„Da simmer dabei, dat ist priiiima ... “ - das war mein Gedanke, als ich hörte, dass in Köln ein „Eucharistischer Kongress“ stattfinden sollte. „Viva Colonia!“ Katholisch in Köln! Das hat was! Köln ist eine wunderbare Stadt, voller Kirchen, Kultur, Kunst – und Lebenslust! Wohin sonst passt ein solches Treffen besser - als mitten hinein in den lebensfrohen und frommen rheinischen Katholizismus. Und dass das super zusammengeht, das zeigte der Kölner Kardinal, als er am Donnerstag gemeinsam mit den Höhnern auf der Bühne auf dem Roncalliplatz stand und sich zu eben diesem Lied im Takt bewegte, mitsang und klatschte. Den notorischen Meisner-Nörglern müssen die Augen ausgefallen sein. Frisch und munter sah der beinahe 80jährige Kardinal aus, fröhlich wie vor einigen Jahren, als er Papst Benedikt in der „Hauptstadt des rheinischen Katholizismus“ begrüßen durfte.
Im Vorfeld des Kongresses hallte so mancher Theaterdonner durch die Presse: „Ein Fest nur für die frommen Linientreuen“ – so hieß es. Und anderswo: „Teure Abschiedsparty für den scheidenden Erzbischof“ und „Wo bleiben da die vielen Probleme der Kirche, es wird ja nur gebetet, gepredigt und gefeiert?“ Da müssen recht eigenartige Auffassungen von Kirche im Hintergrund solcher Berichte stehen. Zentraler als das Thema „Eucharistie“ kann in der katholischen Kirche nichts sein. Das ist die Mitte von allem, Quelle und Höhepunkt. Was natürlich kontroverse Diskussionen um den rechten Weg nicht ausschließt – und die gab es in Köln sicher nicht weniger als bei Katholikentagen – nur unter anderen Vorzeichen.
Wie dem auch sei, „da simmer dabei“, das war klar für mich und so versuchte ich, das Thema in der Gemeinde lebendig zu machen. Aber der sperrige Begriff „Eucharistischer Kongress“ ließ unsere Gruppe nur „dreifaltig“ werden. Zu dritt machten wir uns daher in der Frühe des Donnerstag auf den Weg nach Köln. Mit Stauverspätung erreichten wir das Anmeldezentrum. Sollten die „Unken“ doch recht gehabt haben? Statt der erwarteten Schlangen gab es dort weit mehr Helfer als Interessenten. In Minuten hatten wir unser rotes Band und waren weithin als Teilnehmer am Katholikentreffen erkennbar. Nun hieß es aber schnell zur Sache kommen: Auf zur Katechese und zur Messe mit Bischof Lehmann. Natürlich waren wir zu spät, und mit den letzten Worten des Kardinals erreichten wir die Kirche Groß St. Martin. Gut voll war es hier, zahlreiche Menschen hörten, was er zu sagen hatte. (Gegen die „alte Messe“ habe er gesprochen, war später auf einigen Websites zu lesen und gegen das „für viele“ im Hochgebet. Dabei hatte er nur die Motivation mancher Anhänger der „Alten Messe“ problematisiert und festgestellt, das das Interesse daran im Grunde recht verhalten sei. Zur Formulierung der Wandlungsworte sagte er – mit seinen Worten – nichts anderes, als dass er der Argumentation Papst Benedikts folge. All dies stammt aus der offenen Fragerunde, die Katechese selbst lohnt eine ruhige Lektüre.)
Für mich ist Groß St. Martin eine der atmosphärisch schönsten und ehrlichsten Kirchen Kölns! Staunend stand ich vorne und ließ den Raum auf mich wirken. Gleich in der zweiten Reihe wurde Platz gemacht – und ich durfte mich dort setzen; schön, da war ich nun ganz nahe dran.
