„Kommunionstreit“, das Wort macht
die Runde und hat das Potential zum katholischen „Unwort“ des
Jahres. Das Wort Kommunion hat seine Wurzeln im griechischen
„Koinonia“ oder im lateinischen Communio, was soviel wie
Gemeinschaft bedeutet. Die beiden Worthälften wollen also so gar
nicht zusammen passen. Ein wirkliches "Paradoxon"!
„Kommunionstreit“ - was ich heute
in Nachrichtenportalen und Diskussionforen lese, das ist wirklich
unterirdisch. Das Argumentationsniveau macht betroffen (in allen Lagern). Selbst
Bischöfe beteiligen sich mit öffentlichen Stellungnahmen und
einige Kommentatoren faseln vom Schisma. Es geht zu, wie bei manchen entgleisten Bundestagsdebatten. Nur war ich bisher der Meinung, dass „wir“ in
der Kirche irgendwie anders sind. Doch wenn man das Trauerspiel genau betrachtet, dann
ist ein großer Teil der Debatte und sind viele Argumente längst
über die eigentliche Thematik und das ursprüngliche Anliegen hinweg
gedriftet. Man möchte seinen Brüdern und Schwestern zurufen: „Nun
reißt euch doch mal zusammen, legt euch ein Schweigegelübde auf und
geht beichten!“ Es ist ja nicht zum Aushalten! Da werden aus
strategischen Gründen Dokumente an die Öffentlichkeit gegeben, die
dafür überhaupt nicht bestimmt waren, die beteiligten und
betroffenen Personen erhalten sie erst später auf offiziellem Wege.
Sicher war es ein „Kardinalfehler“, über das unfertige Dokument
schon in der Öffentlichkeit zu reden, bevor überhaupt ein Text
vorlag. Im Grunde hätte uns die ganze Debatte erspart werden können,
wenn die bischöflichen Kontrahenten etwas geduldiger und etwas
geräuschloser gewesen wären. So begießt man das Pflänzchen
„Kirchenverdrossenheit“, das im Schatten der schon länger
wuchernden „Politikverdrossenheit“ immer größer wird. Aber,
stellen wir uns einmal neben die aufgeregt Streitenden (vom Blogger
bis zum Kardinal) und schauen uns die Sache einmal in Ruhe an.
Eine gemischt konfessionelle Ehe ist
heute eine Selbstverständlichkeit und löst keine Fragen und
Unsicherheiten mehr aus. Manches Paar denkt überhaupt erst kurz vor
der Eheschließung intensiver darüber nach, welcher Konfession der
Andere angehört und was das für die Eheschließung bedeuten könnte.
Umsomehr muss die aktuelle Diskussion unseren Zeitgenossen wie „von
einem anderen Stern“ vorkommen.
Wenn ich darüber nachdenke, so ist
eine konfessionsverschiedene Ehe nicht so selbstverständlich wie es
scheint. Man muss auch nicht weit zurück blicken, um in der eigenen
Biografie interessante Geschichten dazu zu finden. Als meine Tante
einmal ihren neuen Freund meinen Großeltern vorstellte, war deren
Ablehnung groß. Nicht wegen dessen gewaltigen Bartes und seiner
süddeutschen Herkunft, sondern weil er evangelisch war. Der
Nachfolger war zwar auch evangelisch, aber immerhin Lehrer und von
hier...
Vor einigen Monaten musste ich – in
kurzem Abstand - zunächst einen Mann, später seine Frau beerdigen.
Sie, ursprünglich aus einer evangelischen Pfarrersfamlie stammend,
war kurz nach der Trauung konvertiert und hatte in der katholischen
Kirche eine wirkliche Heimat gefunden, wie mir die streng
evangelische, ältere Schwester nach einer Kommunionfeier am
Sterbebett bewegt erzähle, auch welche Hürden zu überwinden waren
und welche Schwierigkeiten der Entschluss der Schwester ausgelöst
hatte.
