Wer bekommt nicht gerne Post, erst recht einen Brief einer jungen und intelligenten Frau? So hoffe ich, dass Walter Kardinal Kasper auch erfreut war, einen Brief von Victoria Bonelli zu erhalten, die nach eigener Auskunft in Wien Kommunikationswissenschaften studiert und nebenbei für ein katholisches Nachrichtenportal schreibt. Mit der Überschrift "Briefe aus Siena" knüpft sie an die Geschichte der Hl. Katharina von Siena an, die für ihre Zeit einen ungewöhnlich regen Briefwechsel mit mächtigen Personen in Staat und Kirche geführt hat - und dabei ein sehr offenes Wort pflegte. Im Alter von nur 33 Jahren starb die Heilige in Rom.
Der aktuelle Brief aus Siena an den emeritierten Kurienkardinal Kasper motivierte mich zu einer Antwort nach Vienna. Ich bin gespannt, ob Frau Bonelli nach dem Vorbild der von ihr ausgewählten großen Heiligen und Patronin Europas auch den ganz normalen, wenig hochgestellten Briefeschreiber einer Antwort für würdig hält. Der ursprüngliche Brief kann hier nachgelesen werden: www.kath.net/news/47906
Domine non sum dignus! (Herr, ich bin nicht würdig...)
Liebe Frau Bonelli,
herzlichen Dank für Ihren Brief an Kardinal Kasper, den ich mit hohem Interesse gelesen habe. Ich finde es gut, wenn auch ganz normale Gemeindemitglieder ab und an einem Würdenträger der Kirche zu schreiben. Und natürlich macht es mich (und viele andere) neugierig, was eine junge (frisch verheiratete) Frau einem Kardinal der römischen Kirche, der auf ein langes Leben zurückblickt, zu sagen hat. So ganz genau haben Sie Ihr Alter in Ihrem Brief nicht offenbart, aber ich denke es könnte passen, wenn ich Ihnen schreibe, dass ich vermutlich etwa 15 Jahre älter bin als Sie. Ich bin nicht frisch, sondern seit 17 Jahren verheiratet. Gott hat uns in unserer Ehe vier Kinder im Alter von 8, 10, 12 und 14 Jahren geschenkt. Vor 23 Jahren habe ich meine Tätigkeit als Industriekaufmann aufgegeben, um einen kirchlichen Beruf zu ergreifen.
Gerne habe ich in den letzten Monaten Ihre "Briefe aus Siena" gelesen, schon länger wollte ich Ihnen schreiben, da ich finde, dass diese Briefe gut formuliert sind, die Dinge präzise auf den Punkt bringen, mich immer wieder nachdenklich machen, aber auch zur eigenen Klärung und zum Widerspruch herausfordern. Sie schreiben, dass Sie Kommunikationswissenschaften studieren. Das merkt man Ihren Briefen und deren Präsentation durchaus auch an.
Die Hl. Katharina war eine faszinierende Frau, für ihre Ernennung zur Kirchenlehrerin und Patronin Europas bin ich sehr dankbar. Auch wenn es manchmal befremdet, wie sie aus unterschiedlichen Positionen manchmal vereinnahmt wird, z.B. für den „Tag der Diakonin“. Da gefällt mir Ihr Gedanke, in die Fußstapfen der Hl. Katharina zu steigen und ihren Briefwechsel mit mächtigen Männern (und Frauen) in Kirche und Welt als Vorbild zu nehmen.
Die Hl. Messe am Sonntag (28. Sonntag im Jahreskreis) war dieses mal auch für mich etwas Besonderes, da es die erste Messe war, die ich wieder in der Gemeinschaft meiner Heimatgemeinde mit feiern durfte. Durch eine Immunabwehrschwäche aufgrund meiner Krebstherapien war ich über Monate am Kirchenbesuch weitgehend gehindert. Ich bin meinen priesterlichen Kollegen sehr dankbar, dass sie jeden Sonntag mit der Hl. Kommunion zu mir gekommen sind.
Ich freue mich, dass Sie – obwohl Sie Kommunikationswissenschaften und nicht Theologie studieren - dennoch so theologisch gebildet und mit klarer Positionierung schreiben. Davon bräuchten wir in der Kirche noch mehr Mitchristen. Leider habe ich an Theologie auch nur anzubieten, was ich durch mein Fernstudium und fleißige autodidaktische Lektüre erlernen konnte. Von daher mögen Sie evtl. Mängel entschuldigen.
