Montag, 11. August 2014

Ist es wirklich der "böse" Islam?

Es war im Jahre 1961, da wurde im Norden Ugandas der Familie Kony ein kleiner Junge geboren. Seine recht armen Eltern trugen ihn vom Dörfchen Odek aus in die nächste katholische Kirche, dort wurde er auf den Namen Joseph getauft. Später war er hier auch Ministrant. Heute ist dieser junge Katholik aus dem Volk der Acholi einer der brutalsten Massenmörder des Planeten. Er hält sich selbst für auserwählt „Korruption, Sünde und unmoralischer Denkweise“ zu bekämpfen. 1987 übernahm er von seiner Tante die Führung einer Rebellengruppe und nannte diese fortan Lord's Resistance Army (LRA). Er machte daraus ein Heer, dessen jüngste Soldaten sieben Jahre alt sind. Seit vielen Jahren entführt die Gruppe Kinder in ihre Lager im Busch, man schätzt deren Zahl auf 11. bis 20.000. Kinder, so meint Rebellenführer Kony, sind die besten Soldaten. Sie sind leichter zu beeinflussen und besser zu motivieren als Erwachsene. Nach gründlicher "Ausbildung" werden sie zu furchtlosen, fürchterlichen Kämpfern. Wenn man den religiös motivierten Terrorchef reden hört, fühlt man sich an die Sprüche erinnert, die wir in diesen Tagen auch von islamistischen Kämpfern aus Syrien und dem Irak hören müssen. 

Den Kindersoldaten wurde manchmal nach einem Gewaltmarsch durch den Dschungel befohlen, die eigenen Geschwister zu töten. Manchmal ließ man sie auch in ihre Dörfer zurückkehren und zwang sie, dort die eigene Verwandtschaft zu massakrieren und damit ihre vertraute Heimat auszulöschen. Die Verbrechen dieses Mannes und seiner „Armee“ kann man kaum angemessen beschreiben. Es ist einfach fürchterlich!

Natürlich hat das alles nichts mit Katholizismus oder Christentum zu tun, auch wenn Kony katholisch getauft wurde. Er hat sich längst von seiner Kirche entfernt und nutzt nur noch einige - angeblich christliche – Bausteine, um die eigene wirre Ideologie zu begründen. Selbst hält er sich an nichts, die Gruppe plündert, mordet, vergewaltigt und zerstört - Menschen, Dörfer, Landschaften. „Der Zweck heiligt die Mittel!“ Ab und an berichtete mir mein Freund L. aus Uganda von diesen Greueltaten, z.B. davon, dass im Norden Ugandas die Kinder nicht mehr in den Dörfern schlafen, sondern in den Städten und bei der Kirche Schutz suchen. Er bat mich aber, nichts davon im Internet zu veröffentlichen, weil er selbst Angst vor der Rache dieser Bestien in Menschengestalt hat.

Was würden Sie wohl antworten, wenn ihr Nachbar Sie morgen früh darauf anspricht, wie Sie es verantworten können, einer Religion zu folgen, die solche Mörder hervorbringt? Eine solche Frage erscheint uns kaum vorstellbar, und jede(r) würde eine Mitverantwortung des eigenen Glaubens dafür weit von sich weisen. 
Kein Wunder, dass auch Muslime sich ungern die Untaten der Islamisten vorhalten lassen. In den letzten Tagen liest man im Internet beständig Forderungen wie die des Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer (CSU). Die muslimischen Verbände in Deutschland mögen doch die Verfolgung von Christen als Unrecht benennen. Ja, als was denn sonst? Und entsprechend haben sich die Islamverbände immer wieder geäußert, so auch jetzt. Im Grunde ist es doch eine Selbstverständlichkeit; welcher denkende und fühlende Mensch könnte solche Gräueltaten in irgendeiner Weise rechtfertigen? Bemerkenswert fand ich in diesem Zusammenhang die Worte von Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland in der Süddeutschen Zeitung vom 6. August 2014: „Ich stelle mir heute schon die Fragen, die unsere Kinder und Enkel mir stellen werden, die mich und uns eines Tages dafür attackieren, dass wir vor den Katastrophen und Eskalationen im Nahen Osten - und damit meine ich nicht nur den israelisch-palästinensischen Konflikt - die Augen verschließen. ... Man wird über die Schande von Gaza, von Syrien, vom Irak, von Afghanistan und den vielen nicht die Schlagzeilen erreichenden Orten sprechen. Von der Unterdrückung, der Demütigung und dem vollständigen Versagen der Weltgemeinschaft, der Muslime im Speziellen, diesen Schandtaten Einhalt zu gebieten, wird noch in Hunderten Jahren die Rede sein. ...
Ich habe die seit Jahren gleichen Gesänge auf Konferenzen, Tagungen und anderen Treffen satt, in denen nicht selten Judentum mit Israel gleichgesetzt, Juden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit beleidigt werden und dieses Verhalten je nach Couleur mal patriotisch, mal pseudoreligiös unterlegt wird. ... 
Selbstmordattentate, Terroranschläge und Massenexekutionen sind Folge der Perversionen der Religionen. Sie haben alle denselben Ursprung in der Handlungsmaxime, dass jeder Zweck die Mittel heiligt. Während die Welt übrigens die Hunderten Toten in Gaza zu Recht beklagt, haben in Syrien Terrorgruppen in nur zwei Tagen mehr als 700 Menschen ins Jenseits befördert. Die kriminelle IS-Bande brandschatzt und mordet im Irak, der Wiege der Menschheit, und hat nach 1600 Jahren die christlichen Iraker aus Mossul fast vollständig vertrieben.
...Einer solchen - ja, man muss es sagen - faschistoiden Politik müssen wir alle, die die abrahamitischen und zivilisatorischen Werte hochhalten, eine eindeutige Absage erteilen. ... Zombies werden auf diese Weise produziert, ... die zum Himmel schreiendes Unrecht begehen, die skrupellos, terroristisch, gewalttätig und grenzenlos grausam sind. Unsere Welt ist in ein großes Ungleichgewicht geraten, und wir Muslime mittendrin.
Wo bleibt unser Aufschrei, ein Aufschrei gegen diese Schande? Wo ist der Aufruf zum demütigen Gebet, dass unser Schöpfer unsere Menschlichkeit erhalten möge? Wo ist die Bereitschaft, dass wir uns angesichts dieser Grausamkeiten ehrlich machen, damit die Würde des Menschengeschlechtes radikal und kompromisslos verteidigt werden kann?“
Diese Worte eines führenden Vertreters der hiesigen Muslime lassen doch keine Wünsche offen, oder? Ähnliche Äußerungen habe ich in den letzten Tagen immer wieder von Muslimen gehört.

Auch scheint es zunehmend „in“ zu sein, wechselnden Personengruppen „Untätigkeit“ und „Apathie“ mit Blick auf die Leiden der von den Terroristen eines selbsternannten Islamischen Staates Verfolgten und Ermordeten vorzuwerfen. Aber teilen nicht die, die so fragen, mit uns die Ratlosigkeit, was denn nun zu tun ist? Sollen wir unverzüglich die Bundeswehr in den Kampf schicken, nach den Erfahrungen der letzten Jahre mit militärischen Interventionen in Irak, Afghanistan und Libyen? Sollen wir alle in Ketten legen, von denen wir vermuten, dass sie der salafistischen Interpretation des Islam anhängen?