Das waren alles ernste Fragen, die in
der Vergangenheit auch zu politischen Verwerfungen führten. Der
Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering wurde im Zuge
eines Streits in der Frage der Mischehen am 20. November 1837
festgenommen und in der Festung Minden gesperrt und dort bis zum
April 1839 gefangen gehalten. Bis zu seinem Tode lebte er im Exil,
ohne auf seinen Bischofssitz zurück zu können. Er hatte gegenüber
dem preußischen Staat an der katholischen Haltung festgehalten, dass
die Kinder aus einer Mischehe im katholischen Glauben zu taufen und
zu erziehen seien. Der preußische Staat hielt damals dagegen. In
frommen Traktaten wurde lange vor den Gefahren der Mischehe gewarnt.
Die deutschen Bischöfe bemerkten sogar noch 1958 in einem
Hirtenwort: „Wer vor der Mischehe warnt, stört nicht den
konfessionellen Frieden. [...] Wer vor der Mischehe warnt, hilft vor
Leid und seelischen Konflikten bewahren; er dient dem religiösen
Frieden.“
Praktisch wurde das aber auch damals
schon je nach Pfarrer und Region unterschiedlich gehandhabt. So waren
interkonfessionelle Ehen im Ruhrgebiet weniger problematisch als z.B.
im rein katholischen Münsterland. Prälat Nienhaus aus Lohberg
lehnte beispielsweise Ende der 1940er Jahre den Konversionswunsch
eines evangelischen Ehemannes ab, mit dem Hinweis, dieser wolle doch
nur das evangelische Kirchgeld sparen und solle der Taufe treu
bleiben, zu der ihn seine Eltern bestimmt hätten. Und Albert
Nienhaus war sicher mit jeder Faser seines Lebens ein überzeugter
Katholik.
Den großen Wandel leitete dann das 2.
Vatikanische Konzil ein, das die anderen Konfessionen nicht mehr als
Häretiker und Schismatiker betrachtete sondern sie als getrennte
Brüder oder getrennte Kirchen neu entdeckte und wertschätzte. Dem
folgte auch eine Öffnung mit Blick auf die konfessionsverschiedenen
Ehen. Papst Paul VI. lenkte 1970 in dem Motu proprio „Matrimonia
mixta“ den Blick auf einen interessanten Aspekt dieser
Konfessionsverschiedenheit: „Sie trägt ja in die lebendige Zelle
der Kirche, wie die christliche Familie mit Recht genannt wird, eine
gewisse Spaltung hinein; wegen der Verschiedenheit im religiösen
Bereich wird die treue Erfüllung der Forderungen des Evangeliums
erschwert; das gilt besonders von der Teilnahme am Gottesdienst der
Kirche und von der Erziehung der Kinder.
Aus heutiger Sicht kommt einem all dies
geradezu „mittelalterlich“ vor. So war ein junger Kollege von mir
kürzlich zutiefst verwundert, als er seine standesamtliche
Eheschließung mit seiner evangelischen Frau bei seinem Arbeitgeber
bekannt gab und sofort zu einem Gespräch nach Münster gegeben
wurde, warum er für diese Eheschließung nicht die vorgesehene
bischöfliche Erlaubnis erbeten habe. Aber auch kirchlich eher
ungebundene Paare staunen oft, wenn ihren eröffnet wird, dass es
nach wie vor keine ökumenischen, sondern nur evangelische oder
katholische Trauungen gibt, an denen der jeweils andere Pfarrer
assistierend teilnimmt. Oder dass das Paar gefragt wird, ob es seine
Kinder katholisch taufen und im katholischen Glauben erziehen wolle.
Umso verwunderter wird jetzt mancher
auf die Auseinandersetzung zwischen Bischöfen und unter Katholiken
schauen. Zumal es in der Öffentlichkeit sowieso darum zu gehen
scheint, evangelische Ehepartner generell zur Kommunion zuzulassen,
quasi als ersten Schritt zu einer allgemeinen Interkommunion. Selbst
hochrangige Politiker haben sich im Umfeld des Katholikentages in
diese Richtung geäußert. Und hier liegt sicher ein Grund für die
Schärfe der Diskussion, aber auch für Verletzungen derer, die eine
Lösung für Menschen suchen, die sich wirklich nach voller Teilnahme
an der Communio der Kirche und Gemeinde sehnen.
