Freitag, 4. Dezember 2015

Die "Pastis" und Gottes Richter!

(c) Bischöfliches Offizialat, Münster
Zu der am Montag (30.11.15) in der ARD ausgestrahlten Sendung: „Richter Gottes – Die geheimen Prozesse der Kirche“ ist eigentlich schon alles gesagt worden. Die Fernsehkritik hierzu von Regina Einig in der Tagespost - Ausgabe vom 3.2.2015 veranlasst mich dennoch dazu, einige spezifische Gedanken hinzuzufügen.

Ja, ich habe mich auch darüber geärgert, wie die zumeist segensreiche Arbeit kirchlicher Gerichte in der sogenannten Dokumentation „Richter Gottes“ dargestellt wurde. Also, weitgehend Zustimmung zur kritischen Sichtweise aus dem Raum der Kirche, auch zu dem Artikel von Regina Einig. 

Der Hals schwoll mir allerdings ein wenig bei der Formulierung, die mir jemand auf anderem Wege, durchaus nicht ohne Häme übermittelte: „Indirekt stellt die Sendung die Qualität des Theologiestudiums hierzulande in Frage. Wenn ein Pastoralreferent kirchliche Gerichte als "Kontrollinstrument" über das Privatleben kirchlicher Mitarbeiter einschätzt und für ihre Existenz "obskure Machtgründe" ins Feld führt, weckt das Zweifel am Sinn seiner theologischen Studien. In Zeiten, in denen afrikanische Gläubige in deutschen Kirchenkreisen abenteuerlichen Unterstellungen ausgesetzt sind, ermutigte diese Sendung Afrikaner zur Gelassenheit und setzte ein dickes Fragezeichen hinter die Kompetenz der "Pastis".“

Mir waren schon während der Sendung ebenfalls die beinahe unglaubliche Ungereimtheit aufgefallen, dass die Partnerin des angeblichen Pastoralreferenten Peter sich scheut, ihren Namen am Klingelschild anzubringen, während das Paar aber offenbar glaubt, nach deutschlandweiter Ausstrahlung einer Fernsehsendung anonym bleiben zu können, obwohl beide deutlich zu erkennen waren, offensichtlich aus der Region um Köln kommen und auch noch mit Vornamen benannt wurden. Ein Pastoralreferent ist im Regelfall im Ort und in seiner Gemeinde bekannt wie ein „bunter Hund“. Da wäre es sicher deutlich weniger problematisch, ein Klingelschild zu beschriften als sich derart zu exponieren. Natürlich weiß auch der „Kollege“, dass er im kirchlichen Dienst nicht mit einer Frau unverheiratet zusammenleben sollte, bzw. wenn er dies tut, dies nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten, sofern es sich um eine platonische oder geistliche Lebensgemeinschaft handelt. Das hat zunächst auch nichts damit zu tun, dass die Frau noch mit einem sakramentalen Eheband an einen anderen Partner gebunden sein könnte. Natürlich weiß er auch, dass zu seinem Zeugnis auch das Lebenszeugnis gehört und dass der „Dienstgeber“ Kirche erwarten darf, dass er die Konsequenzen zieht, wenn seine private Lebensführung und seine Liebe „Priorität“ erfordert. Zunächst einmal sehe ich nichts Ehrenrühriges darin, sich in eine Frau zu verlieben, die bereits in einer anderen Beziehung gelebt hat. Manches im Leben entscheidet nun mal nicht der Verstand allein!

Ich bin ebenfalls Pastoralreferent (eigentlich Gemeindereferent) und ich kann es gut nachvollziehen, in welch schwieriger Situation ein solches Paar stecken wird. Ich zitiere in diesem Zusammenhang einmal einen Abschnitt aus dem Hohen Lied. Auch wenn dieser Text vermutlich eine etwas andere Liebe im Blick hat, wenn dort geschrieben steht: „Stark wie der Tod ist die Liebe, / die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, / gewaltige Flammen. / Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; / auch Ströme schwemmen sie nicht weg. Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses, / nur verachten würde man ihn.“ Vermutlich spricht der Autor auch von der Liebe zwischen zwei Menschen als Erfahrungshintergrund zur Poesie der Liebe zwischen Gott und Mensch. 

