Diesem Social-Media-Bildchen der CSU und der darin dokumentierten Meinung vermag ich keineswegs zuzustimmen. Aber es illustriert wunderbar die hier im Blog bedachte Thematik. |
Zwei Erkenntnisse habe ich beim Schreiben dieses Textes schon mal gewonnen: Die Antwort wird länger und - es wird Widerspruch geben. Nun denn - trotzdem los...
Man mag zu Horst Seehofer stehen wie
man will – eines muss man neidlos anerkennen: er ist ein
politischer Fuchs. Das bewies er just nach der Regierungsbildung in
Deutschland wieder als frisch gebackener Heimatminister, indem er in
einem Interview auf die Frage der Journalisten, ob der
Islam zu Deutschland gehöre, folgendes zum Besten gab: "Nein.
Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das
Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche
Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten."
Die in Deutschland lebenden Muslime, so
Seehofer weiter, gehörten aber "selbstverständlich" zu
Deutschland. Aber das bedeute nicht, "dass wir deswegen aus
falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und
Gebräuche aufgeben".
In der „Welt am Sonntag“
verteidigte er seine These und sagte: „Dass Deutschland geschichtlich
und kulturell christlich-jüdisch und nicht islamisch geprägt ist,
kann doch niemand ernsthaft bestreiten.“
Schließlich ließ die WELT noch
erfragen, inwieweit Seehofer mit seinen Aussagen die Überzeugungen
der Deutschen insgesamt treffe. Mit dem wenig überraschenden
Ergebnis: „Horst Seehofer bekommt viel Zuspruch für seine Aussage,
der Islam gehöre nicht zu Deutschland. 76 Prozent der Deutschen
stimmen ihm zu.“ Nimmt man noch die Unentschlossenen dazu, bleiben
gar nicht mehr so viele Leute in Deutschland übrig, die sich hinter
den damaligen Bundespräsidenten Wulff stellen, der mit dem Satz „Der
Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ 2010 in die
Geschichtsbücher eingegangen ist.
Mal am Rande bemerkt: die AfD kann sich
beruhigt zurücklehnen und mit ihr alle, die sich vor der
Islamisierung fürchten. Selbst inclusive aller GRÜNEN und der
westdeutschen Linken findet sich nur eine klare Minderheit von 11 –
20 %, die Horst Seehofer widerspricht. Das rückt die Unterwerfung
(Michel Houellebecq) doch – wenn überhaupt – in eine ziemlich
ferne Zukunft.
Doch Seehofer „trifft den Nerv“,
sein Kalkül scheint aufzugehen. Die bayrische Landtagswahl steht vor
der Tür und wenn ein politischer Fuchs wie Horst Seehofer auf diese
Weise „preiswert“ das Revier für die CSU markieren kann...
…warum sollte er die Gelegenheit ungenutzt lassen?
Doch: die Zustimmung zu seinen Aussagen
ist das Eine. Aber nicht immer ist das, worauf sich Mehrheiten
einigen auch die Wahrheit. Wer weiß das besser als wir Kenner des Evangeliums, denkt man an die Frage des Pilatus - und die Folgen.
Seehofer macht ja eine bemerkenswerte Einschränkung: Der Islam gehöre nicht zu Deutschland, da Deutschland
durch das Christentum geprägt sei. Die Muslime jedoch gehörten
selbstverständlich zu Deutschland, das deshalb aber nicht seine
landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben werde.
Da fragt sich der Theologe unmittelbar:
Fehlt da nicht etwas? Ist nicht sonst immer von den
jüdisch-christlichen Wurzeln der europäischen Kultur die Rede? Gilt
das jetzt für Deutschland nicht (mehr)?
Aber gehen wir einmal davon aus, dass
selbst dem politischen Fuchs Seehofer da an dieser Stelle was
verloren gegangen ist, schließlich fiel ihm kürzlich auch der
Begriff Heimat-Muse(nisterium) auch nicht unmittelbar ein. Dennoch
bleibt hier schon eine bemerkenswerte Leerstelle, über die Frau
Knobloch mal mit Herrn Seehofer reden sollte. Ich denke, er wird sich
dann sehr bemühen, den Beitrag jüdischer Künstler und
Wissenschaftler für die deutsche Kultur umfassend zu würdigen.
Und der Islam? Ich frage mich, warum
niemand in dieser Debatte die gelebte Kultur und Religion von
Millionen von Gastarbeitern, vornehmlich aus der Türkei, aber auch
aus Marokko und anderen arabischen Ländern, die Kultur der
Flüchtlinge aus Bosnien oder der iranischen Ärzte und Ingenieure in
den letzten 50 Jahren für erwähnens- und bemerkenswert ansieht? Ist
Kultur also erst etwas, wenn sie bis ins Mittelalter zurückreicht?
Seit über 50 Jahren leben Muslime mitten unter uns und sie beten in
ihrem Moscheen, sie fasten, sie betreiben Gaststätten, Imbissbuden,
Marktstände und Läden und vieles mehr.). Es gibt selbst in Bayern keine Stadt, wo
nicht auch Dönerbuden mit Weißwurstständen friedlich koexistieren.
Zumindest für das vergangene halbe
Jahrhundert müßte auch ein Seehofer konstatieren: „Ja, der Islam ist
ein Teil Deutschlands“, zumal zahlreiche dieser muslimischen
Gastarbeiter (und ihre Kinder) längst Deutsche geworden sind. Und
selbst die Probleme der Integration sind inzwischen ein Teil des
deutschen Alltagslebens und damit auch der deutschen Kultur.
Aber selbst einem nur mittelmäßig und
keineswegs akademisch gebildeten Deutschen wie mir fallen noch einige weitere Aspekte an, die aus dem Islam einen integralen Teil Deutschlands machen:
Schauen wir in die jüngere
Vergangenheit, so wird zu konstatieren sein, dass sowohl im ersten
wie auch im zweiten Weltkrieg muslimische Truppenverbände für deutsche Interessen in den Krieg zogen. Das kann man nun sicher positiv oder
auch negativ bewerten, es bleibt eine Tatsache.
Vom 18. Jahrhundert an verbündeten
sich die Preußen mit den Osmanen, eine Verbindung, die insbesondere
der deutsche Kaiser Wilhelm der II. pflegte. Während des 1.
Weltkrieges wurden die in der Nähe von Berlin internierten
muslimischen Gefangenen besonders gut behandelt, mit dem Ziel, sie
zum Überlaufen zum osmanischen Reich zu motivieren. Man errichtete
für sie sogar eine eigene, schöne Moschee.
Nicht zu vergessen in diesem
Zusammenhang auch die in Kunst und Kultur der damaligen Zeit durchaus
präsente Faszination für den Orient und seine Kultur und Religion,
von der z.. B. die in Form einer Moschee gebaute Tabakfabrik in
Dresden Zeugnis ablegt, aber auch die weit verbreiteten und viel
gelesenen Romane von Karl May, um nur zwei allgemein bekannte Aspekte
des Einflusses islamischer Kultur zu streifen. Auch war der Orient
ein beliebtes Forschungsgebiet der Deutschen. Zahlreiche Archäologen,
Geologen, Botaniker, Historiker machten sich auf den Weg in den
nahen, mittleren und fernen Osten. Wegweisende Erkenntnisse über
Geschichte und Kultur dieser Länder wurden in deutscher Sprache
erstmals publiziert.
Es sollte Allgemeingut sein, dass der
deutschen Nationaldichter Goethe sich intensiv mit dem Islam und dem
Koran beschäftigt hatte. Erwähnt sei hier nur der West-östlichen
Divan oder auch Lessings Ringparabel. Schiller war übrigens der
erste deutsche Schriftsteller, dessen Werke ins Arabische übertragen
wurden.
500 Jahre liegt die Reformation nun
zurück. Luther wies häufiger auf die Türken (gemeint war das
osmanische Reich) und den Koran hin, um Unterschiede zwischen
Christentum und Islam zu verdeutlichen. Obwohl der Reformator keinen
persönlichen Kontakt zu Muslimen hatte, kannte er den Koran und den
Glauben der Muslime und sah dies nicht ausschließlich aus einem
negativen Blickwinkel.
