

Bericht von der Wallfahrt zum Hl. Rock: 1. Teil

Um kräftige Worte war der Reformator Martin Luther nie verlegen. So schrieb er im Jahr 1530 „und war das nicht ein vortrefflicher Beschiss mit unseres Herren Rock zu Trier...“ und geißelte die ersten Hl. Rock-Wallfahrten der Geschichte als katholischen Betrug. In diesem Jahr 2012, genau 500 Jahre nach der ersten Ausstellung der sogenannten „Tunika“ Jesu Christi lud der Trierer Bischof Dr. Stefan Ackermann die Gläubigen wieder zur Wallfahrt zum Hl. Rock.
Offensichtlich war die Skepsis gegenüber diesem Ereignis auch diesmal recht groß. Nicht nur, dass zahlreiche kirchen-kritische Geister während der einen Monat dauernden Wallfahrtszeit kritische Aktionen starten oder sich ablehnend zu Wort meldeten, auch in den Voerder Gemeinden war die Resonanz eher zurückhaltend. So machten sich letztlich 24 Gemeindemitglieder aus St. Peter, St. Maria und St. Elisabeth am Samstag, 21.4.2012 in aller Frühe auf den Weg. Unter ihnen auch Pastoralreferent Markus Gehling, Pastoralassistent Torsten Ferge und Schwester Margoretta. Schon um 5.30 Uhr startete der Bus an der Elisabethkirche und sammelte an den verschiedenen Kirchen die Pilger ein. Vermutlich hatte auch der nachtschlafende Beginn einige Interessenten abgehalten.
Nach vier Stunden hatten wir Trier erreicht und wurden direkt von einer freundlichen Pilgerbegleiterin in Empfang genommen, die uns – als ortsunkundige – in die Innenstadt führte.
Pünktlich vor Beginn der Pilgermesse erreichten wir die Stadtpfarrkirche St. Gangolf, wo der Spiritual des Münchener Priesterseminars, Dr. Andreas Schmidt, ein junger Priester der Gemeinschaft Emmanuel, mit uns die Hl. Messe feierte. Ein sehr guter Chor aus Sängerinnen und Sängern aus vielen Ländern begleitete den Gottesdienst musikalisch. Nach dem eucharistischen Segen reihten wir uns in die lange Schlange von Pilgern ein, die trotz Kälte und Regen auf Einlass in den Trierer Dom warteten. Die wunderbare, romanische Fassade des Domes zog die Pilger in den Bann. Unter der Kirchturmuhr stand in goldenen Lettern die Inschrift: „nescitis qua hora dominus veniet“ (Ihr wisst nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird). Der Stadtführer, der uns am Nachmittag führte wußte davon zu erzählen, dass diese Inschrift ein Zeugnis eines frommen Wettstreits zwischen den Bürgern der Stadt und dem damaligen Bischof darstellt, so wie er manche Anekdote dieser Art zum Besten gab. Diese Haltung führte dazu, dass die Trierer Christen die Kirchtürme ungewöhnlich hoch in den Himmel wachsen ließen.
So standen wir – geschützt von Regenschirmen – in einer Schlange mit vielen Christen aus dem Bistum Trier und aus ganz Deutschland und Europa und erwarteten eine Begegnung mit Jesus Christus, auf den sein ungeteiltes Gewand im Trierer Dom verweist.
Ob der Heilige Rock als Textil echt ist oder nicht - für die katholische Kirche ist das nicht entscheidend. Er sei ein Christuszeichen, sagt Bischof Ackermann. "Wer anlässlich der Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier kommt", so der Bischof, "pilgert zu Jesus Christus." Das war schon 1996 so. Die damalige Wallfahrt stand denn auch unter dem Motto "Mit Jesus Christus auf dem Weg". Der damalige Leiter der Pilgerfahrt hieß Felix Genn. Heute ist er, der Priester des Bistums Trier der Bischof des Bistums Münster. Schritt für Schritt näherten wir uns langsam dieser besonderen Reliquie, die nur sehr selten sichtbar ausgestellt wird.
Es war eine gute Gelegenheit, den wunderbaren Innenraum des Doms zu betrachten, der trotz der unterschiedlichsten Baustile und Bauepochen einen beeindruckenden Gesamteindruck bot. Die Orgelbauer der Firma Klais hatten 1974 eine herrliche Schwalbennestorgel eingebaut, die den Pilgern immer wieder kleine Eindrücke ihrer musikalischen Möglichkeiten vermittelte. Für eine kurze Weile konnte man dann am eliptischen Schrein verweilen und das Gewand betrachten.
Auch wenn es uralt wirkte, so ist doch das eigentliche, antike Kleid nicht zu sehen. Die römische Kaiserin-Mutter Helena hatte es zwischen den Jahren 320 und 329 nach Trier gebracht. Bis zum Jahr 1512 waren die antiken Stoffreste nie öffentlich gezeigt worden, sondern in Altären und Schreinen verborgen geblieben. Als der deutsche Kaiser Maximilian I. den Trierer Erzbischof Richard von Greifenklau bedrängte, ihm das Gewand zu zeigen. Das sprach sich bald herum und so verlangten die Gläubigen ebenfalls dieses Erinnerungstück an Jesus Christus zu sehen. Zunächst wurde es nun jährlich gezeigt. Im Verlauf der Geschichte wurden die öffentlichen Ausstellungen immer seltener und das schon sehr in Mitleidenschaft gezogene Textil erhielt eine Hülle aus kostbaren Seidenstoffen. Diese Hülle ist auch das, was man heute sehen kann. Die antiken original – Textilien befinden sich unsichtbar zwischen einigen Lagen späterer Stoffe. Erhalten ist die äußere Form des antiken Rockes Christi.
In Martin Luther fanden diese ersten Hl. - Rock – Wallfahrten einen entschiedenen Kritiker. Sicher wollten die katholischen Autoritäten mit den Wallfahrten damals auch dem Wittenberger Reformator die Grenzen seiner rhetorischen Macht aufzeigen. Vermutete dieser damals einen katholischen Schwindel so hat die wissenschaftliche Forschung bis heute nicht belegen können, dass der Hl. Rock wirklich auf Jesus selbst zurückgeht. Recht gut belegt ist aber die Schenkung durch Kaiserin Helena. Was aber wirklich zwischen den Jahren 33 und 320 mit dem Gewand Jesu geschehen ist, darüber wissen wir nicht mehr als in der Bibel steht: „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.“ (Joh 19,23-24)