Wenn die Liebe also stark ist, muss sie im Zweifel auch den Vorrang vor sonstigen Lebensplanungen bekommen. Diese Entscheidung habe ich vor vielen Jahren auch schon einmal getroffen und zwar noch bevor ich vom Ausgang eines Ehenichtigkeitsverfahrens erfuhr, das mich mittelbar auch betreffen würde. Ich habe selbst „einschlägige Erfahrung“, weil meine Frau, mit der ich inzwischen seit fast 20 Jahren sakramental verheiratet bin (und vier Kinder erziehe), ebenfalls bereits eine – wenn auch sehr kurze – Ehe hinter sich hatte, als wir die im Hohen Lied besungene „Stärke“ der Liebe erfuhren.

Natürlich kennt und akzeptiert man den Rahmen, in dem man sich im kirchlichen Dienst bewegt. Es muss einem natürlich nicht gefallen und es wird einem auch nicht gefallen, wenn man in einer persönlichen Situation steckt, die klare Entscheidungen fordert. So etwas ist schwierig und menschlich. Meine spätere Frau hat die Gültigkeit ihrer ersten Ehe prüfen lassen, mit dem Ergebnis, dass diese durch zwei Kirchengerichte als ungültig erkannt wurde. Ich kann weder über das Ehegerichtsverfahren noch über das Bistum etwas Negatives aus dieser Zeit erzählen. Auch meine Frau hat sich nur positiv über die am Verfahren beteiligten Personen geäußert, die ihr eine tiefe Reflexion der gescheiterten Beziehung ermöglichten. 

Warum Frau Einig sich bemüßigt fühlt, einen im fortgeschrittenen Alter offenbar erstmals so richtig verliebten Kollegen als "pars pro toto" vorzuführen und warum seine negative Grundhaltung bzw. aus der Emotion heraus gegebenen Antworten in dieser Frage Hinweise auf seine theologische Kompetenz geben soll erschließt sich mir nicht. Ich möchte ungern in „einen Sack gesteckt“ werden mit einem Kollegen, der sich - möglicherweise aus persönlicher Betroffenheit - unsauber äußert.

Ich kann auch nicht erkennen, warum diese doch eher privaten Äußerungen (ich bin auch gespannt, ob der Betroffene sich noch selbst hierzu zu Wort meldet) irgendeinen Hinweis auf die Qualität der theologischen Ausbildung geben sollen, weder auf die Qualität der Lehre an der Universität Bonn (wo der Kollege ja möglicherweise studiert hat) noch auf die an anderen Universitäten, Fachhochschulen und Hochschulen in unserem Land. 

Inwieweit dort neben dem allgemeinen Kirchenrecht und dem Eherecht auch Einblicke in die konkrete Arbeit eines kirchlichen Ehegerichts vermittelt werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Woran Sie möglicherweise merken, dass meine Ausbildung einen anderen Weg als den an einer theologischen Fakultät einer deutschen Universität genommen hat. Persönlich betrachte ich die Einrichtung Ehegericht keinesfalls als „Kontrollinstrument“ und wähne auch keine „obskuren Machtgründe“ dahinter. Mit Kirchenrecht und kirchlicher Gerichtsbarkeit habe ich mich natürlich auch über die reinen Ausbildungsinhalte hinaus auseinandergesetzt, zumal man immer wieder in seelsorglichen Gesprächen entsprechend Rat zu geben hat. Und das ein oder andere Paar konnte ich auch auf den Weg zum kirchlichen Ehegericht begleiten. 

Soweit zum Inhalt, nun zum Grundsätzlichen: 
Ich habe überhaupt keine Probleme damit, wenn „unser“ Berufsstand kritisch gesehen wird, wobei ich mich schon frage, ob „wir“ Pastoral- und Gemeindereferenten nicht allzu allgemein in Haftung genommen werden für die von Manchem als negativ empfundenen Veränderungen in der Kirche nach dem 2. Vaticanum. Schließlich wird allgemein angenommen, dass der Berufsstand der Pastoral- und Gemeindereferenten eine „Frucht“ dieses Konzils sei. Manchmal wird er ja auch ebenso gewürdigt und gefeiert. Möglicherweise stimmt das auch, man sollte aber nicht vergessen, dass es auch schon in den 1920er und 1930er Jahren die Seesorgehelferinnen gab, die auch eine „Wurzel“ des hauptamtlichen Laiendienstes in der Pastoral darstellen. 