Die Kirche war im Krieg sehr zerstört worden und erst in den letzten Jahrzehnten wiedererstanden. Die „Kriegswunden“ waren noch zu sehen. Die Fresken sind verblasst. Sparsam ist sie ausgestattet mit Kunstwerken, wenige alte Kunstwerke, besonders eindrucksvoll der gemarterte Christus im rechten Seitenschiff. Beeindruckend der neue Tabernakel mit kleinen Figuren der Apostel und Szenen aus dem Buch Jona. Ein Blickfang das Vortragekreuz in der Apsis. Im Laufe der Messe ging mir auf, wie sehr die Kirche ein Gleichnis unserer heutigen Situation als Katholiken ist. Wir sehen noch die Zeugnisse der glorreichen Vergangenheit. Wir erschließen uns den großen Kirchenraum neu, mit neuen Fenstern, mit dem Tabernakel, dem Altar und dem Christuskreuz als Zeichen des Eigentlichen, des Kerns des lebendigen Glaubens. Wer sich in der Kirche umschaut, der findet noch Spuren der Zerstörung, Spuren von Verlassenheit und Leere aber auch neue Aufbrüche. Der Altar ist (anders als vor der Zerstörung) in die Mitte, ins Zentrum gerückt.
Hier beginnt nun der Gottesdienst. Nur drei Messdiener führen den Einzug an, dann zwei Dutzend Priester und die Bischöfe, neben Kardinal Lehmann zelebrieren Jean Claude Perisset, der apostolische Nuntius, Weihbischof Dick aus Köln und Bischof Norbert Trelle aus Hildesheim? Die beiden letzteren kenne ich nicht persönlich. Keiner der Bischöfe mit Hirtenstab? Ach ja, den darf im Erzbistum Köln auch nur einer tragen, nämlich Erzbischof Joachim. Stattdessen brachte der bischöfliche Sekretär zwei andere Stöcke, denn Kardinal Lehmann ging auf Krücken. Die Predigt focussierte sich auf wenige Sätze über einen Satz aus der Apostelgeschichte 2,42 „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“
Diese drei Aspekte seien zentral; die Lehre, die die Gemeinschaft zusammenhält; das Brotbrechen, das aber über die eigentliche Eucharistie hinausreicht und die Speisung der Armen einschließt. Beides sei nicht voneinander zu trennen, Eucharistie und Caritas gehörten zusammen und das Gebet. „Wie wunderbar, das alles in einem Satz“, sprach er und beendete die Predigt.
Die Messe selbst war festlich und andächtig... mir ist nach wie vor nicht ganz klar, warum die Anhänger der Gebetsrichtung nach Osten die Vorstellung verbreiten, dass man dadurch, dass Priester und Bischöfe, den Altar im Halbkreis umstehen und beim Sprechen der Wandlungsworte das versammelte Gottesvolk anschauen könnten nicht mehr „zum Herrn hin“ zelebriere. Es war eine Feier, die die Aufmerksamkeit der Menschen in der Kirche auf den Herrn hin richtete, der Kirchenraum, das Licht, Worte, Gebete und Gesang, Weihrauch und Gemeinschaft ... und weit und breit kein liturgischer Missbrauch zu sehen. Priester und Bischöfe teilten den Leib des Herrn aus, jeder empfing ihn in der Weise, die seiner persönlichen Frömmigkeit entsprach. Natürlich gab es einen Friedensgruß, der auch herzlich geteilt wurde. Im Mittelschiff teilte der apostolische Nuntius mit großer Selbstverständlichkeit die Kommunion aus, in ein schlichtestes weißes Messgewand gewandet, ganz ohne Schmuck, Ornament, Spitze. Aber dies nahm der Würde der Feier nichts, im Gegenteil, die Schlichtheit des liturgischen Raumes fand ihre Entsprechung in der liturgischen Kleidung.
Direkt im Anschluss an die Messe füllte sich die Kirche schon wieder - zum Mittagsgebet der Gemeinschaft von Jerusalem. Links stellen sich die Schwestern auf, rechts die Brüder. Alle waren sie in bodenlange weiße Gewänder oder entsprechende Umhänge gehüllt. Außerhalb der Gebete tragen die Schwestern ein Ordensgewand in jeansfarbenem Stoff und einen einfachen Schleier, die Brüder ein schwarzes Gewand. Die Liturgie ergreift uns! Die Gemeinschaft hat eine ganz eigene Weise die Psalmen und Gebete zu singen. Sie schöpft aus der reichen Tradition der apostolischen Kirchen, aus der Gregorianik und aus byzantinischen Gesängen, auch aus der Gesangstradition der französischen Kirche, z.B. aus Taizé und der Abtei von Sylvanès. Beim Gesang zum Hl. Geist wird eine großer siebenarmiger Leuchter entzündet. „Hl. Geist, nimm Wohnung in uns.“ Dem folgen nach benediktinischer Tradition ein Hymnus, drei Psalmen und ein Canticum. Die Lesung aus dem Buch der Könige stellt uns Elias in der Wüste vor. Der Lesung voraus geht ein Abschnitt aus dem Lebensbuch von Jerusalem, der Regel der Gemeinschaft „Gott selbst wird sich der Erschöpften annehmen“, dieser Satz rührt mich an. Während der Lesung wenden sich alle erkennbar dem Ambo zu.