Möglicherweise ist Herrn Seehofer
unbekannt, dass Hildegard von Bingens Heilkunst zu großen Teilen aus
arabischsprachigen Schriften stammte. Manche Mönche und Nonnen
erlernten diese Sprache, um die Werke berühmter Gelehrter lesen zu
können, die in den Klosterbibliotheken aufbewahrt wurden. Die
islamische Heilkunst war zur Zeit Hildegards der christlichen Medizin
haushoch überlegen. Arabisch als gemeinsame Sprache der islamisch
geprägten Zivilisation wurde auch von jüdischen, christlichen und
anderen Ärzten benutzt und kennzeichnet die Medizin des islamischen
Kulturraums, die deshalb auch als „arabische“ oder
„arabisch-persische“ Medizin bezeichnet wird. Rückblickend muss
man sagen, dass die arabische Kultur im Mittelalter wesentlich zu
Deutschland gehörte.
Die in arabischer Sprache
aufgezeichnete Medizin der damaligen Zeit beeinflusste die Ärzte des
westlichen Mittelalters, die die grundlegenden Werke der klassischen
griechisch-römischen Medizin zunächst in arabischer Übersetzung
kennenlernten.
Zu den Hauptquellen der klassischen
oder frühen islamischen Philosophie zählte die Philosophie der
Antike, mit der die arabische Welt durch Übersetzungen aus dem
Griechischen in Berührung kam. Zahlreiche Schriften antiker
Philosophen kennen wir heute nur noch durch den Umweg über arabische
Übertragungen und christliche Klöster. Hier sollten auch die Namen
Avicenna und Averroës Erwähnung finden. Den Einfluss der arabischen
Philosophie auf christliche und jüdische Autoren des Mittelalters
sollte nicht klein geredet oder aus Unkenntnis schlicht verneint
werden.
Schließlich könnte auch die
Geschichte der Kreuzzüge durchaus als Einfluss des Islam auf die
europäische Kultur betrachtet werden. Neben den kriegerischen
Auseinandersetzungen fand auch ein kultureller Austausch statt.
Weitere Schlagworte, die kriegerische Auseinandersetzungen
beschreiben wäre die Reconquista in Spanien und die Eroberungszüge
des osmanischen Reiches, die mal in Polen, mal vor den Toren Wiens,
mal in der Seeschlacht von Lepanto gestoppt wurden.
Selbst in die Alltagssprache hinein
belegen Linguisten osmanische und arabische Einflüsse. Da mus man
gar nicht die „arabischen Zahlen“ bemühen. Wikipedia belegt dies
in umfassender Hinsicht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_W%C3%B6rter_aus_dem_Arabischen.
Mögen diese Einflüsse der islamischen
Kultur auch aus der Perspektive der Deutschen nicht nur positiv
gewesen sein, so zeigen doch allein diese wenigen Schlaglichter, dass
dies alles nicht nichts ist und es falsch wäre zu behaupten, das
Deutschland ein allein christlich geprägtes Land sei. Unsere
Geschichte und Kultur ist so komplex und vielfältig, dass selbst ein
um prägnante Sprüche nicht verlegener Alexander Dobrindt wohl
nicht in der Lage wäre zu sagen, all dies ist zu genau xx Prozent
vom Christentum geprägt. Und selbst wenn man dies könnte – was
konkret sagt das dann aus?
Auch wenn es schwer fällt, der Islam
hat seinen Anteil an der deutschen Kultur, so wie auch das Judentum,
die demokratische Bewegung, die Anthroposophie und manche
Kulturströmung mehr. Natürlich wird niemand leugnen, dass
Deutschland in der Hauptsache vom Christentum geprägt ist, aber halt
nicht ausschließlich. Und vermutlich aus heutiger Perspektive mehr
durch die Osmanen als durch die Germanen.
Es ist ja aufschlussreich, dass der
Heimatminister, die Muslime als selbstverständlich zu Deutschland
gehörig bezeichnet. Und klug, wählen doch bis dato die Mehrzahl der
Deutschen türkischer Herkunft die CSU-Schwesterpartei CDU. Und nicht
wenige dieser Deutschen sind auch in dieser „christlichen“ Partei
selbst politisch engagiert.
