Mein erstes Mal! Daher war ich etwas gespannt, als ich mich am Sonntag morgen auf den Weg nach Mariawald machte. Ich wollte an der tridentinischen Liturgie in der Trappistenabtei Mariawald teilnehmen. Ich bin 1967 geboren und getauft, also nach dem 2. Vatikanischen Konzil und mitten hinein in den liturgischen Wandel. Etwa 30 km waren zu fahren, von Udenbreth über Schleiden und Gemünd, hinauf in den Nationalplark Eifel über die wunderschöne Hochfläche „Wolfgarten“ auf dem Höhenzug des Kermeter. Etwa einen Kilometer vor der Abtei eröffnet sich in einer engen Kurve ein kurzer Blick auf die Abteikirche und die Klostergebäude. Da ich früh dran war machte ich zunächst einen kleinen Abstecher zu den Kriegsgräbern am Hang oberhalb des Klosters. So abgelegen die Abtei auch liegt, vom Krieg blieb sie (gleich mehrfach) nie verschont. Von hier aus öffnet sich heute ein schöner Blick auf die wunderbare Klosteranlage mit der von Kreuzwegstationen unterbrochenen Klausurmauer. Im vorderen Bereich die Klostergaststätte und dahinter das eigentliche Kloster, das einmal fast 100 Mönche in seinen Mauern geborgen hat. Heute sind es nach aktueller Auskunft des Abtes noch 10 Mönche und drei „Externe“, die zwar zur Abtei gehören, aber nicht mehr dort leben.
Gegen halb zehn war ich in der Klosterkirche angekommen und erwartete mit Spannung die erste „tridentinische“ Messe meines Lebens. Mit mir war zu dieser frühen Stunde nur eine weitere Beterin vor Ort. Es war nicht gerade warm und die Kirche wurde mit einem provisorischen Gasbrenner beheizt, der kurz vor der Liturgie vom Abt persönlich beiseite getragen wurde.
Um 9.40 Uhr waren fünf Mönche versammelt. Zwei von Ihnen, der Abt und ein etwa gleichaltriger Mönch (Br. Maria Johannes, der kürzlich seine ewige Profeß abgelegt hatte) trugen eine „altertümliche“ monastische Tonsur. Ein weiterer jüngerer Mönch (wohl der Novize) hatte ebenfalls den weißen Gebetsumhang der Trappisten umgehängt, allerdings keine Tonsur. Einer der älteren Mönche, ein ehrwürdiger bärtiger Mann, trug ein dunkles Ordensgewand. Das Stundengebet der Terz begann mit dem Ritus des Asperges, dem sonntäglichen Taufgedächtnis. Nach seinen Mitbrüdern besprengte der Abt, begleitet von einem älteren, tief gebeugten Mitbruder (Bruder Maria Bernhard) auch die versammelte Gemeinde mit dem Taufwasser. Kurz vor dem Beginn der Messe kam noch ein „gesetzter“ Mann als Messdiener hinzu.
Die fünf bzw. sechs Männer sangen einen durchaus beachtlichen Choral. Das hatte ich in Mariawald schon „spärlicher“ erlebt; hier gab es diesmal offensichtliche Freude am Choralgesang.
Inzwischen waren in der Kirche etwa 40 – 50 Mitfeiernde versammelt, zumeist waren es ältere Leute, die mit einem älteren Schott oder einem ähnlichen Gebetbuch in die Kirche gekommen waren. Hinter mir saß ein jüngerer Mann in Soutane, der anscheinend im Kloster zu Gast war. Ansonsten war ein junges Mädchen mit seinen Großeltern gekommen. Nach kurzer Zeit fand ich mich im kleinen Messrituale der Petrusbruderschaft, das in der Kirche auslag, gut zurecht. Auch jemand wie ich, der im erneuerten römischen Ritus nach dem Messbuch Paul VI. zu Hause ist, kann sich in der tridentinischen Messliturgie orientieren. Für mich ungewöhnlich war allerdings, dass zahlreiche Texte, die man aus der ordentlichen Liturgie kennt und teilweise mitbetet hier nur vom Priester und dem Messdiener gebetet wurden. Auch ist die tridentinische Liturgie gegenüber der erneuerten Liturgie mit zusätzlichen Gebeten und Anrufungen „angereichert“.
Das Ordinarium der Messe wurde von der Gemeinschaft der Trappisten gesungen, also Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei.