Denn es geht bei der Handreichung der
deutschen Bischofskonferenz in der Tat nicht um Interkommunion,
sondern in jeder Hinsicht um eine Gewissensentscheidung. Verlangt
wird nämlich, dass der evangelische Partner den katholischen Glauben
teilt und das die Zulassung zur Kommunion die Reaktion auf eine
schwerwiegende geistliche Notlage ist.
Ganz ehrlich, ich erlebe sicherlich
konfessionsverbindende Paare, die am Leben ihrer jeweiligen bzw. am
Leben der evangelischen oder katholischen Gemeinde teilnehmen. Aber
ihre Nichtzulassung zum Kommunionempfang erleben viele sicherlich als
unbefriedigend, ärgerlich, enttäuschend... aber von einer Notlage
würde sicher kaum jemand sprechen. Ich glaube, eine Handreichung,
die solches formuliert, würde von den Betreffenden eher mit
Verwunderung aufgenommen. Und ich wäre auch nicht geneigt, diese
Formulierung aus dem Kirchenrecht (CIC 844 § 4) überhaupt im
Gespräch dem Paar gegenüber zu formulieren. Einzelne evangelische
Ehepartner sind im Grunde in der katholischen Gemeinde und im Glauben
weit tiefer verwurzelt als mancher Katholik. Sie gehen ganz
selbstverständlich (meist nach Gesprächen mit dem Pfarrer) zur
Kommunion, andere tun dies, ohne dass ich um die Hintergründe weiß.
Viele verzichten allerdings auch, ohne darüber mit den Seelsorgern
oder ihrem Ehepartner überhaupt ins Gespräch zu kommen. Es ist zu
einer Gewohnheit geworden, in der Kommunion nicht Teil der Communio
zu sein, de facto aber doch Teil der Gemeinde. Nur wenige kommen zum
Segen nach vorn, wie es aktuell wieder Kardinal Kasper vorgeschlagen
hat. Eine Idee, die man sicher noch mal vertiefen sollte.
Der Wandel der Jahre von 1958 – 2018,
in 60 Jahren, von den „Mischehen“ über die
konfessionsverschiedenen bzw. interkonfessionellen Ehen zur
Konfessionsverbindenden Ehe kann gar nicht groß genug eingeschätzt
werden. So viel Wandel gab es auch theologisch in so kurzer Zeit in
der Kirche wohl selten. Angesichts der Individualität der Menschen,
der Paare, der Religiosität – ist sicher auch nicht jede
interkonfessionelle Ehe auch eine Konfessionsverbindende.
Anders als Papst Paul, der den Aspekt
der Trennung in der „lebendigen Zelle der Kirche, die die Familie
ist“ in den Focus nimmt, entdeckten andere Theologen, unter ihnen
auch Kardinal Kasper in der konfessionsverbindenden Ehe, die ja auch
eine „Kirche im Kleinen“ ist, eine Art „Klebstoff“ der
Konfessionen bzw. eine vorweggenommene Einheit, eine stabile Brücke
zwischen den getrennten Kirchen. Die zunehmende Anzahl
interkonfessioneller Ehen stellt solche ökumenischen Fragen mit
einer gewissen Dringlichkeit.
Als Katholiken schätzen wir die Ehe
hoch. Sie ist für uns das sakramentale Abbild der Liebe, die
Christus mit seiner Kirche verbindet. Die Liebe der Eheleute
zueinander, die Unauflöslichkeit ihrer Verbindung hat
christologische Dimensionen. Das nimmt sie in gewisser Weise schon
hinein in die katholische Communio.
Die theologischen Fragen, die sich
durch die Existenz konfessionsverbindender Paare stellen, sind bis
heute nicht endgültig durchdacht. Aber wenn die Kirche an ihrer
Sicht des katholischen Ehesakramentes festhalten will, muss das auch
Folgen haben für die Communio mit denjenigen Ehepartnern, die (noch)
nicht offiziell zur katholischen Kirche gehören oder sogar sehr
bewußt in ihrer Konfession verbleiben möchten. Sie können uns
nicht gleichgültig sein.
