Etwas reißerisch kommt er schon rüber, der
Titel des aktuellen Buchs von Liane Bednarz: „Die Angstprediger -
Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern.“ So ganz
überzeugend erscheint mir weder Titel noch Untertitel, was aber
nichts daran ändert, dass ich das Buch mit großem Interesse gelesen
habe.
Ab wann ist man
Angstprediger
– und könnte ich einer davon werden?
– und könnte ich einer davon werden?
Während der Lektüre habe ich mich
gefragt, wo ich mich persönlich im kirchen(politischen) Spektrum
verorten würde. Ich pflege manche Kontakte ins
konservativ-traditionalistische Milieu und viele der von Bednarz
erwähnten Personen zählen zu meinem „Freundeskreis“ bei
facebook. Ich bin nicht gerade ein Verfechter des Frauenpriestertums
und halte den Zölibat für die dem Priestertum angemessene
Lebensweise. Ich versuche mich mit den Argumenten konservativer und
sogar traditionalistischer Katholikinnen und Katholiken
auseinanderzusetzen; ich habe Kardinal Müller und Bischof Tebartz
van Elst in Blogbeiträgen verteidigt; ich pilgere nach Kevelaer,
Banneux, Rom und Santiago; mich fasziniert Reliquienverehrung; ich
bete den Rosenkranz; ich bin kein Freund sprachlicher Experimente in
der Messfeier; ich schätze das Ordensleben und besonders die
Kartäuser, Trappisten; Zisterzienser und die Schwestern und Brüder
von Bethlehem; ich kann mich sogar mit Frömmigkeitshaltungen wie der
knieenden Mundkommunion anfreunden. Ich sehe meine geistlichen
Wurzeln aber auch in Assisi und Taizé, pflege den Dialog mit
Muslimen und bin Mitglied in einem Verein, der zum Dialog mit dem
Buddhismus einlädt. Als Vater von vier Kindern bin ich klar gegen
Abtreibung, habe aber kein Rezept, für dass ich auf die Straße
gehen möchte. Ich unterstütze lieber - wenn ich kann - Initiativen
wie 1000plus und setze mich in der Pfarrei für Familien ein.
Ich schätze Papst Benedikt XVI. sehr,
gebe aber auch Papst Franziskus jenen Vorschuß an Vertrauen, den
jener für sein Denken, Verkündigen und Handeln erbeten hatte. Ich
schätze das schöne Gebäude der katholischen Sexual- und Ehemoral,
halte es aber dennoch hier und da für renovierungsbedürftig. Ich
liebe katholische Prachtentfaltung und meine dennoch, dass es sehr
sehr notwendig ist, angesichts der Zeit in der wir leben, neue Formen
von Schlichtheit und Einfachheit zu entdecken. In der Weise, wie es
z.B. Ordensgemeinschaften wie die Monastische Familie von Bethlehem,
die Gemeinschaften von Jerusalem oder auch Taizé uns vorleben, als
Konzentration auf das Wesentliche und das Evangelium. Wie auch immer,
ich vermute, in das Raster „rechter Christ“ passe ich nicht. Ich
bin auch etwas skeptisch, ob die politischen Kategorien „rechts“
und „links“ heute überhaupt noch angemessen verwendet werden
können. Es fehlt aber ein ähnlich griffiges neueres
Koordinatensystem, daher bleiben wir bei dieser Hilfskonstruktion.
Jedenfalls, wenn von „rechts“ die Rede ist, so geht es nicht um
einen festen Punkt, sondern eher um eine Skala, die zahlreiche
Differenzierungen zuläßt. In Bednarz Buch ist so auch die Rede von
Rechts, Rechtspopulistisch, Rechtsradikal und Rechtsextremistisch.
Die spannende Frage wäre, wo beginnt konkret die „Gefahrenzone.“
Wo verlaufen die roten
Linien zwischen konservativ und rechts?
Ich hatte ursprünglich gar nicht vor,
über dieses Buch zu schreiben, konnte es dann aber nicht lassen, mir
eigene Notizen zu machen und Gedanken zu den Themen und Thesen des
Buches zu notieren. Zumal sich – wie mir scheint – an Liane
Bednarz „die Geister scheiden...“. Daher wird dies auch keine
klassische Rezension, sondern eher eine Reflexion meiner persönlichen
Gedanken, angeregt durch ihr Buch „Die Angstprediger“.
