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https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad-leben/update-gescheitert-kirche-im-reformversuch-102.html
In der Öffentlichkeit wird Maria 1.0 durchaus als gleichgewichtige Gegenbewegung zu Maria 2.0 gehandelt und kann ihre Position als Kontrast hierzu in manchen Zeitungen darlegen. Die Aktivistinnen werden immer wieder auch für Interviews und Diskussionen angefragt. Witziges Detail: Auf der Cocktailkarte bei den abendlichen Begegnungen des Synodalen Weges im März 2023 gab es die Varianten 1.0 und 2.0 des Cocktails Bloody Mary.
Gegründet wurde Maria 1.0 als unmittelbare Reaktion auf die Initiative Maria 2.0, die sich im Kontext des Synodalen Weges Anfang 2019 zunächst in der Gemeinde Hl. Kreuz im Münsteraner Kreuzviertel bildete, aber bald Unterstützung durch katholische Frauenverbände wie die KFD und den KDFB erhielt. Durch einen sogenannten „Kirchenstreik“ und weitere Aktionsformen fand die Bewegung sehr viel öffentliche Resonanz. Nach drei Jahren sind einige prominente Aktivistinnen inzwischen aus der katholischen Kirche ausgetreten, was sie aber nicht hindert, sich weiter zu engagieren und weitreichende Reformen in der Kirche zu verlangen.
Für kirchlich-konservative Kreise war diese Bewegung offenbar ein rotes Tuch und so gründete die Schongauer Lehrerin Johanna Stöhr die Bewegung Maria 1.0, die Frauen sammeln wollte, die die deutliche Kritik an der Haltung der katholischen Kirche nicht teilten. Man könne die Kirche nicht „wie einen von Menschen gemachten Verein verändern.“ Mit den Worten: „Maria braucht keine Update!“ bringt die Gruppe, der sich bald weitere Frauen anschlossen, ihre Haltung bis heute auf den Punkt. Maria sei perfekt.
Inzwischen will man den Status einer Gegenbewegung zu Maria 2.0 überwunden haben und „ nimmt jetzt jedoch alle katholischen Themen in den Blick und verleiht so der katholischen Lehre eine Stimme“, wie man auf der Homepage nachlesen kann. Stöhr sah sich nicht als Traditionalistin, sie wolle „normal katholisch sein“ und sich „an der katholischen Lehre orientieren.“ https://www.youtube.com/watch?v=mhdI0Drmdus
Weil Johanna Stöhr mehr Zeit für die Familie haben wollte übernahm im Mai 2021 die heute 25jährige Clara Steinbrecher die Leitung der Initiative, weitere exponierte Vertreterinnen sind Jessica Brandstetter als Vize-Leitung Margarethe Strauss, die als Mag. Strauss auch mit zahlreichen Youtube-Videos im Netz präsent ist und die Journalistin Dorothea Schmidt, die schließlich von der deutschen Bischofskonferenz als Vertreterin der Bewegung in den Synodalen Weg berufen wurde und diese Position auch für einen sehr kritischen Blog und zahlreiche Artikel in der Tagespost nutzte.
Wer und was ist nun die Bewegung Maria 1.0?
Per Selbstdefinition ist sie lt. Dorothea Schmidt dies: „Der innere Kern von Maria 1.0 sind junge, ehrenamtlich tätige Frauen, vor allem junge Mütter, die abends neben Beruf und Familie Interviews geben, Newsletter schreiben, organisieren et cetera. Ich denke, es gibt unzählige Menschen auf der ganzen Welt, die uns im Gebet unterstützen und die vor allem den Spirit von Maria 1.0 leben, die mit der Muttergottes leben, sie lieben und sie zum Vorbild haben.“
Konkret spricht man von Unterstützerzahlen von ca. 3.000 – 5.000 Katholiken in Deutschland und teilweise hierüber hinaus. 4.481 Menschen folgen deren Facebook-Auftritt. Den offenen Brief an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing vom Sommer 2022, in dem dieser aufgefordert wurde, die Zusammenarbeit mit der Präsidentin des Zentralkomitees der dt. Katholiken aufzukündigen, unterschrieben ca. 2.600 Katholiken, darunter auch viele bekannte Protagonisten der konservativen Kirchenszene. Eine formale Mitgliedschaft scheint es nicht zu geben, auf der Homepage kann man sich mit seiner Adresse als Unterstützer*in eintragen. Selbst spricht die Bewegung jedoch von ca. 50 Unterstützern und Unterstützerinnen, wobei man auch Männer in diesen Reihen sieht.
