Die Klosterkirche |
Bruder Antonius ist ein optimistischer Mensch. Sorgen um den
Fortbestand seines Ordens macht er sich keine. „Gott schickt uns genügend
Nachwuchs“, ist er überzeugt, Er selbst berufe Menschen zum Leben in einer
Kartause. Werbung für neue Kartäuser ist daher völlig unnötig.
Wer sich für einen Eintritt interessiert, nimmt zunächst Briefkontakt
mit dem Prior auf. Später wird er eingeladen, das Leben in der Kartause
kennenzulernen. Wenn es konkret wird, kann er sogar für einige Wochen in einer
Zelle leben und seinen zukünftigen Lebensstil direkt erproben. Dann schließen
sich Postulat und Noviziat an. Bei vielen Interessierten zeigt sich, dass sie
für das Leben der Kartäuser nicht geeignet sind. In der Regel merken sie es
selbst und entscheiden sich zu gehen. Wenn es sein muss, schickt sie der Prior
auch nach Hause. Über die endgültige Aufnahme entscheidet der gesamte Konvent
in einer geheimen Abstimmung.
Neben den Priestermönchen in ihren Zellen gibt es in der
Kartause die Brüder, für die andere, manchmal weniger strenge Regeln gelten.
Die Brüder sorgen dafür, dass die Kartause beinahe autark von der Außenwelt
existieren kann. Sie bauen Gemüse an und ernten das Obst, sie backen,
schneidern, kochen; sie arbeiten als Schreiner, Schlosser, Schneider,
Hausmeister... Nur selten müssen Handwerker von außen beschäftigt werden. Eine
„Pensionierung“ gibt es nicht, jeder kümmert sich nach seinen Möglichkeiten und
Fähigkeiten um die anstehenden Arbeiten.
Vor dem Gebet: alle Priestermönche läuten die Glocke. |
Das vorabendliche Gebet beginnt mit einem besonderen Ritual.
Der erste Pater, der die Kirche betritt, läutet die Glocke und gibt das
Glockenseil dem nächsten Pater weiter. Jeder, der in das Gotteshaus kommt,
läutet im Takt weiter bis die Gemeinschaft der ca. 20 Priestermönche komplett ist.
Gebetet wird aus gewaltigen Büchern, das, aus dem jetzt die Vesper gesungen
wird stammt aus dem Jahre 1876. Es wurde nach dem 2. Vatikanischen Konzil nur
geringfügig verändert. Diese Antiphonale sind so groß, dass jeweils drei Mönche
es gemeinsam verwenden können. In diesen Büchern könnte selbst ich ohne Brille
lesen.
Die Kartäuser singen eine schlichtere Form des
gregorianischen Chorals. Aber sie singen aus tiefer Überzeugung, schlicht und
schön, es berührt mich sehr. Ganz ohne Orgelbegleitung erklingt ihr Gotteslob.
Auf der Gästeempore kann man dem Gebet der Mönche folgen. |
Diese Art eines ausgeglichenen Lebens scheint sogar noch
recht gesund zu sein, denn es ist kein Gerücht, dass die Mitglieder des Ordens
recht alt werden und lange gesund bleiben.
Das 2. Vatikanische Konzil hat dennoch einige kleine
Veränderungen gebracht. Es hat zwar nicht das unterschiedliche Leben von
Brüdern und Patres aufgehoben, aber unnötige Trennungen zwischen beiden Gruppen
beseitigt. So gibt es heute ein engeres und vertrauteres Miteinander unter
allen Mitgliedern des Konventes. Auch lehnen die Kartäuser Neuerungen nicht
grundsätzlich ab, sondern prüfen alles, ob es mit ihrer Lebensweise
zusammenpasst. So kann man sie heute sogar per e-mail erreichen – aber auf
Facebook kann man Pater Prior trotzdem nicht als Freund gewinnen.
Hinter der Klostermauer sind die "Zellen" der Mönche sichtbar. Das höhere Gebäude dient der Ausbildung der Ordensanwärter. |
Was für ein ungewöhnliches Leben! Manche Zeitgenossen werden
denken, dass diese Männer (es gibt auch Frauenkartausen) ihr Leben verschleudern.
Vermutlich wäre es angemessener, von „verschenken“ zu sprechen, denn sie geben
ihr Leben schon heute in Gottes Hand. Das hat für sie viel mit Liebe zu tun.
Nicht mit enttäuschter Liebe zur Welt oder zum Leben oder gar zu einer Frau,
sondern mit dem, was Jesus so formuliert hat: „Du sollst Gott lieben, mit
ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft
(Markus 12,30).“
Keimzelle des Klosters: ein ehemaliger "Einödhof", ein Bauernhof in Seibranz-Talacker |
Ich hatte in diesen Tagen die Gelegenheit, das Kloster, die
Klausur dreimal zu betreten. Eine Besucherin des Klosters fragte mich draußen
vor der Tür einmal, ob die Kirche öffentlich zugänglich ist. Nein, sie ist es
nicht – und für Frauen gibt es keinen Zugang in die Kartause. Ich bin als Mann
also privilegiert. Aber in einer Frauenkartause wäre ich auch draußen vor
geblieben. Ich bin den Kartäusern dafür sehr dankbar, dass ich einen kleinen
Einblick bekommen habe, denn als Familienvater komme ich als Ordensnachwuchs
nicht in Frage.
Der Weg zur Kirche mitten im Kloster ist lang. Groß ist die
Versuchung, auf dem Weg zur Empore die Tür zum Kreuzgang zu öffnen und einmal
ins „Allerheiligste“ des Klosters zu blicken. Doch ich mochte das Vertrauen der
Mönche nicht enttäuschen.
Einblicke gibt es in einer kleinen Broschüre, die an
der Pforte erhältlich ist. Die Kartäuser sind auch eher ein Männerorden. Es
gibt 18 Kartausen für Männer, aber nur sechs für Frauen, obwohl es schon fast
zu Beginn der Ordensgeschichte einen Frauenzweig gab. Zu den Besonderheiten der
Kartäuserinnen gehört, dass ihnen durch den Bischof (auf Wunsch) die
Diakonissenweihe gespendet wird. Viele halten das für einen historischen Rest
einer Diakoninnenweihe aus der frühen Kirche. Die Kirche betont aber, dass es
sich nicht um ein Weiheamt handelt. Dennoch haben Kartäuserinnen als
Diakonissen das Recht, eine Stola zu tragen und in der Messe das Evangelium
vorzutragen. Eine einzigartige liturgische Besonderheit! Erwähnenswert ist,
dass ein den Kartäusern naher, neuerer Orden (Gemeinschaften der monastischen
Familie von Betlehem und der Aufnahme Mariens in den Himmel und des hl. Bruno)
zahlreiche Frauenklöster aber wenige Männerklöster hat.
Beim Abschied am Sonntag komme ich mit „meinem Kartäuser“,
Bruder Antonius noch einmal ins Gespräch über die Freude an der Schöpfung. Er
schwärmt über das Sonnenlicht am Morgen, über die vielen schönen Blumen und die
Freude über das erste Gänseblümchen nach dem langen Winter. Für ihn ist die
Natur eine beständige Botschaft von Gott und er bedauert, dass viele Menschen
diese Schönheiten nicht mehr wahrnehmen. Für ihn ist das einfache Leben der
Kartäuser ein Geschenk, weil er hierdurch viel aufmerksamer wird, für die
Wunder der Natur, für die Stimme Gottes und die Sorgen und Nöte der Menschen,
die bei ihm an der Pforte klingeln. Er verabschiedet mich mit den Worten
„Gelobt sei Jesus Christus!“ „In Ewigkeit! Amen!“.
O Bonitas! - Lieber Markus, vielen Dank für Deinen schönen Bericht. Am Donnerstag werde ich ihn bei BRUNONIS verlinken. Ich denke das ist ok? Liebe Grüße! -
AntwortenLöschenImmer gern!
LöschenSchönes Gedicht über die Marienau:
AntwortenLöschenhttp://www.josbrunonis.blogspot.de/2012/07/zwei-besuche-in-der-kartause-marienau-1.html