ANNUNTIO VOBIS – GAUDIUM MAGNUM – HABEMUS PAPAM. Ich hatte noch den Klang der Worte von 2005 im Ohr und im Geist, als ich sie vor zwei Tagen erneut hörte, aus dem Mund des – von seiner Parkinson-Erkrankung gezeichneten – französischen Kardinalprotodiakons Jean-Louis Tauran. Es berührte sehr, ihn dort zu sehen und aus seinem Mund zu hören, dass Jorge Mario Bergoglio als Papst den Namen Franziskus führen sollte.
Natürlich war ich überrascht, wie alle, denn sein Name war zwar kurz nach der Ankündigung des Amtsverzichts durch Benedikt XVI. genannt worden, dann aber hinter Namen wie Scola, Scherer, Quellet wieder verschwunden. Mit 76 Jahren erschien er vielen Beobachtern schlicht „zu alt“. Selbst Andreas Englisch lag mit seinen – im Brustton der Überzeugung vorgetragenen - Prognosen voll daneben, befand sich aber dabei in „guter Gesellschaft“. Niemand konnte für sich in Anspruch nehmen, nach dem Konklave von 2005 auf den Erzbischof der argentinischen Hauptstadt gesetzt zu haben.
Nun hieß es für die Medien schnell Informationen herbei zu schaffen und neben manchem Wissenswerten gab es auch reichlich Spekulationen und Fehlinformationen. Je länger ich das aufgeregte Mediengetue und die Diskussionen um den Papst und seine Agenda beobachte, desto mehr drängt es mich zu schweigen und für ihn und seinen Vorgänger zu beten. Warten wir ab, welche Akzente er setzt und wie er sein Amt ausfüllt.
Ob er mir gefällt oder nicht; ob ich ihn nun sympathisch finde oder nicht, ob er traditionstreu genug ist oder es in der Vergangenheit war, all das spielt keine Rolle. Er ist Petrus und auf diesem Felsen wird Gott seine Kirche bauen, durch den Papst und mit seinen Stärken und trotz seiner Schwächen. Franziskus ist jetzt unser Papst und ihm schulden wir Gefolgschaft, Gehorsam und Gebet.
Ich habe mich gefreut, heute in der der morgendlichen Messe erstmals seinen Namen zu hören (im Grunde ja erstmals in der zweitausendjährigen Geschichte des Papsttums).
Ich freue mich über die Schlichtheit und Einfachheit seiner ersten Auftritte. Es irritiert mich aber, dass seine „Bescheidenheit“ so viel gelobt wird und dass diese Tatsache allüberall hervorgehoben wird. Jorge Maria Bergoglio lebt, (man wird wohl sagen müssen, lebte) so wie viele Menschen heute auch, er zahlt seine Rechnungen selbst (sogar noch als Papst), kocht offensichtlich auch mal aus Dosen, wohnt in einem recht einfachen Hotel in Rom, wohnt in einem kleinen Appartement in Buonos Aires und nicht in einem Palais, reist mit öffentlichen Verkehrsmitteln, geht einfach so spazieren. Irritierend ist, dass manche hierzulande meinen, ein Bischof müsse im Luxus leben, wie einer der oberen zehntausend. Aber das ist außerhalb der "Ersten Welt" den meisten Bischöfen gar nicht möglich. Diese Bescheidenheit, als gläubiger Christ "einfach" zu leben, im Einklang mit der Schöpfung und den eigenen Überfluss mit den Anderen und den Armen zu teilen, das muss doch der biblische Normalzustand sein. Nur dann macht Bescheidenheit Sinn, wenn sie die Lebensweise Jesu Christi reflektiert. Es hat mich schmunzeln lassen, dass Erzbischof Zollitsch in seiner Stellungnahme zur Wahl des neuen Papstes nicht umhin kam, beinahe entschuldigend vom „Termindruck“ zu sprechen, der ihn als Bischof quasi in die Limousine zwänge. Der Karikaturist Thomas Plassmann reagierte darauf mit einer – wie immer – treffenden Karikatur.