Natürlich hörte ich am Sonntag so wie Sie das Evangelium von der königlichen Hochzeit und die Schilderung der dramatischen Szene, in der der nicht disponierte Gast in die äußerste Finsternis verbannt wird. "Denn viele sind gerufen, aber nur wenige sind auserwählt“.
Der Priester gab sich in meiner Gemeinde große Mühe, das sperrige Evangelium aus dem historischen Kontext heraus zu erklären. Zunächst einmal formulierte er den exegetischen Befund, dass der Evangelist hier einige Jesusworte zusammengestellt habe, so dass sie in die Situation der damaligen Gemeinde hinein sprechen. Der Prediger schilderte die Situation der christlichen Gemeinde – u.a. gegenüber dem Judentum – und machte deutlich, wen der Evangelist mit den Gästen meint, die eingeladen waren, sich aber nicht als würdig erwiesen hatten, ja sogar vor einem Mord an den königlichen Boten nicht zurückschreckten. Die drastische Strafe deutete er mit Bezug auf die Erfahrung der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Mit den dann eingeladenen Gästen von allen Straßen und Plätzen seien die gemeint, die (aus allen Völkern gerufen) nun an Christus glauben. Warum derjenige, der kein Hochzeitsgewand trägt, nun auch recht drastisch gestraft wird vermochte er allerdings nicht stimmig darzulegen.
Ich bin nicht sicher, ob ich über den Text so gepredigt hätte, ich neige nicht dazu einen sperrigen Text exegetisch zu entschärfen. Doch "in Hinblick auf die Eucharistie" und die konkrete Messe in der Kapelle hätte ich den Text nicht ausgelegt. Damit tut man dem biblischen Text doch ein wenig Gewalt an.
Daher kann ich verstehen, dass einige Leute in Ihrer Gemeinde Unmut äußern, weil sie mit dem Mann ohne Hochzeitsgewand gleich gesetzt wurden, mit einem, der in die äußerste Finsternis gehört, weil er – wie sie - nicht ausreichend disponiert und im Stand der Gnade zum Kommunionempfang hervortreten. Das mag ja kirchenrechtlich (möglicherweise) sogar stimmen, aber es kommt doch etwas mit dem Holzhammer daher.
Mein Pfarrer merkt ab und an im Gottesdienst an, dass niemand zur Kommunion „vorgeladen“ wird, dass man auch sitzen bleiben kann und dass zum Kommunionempfang gehört, dass man Christus begegnen möchte und daran glaubt, dass Christus selbst in der Hostie zu uns kommt. Noch nie hat jemand deshalb erbost die Kirche verlassen. Wohl aber sind manche sitzen geblieben, die sonst kommuniziert hätten, „weil man das halt so tut.“
Wohlgemerkt, mit der "unveränderlichen kirchlichen Lehre" in diesem Punkt, dass ich zur Kommunion nur im "Stand der Gnade" gehe, habe ich gar kein Problem. Doch verstehe ich, dass jemand nicht unmittelbar mit diesem zu verstoßenden Gast identifiziert werden möchte. Auch erhebt sich der Priester hier in die Position des Königs, der ja hier als Gleichnis Gottes zu verstehen ist. Ich denke, dass der Herr selbst im Evangelium häufig dafür sorgt, dass seine Zuhörer im innersten angerührt werden, dass er aber gerade nicht verurteilt, sondern dafür sorgt, dass die Menschen selbst erkennen, dass sie Sünder sind, die der Herr angeschaut hat.
Ich hätte eher Mitleid mit "diesen armen Menschen" empfunden und gerne mit ihnen geredet, warum sie sich an dieser Stelle so getroffen und verletzt gefühlt haben. Ich bin nicht sicher, ob Ihre harte Interpretation, "dass sie sich nicht dafür interessieren, was sie tun müssen um die heilige Kommunion würdig zu empfangen" wirklich zutrifft. Möglicherweise, aber sicher ist das nicht. Auch muss es nicht sein, dass es sich um "sporadische" Messbesucher gehandelt hat.
Durchaus teile ich Ihre Einschätzung, dass manche Gottesdienstbesucher zu wenig darüber nachdenken, was der Kommunionempfang tatsächlich bedeutet. Hier verkehrt sich das bedeutsame Reformanliegen des Hl. Papstes Piux X. in sein Gegenteil. Aber bei aller Hochachtung vor dem Lebenszeugnis des Hl. Tarcisius; ob ich im Fall der Fälle wirklich mein Leben geben würde, um einen Räuber daran zu hindern mir die Krankenburse zu stehlen, das weiß ich auch nicht. Ich habe während der Krebstherapie häufiger darüber nachgedacht, ob die Angst vor einer möglichen Infektion, die die Therapie gefährden würde, für mich wichtiger ist als die Teilnahme an der Eucharistiefeier. Von daher fühle ich mich von diesem Satz in Ihrem Brief durchaus angerührt.
Doch ist das wirklich ein Ausweis wahren Christentums in den Augen einer so jungen Frau? Ich würde sicher mein Möglichstes geben, aber wenn mir einer ein Messer vorhält wohl auch nicht in die Klinge springen, da bin ich ehrlich. Bin ich deshalb in Ihren Augen ein defizitärer Christ?
Dass die Beichte als Sakrament in einer tiefen Krise steckt, beschreiben Sie ja sehr gut. Nur mit Ihrer „Illustration“ der Probleme bin ich nicht ganz einverstanden. Zu einer guten Beichtvorbereitung im Rahmen der Erstkommunion sollte durchaus auch gehören: was war gut, was kann ich gut, wo bin ich gut ... und auf der anderen Seite, was ist schief gegangen, wo habe ich Fehler gemacht. Im Rahmen meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bin ich dafür neu aufmerksam geworden, dass auch die positiven Seiten angemessen gewürdigt gehören. Wenn ich in einer Ferienfreizeit mit einem der Betreuer über seine "Schwächen" sprechen möchte, darf ich nicht vergessen, auch seine Stärken zu beschreiben, sonst kommt manches "schief" rüber und eine positive Entwicklung kann verhindert werden. Von daher wird es die Religionslehrerin "gut gemeint" haben. Ich bin sicher, eine "böse Kirche" haben Kommunionkinder heute nicht mehr erlebt, eine "strenge Kirche" ab und an noch einmal deren Eltern. Aber ansonsten gehen sie sehr unbefangen an die Beichte heran und erleben diese als positiv.
Dein Eindruck, dass viele Menschen "NICHTS zu bereuen" haben teile ich durchaus. Das hat leider mit der sehr großen Individualität und Vereinzelung zu tun, aber sicher auch mit der Natur des Menschen, der dazu neigt, sich das eigene Verhalten schön zu reden. Ich kenne das von mir ja auch und wir sind ja täglich damit konfrontiert, auch im ganz normalen Zusammenleben, selbst in der katholischen Gemeinde. Selbstreflexion und Gewissenserforschung werden immer seltener, sogar unter treu Frommen und kirchentreuen, konservativen Katholiken. Was da alles im Brustton der eigenen Gerechtigkeit z.B. auf facebook und in „christlichen“ Foren formuliert und teils Anderen unterstellt wird... All das wirft ja auch ein Schlaglicht darauf, ob jemand zum demütigen Zuhören und auch zum in-sich- und auf-Gott-Hören in der Lage ist und zur ehrlichen Einsicht in die eigenen Schwächen. „Non serviam!“ das ist auch hier manchmal mit Händen greifbar.
Ich bin selbst Pastoralreferent und es macht mich neugierig, wo man in meinem Beruf einmal in die Verlegenheit kommt, einer Kirchengemeinde Anweisungen zu erteilen. Wie auch immer, man sollte die Kollegin einmal auf die biblische Quelle dieser liturgischen Antwort hinweisen und sie bitten, zunächst den biblischen Text zu lesen. Dann verbietet sich diese leicht-fertige Interpretation von selbst. Ich persönlich kann das gut mitsprechen, „Herr ich bin nicht würdig, dass Du eingehst...“, weil ich weiß, dass ich es nötig habe, dass er sich mir zuwendet und dass ich Gott nicht von mir aus auf Augenhöhe begegne, sondern dass er selbst sich zu mir niederbeugt und sich für mich klein gemacht hat und bis heute klein macht. Natürlich heißt das Wort – recht verstanden - nicht: "Ich bin unwürdig...", sondern man müsste deutend sagen: "Herr, ich bin würdig Dir zu begegnen, weil Du mir Würde geschenkt hast, weil Du mir entgegenkommst..." Ich hoffe einmal, dass die Kollegin das auch gemeint hat. Ich teile aber nicht Ihren Eindruck, dass viele Menschen sich aus sich selbst heraus zur Gottesbegegnung für würdig halten, sich selbst also letztlich über Gott erheben. Und bei allem Spott, der manchmal über uns Katholiken hineinbricht, verbitterte Christen (wie sie das beschreiben) begegnen mir (zum Glück) selten. (Wir sollten nicht übersehen, es gibt wirklich Menschen, deren Selbst-Bewußtsein angekratzt ist und die die Formulierung „Ich bin nicht würdig...“ falsch verstehen könnten und auf ihren Selbstwert beziehen. Hier müssen wir sensibel sein.)