Mag die Aussage Seehofers selbst noch
diskutabel sein, so dürfte es angemessen sein, den Subtext dieser
Bemerkungen freizulegen. Und mit diesem möchte Seehofer die weit
verbreiteten und zunehmenden Ressentiments in der Bevölkerung gegen
den Islam aktivieren und in „klingende“ Wählerstimmen ummünzen.
Mag er das selbst auch noch bestreiten,
so legt doch seine Partei dies vollständig offen, wenn sie zur
Illustration der Seehofer – Aussage von der Nichtzugehörigkeit des
Islams zur Deutschland das Bild einer Burka verwendet, ein Foto, das
vermutlich in Afghanistan aufgenommen wurde, denn bis dato ist noch
kein einziges Foto einer deutschen Burka – Trägerin in den Medien
aufgetaucht. Entweder gibt es diese tatsächlich nicht oder sie
trauen sich nicht aus dem Haus. Die Burka- und Nikab-Besessenheit der
Islamskeptiker in Deutschland nimmt doch vollständig irreale Züge
an.
Entlarvend ist ein weiteres
CSU-Bildchen, das Alexander (heißt auf arabisch übrigens Iskandar)
Dobrindt mit der Aussage zeigt: "Der Islam gehört egal in
welcher Form nicht zu Deutschland". Damit erteilt dieser auch
den Bemühungen engagierter Muslime für einen „deutschen Islam“
eine Absage und stärkt damit einmal mehr die radikaleren Strömungen,
die entweder den Islamismus bzw. eine strenge Auslegung der Religion
befördern oder diejenigen Staatslenker fördert, die die muslimische
Religion als Mittel der Bindung der Menschen an das ursprüngliche
Heimatland missbrauchen.
Letztlich reiben sich die Radikalen
ringsum freudig die Hände. Die AfD, weil sie die Politiker der
„Systemparteien“ vor sich her treibt und dennoch in Hase und Igel
– Manier immer sagen kann: „Wir waren zuerst da“. Die Anführer
des IS, die umso eher Anhänger gewinnen können, wie Muslime in
ihrer deutsch-muslimischen Identität angekratzt und verunsichert
werden. Gerade junge Leute, die auf der Suche nach Orientierung sind
und diese in unserer Gesellschaft zunehmend weniger (durch fehlende
Arbeits- und Ausbildungsplätze und angemessene Bildungschancen)
finden, sind hierfür empfänglich. Und auch Politiker wie Erdogan
freuen sind, dass das, was sie mit dem Gerede von „Assimilation ist
ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nicht erreichen konnten –
nun mit Hilfe deutscher Politiker zum Ziel gebracht wird, die sichere
Rückbindung an das Herkunftsland ihrer Eltern und Großeltern.
Natürlich betrifft dies in der
gesamten muslimischen Community konkret nur Minderheiten, aber die
werden durch solche Stimmungen nun mal eher größer als kleiner. Und
sie sind – natürlich – gefährlich, in welche Richtung auch
immer sie sich radikalisieren.
Ist es für unsere Politiker heute
eigentlich so schwierig, überzeugend gegenüber den
islam-skeptischen Deutschen zu belegen, dass es darauf ankommt, die
Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Bürgern zu einen,
Konfliktfelder zu verkleinern und Menschen zusammenzuführen? Wir
wissen doch aus historischer Erfahrung, welch furchtbare
Auseinandersetzungen und Verbrechen dadurch ermöglicht wurden, dass
Keile in die Gesellschaft getrieben und Risse verbreitet wurden. (Ich erwarte von unseren Politikern, selbst von der AfD auch, dass sie alles tun, dass Gewalttätern keine Möglichkeiten zur Rechtfertigung ihrer Angriffe auf Menschen, auf Moscheen, Flüchtlingsheime und muslimische Einrichtungen gegeben wird, ja dass solcher (wie jeglicher) Terror mit aller Entschiedenheit bekämpft wird.)
Kann es so schwer sein, uns Deutschen
klar zu machen, dass wir – Gott sei Dank – in einem Land leben,
dass sich den Schutz der Rechte jedes der einzelnen Bürgers auf die
Fahne geschrieben hat und nicht den Einsatz für die Interessen einer
Mehrheit? Wenn etwas für unsere Gesellschaft in den Jahren nach 1945
prägend war, dann der Schutz von Minderheiten und ein weiter
Freiheitsraum für den Einzelnen.
Dazu gehört es sicher auch,
entschlossen und entschieden jede Gefahr für die Sicherheit und für
die Demokratie zu bekämpfen. Der Aufstieg der AfD ist ganz bestimmt
ein Problemanzeiger. Wir haben in Deutschland ein
Gerechtigkeitsproblem. Es gibt nicht wenige Menschen, die von der
allgemeinen Entwicklung abgekoppelt wurden und kaum Perspektiven für
einen Aufstieg oder eine Verbesserung ihrer Lebenssituation sehen.
Gleichzeitig wird ihnen auf allen Kanälen präsentiert, dass es
Anderen weitaus besser geht. Wir brauchen wieder eine Bewegung hin zu
mehr Miteinander und Solidarität. Wir müssen die Verbindungen der
Menschen untereinander stärken und Menschen, Gruppen, Initiativen
und Parteien wieder mehr vernetzen. Der Kitt, der die Gesellschaft
zusammenhält ist in den letzten Jahren brüchiger geworden. Es gibt
zahlreiche Symptome hierfür.
Die logische Gegenbewegung wäre (und
ist) dann die Suche nach der eigenen Identität. Aber anders als Horst Seehofer
vermutet, entdecken immer weniger Menschen diese positiv in den
christlichen Wurzeln unseres Landes. Aktuell jedenfalls geschieht
dies eher negativ – durch Abgrenzung zu dem, was man nicht will
bzw. was einem Angst und Sorge macht. Auch die Leitkulturdebatte hat
uns ja vor Augen geführt, dass es gar nicht so leicht ist, sich auf
das zu einigen, was – positiv – zu Deutschland gehört, was unser
Land ausmacht. Leichter ist es zu definieren, was einer Mehrheit
Unbehagen oder Angst bereitet.
Die Angst vor dem Islam in Deutschland
hat sicher mehrere Quellen:
- Stimmungs-/Panikmache durch Populisten (AfD, Pegida u.a.)
- Terrorismus, Gewalt, patriarchalische Strukturen, archaische Traditionen
- Berichterstattung über Konflikte in der islamischen Welt.
- Scharia, bestimmte Aspekte des Koran bzw. islamischer Theologie
- Abschottung der Moscheegemeinden / muslimischer Communities (wechselseitiges Phänomen)
- auch öffentlich – sichtbar gelebte Gläubigkeit von Muslimen.
- Verunsicherung in der eigenen (christlichen) Identität
- Schwäche der Kirche – des christlichen Glaubens
- allgemeine Reserviertheit gegenüber dem Fremden bis hin zur Fremdenfeindlichkeit
- Kulturelle Konflikte, für deren Regelung es noch keinen juristischen Rahmen gibt.
- Flüchtlingskrise
An all diesen (Problem-)feldern sollte man
mit hoher Fachkompetenz und in aller Ruhe und Entschiedenheit
arbeiten. Man darf Schwierigkeiten nicht verharmlosen und klein reden.
Wohin das führt, das zeigt ein ehrlicher Blick auf die Fehler in der
Integration der Zuwanderer in den vergangenen Jahrzehnten. Man sollte
sie aber auch nicht künstlich aufbauschen, wie das z. Zt. In den
sozialen Netzwerken und am Stammtisch massiv passiert.
Vielleicht täte es ja sogar der guten
alten Kneipenkultur in Deutschland gut, wenn diese Themen in deftigen
Gesprächen beim Bier oder beim Cay diskutiert würden, statt am
elektrischen Stammtisch in Pegida – Foren. Wenn wir die Zeit vor
dem Rechner statt mit dem Basteln von Lügen- und Sprüchebildchen
für Facebook und Twitter mit dem Besuch in Kirche und Kneipe
verbringen würden, wo einem der Kumpel nach dem Dritten Bier
vielleicht sagt „Was redest Du da für einen Blödsinn“ und dann
trotzdem die nächste Runde bestellt.