Eine Schwester „kommentiert“ die Lesung. „In der Wüste steht nichts mehr zwischen dem Menschen und Gott.“ Elia will sterben, aber Gott sagt: „Ich lasse Dich nicht einfach gehen.“ Er stillt Elias Sehnsucht, die auch die unsere ist: „Gott einmal wirklich erfahren zu dürfen“. Zweimal erklingen die Klänge einer Querflöte. Die Töne erfüllen den Raum und verschwinden gleichsam darin. In den Fürbitten werden Gedanken aus der Lesung wieder aufgenommen: „Öffne uns für die Stille deiner Stimme.“ Ein schönes Bild!
Es folgt das Trishagion, die dreimalige Anrufung des heiligen, starken, unsterblichen Gottes, das Vater unser, Schlussgebet und der gesungene Engel des Herrn. Man spürt den französischen Ursprung der Gemeinschaft, nicht nur in den Stimmen einiger Brüder und Schwestern, auch in den reichen liturgischen und geistig-geistlichen Traditionen Frankreichs. Die Berufung der Gemeinschaften von Jerusalem legt einen besonderen Akzent auf die Schönheit der Liturgie, „verstanden als eine Oase des Friedens, an der jeder Kraft schöpfen kann, um am Abend, am Morgen oder am Mittag im aufreibenden Rhythmus der Stadt Atem zu holen.“
Nun war es aber Zeit, nach Geist uns Seele auch den Körper zu speisen. Freundlich empfing uns das Brauhaus Peters in der Außengastronomie und servierte einen leckeren Pilgerteller mit einem Glas Wasser zum Festpreis. Köstlich! Oder war das der Friede und die Freude des Herzens geschuldet? Nein nicht nur, es war wirklich lecker!
Was nun? Ein Vortrag? Ein Podium? Nein, jetzt waren mal die Augen dran, das Kolumba – Museum lockte mit freiem Eintritt, wir betraten es aber nicht ohne einen Abstecher bei der Madonna in den Trümmern, einer Kapelle, die unter dem heutigen Museum nach dem Krieg in die Trümmer der alten Kolumba – Kirche gebaut wurde und beim Bau des modernen Museums erhalten blieb. Das Museum ist mit wenigen Worten nicht zu beschreiben. Eine Kaskade von künstlerischen Highlights, bei denen mich persönlich die alte Kunst mehr berührte als die Moderne. Aber: die Alte wirkt hier auch besonders im Kontext der Moderne. Es ist faszinierend! Plötzlich stehe ich vor einem Buch, einem Sakramentar aus Tours, entstanden um das Jahr 845 (!). Da kann man nur fasziniert den Atem anhalten. En wunderschönes Buch, das auf der aufgeschlagenen Seite die Hierarchie der kirchlichen Ämter erklärt. Neben diesem Buch liegen ähnlich alte Elfenbeintafeln mit liturgischen Szenen, die so noch nie zusammen zu sehen waren. In einem weiteren Raum wunderschöne liturgische Geräte, Kelche, Reliquiare, Monstranzen, Hostienschalen und eine „Eucharistische Taube“ aus Limoges. Sie diente als Tabernakel, zur Aufbewahrung der wenigen Hostien, die nach der Eucharistiefeier für die Sterbesakramente verwahrt wurden. Die Tauben hingen über dem Altar und verwiesen auf den Hl. Geist durch den die Gaben von Brot und Wein zum Leib und Blut Christi gewandelt werden.