Bischof Feige weist in einem Beitrag
für die ZEIT auf einen Abschnitt aus der Enzyklika „Ecclesia de
eucharistia“ des Hl. Papstes Johannes Paul II. hin, wo es, nachdem
die Möglichkeit der gemeinsamen Gottesdienstfeier ausgeschlossen
wurde, heißt: „Dies gilt nicht für die Spendung der Eucharistie
unter besonderen Umständen und an einzelne Personen, die zu Kirchen
oder kirchlichen Gemeinschaften gehören, die nicht in der vollen
Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. In diesem Fall geht
es nämlich darum, einem schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis
einzelner Gläubiger im Hinblick auf das ewige Heil entgegenzukommen,
nicht aber um die Praxis einer Interkommunion, die nicht möglich
ist, solange die sichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft nicht
vollständig geknüpft sind.“
Das ist ein bedeutsamer Text, der sich
ja offenbar auch auf evangelische Kirchen (kirchliche Gemeinschaften)
bezieht. Bischof Feige bedauert, dass bis heute nicht geklärt wurde,
wen der Papst mit dem „schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis
einzelner Gläubiger“ meint. Diese Formulierung erscheint mir
zumindest stimmiger als die „Notlage“-Regelung der deutschen
Bischofskonferenz und es bleibt zu hoffen, dass die nun anstehende
und von der Glaubenskongregation angekündigte Klärung auf
weltkirchlicher Ebene möglicherweise hier anschließt.
Wenn dies auch zu einer umfassenden
Relectüre der Enzyklika des heiligen Papstes führt, wäre das ja
mehr als wünschenswert, gerade auch in der dort ausgedrückten
Sehnsucht „Doch haben wir den sehnlichen Wunsch, gemeinsam die
Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird schon zu
einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet. Gemeinsam
wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend "mit nur einem
Herzen".
Der Jubel der konservativen Kreise in
der Kirche könnte möglicherweise verfrüht sein, wie Christian
Geyer-Hindemith in der FAZ feststellt: „... dass der sogenannte
Kommunionstreit mitnichten von Rom „entschieden“ wurde, wie es
jetzt heißt. Rom hat entschieden, in der fraglichen theologischen
Sache nicht zu entscheiden, jedenfalls im Augenblick nicht, hat eine
„baldige Klärung“ und diese dann „auf weltkirchlicher Ebene“
in Aussicht gestellt.“
Wie die dann konkret aussieht – das
ist noch einigermaßen offen. Man darf gespannt sein.
Bei manchen Wortmeldungen dieser Tage
hat man doch eher den Eindruck es geht um konfessionellen Kleinkrieg
und in den evangelischen Ehepartnern wird ein Kampf gegen Margot
Käßmann, Johannes Calvin und die evangelische Kirche als
„Vorfeldorganisation der Grünen“ ausgetragen. Den evangelischen
Ehepartnern wird unterstellt, was man an der Haltung der
reformatorischen Kirchen allgemein ablehnt.
Blendet man hier nicht allzu oft bewußt
aus, dass es den Bischöfen nicht um eine Interkommunion durch die
Hintertür ging, sondern um Personen, die den katholischen Glauben
teilen, die ein ernsthaftes, geistliches Verlangen nach der Communio
mit ihrem Ehepartner und der Gemeinde, in der sie sich aufgehoben
fühlen, empfinden? Nach wie vor könnte man eine reformatorische
Ehefrau nicht zur Kommunion zulassen, für die das Abendmahl nur
wenig mehr als eine christliche Agape ist, die im Brechen des Brotes
einen symbolischen Akt sieht, der an das Tun Jesu erinnere. Ohne
einen Grundkonsens im Glauben wird die Teilnahme an der Kommunion
nicht möglich sein. Kardinal Woelki hat die Dimension dieser
Entscheidung in seiner Fronleichnamspredigt ja sehr gut verdeutlicht.
Ob man dazu auch die Verehrung eines jeden von vielen Tausend
Heiligen zur Verpflichtung machen muss, das sei noch mal dahin
gestellt. Ich halte es auch für angemessen von einem solchen
Gläubigen nicht mehr zu verlangen als von einem frommen Katholiken.