Kardinal Meisner führt (im domradio-Interview) den Gedanken in die Tiefe: „Er ist kein Hungerkünstler der Liebe, sondern ein Mann der Fülle Gottes. Da braucht man keine äußere Fülle, da kann man sehr bescheiden leben. Das sieht ihm also ähnlich, dass er sich Franziskus nennt.“
Der „SPIEGEL“ und manche andere Medien brauchten nur wenige Stunden um vom „Begeisterungsmodus“ in den „Kritikmodus“ zu wechseln. Hauptpunkte der Kritik: „Auch dieser Papst ist katholisch!“ und seine Rolle in der Zeit der Militärdikatur (1976-1983) in Argentinien. Im Grunde lässt sich das auf die Frage zuspitzen: „Hat der Provinzial der Jesuiten, damals Jorge Mario Bergoglio, genug getan, um seine Mitbrüder aus dem Gefängnis zu befreien?“ Die waren fünf Monate lang unter schlimmen Umständen in Haft. Einer von ihnen, Pater Franz Jalics SJ hat heute dazu Stellung genommen und gesagt: „Ich kann keine Stellung zur Rolle von P. Bergoglio in diesen Vorgängen nehmen. Nach unserer Befreiung habe ich Argentinien verlassen. Erst Jahre später hatten wir die Gelegenheit mit P. Bergoglio, der inzwischen zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt worden war, die Geschehnisse zu besprechen. Danach haben wir gemeinsam öffentlich Messe gefeiert und wir haben uns feierlich umarmt. Ich bin mit den Geschehnissen versöhnt und betrachte sie meinerseits als abgeschlossen. Ich wünsche Papst Franziskus Gottes reichen Segen für sein Amt.“ Wer vermag zu beurteilen, ob ein Mensch unter dem Druck einer unmenschlichen Diktatur immer „genug“ gegen die Machthaber getan hat? Und es stellt sich auch die Frage, ob ein Bischof, der ein durchaus offenes Wort gegenüber den Mächtigen der hohen Politik und der Wirtschaft wagt, nicht mit Spekulationen über „seine Vergangenheit“ diskreditiert werden sollte. So kann eine laute Stimme für die Armen auch zum Schweigen gebracht werden, manchem Mächtigen mag es nutzen. Aber, das Wort vom „Kardinal der Armen“ ist sicher nicht vom Himmel gefallen und auch keiner gezielten Imagekampagne zu verdanken.
Zu Beginn des Konklaves fragte mich die Rheinische Post, was ich vom neuen Papst erwarte. Ich habe geantwortet: „Zunächst einmal, dass er ein Mensch ist, der die Theologie und das theologische Denken im Blut hat, wie es bei Benedikt XVI. der Fall war. ...
Ich wünsche mir, dass es ihm gelingt, den Menschen zu vermitteln, dass die kirchliche Lehre und Haltung dem Wohl der Menschen dienen soll und nicht im Einhalten überkommener, verstaubter Überzeugungen besteht.
Dass er den Glauben an Gott in den Mittelpunkt seiner Verkündigung stellt und dafür sorgt, dass alles in der Kirche eindeutig auf Jesus ausgerichtet wird.
Ich wünsche mir, dass er die innerkirchlichen Polarisierungen zwischen Traditionalisten und Liberalen überwinden hilft und die lebendige Mitte der Kirche stärkt.
Dass er sich aus seiner globalen Verantwortung heraus deutlich für Frieden, Gerechtigkeit und gegen Armut und Gewalt engagiert und dabei im Dialog mit anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam neue Impulse setzt.
Vielleicht wäre es ein schönes Zeichen, wenn der neue Papst aus dem wirtschaftlich ärmeren Süden, z.B. aus Lateinamerika kommt.
Dass er die innerkirchlichen Konfliktthemen engagiert anpackt und auf der Basis des Evangeliums einer Lösung oder Befriedung zuführt.
Dass er in den Katholiken in aller Welt die Freude am Glauben wieder zu wecken vermag.
Dass er Demut und Bescheidenheit vermittelt und dazu das manchmal höfische Gepräge im Vatikanstaat entschieden reformiert.
Vor allem mit Blick auf den Missbrauchsskandal wäre mir wichtig, dass er es versteht Fehler und Defizite, Sünden der Kirche nicht fromm zu bemänteln, sondern offen zu legen und zu verbessern.“
Wenn ich das heute wieder lese, habe ich das Vertrauen, dass ich mit meinen Hoffnungen nicht ganz daneben gelegen habe. Doch, noch ist Franziskus für uns alle ein Fremder. Wie er denken könnte, erschließt sich vielleicht einem Zitat, das bei Facebook die Runde machte und das ich beachtlich finde:
„Wenn wir rausgehen auf die Straße, dann können Unfälle passieren. Aber wenn sich die Kirche nicht öffnet, nicht rausgeht, und sich nur um sich selbst schert, wird sie alt. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Kirche, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht und einer Kirche, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen.“
Das klingt nicht nach einfachen Lösungen vordergründig „wichtiger“ Fragen im reichen Westen, sondern nach einer Hinführung auf das Eigentliche der Kirche: Gebet, Gottesdienst, Verkündigung und Hilfe für die Armen und Unterdrückten.