Aber ich vermute, dass ich Ihrem Gedankengang nicht ganz richtig folgen konnte, es geht Ihnen offensichtlich mehr um eine Haltung, aus der man sich einen Gott selbst zurechtdefiniert, einen Gott, der letztlich nicht mehr als ein Götze ist. Das wäre in der Tat ein schwerer Fehler und eine Ur-Sünde.
Ist es wirklich so, dass die Studenten, mit denen Sie zusammen sind, so wenig spüren, wie bedeutsam die Eucharistie für uns Katholiken ist? Es kommt sicher auf den Blickwinkel an, ich würde schon denken, dass die weitaus meisten Katholiken, die bei uns in Voerde die Kirche besuchen, in diesem Punkt durchaus noch gut katholisch orientiert sind. Allerdings sind diese ja wirklich nur ein Teil – sagen wir mal 20 Prozent – von denen, die offiziell noch als Kirchen(steuer)mitglieder dabei sind. Da fürchte ich, haben Sie mit Ihrer Diagnose wohl recht. Diese Menschen erreichen wir mit unseren pastoralen Aktivitäten leider kaum. Wobei die Pastoral, das möchte ich betonten, schon sehr stark um die Eucharistie "kreist". Es ist durchaus die Mitte der Gemeinde, dass wir Eucharistie und Gottesdienst feiern, beten, pilgern... Dass wir Besinnungstage halten und Katechesen für Tauffamilien, Erstkommunionkinder und Jugendliche, die die Firmung empfangen möchten. Ich denke, das ist – auch wenn ich nicht Priester oder Diakon bin - doch der Schwerpunkt meiner Arbeit. Ob das Ziel der Pastoral nun sein muss, dass sie bereit wären, für die "konsekrierte Hostie das Leben" zu geben... das würde ich so nicht sagen. Aber doch, im Glauben im Leben verankert zu sein und im Fall des Falles sich auch für den eigenen Glauben ins Zeug zu legen und wirklich etwas dafür zu tun, das sollte schon zu den Zielen gehören.
Glücklicherweise gehört das Blutzeugnis in Deutschland noch nicht so zum christlichen Leben, wie das zur Zeit unsere Schwestern und Brüder in Syrien und im Irak erleben. Aber wir können etwas für sie tun, wenn sie unsere Hilfe brauchen oder gar als Flüchtlinge an unsere Türen klopfen. Wir haben z.B. beschlossen ein leer stehendes Pfarrhaus zukünftig als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen.
Sie erzählen eine Begebenheit aus dem Firmunterricht. Ich frage mich, ob diese Deutung eigentlich zwingend ist. In unserer Kirche würde es sich so nicht ereignen, weil der Pfarrer den Ministranten und den anderen Diensten die Kommunion reicht. Aber wenn ich in der Situation des Kommunionhelfers gekommen wäre hätte ich möglicherweise auch gefragt, warum sie nicht kommunizieren wollte und mich vermutlich über deren Antwort gefreut. Es hätte ja auch anders sein können, so dass das Mädchen nicht versteht, dass es in der Kommunion Christus empfängt und dass der Spender als Person hinter diese Wirklichkeit im Grunde vollständig zurück tritt. Es hätte ja auch sein können, dass sie einen verborgenen Groll gegen den Spender fühlte und dieser ihrer Christusbegegnung im Wege stand. Und nach dem Wort, das Jesus einmal gesagt hat: Versöhne Dich bevor Du Dein Opfer zum Altar bringst.... achte auch ich darauf, dass ich am Sonntag jedem die Hand zum Friedensgruß reichen kann.
Sie haben sehr fein gespürt, wo in Kardinal Kaspers "Evangelium von der Familie“ die Schwächen stecken und halten ihm diese Schwäche vor Augen. Wenn ein geschiedener Wiederverheirateter "Verlangen nach dem Sakrament hat" ... "dann wird er sicherlich bereit sein, zu beichten und in Zukunft enthaltsam zu leben.“ Bei aller Hochachtung für die Worte des heiligen Papstes Johannes Paul II in Familiaris consortio überzeugt mich das Konzept der "Josefsehe" nicht. Das führt für mich die Frage der Sakramente sehr eng. Ehebruch wäre dann nur, wenn die Partner aus einer getrennten Beziehung sich nicht "der Akte enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind". Das ist mir – ehrlich gesagt – zu genital! Hier ist für mich das Gebäude der kirchlichen Ehelehre etwas wackelig oder grob und wenig überzeugend. Wie soll das gehen; auf der einen Seite eine Wertschätzung der Sexualität zu verkünden und auf der anderen Seite dann Grenzen definieren zu müssen, wo diese Akte denn nun im katholischen Verständnis beginnen? Ist ein Abschiedskuss am Morgen noch statthaft oder eine zärtliche Umarmung? Darf man noch zusammen in einem Schlafzimmer schlafen oder muss man sich eine neue Wohnung mit getrennten Zimmern anmieten? Wie "Bruder und Schwester" kann ein Paar sicher nicht leben, wenngleich ich schon der Meinung bin, dass die Bedeutung der genitale Sexualität auch hin und wieder übertrieben gesehen wird. Hier gäbe es noch manches zu durchdenken und zu durchbeten.
Ich bin ein großer Freund der kirchlichen Ehelehre und bin der festen Überzeugung, dass sie für die Kirche (wie für die Paare) ein Schatz ist. Wie schön, dass ich in den Armen meiner Frau spüren darf, wie treu Gott zu mir steht. Wie schön, dass sie mich hält und für mich in ihrer Liebe Christi Liebe auch dann erfahrbar ist, wenn es mir schlecht geht und ich zum Gebet nicht in der Lage bin.
Die Frage ist für mich, was wir konkret tun können, damit die Ehe eine spürbare sakramentale Wirklichkeit auch für die Welt bleibt. Welchen Sinn macht eine sauber formulierte Ehelehre, wenn kaum noch einer danach lebt, weil sie als schwer nachvollziehbar und wirklichkeitsfremd erlebt wird. Das Rezept kann aber nicht sein, die sakramentale Dimension der Ehe aufzugeben oder ein Sakrament "light" zu entwickeln, sondern eher den Kern der kirchlichen Lehre von Überkrustungen und Verschlackungen zu befreien.
Heute ist es so, dass die eigentliche Theologie der Ehe und das Evangelium von der Familie in der kirchlichen Diskussion sehr von kirchenjuristischen Definitionen überlagert ist. Die Diskussion um den Ehevollzug, den "Akten", die Eheleuten vorbehalten sind und der Möglichkeit einer Zweitehe als "Josefsehe" müsste hier in den Blick genommen werden. Wir können doch nicht ernsthaft behaupten, dass der Kern des Problems bei der Kommunionzulassung derer, die in zweiter Ehe verheiratetet sind, in dem Aspekt liegt, dass sie miteinander Sex haben. Hier sollten wir uns von überkommenen Vorstellungen lösen und die Ehe und den "Ehevollzug" ganzheitlicher betrachten. Dazu gehört doch mehr als der "Beischlaf" in der Hochzeitsnacht. Mag es im Jahre 1563 noch notwendig gewesen sein, solche Aspekte (kirchenrechtlich und juristisch) klar zu formulieren, so hat sich mit der höheren Wertschätzung der zwischenmenschlichen Liebesbeziehung, wie sie sich in den letzten 100 – 150 Jahren entwickelt hat, die Perspektive doch deutlich verändert. Wie wäre sonst wäre z.B. eine Ehe wie die zwischen Ihnen und Herrn DDr. Bonelli möglich gewesen? Wie sollten wir als Kirche diese "Liebesheiraten" nicht als "Wink des Hl. Geistes" interpretieren, erst recht, wenn wir in der liebevollen Beziehung, ja sogar im geschlechtlichen Miteinander der Eheleute ein Sakrament, ein Ab-Bild der Beziehung Gottes zu den Menschen erkennen.
Ich freue mich, dass die Synode sich in diesen Tagen all diesen Fragen offensichtlich widmen möchte und schließe mich der in der Relatio formulierten Überzeugung an, dass es notwendig ist „das Band zwischen dem Sakrament der Ehe und der Eucharistie in Beziehung zu Kirche und Sakrament theologisch zu vertiefen“. Nur aus einer vertieften und durchbeteten Erkenntnis hierüber kann eine Lösung für die heutigen Probleme entwickelt werden. Das würde auch die berechtigten Bedenken des polnischen Erzbischofs Gadecki aufgreifen: „Unser erstes Ziel sollte es doch sein, die Familienseelsorge zu unterstützen und nicht, sie zu beschädigen, indem wir auf schwierige Situationen eingehen!“
Nein, die Lösung kann natürlich nicht von den „schwierigen Situationen“ her kommen, sondern muss aus dem tieferen Verständnis der Sakramentalität der Ehe heraus gefunden werden. In diesem Zusammenhang sollte auch die Haltung der Kirche zum Gottesgeschenk der menschlichen Sexualität weiter geklärt werden.
Wir sollten uns letztlich die Frage stellen, welchen Sinn eine „saubere“, nur an der Tradition der Kirche orientierte erneute Festschreibung der Lehre hat, wenn diese für das konkrete Leben der Christen nicht mehr relevant ist. Ich halte es für notwendig, eine Sakramententheologie der Ehe (nicht neu zu „erfinden“, sondern sie neu) zu formulieren, die auch für einfache, gläubige Menschen verständlich und spürbar ist und deren Wahrheit in den täglichen Erfahrungen als Verliebte und später auch schon länger verheiratetes Paar konkret spürbar wird.
Es klingt mir in den aktuellen Diskussionen (in den Medien und unter Katholiken) viel zu sehr nach "alles oder nichts". Auf der einen Seite die Verteidiger der "reinen Lehre", auf der anderen Seite – angeblich – die, die diese Lehre aufgeben wollen. Dafür ist ja Kardinal Kasper schon vielfach hart angegangen worden, Ihr Brief stellt da vom Ton her eine angenehme Ausnahme dar. Erzbischof Gänswein hat in diesen Tagen gesagt: „Zulassung der Wiederverheiratung widerspreche dem Willen Jesu“. Wer möchte ihm da widersprechen. Aber es geht ja auch gar nicht um die Zulassung einer sakramentalen Wiederverheiratung sondern um den pastoralen Umgang mit Menschen, die in dieser Situation leben.
Die Polarität die hier aufgerichtet wird, wird der Problemlage aber nicht gerecht. Leider drängt sich der Eindruck auf, dass in der Presse und in publizistischen Aktionen Bischöfe in eine Positionierung gedrängt werden, die der Thematik nicht angemessen ist. Auch der "Kasper – Seite" geht es um die unverfälschte Lehre und den Willen Jesu. Bei Menschen, die in nach katholischer Auffassung ungeordneten Beziehungen leben, geht es ja nicht um Verbrecher und Todsünder in weltlicher Auffassung. Das sollten sie im Umgang der Kirche und der Gemeinden mit ihnen auch spüren. Daher halte ich den Vorschlag Ihres österreichischen Kardinals Schönborn (Gradualität), der auch in der Relatio von Kardinal Erdö seinen Niederschlag gefunden hat, für sehr hilfreich, dass wir anerkennen, dass es auch jenseits der klassischen Ehe Stufen und Schritte des Guten und Wahren gibt. Es mag manchen Kritikern sehr nach „Der Weg ist das Ziel“ klingen, aber es kommt dagegen für uns Katholiken darauf an, am Ziel festzuhalten, ohne dem Pilgerweg jede Bedeutung abzusprechen.
Jetzt ist es doch viel länger geworden als zunächst geplant. Aber nehmen Sie es als Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung.
Mit den besten Wünschen für Ihre junge Ehe, verbunden mit einem herzlichen Gruß an Ihren Ehemann verbleibe ich im Gebet verbunden
Ihr
Markus Gehling
Hoffentlich wird Ihre Gattin nicht eifersüchtig ob dieses schönen und langen Briefes an eine junge und schöne Frau! (Äugsgenkneif) Gruß und Segen an die Familie!
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