Interessanterweise begegnet mir der Begriff „Pasti(s)“ nur in Kreisen, die den Berufsstand als Solchen kritisch sehen. Hier wird er in der Regel zur negativen Abstempelung benutzt, die den Berufsträgern in keiner Weise gerecht wird. Nach meiner Wahrnehmung ist das, was hierunter in zahlreichen Onlineforen und Diskussionen verstanden wird, allenfalls eine Chimäre, ein Zerrbild, das den Einzelnen verunglimpft. Ich finde das unfair und würde erwarten, dass man sich die Mühe macht, Menschen die im kirchlichen Dienst, mit bischöflicher Beauftragung und zumeist mit vollem Einsatz tätig ist, nach ihrem Handeln und nach ihren Überzeugungen und Einstellungen zu bewerten und sich mit ihnen entsprechend auseinander zu setzen. 

Als Vater von vier, teils pubertierenden Kindern bin ich Kummer und Auseinandersetzungen gewohnt. Trotzdem ärgert mich, wenn ich oder meine Kollegen in eher traditionstreuen und kirchentreuen Kreisen derart negativ dargestellt werden. Nach meiner Erfahrung sind zahlreiche engagierte und treue Katholiken unter uns Pastoral- und Gemeindereferenten, die es schmerzt, wenn sie pauschal abgewatscht werden. Auch das ist ein Puzzelstück in der allgemein beklagten Krise der Berufungen.

Eine größere Offenheit der traditions- und kirchenverbundenen Kreise für die Persönlichkeiten hinter der Abstempelung „Pastis“ würde sicher auch diesen gut tun und zu einer stärkeren Verbundenheit unter uns Katholiken insgesamt beitragen. Vielleicht auch dazu, dass der ein oder andere Kollege seine möglicherweise problematischen Auffassungen noch einmal bedenkt und in einem weiteren kirchlichen Horizont betrachten kann.

Da es von Regina Einig in diesem Kontext gesetzt wird, möchte ich auch noch eine Bemerkung machen zu dem inhaltlichen Schlenker über Pastis und die Qualität der deutschen/europäischen Theologie hin nach Afrika. Staunend habe ich in den vergangenen Wochen beobachtet, wie eine missglückte Bemerkung eines Journalisten im kirchlichen Dienst (ich habe ihm das auch persönlich gesagt) mehr und mehr zu einem Skandal aufgeblasen wurde. 

Fakt ist doch, dass Afrika kein Land, sondern ein Kontinent mit einer gewaltigen Vielfalt ist. Fakt ist, dass man über Afrika alles – und nichts behaupten kann und für alles Belege finden wird. Fakt ist auch, dass die Menschen in Afrika in einer weniger säkularisierten, anderen Gesellschaftsordnung leben, die durchaus mehr Raum für persönliche Gläubigkeit bietet. Die Menschen in Afrika dürften sich in den Erzählungen, Berichten und Geschichten der Bibel viel unmittelbarer wiederfinden, als uns das in Europa heute gelingt. Sie sind – das kann man bei aller Unterschiedlichkeit sagen – anders gebildet und sozialisiert als wir im Westen. Weis keinesfalls mit „minder...“ zu übersetzen ist. Bisher ist die spezifisch afrikanische Lebensart (bei aller Unterschiedlichkeit) offenbar für den christlichen Glauben ein „Saatfeld“ und ein „Weinberg“, der viel Arbeit erfordert aber auch reiche Frucht bringt. Aber auf der anderen Seite gibt es in Afrika durchaus Problemfelder für den Glauben, die nicht weniger Schwierigkeiten aufwerfen, als die Diskussion z.B. um den Kommunionempfang für Menschen in einer zweiten Ehe hierzulande.

Ich pflege einige Kontakte nach Uganda, kenne dort Ordensleute, Priester und Katechisten. Gerade letztere tragen und organisieren dort in weit höherem Maße als hierzulande die Pastoral- und Gemeindereferenten das Gemeindeleben mit. Sie halten Katechesen, predigen, feiern Gottesdienste, bereiten diese vor, beerdigen die Verstorbenen... 

Ich bin froh, dass gerade meine afrikanischen Schwestern und Brüder, die als Katechisten, unter widrigsten Umständen und meist mit geringer finanzieller Unterstützung der Kirche hingebungsvoll tätig sind, nicht erfahren, wie wenig ihre „Katechisten“-Kolleginnen und Kollegen hier in Deutschland von frommen Katholiken geschätzt werden. Ich denke, dass jede und jeder, der sich für die Verkündigung des Wortes Gottes und für eine lebendige Kirche engagiert zunächst einmal unsere Unterstützung und unser Gebet verdient. Sicher auch ab und an einmal ein offenes, aber von Wertschätzung getragenes Wort!

Ich denke, für unsere gemeinsame Mission wäre es durchaus nicht abträglich, wenn Menschen die uns sehen und erleben anschließend sagen könnten: Seht, wie sie einander lieben!


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