Ja, man kann sagen, es ist ein
ärgerliches Buch, weil es Phänomene beleuchtet, für die man als
konservativer Christ nicht gern im „rechten“ Licht steht. An
manchen Stellen erlebte ich ein „Deja vu“ und empfand das Buch
als Relectüre des Bandes „Gefährliche Bürger...“. Auch die
Frage, die mich bei diesem Buch damals beschäftigte tauchte wieder
auf: „Wo konkret läuft die „rote Linie“, die einen
konservativen Katholiken zu einem „Angstprediger“ oder gar zu
einen „gefährlichen Bürger“ macht?“
Kardinal Marx zieht die roten Linien
wie folgt (zitiert auf S. 211 des Bandes): „Es herrscht
Meinungsfreiheit, auch unter Katholiken. Aber es gibt rote Linien. Da
muss man als Bischof deutlich werden, wenn die rote Linie
überschritten wird. Wo Ausländerfeindlichkeit erkennbar ist, wo
undifferenziert diskutiert wird, wo mit Schlagworten gearbeitet wird,
wo Feindbilder aufgebaut werden, da kann ich keine Diskussion mehr
führen.“ Auch wenn das in leicht autoritärer, Marx'scher Diktion
rüber kommt, ganz verkehrt ist es nicht.
Bednarz plädiert für eine klare
Grenzziehung zwischen konservativen Überzeugungen und Haltungen und
(neu-)rechtem Denken. Wobei sich diese Grenze wohl weniger entlang
inhaltlicher Positionen bestimmen läßt. Eher anhand des
Gesamtkontextes, in den Positionen eingebettet sind und auch anhand
der Mittel, mit denen die politischen Akteure ihre Ziele erreichen
möchten.
Auf S. 217 wird der Journalist
Marc-Felix Serrao aus der NZZ mit seinem Urteil über rechte
Publizistik wie folgt zitiert: „Wut verzerrt den Blick. Man liest
nur noch, was ins Weltbild passt, und man ignoriert die vielen
Zwischentöne, die es in allen großen deutschen Verlagshäusern bis
heute gibt. Das Ergebnis sind Texte, die zu laut sind. Zu erwartbar.
… Für rechte Wut muss niemand bezahlen. Davon quillt das Netz
schon über.“
Bednarz legt Verknüpfungen
verschiedener Personen und Gedankenwelten offen, ohne dabei polemisch
oder ungerecht und anklagend zu werden. Wer darauf hinweist, dass in
den rechtspopulistischen Kreisen Probleme dramatisiert und politisch
mißbraucht werden, der leugnet die realen Probleme nicht. Er will
sie aber korrekt einordnen, denn nur so lassen sich angemessene
Gegenmaßnahmen ergreifen.
Es geht dabei nicht um die ein oder
andere, etwas extremere Meinung oder Überzeugung. Wenngleich man
sicher zu Recht erwarten darf, daß Christen ihre Position an der
Realität und an der kirchlichen Lehre messen und sich selbst
überprüfen. Natürlich sind gewisse Positionen legitim, die Frage
ist, inwieweit man sich darüber hinaus von rechten Topoi
beeinflussen und sein Urteilsvermögen in diesen Fragen vernebelen
läßt.
Die Bewertung der einzelnen Positionen
nimmt das Buch dem Leser zumeist nicht ab, aber die Autorin bietet
Maßstäbe dafür an. Diese muss natürlich niemand übernehmen, es
macht aber sicher Sinn, sie zu bedenken und zu verstehen. Warum
sollte ein solches Buch nicht ein – möglicherweise ähnlich
ärgerlicher – Beichtspiegel sein, wie die Ansprachen des Papstes
beim Empfang für die Mitarbeiter der Kurie? Als Christen sind wir
immer aufgerufen, umzukehren und uns an Jesu Wort und Beispiel neu
auszurichten.
Schwierig wird es immer dann, wenn auch
im politischen Raum Quasi-Dogmen vertreten werden, z.B. die These,
der Islam sei keine Religion, sondern eine extreme politische
Ideologie, die es zu bekämpfen gelte. Wer solchen Thesen
widerspricht, wird dann entweder für „blind“ gehalten oder als
„Gutmensch“ abgestempelt. Dass diese These möglicherweise
Nonsens ist, wird gar nicht in Betracht gezogen.
Mathias Mattuseks
sehr spezielles „katholisches Abenteuer“
Der katholische Journalist Mathias
Mattusek scheint sich geradezu zu bemühen, die Urteile der – ihm
früher durchaus gewogenen – Autorin Liane Bednarz über seine
politische Entwicklung (bei gleichzeitig lautstark geäußertem
Widerspruch) durch Reden und Handeln zu bestätigen oder gar noch zu
übertreffen. Man hat den Eindruck, Bednarz steht inzwischen selbst
eher sprachlos dieser Entwicklung gegenüber.