Das leuchtende Bild der Madonna mit den Veilchen von Stephan Lochner zieht an. Ein wunderbarer Kontrast, die bunten, herrschaftlichen Gewänder und das kleine, unscheinbare Veilchen. Beinahe etwas abseits hängt ein Kruzifix, vielleicht 60 cm hoch. Eigentlich ist die Zeit, die für das Museum eingeplant war, längst um. Aber einen Blick will ich doch riskieren. Der Corpus ist aus Elfenbein und stammt aus dem 12. Jahrhundert. Christus hat die Augen geschlossen, aber er strahlt Frieden aus. Selten habe ich eine so eindrucksvolle Kreuzesdarstellung betrachten dürfen. Dieses Museum lohnt sich allemal. Was hier an Kunst präsentiert wird ist einen mehrstündigen Aufenthalt wert. Architektur und Präsentation geben dem Ganzen einen passenden Rahmen, der das Herz aufschließt. Man lernt unendlich viel, über Glauben, Fühlen und Denken der Menschen von damals und heute.
Unser nächstes Ziel war der Tanzbrunnen. Hierfür ging es mitten durch die Stadt auf die „schäl Sick“ am Tanzbrunnen in Deutz. Ein Vortrag von Manfred Lütz hatte uns neugierig gemacht. Auf dem Weg begegneten uns nicht allzu viele „Rotkehlchen“, wie Kardinal Meisner die an ihren roten Bändern kenntlichen Kongressteilnehmer genannt hatte. Die waren im Stadtbild wohl erkennbar, aber lange nicht in der Mehrheit. Ich finde das nicht schlimm, so gibt es einfach ein realistisches Bild!
Kongress komme von „congredi“, was soviel wie „zusammenlaufen“ bedeute erklärte uns Manfred Lütz gleich zu Beginn seines Vortrages. Er plädierte dafür, über Gott zu sprechen und das durchaus mit Humor. Ich notiere einfach einige Anekdoten aus seinem kabarettistisch – besinnlichen Auftritt. Dass die Katholiken in Scharen zusammenlaufen sei nicht mehr die Regel. Aber was könnte die Menschen wieder zusammen- und zu Gott bringen? Er habe die Erfahrung gemacht, dass Theologensprache langweilig sei. Als Katholiken sollten wir so über den Glauben reden können, dass uns jeder Atheist versteht. Sein Verleger habe ihn entsetzt angeschaut: „Sie wollen über Gott schreiben? Gott ist unverkäuflich, schreiben Sie über Engel.“ Er habe ja Theologie studiert und das Ergebnis des Theologiestudiums sei normalerweise, dass man das, was man zu Beginn des Studiums mit einfachen Worten verständlich gesagt habe zum Ende des Studiums dann viel komplizierter und für den normalen Menschen völlig unverständlich sage. Deshalb lasse er seine Büchermanuskripte zuerst von seinem Metzger lesen.
Ein großes Problem der heutigen Zeit sei die Überzeugung, dass „Glück machbar ist“. Dafür sei Dieter Bohlen ein Vorbild: Glück ist machbar, es komme nur auf das Geld an. Radikal zu Ende gedacht hätten diesen Gedanken die Menschen, die auf dem Weg in die Drogenabhängigkeit sind. Das sollte uns nachdenklich machen.
Der Mensch des Mittelalters habe eine höhere Lebenserwartung gehabt als der moderne Mensch. Für ihn sei der Tod der Durchgang in eine neues Leben gewesen. Der moderne Mensch erwarte alles Glück und alle Erfüllung noch vor dem Ende, das der Tod bringt. Er erwarte danach nichts mehr. Und diese Glücksverliebtheit führe auch zu einem unsozialen Mit- bzw. Gegeneinander. Lütz zitiert Dostojewski: „Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt!“ und ergänzt mit Horkheimer: „Warum soll ich gut sein, wenn es Gott nicht gibt?“ Launig, ernsthaft, lustig setzt er sich mit dem Atheismus und seinen kämpferischen Protagonisten zwischen Nietzsche und Dawkins auseinander, berichtet von Begegnungen mit Pfr. Fliege und auch von seinem Besuch bei Papst Benedikt, der zwar gealtert sei, aber präsent und aufmerksam wie früher und sehr zufrieden und entspannt gewirkt habe. „Wer nichts mehr glaubt, glaubt alles“ sagt Lütz und entlarvt die Esoteriker und Atheisten als die wahren Unvernünftigen unserer Zeit. Auf jeden Fall hat er in diesem Vortrag seine Ansage wahr gemacht, dass man über Glauben allgemeinverständlich und unterhaltsam reden kann, ohne jemals peinlich oder seicht zu werden.
Auf dem Rückweg zum Dom entscheiden wir uns gegen die ökumenische Vesper (Worte hatten wir genug gehört) und für einen Besuch im Zentrum der geistlichen Gemeinschaften und ein Pontifikalamt mit Bischof Felix Genn. Hier komme ich mit manchen Leuten ins Gespräch. Ob Nightfever auch was für uns in Voerde ist – und kann man das auch als Einzelveranstaltung mal ausprobieren? Die Vertreter der Bewegung sind da sehr offen... Eine bunte Mischung von Gemeinschaften präsentiert sich vor der Minoritenkirche, aber lange nicht alle. Eine Broschüre des Erzbistums zeigt, dass es eigentlich weit mehr sein können. Mit den Mitgliedern der Priestergemeinschaft Charles de Foucault komme ich ins Gespräch über die biografischen und persönlichen Bezüge, die mich mit dem Seligen verbinden. Wir entdecken gemeinsame Bekannte und am youcat-Stand kennt eine junge Augsburgerin Voerde, weil ihre Oma von dort stammt. (Ihren Onkel kenne ich gut.)
Die katholische Welt ist manchmal interessant vernetzt. Auf der Suche nach meiner Gruppe begegne ich Bischof Genn, dem ich augenzwinkernd berichte, dass wir als Münsteraner Diözesanen „natürlich“ wegen unseres Diözesanbischofs hier seien, was er schlagfertig quittiert mit der Erwartung, dass es doch entscheidend sei, auf Christus hin durchsichtig zu sein und dass die Begegnung mit IHM entscheidend sei. Natürlich ist ganz vorn in der Kirche noch Platz, und das selbst beim Nightfever – Gottesdienst, während sonst die Reihen gut besetzt sind. Auch kath.net ist mit der Redakteurin Petra Lorleberg vertreten und überträgt den Gottesdienst im Internet; im Seitenschiff sitzt Michael Hesemann, der kürzlich ein Buch über den neuen Papst Franziskus herausgebracht hat. Aber jetzt ist es soweit! Der Gottesdienst beginnt, viele Priester, auch einige bekannte Gesichter aus dem Bistum und drei Bischöfe. Neben Genn sind es Bischof Gregor Maria Hanke aus Eichstätt und sein Amtsvorgänger Walter Mixa. Mit letzterem hatte ich nicht gerechnet, hatte er doch in der Vergangenheit für manche Schlagzeilen gesorgt. Aber wer weiß schon, welche Last und Schuld er wirklich trägt. Auf jeden Fall berührt es mich, als er im Hochgebet die Namen seiner Mitzelebranten nennt und von sich als Gottes „unwürdigem Diener“ spricht. In seiner Predigt vergleicht Bischof Genn die Christen mit einer lebendigen Monstranz, wenn Christus in uns lebt, haben wir die Aufgabe ihn in die Welt zu tragen. Jesus wartet auf uns, so der Bischof, er setze sich den Menschen aus, ist da für ... „Jedem von uns, jedem, der hier hineinkommt, ganz gleich, welcher Hautfarbe, welcher Rasse, welcher Sprache, welcher Nation, welcher sittlichen Qualität er ist – allen setzt Er sich aus! Auf alle wartet Er. Über das Kommen eines jeden freut Er sich. Doch nimmt Er auch alles auf sich, was wir mitbringen.“
Bischof Genn erinnert an den Hl. Norbert, dessen Fest am heutigen Donnerstag begangen wird und dass dieser im Jahre 1015 in Vreden seine Bekehrung erlebt habe. (Als Vredener war ich gleich hellwach. Im Vredener Dialekt heißt es, dass der Hl. Norbert dort „sein Damaskus erlebt“ habe.) Natürlich erwähnt der Bischof auch den wunderbaren Xantener Dom, der zur gleichen Zeit wie der Kölner erbaut wurde, allerdings im Gegensatz zu diesem wenigstens fertig gebaut wurde. Und zum Schluss ermuntert der Bischof alle zur Mission mit den Worten: „Es gab in der alten Kirche eine Gruppe von Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Auf die Frage, warum sie am Sonntag zusammenkommen, gaben sie zur Antwort, sie könnten ohne die Eucharistie am Sonntag nicht leben. Wie schön wäre es, wenn Sie alle zu Boten würden für die anderen, die sich Christen nennen, selbstverständlich getauft sind, aber die augenscheinlich ohne Eucharistie am Sonntag leben können.“