Eigentlich macht eine Diskussion doch
nur Spaß, wenn einem auch widersprochen wird. Diese menschliche
Erfahrung scheint im wirklichen Leben, in der Kneipe, in Stadtrat und
Bundestag, bei Katholikentagen und bei Fernsehdiskussionen zu
stimmen, im Reich des Herrn Zuckerberg suchen viele dann
sonderbarerweise Diskussionsforen auf, wo möglichst viele
Schulterklopfen, zustimmen und stumpf LIKEN. Wie sonderbar!
Was ist das Ziel solcher Debatten, wie
sie aktuell von Horst Seehofer angestoßen und von der CSU, von
Alexander Dobrindt und der AfD befeuert werden? Man muss die Dinge
doch vom Ende her denken oder einfach einmal in Ruhe zu Ende denken.
Welches reale Problem in Deutschland wird hierdurch gelöst? Die
Schwierigkeiten der Integration? Straftaten von Menschen mit
muslimischem Hintergrund? Die Flüchtlingskrise?
Nein, im Gegenteil. Die Situation wird
verschärft, aus Rissen im gesellschaftlichen Gefüge entstehen
Gräben, die nur mühsam wieder zu verfüllen sind. Wir führen mit
Verve und Energie eine Scheindiskussion und am Ende fehlt die Kraft,
wirkliche Probleme anzupacken. Es entsteht der Eindruck mit bloßer
Definition würden Schwierigkeiten gelöst, die viel tiefere Ursachen
haben, wie die europäische Integration, die Globalisierung und die
wirtschaftliche … .
Warum tun wir das also, als könne das
Wortgeklingel irgendein Problem lösen?
Selbstverständlich stimme ich dem
Innenminister zu, dass wir nicht aus „falscher Rücksichtnahme“
auf „landestypische Traditionen und Gebräuche“ verzichten
sollten. Das will doch auch niemand von denen, die den Beitrag des
Islam zur deutschen Kultur würdigen und den Muslimen in Deutschland
Lebensräume und Möglichkeiten eröffnen möchten. Die realen
Schwierigkeiten im Zusammenleben lassen sich nicht mit der
Perspektive lösen, irgendwann wird der Islam schon verschwinden,
werden sich die Muslime assimilieren oder in ihre Herkunftsländer
zurückkehren. Die Zeit für solche „Lösungsperspektiven“ ist
vorbei bzw. wir hoffen doch alle gemeinsam, dass diese Zeit nicht
wiederkehrt, wo es statt „Der Islam gehört nicht zu Deutschland –
Muslime aber irgendwie wohl“ hieße: „Der Islam ist unser
Unglück!“ und man man Strategien zur Lösung des „Moslemproblems“
entwickelte.
Landestypische Traditionen und
Gebräuche“ sind in viel stärkerer Gefahr durch ganz andere
Aspekte. Sie sind gefährdet durch das Schwinden des gelebten
Christentums, durch laue und lasche Christen (auch unter unseren
Politikern, selbst wenn ein C vorne steht), durch die Mobilität und
die Einsatzbereitschaft, die die moderne Wirtschaftsordnung von denen
fordert, die Arbeit haben, durch den allgemeinen Kulturwandel in
unserer Zeit und die Geschichts- und Kulturvergessenheit weiter
Kreise, durch mangelnde Bildung und manches mehr. Wir selbst sind es,
die unsere „landestypischen Traditionen und Gebräuche“ auf die
„rote Liste“ bringen, nicht der Islam und auch nicht die
Scharia-Polizei, die an einigen Abenden ihr Theater in Wuppertal
aufführte. Es sind doch dieselben Kräfte, die das Christentum in
die Schieflage bringen, die auch den Islam bedrohen, wie es Michael
Blume in seinem Buch „Islam in der Krise“ so eindringlich belegt.
Der augenscheinliche "Vorteil" mancher tief im Glauben verwurzelter Muslime (wenngleich inzwischen
doch einer Minderheit) ist es doch, dass sie im Islam einen
wichtigen Pfeiler ihrer Identität erkennen, während man dies nur
noch von wenigen Christen so sagen können. Da ist dieser eher
schmückendes Beiwerk, gutes Gefühl oder mehr diffuse innere
Haltung aber nicht mehr festes Standbein in den – durchaus heftigen
– Stürmen des Lebens und der Zeit.