In diesen Tagen werde ich in den sozialen Netzwerken immer wieder mit grausamen Fotos und Videos von unbeschreiblichen Gewalttaten konfrontiert. Da zur Zeit keine Reporter Zutritt zu den Krisengebieten haben (nicht einmal der Sohn eines Freundes, der oft in Syrien war, fließend arabisch spricht und auch so aussehen kann, traut sich derzeit dorthin), müssen die schlimmsten Bilder von den Gräueltaten der Anhänger eines sogenannten „Islamischen Staates“ zumeist von diesen Leuten selbst stammen. Sie verbreiten sie, um Angst und Schrecken zu vervielfachen. Die IS-Terroristen stellen sich selbst als unbesiegbar dar, als Kämpfer, die weder Angst vor dem Tod noch den Tod selbst kennen. Wenn wir bei deren Verbreitung mitmachen (auch wenn wir damit auf das Leiden der Unterdrückten, Gefolterten und Gemordeten aufmerksam machen wollen) helfen wir ihnen dabei, ihre bestialische Saat im Westen auszusäen und – so widerlich es klingt – auch hier Anhänger zu gewinnen. Wir sollten daher damit vorsichtig und zurückhaltend sein! FAZ-Reporter Christoph Erhardt schreibt treffend: „Es ist eine Inszenierung des Terrors, die so perfide ist wie perfekt. Die Propagandaabteilung des Islamischen Staates verkauft verirrten und verführten Jugendlichen den neuen, coolen Dschihad. Und allen anderen den blanken Horror, die stete Bedrohung. Man erschauert und möchte den Blick abwenden. Aber das geht nicht.“ Im Grunde reichte die Beschreibung dessen, was geschieht aus, um unser Mitgefühl zu wecken - ohne dass sich Bilder in unser Herz fressen müssen. Denn das Ziel der extremen Islamisten ist es ja, die Gesellschaften im Westen zu erschüttern und so viel Angst und Unfrieden zu säen, wie nur irgend möglich. So werden auch hier friedliche gesinnte Christen, Muslime, Jesiden und wer auch sonst noch alles gegeneinander in Stellung gebracht. Zumindest aber wird eine Saat des Misstrauens und des Unfriedens ausgesät. 

Gerade der Krieg der Medien, den z.B. die Hamas führt, zeigt überdeutlich, wie gefährlich die Waffe Bild und Film geworden ist. Ich habe mir einige Filme bei facebook angeschaut und war nicht nur über die Bilder erschüttert, sondern auch über den Hass, der kübelweise und unverblümt mal über Israel, mal über die Palästinenser ausgeschüttet wurde. Man braucht schon einen dicken emotionalen Panzer, um das überhaupt zu lesen und zu sehen. Ich bin sicher, mancher Hamas–Stratege freut sich über jedes tote und verletzte Kind (sofern es Bild- und Filmmaterial davon gibt). Auch werden in diesen Konflikten Bilder verändert, gestellt, gestaltet, so dass sie der eigenen Sache dienen. Selbstverständlich ist es der blanke Horror, was mit vielen palästinensischen Zivilisten geschieht. Ich würde mir daher wünschen, dass Israel noch mehr bedenkt, wie wichtig heute solche Bilder sind und dass ein Krieg nicht nur militärisch gewonnen, sondern gleichzeitig auch moralisch verloren werden kann.

Auf „christlicher“ Seite tummeln sich ebenfalls allerhand Aktivisten, manchmal vernetzt mit ultrarechten Kreisen, die – ausgestattet mit obskuren Koranübersetzungen oder Sammlungen von bedenklichen Koranversen – Verschwörungstheorien über den Islam und seine Anhänger entwerfen, und von der Unterwanderung der westlichen Gesellschaften durch Muslime fabilieren, die – auch wenn sie zunächst liberal eingestellt seien – sich nach und nach radikalisieren ließen. Inzwischen werden solche Verschwörungstheorien auch gern mit Bildchen aus der ISIS – Datenbank verknüpft und wieder und wieder durch die sozialen Netzwerke gejagt. 
Ich mag sie nicht mehr lesen, die Aufzählungen der wirklichen und vermeintlichen Gewaltverse aus dem Koran und die Vorwürfe ein „Islamversteher“ zu sein, wenn man zu Vernunft und Differenzierung aufruft. Auch im Alten Testament kann ich zahlreiche Verse aus dem Zusammenhang entnehmen und finde Stellen, wo Gott zur Vernichtung ganzer Völker aufruft. Ich frage mich, was diese Leute erreichen wollen, die die gesamte Religion des Islam in Bausch und Bogen verdammen. Auf unserer Welt leben heute ca. 1,57 Milliarden Muslime! Was wollen diese Leute, erwarten sie ernsthaft, dass sie alle sich zum Christentum bekehren lassen? Wollen sie die Abschottung der ursprünglich „christlichen Länder“ gegenüber Muslimen oder gar selbst in den Heiligen Krieg gegen diese angeblich „falsche“ Religion? Es gibt doch überhaupt keine Alternative zum Miteinander und zum Dialog, was nicht bedeutet, menschenfeindliche Praktiken oder irregeleitete Fanatiker in irgendeiner Weise zu tolerieren oder auch nur zu dulden.  

Der Terrorkrieg in Syrien und Irak rückt uns auf die Pelle, nicht nur, weil die IS – Terroristen uns die Bilder über soziale Netzwerke und Internetseiten direkt ins Haus liefern, sondern auch, weil Menschen von hier unter den schwarzen Fahnen des „Kalifats“ kämpfen. Eine fünfköpfige Gruppe die aus Dinslaken (wo ich bis vor einigen Jahren gewohnt habe) in den angeblichen Dschihad zog, bestand aus drei türkischstämmigen und zwei deutschstämmigen Muslimen. Wenigstens zwei von ihnen ließen ihre Familien unversorgt zurück, einer der Deutschen sprengte sich als Selbstmordattentäter in die Luft und riss 21 Kurden mit in den Tod. Wie kann es sein, dass die radikalislamischen Kämpfer in Syrien oder im Irak hierzulande Anhänger anwerben können? Selbst gute Bekannte dieser Leute sind absolut ratlos, wie das passieren konnte. 

Zumeist (aber nicht nur) kommen die Kämpfer aus salafistischen Gruppen. Es ist hier nicht der Platz, um den Salafismus in all seinen Spielarten darstellen können, aber die wahhabitische Religionsschule (in Saudi-Arabien eine Art Staatsraison) stellt sicher den ideologischen Unterbau der IS-Leute dar. Hieraus haben einige Protagonisten ein sehr einfaches, stringentes und strenges Islamverständnis „gezimmert“, das sich wenig um eine aufgeklärte Religion kümmert. Die Anhänger dieser Gruppierungen hierzulande werden gern als „gescheiterte Existenzen“, Außenseiter, stille Typen geschildert. Da kommt es darauf an, die Augen offen zu halten und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken. Es ist wichtig, dass solche Ideologien (das gilt ja ähnlich auch für christliche Sekten, gewalttätige und kriminelle Gruppen, Neonazis etc. etc.) keine Schwachstellen bei diesen Menschen finden, wo sie mit ihrer Gedankenwelt und ihrer Zuwendung andocken können. Solche Menschen sollten unsere Aufmerksamkeit haben und unsere Nähe spüren. Auch der familiäre Zusammenhalt über die Kernfamilie hinaus ist bestimmt wichtig und hilfreich. Jeder Mensch muss spüren, dass er gewollt, gebraucht und geliebt ist. Das immunisiert sicher am Besten gegen Prediger wie Pierre Vogel. Und was noch hilft: profundes Wissen über den eigenen Glauben. Man sollte auch gegenhalten können, wenn solche Gestalten die eigene Gläubigkeit durch den Kakao ziehen und sich von allzu viel Wortgeklingel und allzu klaren Überzeugungen nicht kirre machen lassen. Wenn ein solcher salafistischer Vogel mir einige Bibelverse um die Ohren haut sollte mich das nicht irritieren. Der hat halt vier oder fünf Verse und eine Argumentation dazu auswendig gelernt. Wenn ich ihm auf offener Bühne nicht kontern kann ... dann sollte ich die Bibel aufschlagen und werde bald merken, dass er sein Wissen aus dem Internet zieht und dass Gottes Wort viel umfassender ist.

Ganz ähnlich ist es mit dem Koran; wenn ein 25jähriger Prediger den ganzen Glauben zu kennen vorgibt und nicht ehrfürchtig einsieht, dass er nur ein ganz klein wenig vom weisen Ratschluss Allahs erkannt hat, dann ist er ein Scharlatan – und mag sein Bart noch so lang und dunkel, sein Gewand noch so arabisch und seine Überzeugung noch so fest erscheinen. Mir kommt die Augustinus-Geschichte in den Sinn: „Augustinus geht am Meer spazieren. Er begegnet einem Kind, das mit einer Muschel Wasser schöpft. Der alte Heilige fragt: Was machst Du da? Das Kind: Ich schöpfe das Meer aus! Darauf Augustinus zu sich selbst: Eigentlich klingt das völlig illusorisch, ja töricht, aber nichts anderes tue ich auch, wenn ich versuche, über Gott nachzudenken.“ Oder anders gesagt, wer zeitlebens auf der Suche nach Gott bleibt, der wird auch nicht in Versuchung kommen, seinen Nächsten mit seinem Gottesbild zu erschlagen. Papst Franziskus sagt dazu: „Um den Dialog mit dem Islam zu führen, ist eine entsprechende Bildung der Gesprächspartner unerlässlich, nicht nur damit sie fest und froh in ihrer eigenen Identität verwurzelt sind, sondern auch um fähig zu sein, die Werte der anderen anzuerkennen, die Sorgen zu verstehen, die ihren Forderungen zugrunde liegen, und die gemeinsamen Überzeugungen ans Licht zu bringen.“ (Evangelii gaudium)

