Es ist Advent, endlich! Der frisch duftende Adventkranz mit der ersten brennenden Kerze darauf bringt heimelige, vorweihnachtliche Stimmung in unsere Häuser und in unsere Kirchen. Wie schön, wenn man bei Kerzenschein zusammen ist – und nicht auszudenken, wenn diese Geborgenheit jäh zerstört würde. Wie so oft in diesen Tagen, dort wo Terroristen zuschlagen... Erbarmungslos!
Bei uns ist es friedlich – und doch wohnen auch in unseren Herzen manchmal Ärger, Zorn, Neid und Hass... Und doch keimt manchmal der Unfriede, das Unvermögen den Anderen – als Nächsten anzunehmen, die Ungerechtigkeit mitten in uns?
Wenn wir nach „draußen“ schauen, in die Welt um uns herum, dann vergehen allzu heimelige Gefühle. Rundherum gibt es genug Anlass zu Sorge – und Angst.
Da kommen die Lesungen des ersten Adventssonntags wie gerufen! Sie greifen die uralten Ängste der Menschheit auf; Ängste, die uns mit den Menschen der Bibel, mit den Menschen des Mittelalters, mit unseren Groß- und Urgroßeltern verbinden - durch alle Zeiten und Generationen hindurch. Diese Texte wollen die Ur-Ängste der Menschen in eine neue Richtung wenden, sie wollen nicht Ängste schüren, sondern Wege der Hoffnung zeigen.
Sie weisen auf Jesus Christus, der kommen wird, um uns eine gute Zukunft zu eröffnen. Doch spielt das eigentlich noch irgendeine Rolle im Advent, in der (Vor-)weihnachtszeit?
Ich war in den letzten Tagen in einigen Supermärkten und habe mir dort die Adventskalender genau angesehen. Zusammen genommen waren das bestimmt 60 – 70 unterschiedlichste Modelle, mal preiswert für einen Euro, mal gediegen für den Preis eines soliden Weihnachtsgeschenks. Alles geschmückt mit „weihnachtlichen Motiven“. Ich entdeckte darunter aber keinen einzigen Kalender mit einem christlichen Symbol. (Wenn man mal von niedlichen Putten absieht oder irgendwelchen Sternen).
Einmal aufmerksam geworden, erkundete ich das weitere Warenangebot, auch ein großer IKEA – Markt mit riesiger Weihnachtsabteilung war dabei, doch so „weihnachtlich“ viele Märkte geschmückt sind … all das kommt vollständig ohne die Botschaft vom Gottessohn im Stall, in der Hirtenhöhle zu Bethlehem aus. Nicht mal ein einziges, kitschiges Krippenbild, nichts.
Ich fürchte, dass es wohl inzwischen ein Zeichen unserer Zeit ist, dass der Dezember, dass Weihnachten gefeiert werden kann – ohne dass die weihnachtliche Botschaft dabei zitiert oder nur gestreift bzw. visualisiert wird. Und natürlich erst recht nicht die Texte die von einer anderen Welt, von Erlösung, von der Vollendung der Welt berichten. Wir sollten uns nicht wundern, wenn eines Tages der "Weihnachtsmann" zu einer Erlöserfigur wird.
Dabei scheint es im Grunde so, als seien die liturgischen Texte der Adventszeit geradezu für die heutige Zeit geschrieben, in eine Welt hinein, die in Unruhe und Aufruhr ist; wo wir uns immer wieder fragen, wer all die Probleme zu lösen noch in der Lage ist. Nur will diese offenbar kaum noch jemand hören. Das viel zitierte „wir schaffen das...“ meint ja "nur" die Bewältigung einer Flüchtlingskrise und noch lange nicht eine Hoffnung auf die Lösung der weit größeren Krise, deren Symptome der Terrorismus, die Armut und Ungerechtigkeit und die Gefährdung unseres Planeten sind.
Die Weihnachtszeit mit all ihrem Klimbin, kommt einem da manchmal sonderbar vor; wie aus der Wirklichkeit gefallen. Kann das sein, dass man ganz bewusst die Augen verschließt, vor all den Problemen und all der Not? Dass der Advent eine Flucht in eine rosa - glitzende Winterwunderweihnachtswelt darstellt?
Kann das sein, dass der Lichterschein der Kerzen gerade die Not, die Sorgen, das Elend unserer Zeit verschleiern, überstrahlen soll; so wie eine mit lauter Lichterketten beleuchtete Straße, die am hellichten Tag wahrscheinlich ziemlich grau und trostlos aussieht?
Der Papst soll kürzlich sogar davon gesprochen haben, dass die Feier der Weihnacht zur „Scharade“, zum Possenspiel verkommt.