Mit dem offenen Brief an Bischof Bätzing wollte man „dem stillen Schrei der treuen Katholiken" Gehör verschaffen. Mit auffallender Deutlichkeit werden in Presseerklärungen und weiteren Wortmeldungen der Bewegung auch Bischöfe angegriffen und belehrt. Ganz zu Schweigen von den Diskussionen, die auf Social Media geführt werden.
Am 28. Februar 2022 besuchten Clara Steinbrecher, Jessica Brandstetter und Johanna Stöhr den apostolischen Nuntius, Dr. Nikola Eterović, der die Gruppe angeblich ermutigte „weiterzumachen“ und deren Arbeit lobte. Auch Bischöfe lobten die Gruppe und empfingen sie wie z.B. Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg oder der vormalige Bischof von Augsburg Konrad Zdarsa. Kardinal Kurt Koch traf Clara Steinbrecher, auch gab es Begegnungen mit einigen weiteren Bischöfen.
Als wesentliches Thema ihres Engagement benennt die Bewegung auch den Lebensschutz, u.a. durch Präsenz beim "Marsch für das Leben".
Darüber hinaus strebt man eine stärkere Vernetzung sog. glaubenstreuer Kreise an. „Ein großer Wunsch von uns wäre, dass Maria 1.0 eine Art Sammelstelle für verschiedene katholische Initiativen und Bewegungen wird. Deshalb sind wir dabei uns mit anderen katholischen Gruppierungen zu vernetzen und wollen u.a. die Bandbreite dieser katholischen Angebote über unsere Kanäle darstellen.“ Quelle: Kath.news
Nach meiner Wahrnehmung hat Maria 1.0 inzwischen die katholische Mitte klar verlassen., Das ist immer wieder spürbar, so z.B. kürzlich auf der Facebook-Seite von Maria 1.0 als dort die Mundkommunion diskutiert wurde. Hier kommt einem der Text vor, wie von einer Traditionalisten-Seite abgeschrieben, wenn hier z.B. vom „Novus Ordo“ die Rede ist. „VA II hat weder die Kommunionbank abgeschafft, noch die Handkommunion eingeführt. Letzteres erfolgte eigenmächtig durch einige europäische Bischöfe.“ Die folgende Diskussion ist dann wirklich erhellend, wie überhaupt der Kreis jener, die sich dort als Freunde der Bewegung äußern.
Konkret gelang es der Bewegung, bei der Frühjahrsvollversammlung in Dresden 35 Gebetsdemonstrant*innen für eine Gebetsdemo zu motivieren, wobei der Anteil junger Menschen bei unter einem Dutzend blieb. Etwas größer war die Gruppe beim der Gebetsdemonstration bei der heute beendeten Versammlung des Synodalen Weges in Frankfurt. Man sei mit 14 Personen vor Ort. Hier in Frankfurt wurden sie flankiert von Demonstranten der Bewegung TFP, für Tradition, Familie und Privateigentum, mit deren auffälligen roten Fahnen. In Dresden waren Demonstranten von Pro Missa Tridentina präsent. Auf Transparenten in Dresden und Frankfurt wurden Bischöfe als „Mietlinge“ tituliert – im Sinne der Worte Jesu aus dem Evangelium, als Hirten, die vor der Verantwortung fliehen, weil sie nur bezahlte Knechte sind. In den Kommentarspalten klingt das dann unwidersprochen so: „Weicheier mit Mitra“, „modernistische Zeitgeistgefocuste Karrieretiger“.
Für einen Skandal sorgte Maria 1.0 aktuell mit einem auf allen sozialen Medien verbreiteten Filmschnipsel aus der Performance, die im Frankfurter Dom das Thema des Missbrauchs in den Focus stellen wollte. Teil dieser Inszenierung war eine Tanzperformance, die von der Gruppe in einem – interessanterweise – englischsprachigen Kommentar als „satanisch“ und „dämonisch“ bezeichnet wurde. Die Kirche sei hierdurch entweiht (desecrating) worden. Auch eher konservative Bischöfe wie Bischof Oster und wohl auch Kardinal Woelki distanzierten sich daraufhin von dieser Wortmeldung, auch sonst gab es viel Kritik. Maria 1.0 verteidigte diese Sicht jedoch vehement in den Kommentarspalten und bat um Unterstützung aus der Weltkirche, was wohl auch von vornherein so intendiert war.