Sonntag, 15. April 2012

Kleider machen Leute - Herzlichen Glückwunsch Papst Benedikt!

Foto: CC Lic. Felici http://www.fotografiafelici.com/
„Hl. Vater, ich lach mich schief“, unter dieser Überschrift würdigt der bekennende Papst–Fan Matthias Matussek Papst Benedikt XVI. zu seinem heutigen 85. Geburtstag. Matussek, in den letzten Jahren zum Frontmann einer neuen Form der öffentlichkeitswirksamen Papst-Treue und einer selbsternannten katholischen-konservativen Avantgarde aufgestiegen, spitzt den Grund seiner „Papst-Begeisterung“ wie folgt zu: „Benedikt XVI. ist die unterhaltsamste Störung der Moderne, die sich der liebe Gott einfallen lassen konnte. Wie der Heilige Vater seine Kritiker ein ums andere Mal widerlegt, ist schon sehr amüsant.“
Leider gibt der ganze Artikel außer solchen um Aufmerksamheit heischenden Formulierungen wenig her. Natürlich mag ich dem Autor nicht widersprechen, dass unser Papst immer wieder überrascht und immer wieder wichtige und notwendige Dinge ins Stammbuch der Politiker, der Meinungsmacher, der Religionsführer und der Menschen guten Willens schreibt, im Gegenteil: Ich finde es persönlich oft sehr anregend, seinen Gedankengängen zu folgen und das möglichst „live“ oder über Datenleitung "direkt" aus seinem Munde. Das Internet macht vieles möglich, was vor Jahren noch undenkbar erschien.
Allerdings, darf man sich (auch als überzeugter Katholik) bei aller Papst-Begeisterung und bei aller intellektuellen Freude über diesen Papst, dem ich mindestens genauso herzlich wie Matthias Matussek zum Geburtstag gratuliere, auch das eine oder andere ärgern oder „sauer aufstoßen“.
Ein solches Beispiel bringt ja auch Matussek in seinem Artikel – allerdings bürstet er den alten Brokat für meinen Geschmack zu glänzend auf:
Und hier eine Bemerkung zu Ihrer Garderobe, Heiliger Vater. Sie sehen manchmal aus wie ein Weihnachtsbaum. Wie schön. Brokat und Ornat. Es funkelt. Ja, Sie schleppen die ganze Kirche mit, ihre Macht, ihre Tradition, ihren Schönheitssinn. Ihr heiliges Theater. Und das in einer Zeit der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung. Geiz ist geil? Ihre Roben sagen: in your face - hier kommt der heilige Geist! Wiederum zum Brüllen komisch all die verständnislosen Kommentare über die Geldverschwendung, die in dieser Schaustellung sichtbar würde. Der Wert liegt darin, dass Sie aussehen wie 2000 Jahre.“
Das ist wieder so ein typischer Matussek. Eigentlich müßte man erst mal hinterfragen, ob wir wirklich in einer Zeit „der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung...“ leben, ich sehe das nicht so. Aber dann würden ja die schönen Sätze von Matussek in sich zusammenbrechen. Und das mit den 2000 Jahren stimmt ja auch nicht, denn die Gewänder um die es geht, repräsentieren ja die Kirche der vergangenen 50 bis 200 Jahre. Viel älter sind die meisten Gewänder nicht. Es wäre auch zu empfindlich für den Gebrauch.
Aber, ich wollte auf das Phänomen an sich eingehen: Mein Problem ist weniger die Last und Lust der Geschichte, die in dieser – sagen wir es zurückhaltend – „neuen Wertschätzung“ alter textiler Schätze liegt. Selbstverständlich spricht wenig dagegen, alte Gewänder aus den Schränken der Sakristeien im Vatikan weiter wert zu schätzen. Vielleicht ist es auch gut, sie hin und wieder zu nutzen und es ist allemal preiswerter als ganz neue Kleider. Nicht alles, was damals zur höheren Ehre Gottes gefertigt wurde muss heute „pfui“ sein, weil es ein wenig nach höfischem Zeremoniell und einer Kirche von (vor-)gestern aussieht.
Aber es wäre wichtig, die rechte Balance zu wahren. Zumal die erhaltenen „Kleiderschätze“ nicht unbedingt aus einer sehr langen Tradition stammen, sondern nur eine bestimmte Zeit der Kirchengeschichte repräsentieren, eine Zeit, die sich auf der theologischen Ebene in Gestalt der traditionalistischen Gemeinschaften schon lange gegen das Zerfallen sträubt und – wie ihre textilen Relikte – zwar nicht oder nur wenig zunimmt, aber auch nicht vergeht. Im Moment sieht es auch so aus, als wenn diese Gemeinschaften sich in so vielfältige Untergruppen zerteilen wie das vorkonziliaren Messgewand Teile hatte. (Mal sehen, ob für Bischof Williamson und seinen radikaleren Teil der Piusbrüder noch ein altes Manipel übrig ist, mit dem die sich in eine Schmollecke zurückziehen können.)
Da kommt mir der Hl. Rock zu Trier in den Sinn, ein schlichtes Gewand ohne Naht, das am Anfang aller liturgischen Mode steht. Ich denke, dass bei allem Geschichtsbewußtsein gut wäre, wenn unsere Botschaft ist, dass gottesdienstliche Kleidung schlicht ist, weil der, der damit bekleidet wird, sich in den Dienst dessen stellt, dem die Kriegsknechte einst das Gewand vom Leibe rissen um später um dessen Besitz zu losen.
Nicht alles, was Benedikt trägt oder in der Liturgie neu akzentuiert, macht unmittelbar deutlich, dass es genau darum geht: die schlichte Nachfolge in den Spuren des Gottessohnes aus Nazareth.
Als einfachen Gläubigen irritiert es mich durchaus, wenn bei den päpstlichen Liturgien der Liturge neuerdings (wieder) hinter sechs goldenen, übermannshohen Leuchtern verschwindet, die teils sogar das Geschehen auf dem Altar verdecken, im Zweifel aber „überstrahlen“.
Leichtes Unbehagen empfinde ich auch bei der Vielfalt der Kleidungsstücke für höhere und „niedere“ Kleriker, angefangen von der Cappa Magna, der meterlangen Schleppe die sich einige Kardinäle und Bischöfe heute wieder nachtragen lassen, den „Pontifikalhandschuhen“ oder „Pontifikalpantoffeln“, die man auf dem ein oder anderen Bild einer liturgischen Feier bei der Piusbruderschaft noch sieht, oder einem hermelingefütterten Mützchen namens Camauro mit dem sich Papst Benedikt XVI. einmal vor der Frühjahrskälte schützte. Für all das gibt es sicher gute Gründe und teilweise sogar liturgisch-theologische Sinnhaftigkeiten. Aber all dies ereignet sich in einem „heutigen“ und weitgehend modernen „Bezugsrahmen“, der die Botschaft mit bestimmt. Und letztlich sollte unser ganzes Tun und auch unsere liturgische Kleidung (bzw. die angemessene Kleidung der kirchlichen Repräsentanten) Maß nehmen am Gewand Jesu und der Sandale Jesu Christi und weniger am farbenprächtigen „Putz“ des Hohenpriesters am Tempel zu Jerusalem. Wenn unser Gewand Zweifel daran nährt, dass es uns um die Sache Jesu geht, dann sollten wir notfalls bereit sein, wertvolle Textilien in Museen und Vitrinen bewundern zu lassen und uns intensiver der Botschaft des Evangeliums zuwenden.
Ich weiß durchaus, dass manche "modernen" Gewänder nicht gelungen sind. Aber es gibt trotzdem zahlreiche Beispiele moderner litugischer Gewandung in denen sich Schönheit, Schlichtheit und frohe Botschaft gut zusammenfügen. Jedes liturgische Gewand sollte Maß nehmen an der biblischen Botschaft, zum Beispiel der der Offenbarung des Johannes, wo es heißt: „Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Ich erwiderte ihm: Mein Herr, das musst du wissen. Und er sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. ... der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“

Matthias Matussek im Spiegel: 


Die Fülle liturgischer und außerliturgischer Kopfbedeckungen, u.a. dem Camauro und noch viel mehr präsentiert Dieter Philippi auf seiner Homepage, deren Besuch ich unbedingt empfehle: