Und weiter: „Petersdom: Kirchenfürsten stemmen sich gegen gleichgeschlechtliche Ehe - Kampagne für das Ewiggestrige: Der Vatikan hat seine Ablehnung von Eheschließungen von Homosexuellen bekräftigt. Die Kirche halte an der katholischen Lehre fest, auch wenn "politisch korrekte Ideologien in jede Kultur der Welt Einzug halten", ätzte das Papst-Blatt "L'Osservatore Romano". Sollte der SPIEGEL-Journalist da vorher zu lange auf kreuz.net gesurft haben und kann deren Sprachstil eigentlich abfärben?
Dabei war es sicher nicht schwer zu recherchieren, dass die angebliche vatikanische Stellungnahme wohl gar nicht aus der offiziellen Vatikanzeitung stammt, sondern eine eher persönliche Stellungnahme des Papst – Sprechers P. Lombardi in einer regelmäßigen Kolumne bei Radio Vatikan war. Der SPIEGEL dagegen behauptet in seiner Online-Ausgabe, dass auf der Titelseite des L'Osservatore Romano zu lesen sei: „Die Kirche halte an der katholischen Lehre fest, auch wenn "politisch korrekte Ideologien in jede Kultur der Welt Einzug halten.“ Ich halte es für ausgeschlossen, dass die nun wirklich guten Journalisten des „L'Osservatore“ einen so schwammigen Begriff wie den von „politisch korrekten Ideologien“ verwenden. (Ich beziehe die offiziöse Zeitung aus dem Vatikanstaat leider nicht in ihrer italienischen Ausgabe, aber ich würde durchaus eine Wette eingehen, dass dieser Artikel dort so nicht erschienen ist.)
Und weiter lese ich in der angeblichen SPIEGEL-Meldung: „Mit aller Macht stemmt sich die Kirche gegen die zunehmende Toleranz.“ Nein, lieber SPIEGEL-Praktikant, die Kirche stemmt sich überhaupt nicht gegen Toleranz, ganz im Gegenteil. Sie tritt in aller Welt für Religionsfreizeit und für einen menschlichen Umgang mit Menschen anderer Herkunft, anderen Glaubens, anderer Überzeugung und anderen Aussehens ein. Sie engagiert sich dafür, dass die Ehe letztlich das bleibt, was sie seit ihrer „Erfindung“ ist, nämlich eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau aus der (hoffentlich) Kinder hervorgehen. Für die Kirche ist die Ehe aus ihren Glaubensüberzeugungen und aus einer langen Tradition heraus, ein kostbarer Schatz, den es zu bewahren gilt. Das muss nicht bedeuten, dass die Kirche sich gegen eine rechtliche Regelung anderer Formen von Partnerschaften engagiert (ruhig auch mit Feier im Standesamt) und das heißt erst recht nicht, dass sie intolerant gegenüber Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung ist.
Ich finde, dass die (vielleicht etwas ironisch-spitze) Anfrage von Pater Federico Lombardi (in seiner Kolumne und nicht in einem „Interview“ mit Radio Vatikan) sehr berechtigt ist!
„Wenn nicht, warum wird dann nicht auch Polygamie erwogen und auch Polyandrie (Vielmännerei), natürlich um niemanden zu diskriminieren.“ Mag SPIEGEL-Online diese Bemerkung auch als Beleg für „Intoleranz“ werten, eine Antwort darauf vermeidet der SPIEGEL-Schreiber doch selber auch. Und es ist doch auch so, mit welchem Argument möchte man bei einer vollständigen Öffnung der Ehe eine Form des Zusammenlebens unter Menschen gegenüber anderen denkbaren Formen privilegieren? Letztlich ist es doch – selbst wenn allen unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens einzelner Menschen (was zunächst einmal deren Privatsache ist) – entscheidend, den Kindern, die in einer Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau geboren werden, einen guten Rahmen für das Aufwachsen und Leben zu ermöglichen. Und aus gutem Grund setzt der deutsche Staat auch für die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ gewissen Grenzen. Nicht jeder, der mit einem anderen Menschen zusammenlebt, kann diese auch eingehen. Für eine Frau, die seit Jahren mit ihrer Tante zusammenlebt und die (außer dem Bett) alles andere miteinander teilen, ist diese Möglichkeit schlicht ausgeschlossen. Mit all den negativen Folgen, die das für diese beiden Menschen hat.
Weiter lesen wir in SPIEGEL Online nach einer Aufzählung der Länder, die die Ehe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern einführen möchten: „In Deutschland können gleichgeschlechtliche Paare ihre Beziehung seit 2001 offiziell machen.“ Richtig ist, dass es seitdem eine Möglichkeit gibt, diese Partnerschaft in einem rechtlichen Akt eintragen zu lassen. „Offiziell“ waren die meisten dieser Beziehungen schon lange zuvor. Und nach wie vor lehnen es viele Paare (ob homo oder hetero) es ab, ihren Beziehungen einen offiziösen Status zu geben, weil sie meinen, dass die Form ihre Zusammenlebens nur sie etwas angeht und keine staatliche Stelle. Auch diese Haltung findet sicher nicht den Beifall von P. Lombardi, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser deshalb einem Journalisten, der so lebt weniger freundlich entgegenkommt als dem Chefredakteur von Kirche und Leben.
Bei aller Dramatik, die der SPIEGEL in diesen angeblichen „Kampagne der Kirche für das Ewiggestrige“ entdeckt, ist doch eigentümlich, dass sich niemand daran erinnern wird, dass sich Bischöfe vor den Standesämtern angekettet hätten oder dass wütende Gläubige die Trausäle stürmten, um vor 11 Jahren gegen dieses Gesetz zu protestieren.
Natürlich gab es einige kirchliche Stellungnahmen, die aber vor allem ihr Augenmerk darauf legten, dass es nach wie vor einen Unterschied geben sollte zwischen einer staatlicher Anerkennung unterschiedlichster Formen gemeinschaftlichen Lebens und einer Eheschließung. Das bedeutet nicht, dass Katholiken nicht positiv würdigen könnten, was an Gutem auch in anderen Formen des Zusammenlebens geschieht. Eine entsprechende öffentliche und positive Aussage hat ja erst kürzlich noch der als konservativ geltende Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki gemacht. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf der einen Seite Rechtssicherheit, weitere Förderung und Unterstützung für verbindliche Partnerschaften fordert und auf der anderen Seite lautstark beklagt, dass der Adenauer-Satz „Kinder kriegen die Leute sowieso!“ eben kein ehernes Gesetz ist. Wenn wir in dieser Gesellschaft leben, muss die Frage erlaubt sein, was wir ernsthaft unternehmen, damit unsere Kinder in gesicherten Verhältnissen aufwachsen und dass ein Paar den Mut hat, ein (oder mehrere) Kind(er) zu zeugen (und anzunehmen) und ins Leben zu führen. Die Kirche sagt nicht mehr und nicht weniger: Dafür braucht es einen guten Rahmen, und diesen Rahmen bietet seit mehreren tausend Jahren die Ehe zwischen Mann und Frau. Maßnahmen wie die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ dürften auf die Geburtenrate weder einen positiven noch einen negativen Einfluss haben.
Beim Münchener Kirchenradio (sicher auch kein Hort der Intoleranz und Reaktion) kann man lesen, wie die Nachricht auch seriös präsentiert werden kann: