Sonntag, 22. Dezember 2013

"Geld oder Glauben!" - Limburg, ein problematisches, protestantisches, verwildertes Bistum?

Eigentlich mag man über das Thema „Bischof Franz Peter Tebartz-van Elst“ nichts mehr hören. Seit dem „Höhepunkt“ des Dramas und dem Beginn der „Auszeit“ des Bischofs im Kloster Metten hoffte man als Katholik eigentlich auf Ruhe und auf eine weise Entscheidung des Hl. Vaters in Rom (nach der Auswertung aller Akten und Unterlagen durch die Kommission der deutschen Bischöfe). 
Doch irgendwie fühlen sich immer wieder einzelne oder Interessengruppen bemüßigt hier „nachzulegen“ und das Feuer rund um Bischof Franz-Peter am Kokeln zu halten. Dabei gönnt man ihm nach dem medialen Trommelfeuer die Atmosphäre und Ruhe des Klosters von ganzem Herzen. 
Doch nun, kurz vor dem „Fest der Liebe“, kurz vor Weihnachten erscheinen in zwei betont kirchen- und Romtreuen Publikationen zwei bemerkenswerte Texte. In der ZEIT äußerte sich zudem noch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der nach dem Verständnis des (seines) Bischofsamtes „nach Limburg“ gefragt wurde. Zweifellos kennt Overbeck aus der gemeinsamen Münsteraner Zeit seinen Limburger Mitbischof besser als jeder andere. Daher wurde die folgende Frage und ihre Antwort auch gern interpretiert: Christ & Welt: „Könnten Sie sich vorstellen, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst nach Limburg zurückkehrt?“ Overbeck: „Es gibt Leute, die es hoffen, und solche, die es nicht hoffen.“ Vergessen habe ich natürlich auch den Einsatz der Erzbischöfe Müller und Gänswein aus dem Vatikan für ihren Limburger Mitbruder nicht. Ich gehe zum Abschluß dieses Beitrags darauf ein. 

Aber zurück zu den beiden Texten, um die es mir heute geht. Es ist einmal ein Interview mit dem bisher allseits anerkannten Limburger Generalvikar Wolfgang Rösch, das von zahlreichen anderen Medien begierig aufgenommen (und teils zugespitzt) wurde. (Man sollte unbedingt das gesamte Interview lesen: http://www.die-tagespost.de/Wie-in-der-klassischen-Tragoedie;art456,148395)
Regina Einig fragt ihn: „Ein Kenner des Bistums – Kardinal Lajolo – verortet die Ursache für den Konflikt tiefer. Nach seinem brüderlichen Besuch erklärte er, er habe in seinen Gesprächen feststellen können, dass „die Spannungen latent schon über Jahrzehnte existieren und jetzt eben offen zutage treten“. Ist Bischof Tebartz-van Elst eine Projektionsfläche für Spannungen, die das Bistum seit Jahren in sich trägt?“ 
Wolfgang Rösch antwortet sehr entschieden: „Eindeutig nein. Denn dann ginge es in Wirklichkeit um ein renitentes Bistum. Dieses Deutungsmodell ist mir zu einfach. Das Bistum Limburg ist genauso katholisch wie andere und hat eigentlich immer eine gute Kultur gehabt. Den Prozess, der in den Konflikt hineininterpretiert worden ist – ein Bistum, das sich sehr stark von Rom losmacht – gibt es nicht. Wir haben viele Priester und pastorale Mitarbeiter, die in Rom studiert haben, unter ihnen etwa der Weihbischof und ich.“ 
Frau Einig hakt nach: „Nicht einmal das Domkapitel hat damals widersprochen. Wenn Kardinal Lajolo nur etwas in den Konflikt „hineininterpretiert“ hat – warum wird seine Einschätzung von vielen Gläubigen im Bistum Limburg nachvollzogen? Die Affäre Bafile, der Konflikt um den Ausstieg des Bistums aus der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung sind Fakten. Vor allem der synodale Weg hat eine Mentalität geprägt, in der „Limburger Wege“ in der Praxis nicht unbedingt etwas mit dem Kirchenrecht zu tun haben brauchen.“ 
Der Generalvikar antwortet: „In den siebziger Jahren gab es bei uns vielleicht wirklich Demontagevorstellungen, als wir diesen Weg als erste Diözese ausexperimentierten. Dann haben wir die ersten Laien in die kooperative Pastoral einbezogen. Das war anfangs eine Klerikalisierung von Laien. Man hat ihnen auch Unrecht getan. Wir führen aber mittlerweile andere Diskussionen. In den neuen Pfarreien gibt es Pastoralteams, in denen die Pfarrer eine ganz andere Leitungsfunktion haben als vor zehn Jahren. Die Suchbewegungen der 70er und 80er Jahre haben wir hinter uns. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass uns die Beratungsgeschichte unter Bischof Franz Kamphaus jetzt noch einmal unterschwellig einholen würde. Als Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst aus einer anderen Kultur hierherkam, fing es gar nicht schlecht an. Am Anfang gab es eine Öffnung der Diözese auf ihn hin. Wir stehen stärker in einer gesunden Ekklesiologie. Ich merke das heute bei der neuen Generation von pastoralen Mitarbeitern und ihrem stärkeren sakramentalen Kirchenverständnis.“
Der Generalvikar bemüht sich sehr um Versöhnung in seinem tief gespaltenen und verletzten Bistum. Er verteidigt den Bischof gegen ungerechtfertigte Kritik, versucht aber auch die Kritiker ernst zu nehmen. Man sollte dabei auch im Blick haben, dass Wolfgang Rösch von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst selbst als Generalvikar ausgewählt wurde. 

Gleichzeitig nimmt sich auch das VATICAN-Magazin erneut des Themas an. Monika Metternich hat sich dazu in die Altstadt von Limburg begeben und auf Straßen und in Kneipen die Leute befragt. Das idyllische Städtchen an der Lahn kommt dabei nicht gut weg. „Klaustrophobisch“ seien die Gassen, nur der Domberg mit Georgsdom und bischöflichem Haus gebe Platz zum Atmen. Der allgemein gut situierte (wohlhabende) Limburger wollte halt wieder einen Bischof zum Anfassen, einen Kumpel wie Kamphaus, nicht so einen, wie den Bauernsohn vom Niederrhein. Die ganzen kirchenpolitschen Hintergründe seinen dem normalen Limburger eigentlich egal. Man wolle einen Bischof als eine Art Pastor von nebenan. 
Bei der Lektüre dieses Artikels fragte ich mich, ob es zielführend ist, die Kulisse des Dramas möglichst dunkel zu zeichnen, damit der „Held“ oder gar der tragische Held möglichst helle leuchtet bzw. die Story noch zusätzlich dramatisiert wird. Ich war mehrfach in Limburg, das ich als wunderschönes Städtchen erlebt habe. Fahren Sie doch mal selbst hin!
Der eigentliche Artikel in dem aktuellen Heft (wurde inzwischen - nach der Veröffentlichung des Prüfberichtes der DBK Ende März 2014 aus dem Netz entfernt). „LIMBURG. Psychogramm eines Problembistums, Zwischen der Burg Eltz und dem Georgsdom.“ 

Interessanterweise nimmt der Autor den recht originellen Aspekt auf, dass die Burg Eltz (als Stammsitz der Familie des Frankfurter Stadtdekans Johannes Eltz) den 500 – Mark – Schein zierte und der Limburger Georgsdom den 1.000 – Mark – Schein. Das ist aber auch schon der einzige Aspekt, der in dem Artikel aufmerken lässt. Ansonsten zeichnet der Autor ein erstaunliches Zerrbild der Pastoral in der Limburger Diözese, das der verzerrten Darstellung des Limburger Bischofs in manchen Presseartikeln der letzten Monate in nichts nachsteht. 
Zunächst aber beschäftigt er sich anhand der beiden inzwischen wertlosen Geldscheine mit den beiden Kirchenmännern, die der Limburger „Provinzposse“ ein Gesicht geben, nämlich Franz-Peter Tebartz-van Elst und Johannes Graf von und zu Eltz. Zwischen diesen lägen „mindestens Lichtjahre“. Das Stichwort nimmt er so ernst, dass er zunächst den Bischof über den grünen Klee lobt und vom Domkapitular offensichtlich weniger als „Wikipedia“ - Kenntnis hat. Letztlich aber muss der Domkapitular dann doch dafür herhalten, dem Artikel die „entscheidende Wende“ zu geben, denn in einem internen Brief des Frankfurter Stadtdekans schreibt dieser, dass es in der Auseinandersetzung auch um einen „Kampf um den Kurs der Kirche in Deutschland“ gehe, „in dem unserem Bischof eine wichtige Rolle zugedacht war“.
Diese Bemerkung schrieb der Limburger Domkapitular allerdings nieder, als sich schon zeigte, dass es interessierte Kreise gibt, die die Auseinandersetzungen in der hessischen Kleinstadt zu einem Kirchenkampf unter „Deutschkatholiken“ aufladen wollten.

Zunächst schildert der Text die jahrzehntelangen Pontifikate der Bischöfe Kempf und Kamphaus aus der sehr verengten Perspektive der „Affaire Bafile“, wo es um die synodalen Strukturen und die Beteiligung von Laien und Klerus an der Leitungs des Bistums ging und dann der „Streit“ um den Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung. Angesichts der Tatsache, dass er damit einen Zeitraum von 1949 bis 2007, also beinahe 60 Jahre beschreibt, erscheint diese Argumentation etwas dünn. „Das Bistum Limburg wirkte irgendwann wie das gallische Dorf in den Asterix-Heften. Als mit Tebartz-van Elst ein Statthalter Roms zum Häuptling gemacht wurde, begannen die unbeugsamen Bewohner schnell, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Aus vatikanischer Perspektive erscheint Limburg als problematisches, protestantisches, um nicht zu sagen: verwildertes Bistum. Vieles, was sich hier eingeschliffen hat, jagt Verteidigern der reinen römischkatholischen Lehre einen kalten Schauder über den Rücken.“ 

Von dieser Stelle an fragt man sich, ob der Artikel direkt von der Homepage der Piusbruderschaft (die manchmal genüsslich (und oft zu Recht) liturgische Fehlentwicklungen aufspießt) entnommen wurde, denn anhand von – nicht im Einzelnen belegten – Fehlentwicklungen zeichnet der Autor ein Bild des pastoralen Lebens im Bistum, dass selbst einem eher liberalen Kirchentreuen einen „kalten Schauer“ über den Rücken jagen müsste. Ich habe zunächst einmal nachgesehen, ob der Artikel als Polemik oder als Glosse zu lesen ist, aber nein, es ist völlig ernst gemeint, wenn es heißt: Tebartz-van Elst „sah sich offenbar vor die Aufgabe gestellt, wieder eine klare Struktur in den verwilderten Garten zu bringen“ ... doch „mit Belehrungen und Entscheidungen „von oben herab“ können die Limburger ganz und gar nicht umgehen.“
„Diese Schwäche“ habe „maßgeblich mit dem „Synodalen Weg“ zu tun, der das hierarchische Gefälle zwischen Klerikern und Laien nach knapp zweitausend Jahren Kirchengeschichte einebnete.“ In Limburg "schlurfen die Priester offensichtlich „in Jeans und Schlabberpulli herum“ und „fahren Motorrad“. „Neben dem Pfarrer steht heute vielerorts eine Pastoralreferentin am Altar, die im weißen Gewand mit bunter Stola sehr priesterlich wirkt und obendrein die Predigt hält. Wie Marianne und Michael durch eine Volksmusik-Show führen die beiden gemeinsam durch die Liturgie.“ In Limburg feiere man „eine Kartoffelmesse, in der nicht Brot und Wein, sondern zur Abwechslung mal die Kartoffel im Mittelpunkt stand...“ Dem folgen noch eine ganze Reihe liturgischer Fehlleistungen mit dem Fazit: „Eine von A bis Z ordnungsgemäß gefeierte Messe ist in Limburg eine Rarität.“ Und letztlich: „Christi Blut wird im Bistum Limburg voraussichtlich bis zum jüngsten Tag „für euch und für alle“ vergossen werden.“ Am Ende habe sich der „Limburger Reformeifer“ in „fragwürdigen Kirchenbauten niedergeschlagen“, in denen „die Gläubigen an halb gedeckten Tischen die Heilige Messe“ feierten und „dann werden Leberkäs’ und Kartoffelsalat aufgetragen.“ Der graue Beton dieser „Bauten aus den 1960 und 70er Jahren“ ersticke „jeden Anflug von Feierlichkeit im Keim.“

Weiter klingt es als sei unter den Bischöfen Kempf und Kamphaus eine Art Bildersturm von Zwinglis Gnaden durch das Bistum gefahren. Beichtstühle und Kniebänke seien abgeschafft worden, der Bischof (Kamphaus) sogar auf dem „offiziellen Bischofsportrait“ im Zivil zu sehen, mit einer „Baskenmütze à la Che Guevara auf dem Kopf“. Ich finde im Netz Kamphaus entweder im bischöflichen Ornat oder mit Priesterkragen. Eine „Baskenmütze“ wird hierzulande von so vielen älteren Priestern getragen, dass sie sich beinahe schon als Erkennungszeichen eines Priesters eignet. "Googeln" Sie doch mal selbst!
Am Ende kommt der Autor zu der Überzeugung, dass der Schaden nach den Auseinandersetzungen wohl irreparabel sei. Das „Etikett „Protzbischof“ würde Tebartz-van Elst wahrscheinlich "auch dann noch aufgeklebt, wenn er für den Rest seiner Tage barfuß und im Büßergewand herumliefe.“ Und auch Domkapitular zu Eltz sei wohl „am Ende der Karriereleiter angelangt“. 
Am Anfang des Artikel wollte ich – für einige Zeilen – dem Autor noch zustimmen. Am Ende seines Textes gibt er mir doch noch einmal die Möglichkeit in Ruhe Luft zu holen, wenn er über Versöhnung schreibt und Paulus zitiert: „Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat“ und „Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ Wie gut, wenn das Gotteswort unserem Menschenwort dann doch wieder etwas „frische Luft“ einhaucht. 

Es erstaunt, dass im Vatikan - Magazin so in Bausch und Bogen die Priester und Kirchenverantwortlichen eines Bistums schlecht geschrieben werden. Man sollte eigentlich voraussetzen, dass man aus eigener Praxis zumindest bei den Recherchen gut gefeierte Liturgie erlebt hat... Ich will nicht bestreiten, dass es auch die andere Seite gibt, halt "liturgischer Schwachsinn", aus dem Gefühl heraus, auf gewisse/gefühlte Wünsche der Gläubigen eingehen zu müssen. 
Ich kann nur von wenigen eigenen Erfahrungen mit Gottesdiensten im Bistum Limburg berichten. Aber im Limburger Dom und in der Abtei Marienstatt habe ich eine sehr schöne würdige Liturgie erlebt. Bischof Kamphaus habe ich einige Male bei Katholikentagen als Zelebranten erlebt. Und von den Gottesdiensten in der Frankfurter Gemeinde in der Verantwortung des Domkapitulars Johannes zu Eltz ist von solchen liturgischen Fehlentwicklungen ebenfalls nichts zu hören, im Gegenteil. Daher fällt es mir schwer, einem solchen Zerrbild Glauben zu schenken. Und noch schwerer fällt es mir, in Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst eine Art Don Quichote zu sehen, der gegen die Windmühlenflügel des Liberalismus im Bistum kämpfte. 

Ich finde es ärgerlich, oder sogar schon perfide, wie in dem durchsichtigen Anliegen, den amtierenden Limburger Bischof zu entlasten, das Lebenswerk seiner Vorgänger in den Schmutz gezogen wird. Auch des noch lebenden Vorgängers übrigens, der bis heute treu seinen seelsorglichen Dienst im Bistum Limburg tut und der seinem Nachfolger, den er bisher mit keiner Silbe kritisiert hat, Loyalität entgegen bringt. Die Auseinandersetzung um den richtigen Weg, eine Frau von der Absicht abzubringen, das Leben des in ihr heranwachsenden Kindes zu beenden kann auch nicht als Indiz für eine pauschal romkritische Haltung des Limburger Bischofs missbraucht werden. Im Ziel, dem unbedingten Schutz des menschlichen Lebens im Mutterleib zu sichern, waren sich alle Beteiligten damals einig. Der Streit ging um die Frage, ob die Mitwirkung im staatlichen Beratungssystem in der Öffentlichkeit letztlich falsch verstanden werden könnte. Hier hatte der bodenständige Bauernsohn aus Westfalen die feste Überzeugung, dass das Leben der Kinder besser geschützt werden kann, wenn die Kirche ihre Stimme im Beratungssystem des Staates erheben kann. Wer will ihm das vorwerfen?

Ich halte es daher eher mit dem Limburger Generalvikar Wolfgang Rösch und bin froh, dass er in Rom sicher mehr Gehör findet als manche andere Stimme. Und ich bin sicher, dass das dem Menschen Franz-Peter Tebartz-van Elst und seinem zukünftigen Engagement mehr nutzt, als alle kirchenpolitische Verzweckung der Causa. Ich hielte es für fatal, würde man nun – im sicher ehrenwerten Bestreben dem Limburger Bischof „Gerechtigkeit erfahren zu lassen“ - die Fähigkeit der Gläubigen und Verantwortungsträger im Bistum zu Versöhnung und Vergebung - durch die Rückkehr des Bischofs quasi testen und erzwingen wollen. Es gibt im menschlichen Leben die Erfahrung, dass tiefe Wunden geschlagen wurden, die auch nach einem Neuanfang bluten und schmerzen und das Miteinander über Jahrzehnte schwer beeinträchtigen. Ich würde es auch Bischof Franz-Peter gönnen, dass man ihm einen echten Neuanfang ermöglicht. 

Zwei bedeutsame Stimmen aus dem Vatikan habe ich am Anfang des Artikels nicht zu Wort kommen lassen. Mancher Leser wird das schon vermißt haben. Ich hole es an dieser Stelle gerne nach, zumal ich die beiden Erzbischöfe Gerhard Ludwig Müller und Georg Gänswein ausgesprochen schätze. Der Glaubenspräfekt stellt sich – wiederholt – eindeutig hinter den Limburger Bischof und erklärt im FOCUS: „Wenn ihm in Bezug auf seine Pflichten als Bischof nichts vorzuwerfen sei, müsse „die Gerechtigkeit und nicht das Kalkül Vorfahrt“ bekommen. Es ist ja in der Tat so, dass dem Bischof in Bezug auf seine bischöflichen Pflichten nichts vorzuwerfen ist, im Gegenteil. Was immer man an Geistlichem von ihm zu lesen oder zu hören bekam war saubere Theologie. Im Bistum hat er geistlich anregende Prozesse angestoßen und mit persönlichem Einsatz begleitet. Seine Fehler lagen auf einer Ebene, die weniger mit den originären bischöflichen Pflichten zu tun hat. Und natürlich hat der Erzbischof absolut recht, wenn er sagt. „Kein Gremium könne sich anmaßen und sagen "der hängt von unserem Vertrauen ab, oder wir wollen ihn nicht mehr haben".“ 
In der Monatsschrift Cicero äußerte Erzbischof Georg Gänswein, dass die „Deutsche Bischofskonferenz kein Recht habe, den Rücktritt des umstrittenen Limburger Bischofs zu fordern. Die Bischofskonferenz habe keine Jurisdiktion über einen Diözesanbischof.“ Völlig richtig! Allerdings war mir bis dato auch noch nicht zu Ohren gekommen, dass ein deutscher Bischof einen Rücktritt gefordert habe. Was Georg Gänswein dazu bringt, sich auch in anderen Formulierungen ohne klaren Grund mit den deutschen Bischöfen über Kreuz zu legen, erschließt sich mir nicht. Sehr bedauerlich – auch in der Außendarstellung. 
Ich kann nur eine Motivation vermuten, er möchte wirklich gern in Rom bleiben und vermeiden, dass ein deutsches Domkapitel ihn auf einen vakakanten oder demnächst vakanten Bischofssitz in Freiburg oder Köln, Hamburg oder Passau – oder gar Limburg wählt. Cicero fasst die Meinung des Präfekten des päpstlichen Hauses so zusammen: „In Limburg „geht es, tiefer gesehen, um Glaubens- und Richtungsfragen. Führt Bischof Tebartz-van Elst seine Diözese als katholischer Bischof – oder will das Bistum einen Sonderweg beschreiten?“ Das „laute Geheul um die Ausgaben“ sei „nicht der wahre Grund für den Streit“. Es gebe in Limburg „Strömungen, die andere Ziele haben als eine Klärung finanzieller Verantwortlichkeiten“.“ Leider ist Cicero an hiesigen Kiosken nicht verfügbar, der genaue Kontext wäre sicher hilfreich. 

Aber da ist sie wieder, die Thematik, die zunehmend zur „Kulisse“ des Limburger Streits um Führungsstil, Baukosten und unwahrhaftige Aussagen eines Bischofs ausgebaut wird. 
Natürlich haben alle Verfechter dieser Position nicht unrecht. Es geht in Deutschland (und in anderen Ländern) auch um den „Kurs der Kirche“. Allerdings kann (und sollte) dieser Streit nicht stellvertretend anhand der Ereignisse auf dem Limburger Domberg ausgetragen werden. Dieser Streit, diese Auseinandersetzung sollte in einer brüderlichen und versöhnlichen Weise im Rahmen eines sinnvollen Dialogprozesses, im Rahmen der Diskussionen in der Bischofskonferenz geführt werden. Es sollte uns Katholiken doch gelingen einen gemeinsamen Weg zu finden, mit dem wir dem Aufruf Jesu „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ so nahe als möglich kommen. Nur so können wir der großen Aufgabe der neuen Evangelisierung gerecht werden, die der Hl. Vater Franziskus in seinem Schreiben Evangelii gaudium so anregend und überzeugend skizziert.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Nachdenken über Wörter: "Liturgischer Missbrauch"

Es ist inzwischen ein allgemein verwendetes Schlagwort geworden, die Rede vom „liturgischen Missbrauch“. Wir verdanken dieses Wort vermutlich der Instruktion der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: „Redemptionis sacramentum - über einige Dinge bezüglich der heiligsten Eucharistie, die einzuhalten und zu vermeiden sind“.

Mir persönlich gefällt dieses Wort nicht, und mir gefällt nicht, wie undifferenziert es in vielen Diskussionen verwendet wird. Zumal das Stichwort „Missbrauch“ inzwischen ja auch anders akzentuiert ist durch die Diskussion über sexuellen Missbrauch in Kirche und Gesellschaft. Das lädt die Begriffskombination „liturgischen Missbrauch“ noch einmal mit unheilvoller Bedeutung auf. Allein diese Bedeutungsübersprünge sollten uns nachdenklich machen, ob wir den Begriff weiter so inflationär verwenden sollten. 

In der genannten Instruktion aus dem Jahre 2004 kommt das Wort Missbrauch in der Tat mehrfach vor. Genau 18 mal habe ich es gefunden, allerdings nur einmal in der Kombination „liturgischer Missbrauch“. In Nr. 169 wird definiert, um was es eigentlich geht: „Wo in der Feier der heiligen Liturgie ein Missbrauch begangen wird, handelt es sich um eine wirkliche Verfälschung der katholischen Liturgie. Schon der heilige Thomas hat geschrieben: «In das Laster der Falschheit fällt, wer seitens der Kirche Gott Verehrung erweist entgegen der von der Kirche kraft göttlicher Autorität festgesetzten und in der Kirche üblichen Art»“. Der lateinische Begriff „abusus“ kommt im originalen Text übrigens 26 mal vor. 

Aufgabe des Ortsbischofs sei es, Mißbräuche (oder gar Straftaten) in der Liturgie zu verhindern, wobei er sich eines geeigneten anderen Klerikers bedienen kann. Abschnitt 184 war in der Diskussion um die Instruktion besonders umstritten: „Jeder Katholik, ob Priester, Diakon oder christgläubiger Laie, hat das Recht, über einen liturgischen Missbrauch (abusu liturgico) beim Diözesanbischof oder beim zuständigen Ordinarius, der ihm rechtlich gleichgestellt ist, oder beim Apostolischen Stuhl aufgrund des Primats des Papstes Klage einzureichen. Es ist aber angemessen, daß die Beschwerde oder Klage nach Möglichkeit zuerst dem Diözesanbischof vorgelegt wird. Dies soll immer im Geist der Wahrheit und der Liebe geschehen.“ Nur hier kommt auch das entsprechende Wortpaar vor. 

Konkret werden als Missbräuche benannt: Hostien mit anderen Substanzen zu backen als hierfür vorgesehen; einem Laien oder Diakon Teile des eucharistischen Hochgebetes sprechen zu lassen; das Brechen der Hostie bei der Wandlung; den Ritus der Brotbrechung über Gebühr auszudehnen und zu betonen; Texte und Riten anderer Religionen einzufügen; die Laien bei der Kommunion das Brot selbst nehmen zu lassen und die Eheleute sich gegenseitig die Kommunion spenden zu lassen; die Eucharistiefeier unter dem Vorwand „eucharistischen Fastens“ ausfallen zu lassen und letztlich die Eucharistie nicht in der vorgesehenen liturgischen Kleidung zu zelebrieren. Leicht ließe sich der Begriff des „Missbrauchs“ natürlich auch auf weitere Vorschriften der Instruktion ausdehnen, aber nur hier wird er explizit gebraucht. 

Auch der selige Papst Johannes Paul II. verwendet den Begriff „Missbrauch“ im Zusammenhang mit der Liturgie in seiner Enzyklika „Ecclesia de eucharistia“. Dem Papst stehen hier wohl gravierende Dinge vor Augen, die die gesamte Feier ihrer Vielschichtigkeit zu Gunsten eines schlichten Gemeinschaftsmahles berauben. Ich zitiere hier den Abschnitt 52, einer von zwei Stellen, wo er den Begriff benutzt: „Aus dem Gesagten wird die große Verantwortung vor allem der Priester verständlich, denen es zukommt, der Eucharistiefeier in persona Christi vorzustehen. Sie sichern ein Zeugnis und einen Gemeinschaftsdienst nicht nur für die unmittelbar an der Feier teilnehmende Gemeinde, sondern auch für die Gesamtkirche, die mit der Eucharistie immer in Beziehung steht. Leider ist zu beklagen, daß es - vor allem seit den Jahren der nachkonziliaren Liturgiereform - infolge einer falsch verstandenen Auffassung von Kreativität und Anpassung nicht an Mißbräuchen gefehlt hat, die Leiden für viele verursacht haben. Insbesondere in einigen Gebieten hat eine gewisse Gegenbewegung zum »Formalismus« manche dazu verleitet, die von der großen liturgischen Tradition der Kirche und von ihrem Lehramt gewählten »Formen« für nicht verbindlich zu erachten und nicht autorisierte und oft völlig unpassende Neuerungen einzuführen.“

Der lateinische Begriff abusus bringt mich wieder darauf, dass das Wort „Missbrauch“ eigentlich nicht mehr und nicht weniger als „fehlerhafter, falscher Gebrauch“ bedeutet. Abweichung von der Norm, vom „Normalen“. In meinen Ohren klingt aber sogleich „schwer strafwürdig“ mit und „da verschafft sich einer durch Mißbrauch einen persönlichen Vorteil auf Kosten eines anderen.“ In der Medizin wird mit Blick auf „Drogenmißbrauch“ von unterschiedlichen Klassen von Miss-/Gebrauch gesprochen, nämlich (verkürzt) von unerlaubtem, gefährlichem, dysfunktionalem und schädlichem Gebrauch. Dabei wird letztlich das wenig differenzierende „Miss-“ durch differenzierendere Begriffe ersetzt. 

Worauf will ich hinaus? Ich möchte eine andere Sprache im Umgang mit – sagen wir es neutraler – unterschiedlichen liturgischen Auffassungen. Jede Abweichung in der Liturgie als „Missbrauch“ zu stempeln – wird der Sache und auch den Motivationen der Liturgen nicht gerecht.

Es macht auch die angemessene Auseinandersetzung schwer. Dabei geht es mir in keiner Weise darum, die bunte liturgische Blumenwiese zu eröffnen. Es geht mir um mehr Differenzierung und um mehr Miteinander. Vielleicht ausgehend vom dem Wort aus der zitierten Instruktion, alles möge im Geist der Wahrheit und der Liebe geschehen, was ich für eine überaus kluge Formulierung halte. 

Sebastian Berndt hat in einem Blogbeitrag: http://metal-und-christentum.de/liturgie-der-buchhalter/ über seinen Ärger über „liturgische Missbräuche“ geschrieben, dass ihn störe, dass „alle diese Formen der tätigen Teilnahme ... durch unübliche Abläufe oder Texte unterbrochen“ würden. „Völlig offensichtlich ist dies beim Mitbeten, das durch Umformulierungen und Ergänzungen schlicht unterbrochen wird. Doch auch das Meditieren wird gestört, denn das setzt innere und äußere Ruhe voraus, und die wird schlicht zerstört, wenn man nicht mehr so genau weiß, wo der Zelebrant jetzt eigentlich gerade ist. Statt mitzuvollziehen und geistlich betrachten muß ich nun plötzlich aufpassen und zuhören, was der Zelebrant da für tolle Eingebungen hatte...“ 

Natürlich hat er da (auch) recht. Aber „participatio actuosa“ ist schon noch mehr als sanftes Mitdämmern in der Liturgie. Da gibt es auch einige durchaus erlaubte Texte und Aktivitäten, die eine solche Art der Mitfeier „unterbrechen“ und das kann auch schon mal hilfreich sein und in die Tiefe führen. Ich habe einen Pastor, der schon mal einen nachdenklichen Halbsatz für mein Gefühl absolut stimmig in ein liturgisches Gebet einfügt und der damit eine neue Tiefe bei mir stimuliert. So eine Art „freudiges liturgisches Erwachen“. Streng genommen ist das (ab und an) ein liturgischer Missbrauch. Ich denke an einen anderen Priester, der den Embolismus so betete: „Bewahre uns vor Verwirrung, Terror, Krieg und Sünde...“ Ein Satz, der wohl aus der eigenen Kriegserfahrung angereichert war, und der mich noch heute innerlich anrührt, weil ich in der Messe still den Einschub „Terror, Krieg...“ noch immer bete. Wobei mich der echte „Missbrauch“ weit mehr schmerzt, wenn ein Pfarrer den Embolismus mal wieder für verzichtbar hält und wohl glaubt, das Vater unser käme ohne diesen Einschub der „ipsissima vox christi“ näher. 

Aber vielleicht hilft ja dann doch, was Berndt weiter schreibt, wenn man es ähnlich wie den Abschnitt 169 der Instruktion als Definition betrachtet: „Liturgische Missbräuche zerstören den inneren Kern dessen, was Liturgie bedeutet.“ Möglicherweise gibt es dann aber auch den ein oder anderen Punkt, wo ein sogenannter „Liturgischer Missbrauch“ letztlich das genaue Gegenteil ist, nämlich eine Hinführung in die Tiefe und diesen inneren Kern. 