Nachvollziehbar ist sicherlich das Unbehagen, die Frankfurter Hauptkirche zum Schauplatz einer Performance zu machen. Das verwendete Vokabular und die Skandalisierung machen jedoch darauf aufmerksam, dass Maria 1.0 längst zum Kristallisationspunkt einer eher ultrakonservativen und rechthaberischen Kirchenszene geworden ist. Die Gruppe ist mitnichten einfach nur ein Zusammenschluss jener, die „normal katholisch“ bleiben wollen, sondern längst tief vernetzt mit Personen und Bewegungen wie z.B. TFP, Petrusbruderschaft, Forum Deutscher Katholiken, „Neuer Anfang“, „Pro Missae Tridentina“. Der Kanal des TFP-Aktivisten Mathias von Gersdorff wird vom Maria 1.0 am 23.2.23 auf facebook ausdrücklich empfohlen. Dieser arbeitet sich mit täglichen Videostatements am Synodalen Weg, den Bischöfen und seinen Unterstützern ab. Für einen Eindruck sollte man ruhig einmal seinen Kanal aufsuchen. Es ist schon ein sehr besonderer Ton, der hier angeschlagen wird.
Zum Ende der Synodalversammlung demonstrierte eine Gruppe der KJB, der Jugendorganisation der Piusbruderschaft vor dem Tagungsgebäude am "Kap Europa" mit einer "Gebetskundgebung". Maria 1.0 schreibt dazu bei facebook: "Ein Teil unseres Teams harrte bis zum Nachmittag am Lifestream aus, während eine zweite Abteilung sich aufmachte, um einer gleichgesinnten Jugendgruppe bei einer Glaubenskundgebung Verstärkung zukommen zu lassen. Clara bog von dort aus zu einem Interview ab. Am Nachmittag beteten wir mit der erwähnten Jugendgruppe den Rosenkranz vor dem Dom, während die Synodalen zur Abschlussmesse einzogen, welche mit allen notwendigen Elementen wie Laienpredigt und Abweichung von den liturgischen Vorgaben versehen war." Auf den Fotos und Filmen der Proteste sind die markanten Transparente der KJB "Der synodale Irrweg" deutlich zu erkennen und auch die Maria 1.0 - Aktiven mit einem Transparent "Nein zu Häresie und Schisma". Bemerkenswerte Koalitionen!
Ich habe gar keine Schwierigkeiten mit frommen und konservativen Überzeugungen. Im Gegenteil, diese müssen unter dem Dach der katholischen Kirche Raum haben und mehr als nur Duldung oder Gastrecht.
Selbst über die aktuelle Diskussion um die sogenannte „Alte Messe“ und die vatikanischen Maßnahmen dagegen bin ich sehr unglücklich. Das Vorgehen des Vatikans wird die Probleme nicht lösen. Natürlich ist die Argumentation des Hl. Stuhls nachvollziehbar. Der Kern des Problems liegt aber nicht in der traditionellen Liturgie selbst oder gar bei jenen, die ihre Spiritualität in der alten Messe, den lateinischen Gebeten, der Hochachtung vor dem künstlerischen Ausdruck der katholischen Tradition und Vergangenheit, der Freude am gregorianischen Gesang suchen und darin Gott begegnen.
Schwierig wird es aber dann, wenn die erneuerte Liturgie als minderwertig, ungültig oder häretisch angesehen wird. Und schwer wird es – gerade auch in Sinne der angestrebten Synodalität – wenn die Diskussionen sich so zuspitzen, dass es nicht in erster Linie die Spiritualität ist, die mir persönlich und meinem Glauben gerecht wird, sondern die Spiritualität, der nach meiner Meinung die ganze Kirche, ja möglichst die ganze Welt folgen sollte und die zum Hebel wird, andere Gläubigkeiten und Spiritualitäten auszugrenzen.
Genau diese Haltung hat aber in der Kirche zugenommen, übrigens durchaus auch im reformerischen Lager. Der Stil, in dem liberale Katholiken sich zu Wort melden ist leider wenig erfreulich, ja manchmal geradezu abstoßend. Die Klagen von Dorothea Schmidt über ihre Erfahrungen auf dem Synodalen Weg sind sicher nicht aus der Luft gegriffen. Wenngleich sie selbst auch nicht zimperlich ist.
Ich bin fest überzeugt, dass wir als Kirche von den Bewahrern der alten Traditionen profitieren, dass sie die Reflektion über den richtigen Weg der Kirche bereichern. Sie müssen Raum haben in unserer Kirche, ohne als überkommen gebrandmarkt und marginalisiert zu werden. Aber ihr Weg ist ihr Weg und nicht das Rezept für den Weg der ganzen Kirche. Im Stil der Amish-People, der Piusbruderschaft, der Gruppe von Palmar oder als Katholiban haben wir keine Zukunft.