Dennoch ist das nicht wenig und alles Andere als ein leichtfertiger
Ausverkauf der Eucharistie. Das Wort Johannes Pauls von einem
„schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis“ könnte da eine gute
Richtschnur sein.
Kardinal Kasper bestätigt diese
Sichtweise ja in seiner aktuellen Stellungnahme: „Zum andern müssen
sie den katholischen Glauben bezüglich der Eucharistie teilen,
sicher nicht in allen theologischen Einzelheiten, sondern in der
Weise wie ihn jeder einigermaßen unterrichtete "normale"
Katholik bekennt. Das ist keine willkürliche Auflage; es ist
vielmehr die gemeinsame katholische und evangelische Überzeugung,
dass die Sakramente ihrem Wesen nach Sakramente des Glaubens sind und
nur im Glauben würdig und fruchtbar empfangen werden können. Schon
der Apostel Paulus mahnt, sich zu prüfen und den Leib des Herrn von
anderer Speise zu unterscheiden; denn wer bedenkenlos vom Altar isst
und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht (1 Kor 11, 27-29).“
„Aber warum wird ein solcher Mensch
dann nicht katholisch?“ - fragt so mancher Kritiker der
„Mehrheitsfraktion“. Dafür mag es gute (aber oft sehr individuelle) Gründe geben, die sich
einer theoretischen Überlegung vermutlich weitgehend einziehen.
Ich weiß auf diese Frage keine bessere
Antwort als die, die ich von Frère Roger aus Taizé kenne: Er
schrieb mit Blick auf seine Großmutter, die eine „innere
Versöhnung“ mit der katholischen Kirche vollzog: „Ihr
Lebenszeugnis prägte mich bereits in jungen Jahren und in ihrer
Folge fand ich meine Identität als Christ darin, in mir den Glauben
meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu
versöhnen, ohne mit irgendjemandem zu brechen.“ Das fasst ganz gut
die Haltung der Communaute von Taizé zusammen, die mich als jungen
Menschen sehr tief beeindruckt hat. Versöhnung - „ohne mit
irgendjemandem zu brechen.“ Dafür hat die Communaute und mit ihr
Frère Roger so manche Anfeindung – auch aus dem evangelischen
Lagern – ertragen müssen. Viele erinnern sich an den Moment, als
Frère Roger aus der Hand des späteren Papstes Benedikt XVI. die Hl.
Kommunion empfing. Der tägliche Kommunionempfang ist für viele der
Brüder, manche auch mit evangelischen Wurzeln, ein Teil ihrer
Identität und ihres Lebensengagements.
Beim europäischen Jugendtreffen 1980
in Rom beschrieb Frère Roger in Gegenwart Papst Johannes Paul II.
seine Haltung mit den Worten: „Ich habe meine Identität als Christ
darin gefunden, in mir selbst den Glauben meiner Herkunft mit dem
Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgend
jemand die Gemeinschaft abzubrechen.“
In einem Interview erklärt Frère
Alois, die Haltung seines Vorgängers so: „Frère Roger hat nicht
abgestritten, dass die Konversion ein Weg für einzelne sein kann;
für ihn und für unsere Communauté zog er es aber vor, von
„Kommunion“ (Gemeinschaft) zu sprechen. Für ihn hat sich der
allmählich vollzogene Eintritt in die volle Gemeinschaft mit der
Katholischen Kirche an zwei Punkten festgemacht, aus denen er nie
einen Hehl machte: Die Eucharistie zu empfangen und die Notwendigkeit
eines Dienstamtes der Einheit anzuerkennen, das der Bischof von Rom
ausübt.“
Auf dieser Basis hat die katholische
Kirche den Brüdern von Taizé die Kommuniongemeinschaft gewährt.
Und dies schrittweise seit etwa 1972.
In diesem Weg sähe ich auch einen
gangbaren Weg für evangelische Christen in einer
konfessionsverbindenden Ehe. Und „billiger“ und „einfacher“
sollte die Communio auch nicht zu haben sein. Nein, es geht nicht um
einen „Keks“ oder eine Oblate, wie Eckart von Hirschhausen und
andere es polemisch in den Debatten des Katholikentages formulierten.