Auf „Gemeindelieder“, wie sie die Gottesdienste in unseren Gemeinden stark prägen, wurde ganz verzichtet. Die Orgel spielte nur ganz leise an, um den Mönchen den Einsatz für die gregorianischen Gesänge zu geben, nur nach der Kommunionausteilung kam sie einmal wirklich zum Einsatz. Erst zum Abschluss der Messe konnte die gesamte Gemeinde in ein Lied aus dem Gotteslob einstimmen: „Engel auf den Feldern singen...“
Beim Credo – als Wechselgesang - sangen auch einige Messbesucher hörbar mit, ansonsten beschränkte sich die Beteiligung der Gemeinde zu Beginn vor allem auf den Antwortruf „Et cum spiritu tuo“ - „Und mit deinem Geiste.“
Für mich ungewohnt war auch, dass das komplette Hochgebet still vom Priester gebetet wurde. Einzig die Erhebung der gewandelten Hostie gab Orientierung im Messablauf. Ein auch für mich als Neuling besonderer und erhebender Moment. Ein Mönch läutete die Kirchenglocke zur Kniebeuge des Priesters vor der gewandelten Hostie bzw. vor dem Kelch.
Bei aller Hochachtung vor dieser Form der Hl. Messe vermisse ich persönlich die Beteiligung der Gemeinde. Es würde dieser besonderen Liturgie gut tun, wenn die Gottesdienstbesucher nicht weitgehend als Beiwohnende sondern als Mitfeiernde betrachtet würden. Ich denke, das war auch im 2. Vatikanischen Konzil ein Hauptanliegen der Konzilsväter: die tätige Teilnahme der Gläubigen. Dieses Anliegen war eine Quelle der Liturgiereform. Ob es auch eine behutsame Reform der außerordentlichen Form des römischen Ritus geben könnte, die den Freunden dieses Ritus stärkere Möglichkeiten der tätigen Teilnahme eröffnet und die Anliegen der Konzilsväter aufgreift? Ich sehe durchaus eine gewisse Gefahr, dass die Gläubigen (z.B. wie früher, den Rosenkranz betend) der vom Priester und den Messdienern gefeierten tridentinischen Messe mehr beiwohnen als mitfeiern.
Eine interessante Erfahrung war auch die Predigt. Während die eigentliche Liturgie am Altar in der Apsis der Klosterkirche gefeiert wurde (also recht weit entfernt), kam hierzu der Zelebrant, Abt Josef Vollberg OSCO in den Raum jenseits des hölzernen Lettners zu uns Mitfeiernden. „Liebe Mitbrüder, liebe Gläubige“, so begann er nach der Verlesung des Evangeliums (von der Darstellung des Herrn) in deutscher Sprache seine Predigt. Es war mir schon vorher aufgefallen, dass die Liturgie in einem besonderen Sprechrhythmus vorgetragen wurde. Diese Art zu sprechen bewahrte er sowohl beim deutschen Evangelium als auch bei der Predigt. Es gab keinen Platz für Rhetorik oder Modulation der Sprache. Das wirkte eher befremdlich. Ich vermute allerdings, das es eine Eigenart des Mariawalder Abtes ist und weniger typisch für die „alte Liturgie“. So musste die Predigt durch ihre Inhalte wirken und weniger durch die Art des Vortrags. Es ging darum, dass Weihnachten nichts Niedliches und Kleines sei, sondern ein Anspruch Gottes an uns. „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen... er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“ Während Jesus zunächst noch Zuspruch und Nachfolge gefunden habe, distanzierten sich die Bewohner von Jerusalem zunehmend von ihm und lehnten ihn ab. Daher sei sein Tod am Kreuz in diesen Worten Simeons schon vorgezeichnet. Unser Glaube erfordere entschiedene und überzeugte Nachfolge, auch Treue auf dem einmal eingeschlagenen Weg.
Dass der Priester sich nur selten der Gemeinde zuwendet habe ich persönlich nicht als störend erlebt. Oft hört man ja die Polemik, dass der Priester „mit dem Rücken zum Volk“ zelebriere. Das habe ich nicht so empfunden. Auch die lateinische Sprache hinderte nicht an der tätigen Teilnahme.
Einmal prägen sich die wichtigsten Texte sicher dem regelmäßigen Gottesdienstbesucher schnell ein, andererseits hilft auch das deutsch-lateinische Missale (das „Volksmessbuch“) zu einer vertieften Mitfeier. So erschließen sich die Texte und Gebete sicher mehr und mehr. Das wäre bestimmt auch in der deutschsprachigen „ordentlichen“ Liturgie wünschenswert, denn die leichte Verständlichkeit trägt ab und an sicher zu einer oberflächlicheren Mitfeier bei, obwohl es sich lohnen würde, einzelne Texte zu bedenken und tiefer zu verstehen. Insofern kann die neue Messe durchaus von der alten Messe lernen.