Gesunden Zulauf werden auch traditionsverbundene Gruppen nur haben, wenn sie sich offen und einladend zeigen und vor allem ihren Mitgliedern auch jederzeit ermöglichen, dieses Umfeld, den eigenen Raum ganz entspannt wieder zu verlassen – wenn es letztendlich nicht zur Person passt. Im Raum einer einzig wahren und unfehlbaren Religion und Spiritualität besteht – das mussten wir als Kirche bitter erfahren – ein großes Risiko des spirituellen und sonstigen Missbrauchs. Der Glaube muss uns in die Freiheit führen, auch der recht verstandene Gehorsam gegenüber religiösen Autoritäten.
Unerfreulich wird es leider immer wieder, wenn man versucht, über die unumstößlichen Positionen zu diskutieren. Erst recht, wenn diese für sich in Anspruch nehmen, dass sie die reine Lehre der Kirche, die Lehre an sich repräsentieren. In dieser Gefahr sehe ich die Protagonisten von Maria 1.0 inzwischen deutlich. Es ist eine gewisse Hybris spürbar, wenn eine junge Studentin glaubt einen katholischen Bischof einfach so als Häretiker verdammen oder als „Mietling“ brandmarken zu können. Ich glaube einfach, auf diese Weise leistet man weder der Diskussion noch der Sache der Kirche einen hilfreichen Dienst.
Abschließend noch einige Informationen über wichtige Aktivisten von Maria 1.0, die diese öffentlich in Interviews und Wortmeldungen bekannt gemacht haben:
Clara Steinbrecher stammt aus München. Sie ist Studentin für das Gymnasiallehramt mit den Fächern Mathematik und Schulpsychologie und seit letztem Jahr mit Felix Steinbrecher (wiss. MA an der theol. Fakultät, Eichstätt) verheiratet. Nach eigener Aussage hat sie die Gemeinschaft Emmanuel kennengelernt und engagierte sich bei der Jugend 2000 in Eichstätt. Prägend sei für sie auch der „Vetus ordo“, die Messe, wie sie früher gefeiert wurde. Dies verbinde sie mit der „Kirche aller Zeiten.“ Sie lebt in Eichstätt. Ihr Ehemann war offenbar früher auch in der Nightfever-Bewegung engagiert. Aktuell strebt er seine Promotion an.
Jessica Brandstetter lebt ebenfalls in Eichstätt. Sie kommt aus einer eher atheistischen Familie, hat dann aber zum Glauben gefunden, sich firmen lassen und „geht wie Clara auch gern zum alten Ritus“.
Dorothea Schmidt kommt aus Peiting im Erzbistum München. Sie gehört offenbar zur ersten Generation von Maria 1.0. 2019 war sie mit Johanna Stöhr und Katrin Schwegele beim Regensburger Bischof zum Gespräch. Sie arbeitet als „freie Journalistin“ und hat unter dem Titel „Pippi Langstrumpf – Kirche“ ein Buch über ihre Erfahrungen beim Synodalen Weg geschrieben. „Ich mach mir die Kirche … wie sie mir gefällt....“ Schmidt hat den Synodalen Weg vor der letzten Versammlung öffentlichkeitswirksam verlassen, gemeinsam mit drei weiteren Frauen. Zur Begründung sagte sie auf Domradio: „Ich habe auf echte Debatten gehofft, auf sachliche Debatten, einen echten Austausch, eine echte Suche auch nach dem Willen Jesu für die Kirche, damit wir die Krise überwinden können. Aber von Anfang an habe ich mich auf einer rauen politischen Bühne befunden, in der es im Tauziehen um Mehrheiten ging, statt um ein Ringen um die Wahrheit.“ Es gab auch immer wieder Emotionalisierungen, die den notwendigen sachlichen Diskurs einfach ersticken. Denn bei Emotionalisierung gewinnt immer der, der die extremsten Gefühle zeigt. Aber die Kirche ist doch eine Familie, keine politische Bühne. Sie ist der Leib Christi mit Christus als Haupt. Da hätte ich mir eine echte Suche nach der Wahrheit im Gebet gewünscht.“
Dr. Margarete Strauss scheint erst später dazu gestoßen zu sein. Sie stellt sich selbst auf ihrem Blog so vor: „Als katholische Theologin und Publizistin setze ich mich mit meinem Internet-Apostolat für die Neuevangelisierung unserer Gesellschaft und eine kniende Theologie in unserer Kirche ein.“ Sie wurde in Karaganda, Kasachstan geboren und kam mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin nach Deutschland. Als „Familie Berger“ ist die Familie auch musikalisch aktiv. Sie studierte an der Universität Münster und promovierte im Fach „Exegese des Neues Testaments“ bei Prof. Dr. Adrian Wypadlo.
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