Es geht auch nicht in erster Linie um kirchliche Normen und Regeln.
Auch hierzu äußerte sich Kardinal Kasper in einem Grußwort an die
Weltgemeinschaft der konfessionsverbindenden Eheleute 2003 über den
Schmerz, nicht wechselseitig zur Kommunion zugelassen zu sein:
„Dieser Schmerz kommt aber nicht von den derzeit geltenden Normen,
sondern von der Tatsache, dass die Trennung der Christen bis heute
nicht überwunden ist.“
Durch einen formalen Fehler hat mein
früherer Pastor zwei evangelische Kinder zur Kommunion und zur
Firmung geführt. Als einer davon dann heiraten wollte, stellte sich
heraus, dass er formal noch evangelisch ist. Ein Anruf im Ordinariat
machte schnell klar, dass eine Hinführung zur Kommunion und der
Empfang des Firmsakramentes katholisch macht, auch wenn jemand
evangelisch getauft wurde.
Meine seelsorgliche Erfahrung sagt mir,
dass die Landkarte des Glaubens viel bunter ist als die
konfessionelle Landkarte. Nicht jeder Katholik glaubt alles, was der
Katechismus sagt und macher evangelische Christ bewahrte das übrig
gebliebene Abendmahlsbrot am Liebsten im Tabernakel auf. Viele
Evangelische schätzen und verehren den Papst als Oberhaupt der
Kirche und lassen sich durchaus katholisch-spirituell anregen.
Mancher Protestant ist es nur auf dem Papier und mancher Katholik
ebenso.
Daher braucht es eine Offenheit für
Menschen, die zum Ausdruck bringen, dass die Teilnahme an der Hl.
Kommunion ihnen ein tiefes spirituelles Bedürfnis ist und dass sie
den Glauben der Kirche teilen. Und so vielfältig diese Menschen
sind, so vielfältig könnten auch die Wege sein. Für den ein oder
anderen mag dieser Weg in einer Konversion enden, für andere in
einer Zeit des Wartens, der Vorbereitung, möglicherweise auch eines
Beichtgesprächs. Kann ein Lutheraner eigentlich gültig die Beichte
ablegen?
Es ist traurig, dass der
„Kommunionstreit“ auf diesem Niveau geführt wird. Zunächst
einmal wäre es gut, wenn alle, die nun gegen Kardinal Marx, Kardinal
Kasper und Bischof Feige und ihre Mitstreiter zu Felde ziehen, die
Motivation hinter ihrem Engagement verstehen und achten würden. Und
dann sollte man sich doch eigentlich unter Katholiken problemlos
hierauf einigen können: „Doch haben wir den sehnlichen Wunsch,
gemeinsam die Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird
schon zu einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet.
Gemeinsam wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend "mit
nur einem Herzen".“ Und dazu wird es notwendig sein, im
eigenen Herzen die persönliche Glaubensüberzeugung und Frömmigkeit
mit der wahren katholischen Weite des Glaubens zu versöhnen, ohne
mit irgend jemand die Gemeinschaft abzubrechen. Oder um es angelehnt
an Nostra aetate zu formulieren: „Als Gläubige lehren wir nichts
von alledem ab, was im Glauben des Anderen wahr und heilig ist.“
Aber das zu erkennen ist ein langer, gemeinsamer Weg. Wenn wir uns,
statt mit allen Mitteln der eigenen Wahrheit zum Durchbruch zu
verhelfen (und dabei vor Leaks, Beschuldigungen und Beschimpfungen
der Schwestern und Brüder nicht Halt machen), auf diesen Weg
begeben, dann wird dem (inzwischen schon stattlichen) Pflänzchen der
Kirchenverdrossenheit möglicherweise der Dünger ausgehen.
Hier kommt mir der Prophet Jona in den
Sinn, der anhand einer Rhizinusstaude durch Gott selbst eine
Katechese erlebt, die sich gewaschen hat. Berichtet wird davon im
vierten Kapitel des biblischen Buches.
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