Das war es nun - mein erstes Mal, tridentinische Messe live. Ich bin dankbar für diese Erfahrung. Mein erster Eindruck: es ist alles nicht so schlimm, wie ihre Gegner behaupten aber sie rettet wohl auch nicht die Welt und das Christentum wie ihre Anhänger postulieren. Ich denke diese Liturgie hat ihr Recht und es sollte hier und da Orte geben, wo die Menschen, die der außerordentlichen Form der Liturgie verbunden (oder noch darin verwurzelt sind) sie in würdiger Weise mitfeiern können.
Ich merke aber, dass ich selbst in der erneuerten Liturgie vollkommen zu Hause bin und das Wechselspiel zwischen Gemeinde und Priester nicht missen möchte. Dennoch kann ich mir vorstellen, hin und wieder auch die „alte Liturgie“ mitzufeiern. Die Argumente dagegen sind manchmal etwas oberflächlich. In Mariawald scheint mir diese Form der Liturgie gut aufgehoben, zumal hier auch schon früher Teile des Chorgebetes in lateinischer Sprache gebetet wurden. Schön wäre es, wenn ein lebendiger Konvent das liturgische Leben pflegen würde.
Doch meine Sorge um die Lebensfähigkeit der Abtei ist nach diesem Besuch nicht geringer geworden. Wenn der Konvent tatsächlich 10 Mitglieder hat, dann waren zum Ende des Jahres 2012 die Hälfte von ihnen entweder alt und krank oder sie drücken ihren Widerstand gegen die Rückkehr zum alten Ritus durch Abwesenheit aus. (Ein Trappist lebt – wie man lesen kann – als Eremit im Kloster.) Mit 10 Mönchen kann eine solche Gemeinschaft auch nicht „birituell“ sein, wie z.B. die Benediktinerabtei Niederaltaich, die im lateinischen und byzantinischen Ritus zelebriert. All das kann der Gemeinschaft von Mariawald nicht gut tun. Ob die Abtei doch die Kraft für einen gewissen Aufschwung findet? Ich würde es ihnen wünschen. (Eine Anmerkung - weil ich darauf angesprochen wurde: Mir ist natürlich bewußt, dass es sich nicht um zwei unterschiedliche Riten handelt (wie beim römischen und byzantinischen), sondern um die ordentliche und außerordentliche Form des einen römischen Ritus.)
Natürlich habe ich die Gelegenheit genutzt, nach der Messe (die etwa eineinhalb Stunden dauerte) einen Besuch in der Klosterbuchhandlung zu machen. Wenn ich bis dahin noch keine Antwort auf die Frage: „Geht das eigentlich: tridentinische Liturgie ohne traditionalistische Überzeugungen und skeptischen Blick auf das 2. Vatikanische Konzil?“ gefunden hätte, hier beantwortet sich die Frage schnell. Es geht augenscheinlich nicht! Ein großer Büchertisch bietet eine ganze Sammlung „einschlägiger“ Literatur bekannter Autoren an der Grenze zwischen konservativen und traditionalistischen Überzeugungen. Auch im sonstigen, allgemeinen Bücherangebot waren mehr und mehr sehr konservative Autoren vertreten. So bleibt auch zu wünschen, dass die Bemühungen des Papstes um eine Versöhnung gewisser kirchlicher „Lager“ auch in dieser Hinsicht erfolgreich werden: Den Schatz der Tradition zu heben und dennoch in der Mitte des Gottesvolkes verwurzelt und versöhnt sein mit der Vielfalt in unserer katholischen Kirche.
Gloria.tv zeigt einen Film von einem Pontifikalamt, das Abt Josef vor einiger Zeit in Vyšší Brod in Tschechien im dortigen Zisterzinserkloster gefeiert hat. Einen Teil der Predigt hört man ab der 10. Minute: http://www.gloria.tv/?media=382378
Gloria.tv zeigt einen Film von einem Pontifikalamt, das Abt Josef vor einiger Zeit in Vyšší Brod in Tschechien im dortigen Zisterzinserkloster gefeiert hat. Einen Teil der Predigt hört man ab der 10. Minute: http://www.gloria.tv/?media=382378
Kurz zur Participatio actuosa: Eine Klostermesse ist hier, denke ich, nicht zu vergleichen mit einer "pfarrlich" orientierten Liturgie. Das habe ich übrigens auch schon im ordentlichen römischen Ritus erlebt (wenn die Beuroner Kommunität die siebte der Choralmessen singt, hält sich die (zumindest äußere) Teilnahme der Gläubigen auch sehr in Grenzen).
AntwortenLöschenWo es mit der Gregorianik hingegen gut klappt, erlebe ich oft eine mindestens so intensive (äußere) Teilnahme wie bei einer "normalen" Messe mit deutschen Liedern - von der inneren mal zu schweigen. Gott sieht in die Herzen ...
Ein gesegnetes neues Jahr!