Bei der Kommunionausteilung fällt mir auf, dass beinahe die Hälfte der Teilnehmer die Kommunion als sog. Mundkommunion und teilweise auf den Knieen empfingen. Bischof Mixa, der vor mir die Hl. Kommunion austeilte, konnte sehr flexibel mit den unterschiedlichen Formen umgehen. Aber alle Kommunikanten empfingen den Leib des Herrn in großer Andacht, mit Ruhe und Ehrfurcht, ob in die Hand oder in den Mund. Schön wäre es, wenn dieser Moment der Begegnung des Menschen mit dem Herrn, der sich jedem von uns aussetzt „ganz gleich, welcher Hautfarbe, welcher Rasse, welcher Sprache, welcher Nation, welcher sittlichen Qualität er ist“, wenn dieser Moment frei bliebe von allen kirchenpolitischen Auseinandersetzungen und Überheblichkeiten.
Reich beschenkt traten wir in die warme Sommernacht hinaus und gingen die wenigen Schritte bis zum Dom. „Lux eucharistica“ sollte den Dom in ungewöhnlicher Beleuchtung präsentieren. Aber wir waren mit diesem Interesse nicht allein. Auf der Domplatte drängten sich Tausende, um in den Dom zu kommen. Keine Chance! So blieb uns nur die Übertragung des Domradios auf den Roncalliplatz. Die Lichtkünstler Sabine Weißinger und Friedrich Förster aus Tübingen beleuchteten das Innere der Kathedrale mit bewegten Bildern, Mustern und Ornamenten aus Licht. Der Domorganist Prof. Winfried Bönig und die „Kölner Vokalsolisten“ sorgten dafür, dass Bild und Klang im Kirchenraum eine faszinierende Symbiose eingingen. Weniger überzeugend war für mich der Vortrag der deutschen Übersetzung des Hymnus „Adoro te devote“ von Thomas von Aquin und die geistlichen Gedanken hierzu, vorgetragen von einem Sprecher und von Domvikar Tobias Hopmann in einem Sprachstil, den man aus Kirchen kennt. Ob die Organisatoren der Botschaft der Musik und der Bilder nicht trauten oder das Latein des Hl. Thomas für unverständlich und das Lied „Gottheit tief verborgen...“ (GL 546) für zu unbekannt hielten? Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied! Der Sprachteil war für mich das schwächste Glied, was nicht an den Sprechern selbst lag. Ich glaube, die Veranstaltung hätte gewonnen, wenn man auf dieses pädagogische Element verzichtet oder den deutschen Text und seine Deutung mutig einem Dichter, Schauspieler oder .... überlassen hätte. Vielleicht wäre in den alten Worten des Hl. Thomas noch manche Überraschung zu Tage getreten. Ich vermute aber, dass die Qualitäten von Licht und Musik und die Präsenz dessen, der das Licht der Welt ist, diesen Mangel durchaus aufgewogen haben. Vermutlich ist das ein oder andere Samenkorn des Glaubens auf unterschiedlichen Boden gefallen und kann nun wachsen.
Mit den letzten Zeilen des Hymnus des Heiligen, der als Schüler des Hl. Albertus Magnus einige Jahre in Köln gelebt hat, machten wir uns auf den Weg nach Hause, müde, aber voller Eindrücke, Gedanken und Anregungen, die sicher noch fruchtbar werden.
„Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht,
stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht:
lass die Schleier fallen einst in deinem Licht,
dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“
Zum Nachlesen, die Katechese von Kardinal Lehmann:
http://www.eucharistie2013.de/fileadmin/redaktion/bilder/Bildergalerien/EK2013_Tag1-lux_eucharistica/06062013-K-Lehmann-Katechese.pdf
Zum Nachschauen, Lux echaristica in voller Länge:
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