Die Frage, ob der Islam zu Deutschland
gehört, läßt sich nicht mit Ja oder Nein und auch nicht mit einer
handvoll erklärender Sätze erläutern. Man sollte sie aber immer so
beantworten, dass die hier lebenden gläubigen Muslime nicht verletzt
und ausgegrenzt werden oder dies so empfinden.
Die Lösung kann nur in einem Mehr an
Miteinander liegen und dazu müssen die Muslime mindestens soviel
beitragen wie die Christen, die Atheisten, die Buddhisten und
Hinduisten die hier leben. Das ist ein ebenso langer und
anstrengender wie auch schöner Weg.
Staat und Gesellschaft sollten Muslimen
einen großzügigen Raum für ihr religiöses Leben bieten und
gleichzeitig den Radikalen klare Grenzen setzen. Natürlich hat der
Staat das Recht, ausufernde und schädliche Formen der
Religionsausübung zu begrenzen. Aber das rein rechtliche „Bannen“
von Burka und Nikab löst kein konkretes Problem, sondern schafft im
Gegenteil neue Schwierigkeiten. Selbstredend ist in Deutschland kein
Platz für die Vielehe oder die Kinderehe. Diese zivilisatorischen
Errungenschaften kann man nicht mit Verweis auf „Andere Länder,
andere Sitten“ einfach aufgeben, auch nicht in Einzelfällen.
Auch Muslimen wird auf diesem Weg
manches abverlangt. Sie müssen lernen, den kulturellen Rahmen ihres
Islams aus dem Herkunftsland in jeder Hinsicht nach Deutschland zu
verlegen. Sie müssen damit zu leben, dass religiöse Überzeugungen
und Gebote den deutschen Alltag nicht (mehr) prägen, dass die
Religion von Deutschen nicht verlangt, auf den Genuß von Alkohol und
Schweinefleisch zu verzichten. Ich muss es als Katholik auch
ertragen, dass Leute am Sonntag shoppen gehen und sich am
Aschermittwoch den Bauch voll schlagen, am Freitag gedankenlos
Fleisch essen und an Karfreitag tanzen gehen wollen. Natürlich muss
es Muslimen möglich sein, auch auf deutschen Volksfesten und in
Schul-Kantinen satt zu werden, ohne heilige Traditionen aufgeben zu
müssen. Aber ein Land, das auf Vegetarier selbstverständlich
Rücksicht nimmt, kann dies auch bei Muslimen tun, deren Speiseregeln
noch weit leichter zu erfüllen sind als die überzeugter Veganer.
Und auch der Veganismus, ja selbst Paläo-Frutarier scheinen
heutzutage ja zu Deutschland zu gehören.
Am Ende frage ich mich als Katholik und
mittelmäßig gebildeter Theologe, wo denn in dieser Debatte die
Stimme der Christen ist. Die offizielle Kirche hält sich da aktuell
vornehm zurück. Vermutlich weil die Bischöfe spüren, dass man hier
gerade keinen Blumentopf gewinnen kann und weil Horst Seehofer ja
gewissermaßen sedierend in den Raum geworfen hat, dass zu
Deutschland der„freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie
Ostern, Pfingsten und Weihnachten." gehören. Wer kann dazu
schon nein sagen. Umso reger beteiligt sich ein Teil der
katholisch-konservativen Szene – in der ich auch einen Teil meiner
Wurzeln sehe – an der Debatte. Bedauerlicherweise nicht immer
konstruktiv.