Anrührend war, was Kardinal Meisner noch zu sagen hatte: „Der arme Mann, jeder Augenschlag und jede Handbewegung wird jetzt registriert, der kann doch jetzt gar nicht die Seele baumeln lassen und mal in den Himmel gucken, ohne dass er dabei fotografiert wird. Das ist schon eine Last, dass man so eine öffentliche Person wird. Auch innerhalb der Kirche. Da muss er sich sicherlich erst noch dran gewöhnen. Ich habe im Konklave mit ihm im Gästehaus auf dem gleichen Flur gewohnt. Das war ganz normal und jetzt, wo er Papst geworden ist, stehen zwei Schweizer Gardisten vor der Türe.“
Ich hoffe sehr, dass es ihm gelingt, mit seiner eigenen Persönlichkeit ein Stück Entweltlichung in der Kirche möglich zu machen, dass er dem Vatikan so prägt, wie er auch seinen ersten Auftritt geprägt hat: Den Menschen zugewandt, einladend zum Gebet für sich und andere, ein Segen für die Stadt und die Welt, engagiert für Brüderlichkeit, gemeinsam mit den Bischöfen der ganzen Welt und allen Menschen guten Willens auf dem Weg, dem kommenden Christus entgegen.
Nachdem die Kardinäle Papst Franziskus die Treue versprochen haben, hat er zu jedem ein persönliches Wort gesprochen. Zu Kardinal Meisner auf deutsch: „Herr Kardinal, beten Sie für mich, ich brauche das Gebet sehr.“ Kardinal Meisner hat ihm dann gesagt: „Sie können sich auf mich verlassen, ich werde Ihnen die gleiche Zuneigung und Solidarität entgegenbringen, wie Ihrem Vorgänger.“ Damit ist eigentlich alles gesagt!
Beten wir für den Hl. Vater, Papst Franziskus.
Für den Nachfolger des Apostels Petrus, unseren Papst Franziskus:
Erfülle ihn mit Weisheit und Mut. Hilf ihm, die Wahrheit des Evangeliums zu bezeugen und den Glauben im Volk Gottes lebendig zu halten.
Für das Kollegium der Bischöfe, in dem Papst Franziskus seinen Petrusdienst versieht:
Stärke die Verbundenheit unter den Nachfolgern der Apostel,
damit sie die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums deuten
und gute Entscheidungen treffen für den Weg der Kirche in die Zukunft.
Für Christinnen und Christen in aller Welt,
die vom neuen Papst Wegweisung und Orientierung erhoffen:
Stärke unseren Glauben an deine Nähe. Festige unsere Hoffnung auf deine Treue.
Erneuere in uns den Geist der Liebe.
Für die Schwestern und Brüder im Erzbistum Buenos Aires,
die ihren Bischof verloren, aber der Weltkirche einen Hirten geschenkt haben,
und für die Kirche in ganz Lateinamerika:
Um Mut und Zuversicht, die Armut und Ungerechtigkeit durch Solidarität im Glauben zu überwinden.
Für die Schwestern und Brüder in den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften:
Heile die Wunden, die durch menschliche Schuld gerissen wurden,
und hilf Papst Franziskus, der Einheit aller Christen zu dienen.
Für alle, die unter der Friedlosigkeit unserer Tage leiden.
Sie vertrauen darauf, dass unser Papst vor aller Welt seine Stimme erhebt:
Ermutige sie durch das Wort und tatkräftige Beispiel vieler Menschen.
Herr, wir glauben und bekennen voll Zuversicht,
dass du deiner Kirche Dauer verheißen hast, solange die Welt besteht.
Darum haben wir keine Sorge und Angst um den Bestand und die Wohlfahrt deiner Kirche.
Wir wissen nicht, was ihr zum Heile ist.
Wir legen die Zukunft ganz in deine Hände und fürchten nichts,
so drohend bisweilen die Dinge auch scheinen mögen.
Nur um das eine bitten wir dich innig: Gib deinem Diener und Stellvertreter, dem Heiligen Vater Papst Franziskus, wahre Weisheit, Mut und Kraft. Gib ihm den Trost deiner Gnade in diesem Leben und im künftigen die Krone der Unsterblichkeit. Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen