Bild: Nicole Cronauge auf http://www.ludgerus2009.de/ |
„Darf's auch etwas mehr sein?“ In der aktuellen katholischen Diskussion um „viele“ oder „alle“ geht es überhaupt nicht um Mengenlehre. Jeder weiß, dass viele Äpfel, die ich auf einem Wochenmarkt kaufe durchaus „alle“ sein können. Aber, es mag manche erstaunen: Die Diskussion um „für viele“ oder „für alle“ regte in einer normalen Landgemeinde am Niederrhein heute niemanden auf. Das war mein Eindruck am Tag nach dem Papstbrief an die deutschen Bischöfe vom 24. April 2012.
Es ist sicher ungewöhnlich, dass sich Papst Benedikt per Brief in eine – auf den ersten Blick vielleicht nebensächliche Frage der Übersetzung einer liturgischen Formulierung einschaltet.
Seit dem 2. Vatikanischen Konzil sind die regelmäßigen Kirchgänger unter den Katholiken gewohnt, dass der Priester statt der bis dahin vertrauten lateinischen Worte: „Hic est enim calix sanguinis mei, novi et aeterni testamenti qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem peccatorum…“ eine deutsche Übersetzung verwendete, die wie folgt lautet: „Nehmt und trinket alle daraus: das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“
Ein solcher Satz aus dem innersten Zentrum der Hl. Messe prägt sich tief in das Gedächtnis und sicher auch in die Gläubigkeit der katholischen Christen ein. Nun soll an dieser Stelle die Formulierung verändert werden! Der Hl. Vater bringt die Problematik, die manche deutsche Bischöfe in dieser Sache lange zögern ließ, sehr klar auf den Punkt: „Denn für den normalen Besucher des Gottesdienstes erscheint dies fast unvermeidlich als Bruch mitten im Zentrum des Heiligen. Sie werden fragen: Ist nun Christus nicht für alle gestorben? Hat die Kirche ihre Lehre verändert? Kann und darf sie das? Ist hier eine Reaktion am Werk, die das Erbe des Konzils zerstören will? Wir wissen alle durch die Erfahrung der letzten 50 Jahre, wie tief die Veränderung liturgischer Formen und Texte die Menschen in die Seele trifft; wie sehr muss da eine Veränderung des Textes an einem so zentralen Punkt die Menschen beunruhigen.“
Aber trotz dieser Bedenken hat er entschieden, dass die deutsche Übersetzung sich hier deutlicher an das in der Bibel überlieferte Jesuswort anlehnen soll. Dort heißt es – bei den einzelnen Evangelisten unterschiedlich akzentuiert entweder: „für euch“ oder „für viele“. Auch im lateinischen Text der Messe (und in vielen anderen Sprachen) heißt es: „pro multis“. Die Theologen und Liturgiker waren sich aber bei der deutschen Übersetzung nach dem 2. Vatikanischen Konzil einig, dass die Formulierung bedeutet: Jesus hat sein Blut für alle Menschen vergossen und sein Leben zum Heil aller Menschen geopfert. Daran hält auch der Hl. Vater heute fest und erinnert daran, dass der Hl. Paulus z.B. in seinen Briefen auf genau diese Feststellung Wert legt. Aber er wünscht sich auch, dass wir die Worte Jesu getreuer wiedergeben und dass deren Bedeutung in allen Sprachen nicht schon eine Deutung dessen ist, was wohl gemeint ist, sondern eine saubere Übersetzung dessen, was Jesus (vermutlich) im Abendmahlssaal gesagt hat.
Für die weitaus meisten Katholiken dürfte die Frage, ob hier „für viele“ oder „für alle“ gesagt wird nicht so entscheidend sein wie die Antwort auf die (bange) Frage: Und bin ich dabei, gehöre ich dazu?
Zahlreiche konservative und traditionalistische Initiativen klopfen sich heute schon stundenlang auf die Schultern und übertreffen sich in gehässigen Bemerkungen über die angeblich „ungehorsamen“ deutschen Bischöfe. Andere feiern den Papstbrief gar als persönlichen Triumph. Schließlich lag das Anliegen, in einer neuen Übersetzung wieder stärker den ursprünglichen Text zu betonen, schon seit dem Jahre 2006 auf dem Tisch. Aber das Freudengeschrei dieser Kreise hat einen anderen Hintergrund. Sie hatten mit der Formulierung, dass Christus sein Leben für alle hingegeben hat“ verbunden, dass damit gemeint sei, dass dann auch „alle“ erlöst seien, dass das Heil, unabhängig vom jeweiligen Lebensweg und Lebenswandel, „allen“ geschenkt würde. Darin sahen sie die Grundfesten der Kirche gefährdet und die Legitimation für eine allzu hohe Toleranz gegenüber anderen ungewöhnlichen Lebenswegen. Aber das ist eine Problematik, die auch stärker mit der Selbstlegitimation konservativer und traditionalistischer Kreise zu tun hat. Mit der von Gott geschenkten Gnade und mit Gottes Werben um den Menschen hat es recht wenig zu tun. Natürlich ist es gut für solche Kreise, wenn sie ihren Anhängern erklären können, dass mit den Vielen die gemeint sind, die präzise den Weg gehen und der Weisung folgen, die ihnen von den Priestern, den Oberen und hohen Autoritäten gegeben wird.