Selbst die familiäre Krippenszene, die in den vergangenen Jahren manchmal zu einem künstlichen Familienidyll aufgebrezelt wurde, hat im Supermarkt keinen Raum mehr. Weihnachten hat als Fest der "heilen" Familie ebenfalls weitgehend ausgedient. Haben Sie in den letzten Jahren noch einmal irgendwo eine Krippe im Regal entdeckt? Allenfalls als „Grippe“ ausgezeichnet im Billigbaumarkt zum Ramschpreis, möglicherweise noch vereinzelt als „Traditionsmotiv“ im Schwibbogen aus dem Erzgebirge. (Die Kurrendesänger haben schon lange ihre Liedtexte verlernt und die Seifener Kirche ist allenfalls noch Kulisse, nicht nur im Schwibbogen). Nein, heute müssen Weihnachts- und Schneemänner, Winteridylle und Rentiere ran; allenfalls noch niedliche Engel könnten dem Eingeweihten, bei etwas Phantasie vom Himmelreich künden, während sie vom Normalverbraucher in die Fächer mit den Feen und Elfen einsortiert werden, Fabelwesen halt!
Ob das alles folgenlos bleibt? Was mag es wohl für unsere Lebenswelt, für unsere Gesellschaft bedeuten, dass die christliche Botschaft sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht - in die Kirchen hinein?
Was bedeutet das, dass auch im Westen drei viertel der Bürger dieser Botschaft nicht mehr folgen und selbst zu Weihnachten keinen Blick mehr hinter diese Kirchentüren tun? Das Weihnachtsfest findet mehrheitlich ohne uns Christen statt.
Weihnachten wird so auf „das Eigentliche“ zugeführt … wird ein Vehikel zur ultimativen Steigerung des Konsums … und da soll nichts Kritisches stören, nichts die Kauflaune bremsen... Weihnachten, ein Teil einer Reihe von modernisierten Konsumfesten, ja im Grunde das Spitzenereignis im Jahr.
Sonderbar, die Texte, die wir am ersten Advent (und auch später) in der Kirche verkündet bekommen, diese Worte waren als Trosttexte gedacht, selbst wenn sie von großem Chaos, von einer Welt in Aufruhr, voller Angst und Unruhe erzählen. Brauchen wir den Trost nicht mehr?
Von „Bestürzung und Ratlosigkeit“ ist dort die Rede - wie wenn es ein Kommentar wäre, zu all dem, was heute morgen wieder in der Zeitung steht.
Im Evangelium lesen wir, wie wir Weihnachten erwarten sollten:
Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Richtet euch auf...
Das würde ich mir wünschen, dass es uns gelingt, aufrecht durch diese Zeit zu gehen, mit Freude auch die schönen, gemütlichen Seiten des Advent zu genießen, aber stets aufrecht zu gehen und dann nicht zu zaudern, sondern all das anzupacken, was sich uns an Problemen stellt. „Wir schaffen das, mit Gottes Hilfe, schaffen wir das...“ Nicht als billige Vertröstung, as politische Floskel, sondern als Ansporn den nächsten Schritt zu gehen, aufrecht!
Richtet euch auf, es gibt keinen Grund sich zu ducken, auch keinen Grund sich weg zu ducken, es gibt keinen Grund, nicht von der Hoffnung zu erzählen, die zumindest als kleine Flamme mitten in unserem Herzen brennt.
Wir Christen sind eingeladen, Weihnachten wieder mehr christlichen Geist einzuhauchen.
Wir Christen dürfen Menschen einzuladen, den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern sich aufzurichten und den Blick auf Christus zu richten...
Auf Christus,
der kommt …
als hilfloses Kind;
der kommt …
als notleidender Mensch,
der kommt …
selbst noch in jedem Menschen, der denkt,
die Kirche und den Glauben braucht keiner mehr.
Der kommt …
selbst wenn die ganze Welt im Dunkel zu versinken scheint.
Am Anfang war es nur,
ein hilfloses Kind in der Krippe.
Am Ende ist es der,
der die Tür des Himmelreiches öffnet
und alles überwindet …
Angst und Sorge
Terror und Krieg
Ungerechtigkeit und Leid,
ja sogar den Tod!
So richtet euch auf und erhebt euer Haupt!
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas:
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen,
und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein
über das Toben und Donnern des Meeres.
Die Menschen werden vor Angst vergehen
in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen;
denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Dann wird man den Menschensohn
mit großer Macht und Herrlichkeit
auf einer Wolke kommen sehen.
Wenn (all) das beginnt,
dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter;
denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in acht,
daß Rausch und Trunkenheit
und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren
und daß jener Tag euch nicht plötzlich überrascht,
so, wie man in eine Falle gerät;
denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit,
damit ihr allem, was geschehen wird,
entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.
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