Der emeritierte Theologieprofessor Dr. Hubert Windisch wundert sich: „Wer in diese Debatte nicht einsteigen will, gibt sich auf. Die Kirchenführer schweigen!“ Die Fragen, die er dann aber in seinem Beitrag auf kath.net formuliert klingen allerdings, wie bei der Pegida-Demo mitstenografiert. „Warum hört man nicht auf Islamkenner und –kritiker wie Imad Karim, Hamad Abdel-Samad, Sabatina James, Necla Kelek, Rüdiger Safranski, Hans-Peter Raddatz, Alice Schwarzer, David Berger und viele andere? Warum nur quer durch unser Land dieser selbstzerstörerische islamergebene Masochismus? Worum geht es? Es geht darum, den Islam kritisch in seinem sozialpolitischen Kern wahrzunehmen, wonach Staat und Religion nicht zu trennen sind und alles daranzusetzen ist, bis überall die Scharia gilt.“
Der emeritierte Theologieprofessor Dr. Hubert Windisch wundert sich: „Wer in diese Debatte nicht einsteigen will, gibt sich auf. Die Kirchenführer schweigen!“ Die Fragen, die er dann aber in seinem Beitrag auf kath.net formuliert klingen allerdings, wie bei der Pegida-Demo mitstenografiert. „Warum hört man nicht auf Islamkenner und –kritiker wie Imad Karim, Hamad Abdel-Samad, Sabatina James, Necla Kelek, Rüdiger Safranski, Hans-Peter Raddatz, Alice Schwarzer, David Berger und viele andere? Warum nur quer durch unser Land dieser selbstzerstörerische islamergebene Masochismus? Worum geht es? Es geht darum, den Islam kritisch in seinem sozialpolitischen Kern wahrzunehmen, wonach Staat und Religion nicht zu trennen sind und alles daranzusetzen ist, bis überall die Scharia gilt.“
Ich fürchte, das ist wirklich keine
Basis, auf der man diskutieren kann, ob der Islam zu Deutschland
gehört. Nähme man den Islam der zitierten Personen als Maßstab,
kann es auch nur eine Antwort geben. Nein! Aber die Frage ist doch,
ob wir über diese Form des Islam und dessen Darstellung ernsthaft zu
diskutieren haben und ob dies dem Islam gerecht wird, den die
gläubigen Muslime hier leben. Sonst ist das nur eine weitere
Phantomdiskussion. Warum man als katholischer Theologe ernsthaft über
die Thesen eines Hamad Abdel-Samad diskutieren möchte, während man
ansonsten doch der Giordano – Bruno – Stiftung abspricht, zu
Fragen des Christentums Relevantes beitragen zu dürfen, erschließt
sich mir nicht. Jedenfalls sollte man als Theologe dann aus ihren
Beiträgen die bedeutsamen Fragen herausfiltern und gleichzeitig auch
die Stimmen derer wahrnehmen, die sich als gläubige Muslime in
Deutschland für den Dialog einsetzen und als spirituelle Menschen
den Islam hier leben.
Bedauerlicherweise ist Prof. Dr. Windisch nicht der einzige Katholik, der das Konzilsdokument „Nostra aetate“ in diesem Kontext offenbar für irrelevant hält. Wohlgemerkt, es geht absolut nicht darum Probleme in der islamischen Theologie, in islamisch geprägten Traditionen oder die Schwierigkeiten, die uns radikale und fundamentalistische Vertreter des Islam bereiten klein zu reden. Aber ich wünsche mir doch Diskussionen, die die Realitäten wahrnehmen, wirkliche Probleme benennen und echte Lösungswege erarbeiten und nicht solche, die ablenkend und ergebnislos im luftleeren Raum geführt werden.
Bedauerlicherweise ist Prof. Dr. Windisch nicht der einzige Katholik, der das Konzilsdokument „Nostra aetate“ in diesem Kontext offenbar für irrelevant hält. Wohlgemerkt, es geht absolut nicht darum Probleme in der islamischen Theologie, in islamisch geprägten Traditionen oder die Schwierigkeiten, die uns radikale und fundamentalistische Vertreter des Islam bereiten klein zu reden. Aber ich wünsche mir doch Diskussionen, die die Realitäten wahrnehmen, wirkliche Probleme benennen und echte Lösungswege erarbeiten und nicht solche, die ablenkend und ergebnislos im luftleeren Raum geführt werden.
Gerade gläubige Katholiken,
insbesondere Theologen könnten doch dazu einen wesentlichen Beitrag
leisten. In der Diktion von Prof. Dr. Windisch schließe ich daher meinen
Beitrag mit den Worten: „Wer in diese Auseinandersetzung nicht
einsteigen will, gibt das Evangelium auf. Viel zu viele schauen zu
und schweigen. Noch. Bis die Opfer weinen. (vgl. Lk 23,28)!