Papst Benedikt bleibt in seinem Brief sehr klar bei der historischen und sprachlichen Argumentation, ohne sich auch nur im Ansatz der unter Traditionalisten beliebten Ansicht anzuschließen, „für alle“ sei missverständlich und es ginge in der Diskussion vor allem darum, eine Art Allerlösungsinterpretation zu vermeiden.
Im Grunde müßte denen, die heute überlaut jubeln angesichts der sehr diffenzierten und verständnisvollen Argumentation des Papstes die Freude im Halse stecken bleiben. Hält dieser doch daran fest, dass die Bedeutung der Worte mit „für alle“ richtig wiedergegeben ist, dass er es aber bevorzugt bei diesen „Herrenworten“ möglichst bibeltreu zu sein. Auch die klassische Einheitsübersetzung übersetzt das Wort Jesu nicht mit „für alle“ sondern mit „für viele“.
Papst Benedikt bleibt in seinem Brief sehr klar bei der historischen und sprachlichen Argumentation, ohne sich auch nur im Ansatz der unter Traditionalisten beliebten Ansicht anzuschließen, „für alle“ sei missverständlich und es ginge in der Diskussion vor allem darum, eine Art Allerlösungsinterpretation zu vermeiden.
Im Grunde müßte denen, die heute überlaut jubeln angesichts der sehr diffenzierten und verständnisvollen Argumentation des Papstes die Freude im Halse stecken bleiben. Hält dieser doch daran fest, dass die Bedeutung der Worte mit „für alle“ richtig wiedergegeben ist, dass er es aber bevorzugt bei diesen „Herrenworten“ möglichst bibeltreu zu sein. Auch die klassische Einheitsübersetzung übersetzt das Wort Jesu nicht mit „für alle“ sondern mit „für viele“.
Es gab einen Kompromissvorschlag, der die Spannung zwischen dem „für alle“ und „für viele“ ein wenig gemildert hätte: „für die vielen“. Aber Papst Benedikt hat – zugunsten einer besseren Texttreue – dagegen entschieden. Die Mühe, alle diese Dinge und Zusammenhänge zu erklären, die will er den Bischöfen und Priestern nicht abnehmen. Das gehört in den Bereich der Predigt und Katechese. Der Glaube ist manchmal sperrig. Aber in dieser Sperrigkeit steckt auch so manche Chance, zu neuen Erkenntnissen zu kommen.
Den traditionalistischen Kreisen dürfte auch nicht schmecken, dass der Papst zunächst eine gute Vorbereitung der Änderung erwartet. Es ist also falsch schon vor einer amtlichen Änderung im vorauseilenden Gehorsam den Text des gültigen Messbuches zu verändern. Nicht einmal Benedikt XVI selbst hat das bei den Hl. Messen bei seinem Deutschlandbesuch getan. Inhaltlich und theologisch sind auch nach dem Brief des Papstes beide Formulierungen: „pro multis“ und „pro omnisbus“ richtig. Aber die Bischöfe sollten sich nun beeilen, die Messbuchübersetzung abzuschließen und die Menschen auf die Veränderung in den liturgischen Texten vorzubereiten.
Das das notwendig sein wird, darauf hat schon Thomas Söding (allzu liberaler ideen unverdächtiger Exeget) im Christ in der Gegenwart hingewiesen: „Man muß mühsam erklären, was gemeint - und vor allem, was nicht gemeint ist. Zumal die nachträgliche Veränderung wird Zweifel aufkommen lassen: Wird das Opfer etwa nicht mehr „für alle", sondern nur noch „für viele" dargebracht? Das kann doch nicht wahr sein, wird aber so verstanden werden. Jene, die zum Gastmahl der ewigen Herrlichkeit geladen sind, sind nicht wenige, sondern unendlich viele, nämlich alle. Wen Gott dann in seinem Reich willkommen heißen wird - wer will das wissen?“
Als Katholiken sollten wir uns an diesem Thema nicht „streiten“. Der Papst gibt in seinem Brief den Verfechtern beider Positionen durchaus recht. Aber ihm steht es zu, eine Entscheidung zu treffen. Sie weicht in diesem Fall von der Entscheidung seines Vorgängers Papst Paul VI. ab. Nehmen wir es als Zeichen der Lebendigkeit der kirchlichen Lehre und Liturgie. Viel wichtiger ist es, miteinander Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die uns erfüllt. Und zu bedenken, dass das Leitwort der Trierer Hl. Rock – Wallfahrt „...und führe zusammen was getrennt ist“ mehr denn je uns allen gilt. Unter dem Dach der Kirche ist viel Raum, wichtig ist, dass es Jesus Christus selbst ist, der uns zur Einheit ermutigt.
P.S.: In der evangelischen (lutherischen) Kirche heißt es übrigens: "Das ist + mein Blut des neuen Testaments, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
Der Brief des Papstes findet sich hier: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=582515
Interessant auch die Meinungen der Wissenschaft: http://www.muenster.de/~angergun/pro-multis.html
Heiße Diskussionen dazu immer auf http://www.kreuzgang.org/
P.S.: In der evangelischen (lutherischen) Kirche heißt es übrigens: "Das ist + mein Blut des neuen Testaments, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
Der Brief des Papstes findet sich hier: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=582515
Interessant auch die Meinungen der Wissenschaft: http://www.muenster.de/~angergun/pro-multis.html
Heiße Diskussionen dazu immer auf http://www.kreuzgang.org/