Na sicher kann man mir da widersprechen. Weil damit aus den „klaren Regeln“ für „liturgische Buchhalter“ wieder eine „liturgische Spielwiese“ zu werden scheint. Aber ich bin schon der  Meinung, dass die Liturgie feste Regeln braucht und auch einen regelmäßigen Ablauf. Wenn man experimentieren möchte, dann gibt es zunächst auch im liturgischen „Umfeld“ einer Eucharistiefeier genügend Möglichkeiten, die „participatio actuosa“ derer zu fördern, die bei diesem Begriff an eine besonders schöne Pflanze in Pfarrers Garten denken und mit Liturgie im Grunde weniger anzufangen wissen. Aber auch die Eucharistiefeier selbst, insbesondere im Rahmen von Kindergottesdiensten bietet ausreichend Möglichkeiten, auf die Fähigkeiten der Kinder zur tätigen Teilnahme an einem Gottesdienst angemessen einzugehen, ohne dass selbst der zufällig anwesende Präfekt der Glaubenskongregation oder auch Sebastian Berndt selbst am Ende einen dicken Ordner mit „Ermittlungsakten“ nach Rom tragen würden (oder wollten). Leider gibt es immer wieder Priester und Laien, die im Innersten der Liturgie herumfuhrwerken, ohne überhaupt liturgisch und theologisch ernsthaft begründen zu können, warum und weshalb. Nur nach Gefühl und allein „geleitet vom Hl. Geiste“ geht es wirklich oft schief. 

So sehr ich Berndts Gedanken (es ist leider nur einer – da wäre doch noch mehr drin!) in seinem Blogbeitrag folgen kann.... Bei einer Vorstellung darin bin ich skeptisch, nämlich wenn er schreibt, dass der liturgisch gebildete Laie die „Fehler“ bemerke, „weil er durch Nichtvorgesehenes aus seiner Andacht (auch so ein selten gewordenes Wort) gerissen wird“. Ich weiß nicht, ob „Andacht“ die angemessene Form der „participatio actuosa“ ist. Er hat es sicher nicht so gemeint, weil er ja später auch noch davon schreibt, dass seine „ganze Glaubenskraft geweckt“ werden soll, „so dass er sie in den Mitvollzug der Liturgie legen kann.“ Aber ich denke, wir sind gefordert, hellwach in der Liturgie zu sein, lebendig verbunden mit unserem Gott, durchaus auch milde ... wenn wir in unserer Andacht „gestört“ werden durch experimentierfreudige Priester oder unruhige Kinder, aber auch mutig, die Motive und Handlungen der Zelebranten zu hinterfragen. 

Für mich war es vor vielen Jahren ein schwerer Missbrauch, einen Priester zu erleben, der einen großen Teil des (1.) Hochgebets still betete und mir so die Möglichkeit des Mitvollzugs weitgehend nahm. Dabei präsentierte er sich in Habitus und liturgischer Gewandung (Baßgeige) als kirchentreu. Aber dann muss man auch den Mut haben, diesen Priester dann anzusprechen und einen Dialog zu beginnen. 

Authentisch und persönlich wird die von einem Priester (oder Bischof) gefeierte Liturgie weder durch liturgische Experimentierfreude noch durch sklavische Rubrikentreue. Authentisch und persönlich wird es, wenn man spürt, dass der Liturge hier feiert, was auch auch glaubt und lebt. Und es kann auch in der Liturgie „Fehler“ auf der offiziellen Seite geben, wenn man einmal die Diskussion um die Neuübersetzung des Messbuches beobachtet. „Die Ohren der göttlichen Barmherzigkeit“ führen mich immer irgendwohin, aber sicher nicht zu einer vertieften Meditation der Barmherzigkeit Gottes. 

Mir wäre es lieb, wenn wir das Wort vom „liturgischen Missbrauch“ sparsam verwenden würden. Wenn wir daraus zumindest kein Schwert im kirchenpolitischen Kampf machen würden, sondern für Differenzierung sorgen könnten. Vielleicht bräuchten wir ähnliche Kategorien wie in der Medizin. Ganz bestimmt gibt es liturgische Fehler, die schädlich sind, solche die ärgerlich sind, solche, die die Andacht stören... Aber es gibt auch liturgische Fehler, die uns wieder zum Eigentlichen führen könnte. Aber solche „Fehler“ entspringen nicht (oder nur selten) der spontanen Eingebung, sondern einem vertieften Nachdenken darüber, was Liturgie und Glaube eigentlich sind und wollen. Und in all den Jahrhunderten hat es schon auch immer wieder liturgische Neuerungen und Errungenschaften gegeben, die nur dann möglich sind, wenn unser Geist sich der Führung des göttlichen Geistes anvertraut.