Wenn 150 Leute mit Matthias Matussek in
Hamburg „Widerstand“ rufen, dann wirkt das auf mich mehr skurril
als beeindruckend. Wenn diese kleine Gruppe sich dann noch zum „Volk“
hochstilisiert, zur Vertetung der „normalen Bürger von nebenan“,
dann sollten doch alle Warnlampen angehen. Selbst wenn 1.500
Antifa-Leute incl. Schwarzem Block gegen Matussek und seine Bürger
Sturm laufen, braucht dieser neben handfestem Schutz durch die
Polizei sicher nicht noch unbesehene Unterstützung durch uns
Christen (auch wenn er früher sehr lesenswerte Texte geschrieben
hat). Wir reden doch ehrlicherweise weder bei Pegida noch bei der AfD
noch bei beiden zusammen von einer ernstzunehmenden Vertretung einer
schweigenden Mehrheit der Deutschen. Nein, die zeigt sich hier eben
nicht, sondern eine überschaubare Gruppe von Bürgern, die ihre von
der breiten Mehrheit abweichenden Überzeugungen und Wertmaßstäbe
dokumentieren und ihre Enttäuschung ausdrücken, dass ihre Anliegen
in der Politik nicht aufgegriffen und vertreten werden und dass sie
als Personen oder als Gruppe weder politisch, noch gesellschaftlich,
noch kulturell nennenswert Einfluß haben.
„Merkel muß weg“, das mag sich
eine Mehrheit der Bundesbürger insgeheim schon mal gedacht haben.
Aber doch sieht die Mehrheit der Bundesbürger in ihr weiterhin eine
Garantin von Demokratie und Stabilität. Jedenfalls so lange, bis ein
Anderer diese Rolle übernimmt und ihre Nachfolge antritt.
Die konservativ-christliche Szene ist
gut vernetzt. Viele sind medial aktiv, da boten sich die neuen Medien
für diese geradezu an. Ich habe in Bednarz Buch kaum neue Leute
kennengelernt und muss auch feststellen: Nicht alle Leute aus der
Szene driften nach rechts. Im Gegenteil, einige widesprechen
energisch und mit guten Argumenten.
Aber Andere verlassen die Sphäre der
Theologie doch, fordern Solidarität mit AfD und Pegida und ereifern
sich über Gender und Islam, teilen fleißig Beiträge neurechter
Propagandekanäle. Selbst das ursprünglich rein auf kirchliche
Themen orientierte „Forum deutscher Katholiken“ wird in seinem
Blog und auf facebook erstaunlich und recht eindimensional politisch.
Das mag man für wenig problematisch halten, problematisch wird es
aber doch, wenn man auch eine gewisse Gegenbewegung beobachtet, die
ausgerechnet der Frontmann der identitären Bewegung, Martin Sellner
beschreibt. Er konstatiert, dass „von Cicero über AchGut bis hin
zur JF (Jungen Freiheit) über viele Pfade ein reger Ideenschmuggel
ins Zentrum der Meinungsmacht statt“ fand. Das macht nachdenklich.
Obwohl ich sicher bin, dass keines
dieser Medien Sellners Strategie zur Redaktionsmaxime erheben würde,
so stimme ich doch in diesem Fall der Analyse zu. Wir Katholiken
sollten aufpassen, dass es uns nicht ähnlich geht. Wir sollten
aufpassen, von wem wir uns aufzäumen lassen, welches trojanische
Pferd wir in die Kirche zerren und welcher Schwanz einst mit uns
wackeln möchte.
Oder um die schon von Bednarz zitierte
Mahnung von Wolfgang Bosbach zu wiederholen: „Man sollte sich nicht
für extreme politische Ziele instrumentalisieren lassen (S. 192).
Eine Bemerkung, die sicher auch für den Umgang mit Linksextremen
Gültigkeit hat.
Mag es auch eine gewisse Schnittmenge
zwischen konservativen christlichen Überzeugungen und den Thesen
radikaler rechter Bewegungen geben, so zeichnet es konservative
Christen doch eigentlich aus, dass sie Maß und Mitte wahren, weil
sie für ihre Überzeugungen klare Orientierungspunkte im Evangelium
haben.
So, an dieser Stelle geht es erst los, Fortsetzung folgt zu den inhaltlichen Themen des Angstprediger-Buchs. Hier finden Sie die Fortsetzung.
https://kreuzzeichen.blogspot.de/2018/04/bruckenbau-von-rechts-ins-katholische.html
Hier lesen Sie den dritten und abschließenden Teil.:
https://kreuzzeichen.blogspot.de/2018/04/angstprediger-oder-angstgetriebene.html
Hier lesen Sie den dritten und abschließenden Teil.:
https://kreuzzeichen.blogspot.de/2018/04/angstprediger-oder-angstgetriebene.html
Hier meine ältere Besprechung des Bandes "Gefährliche Bürger" aus dem Jahr 2015:
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