Osama bin Laden wäre hochzufrieden, wenn er sehen könnte, was sich seit seinen Anschlägen auf die Zwillingstürme des World Trade Center in der Welt alles zum Schlechteren verändert hat. Ganze Länder und Regionen, die im Namen der Terrorbekämpfung in Schutt und Asche gelegt wurden; und dabei ist nicht nur die Infrastruktur draufgegangen, sondern auch die Strukturen des friedlichen Zusammenlebens der Menschen; selbst aus dem „arabischen Frühling“ ist ein menschenfressendes Monster geworden. So viele bewaffnete Konflikte in aller Welt. Die Opfer: in der großen Mehrzahl sind es: die Muslime selbst, vor allem Zivilisten. Das Misstrauen in der globalisierten Welt ist beständig gewachsen. Friedliche, gut integrierte Muslime müssen sich für ihren Glauben rechtfertigen und werden in die Terrorecke gestellt. Gut, dass Osama sich darüber nicht mehr freuen kann, denn – so schrieb es einer meiner facebook-Freunde etwas flapsig: „Wenn die Gotteskrieger wüssten, dass sie keineswegs im Paradies mit netten Jungfrauen, sondern in der Hölle mit pädosexuellen Mördern landen, würden sie vielleicht umdenken. Sagt ihnen aber keiner ihrer Hassprediger.“

Es macht heute wenig Sinn zu ergründen, wer alles dazu beigetragen hat, dass solche Terrorgruppen wachsen und kämpfen konnten. Bei IS sind ja Saudi Arabien und Katar, aber auch Israel und sein Mossad und die Amerikaner im Gespräch. Wichtig wäre, wenn allen Mächten auf dieser Welt klarer würde, dass die Gleichung: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ meist nicht aufgeht. Jemand, der menschenfeindlich denkt kann nie mein Freund sein und sollte es auch nie werden. Irgendwann kehrt sich dessen Menschenfeindlichkeit auch gegen mich. Die IS ist nicht einfach so aufgetaucht aus dem Nichts, sondern hat sich über Jahre zu einer schlagkräftigen Bewegung entwickelt. Insgesamt sind die islamistischen Terrorgruppen eine Folge von hundert Jahren Unterdrückung durch wechselnde Besatzer und Potentaten, was sich nun (zumindest bei den Terrorgruppen) in einer Mischung aus Hass und Mordlust entlädt, wobei keiner von ihnen zu bemerken scheint, dass sie die vermeintlich bessere, saubere, unbefleckte neue Herrschaft schon mit furchtbarem Unrecht beginnen. Hoffentlich gehen allen, die unter der hundertjährigen Unterdrückung leiden mussten aufgrund dieser Ereignisse die Augen auf und sie finden sich alle zusammen, um diesen „Geist“ wieder in die Flasche zurückzudrängen und einen wirklichen Neuanfang möglich zu machen.

Hier sollten die muslimischen Autoritäten entschieden die Friedenskräfte stärken (viele tun es ja auch schon – von uns im Westen weitgehend unbemerkt) und im Namen der Religion eindeutig Position gegen islamistischen Terror und Gewalt beziehen. Die Zersplitterung der Religionsschulen darf dabei keine Rolle spielen, die Religionsgelehrten sollten mit einer Stimme sprechen, auch wenn es im Islam – anders als im Christentum – zumeist keine religiöse „Obrigkeit“ gibt. Das ist aus verschiedenen Gründen sicher nicht immer einfach für die betreffenden Personen, behaupten manche Kämpfer doch ausdrücklich, gegen Unrecht in Vergangenheit und Gegenwart zu kämpfen und für den „Sieg“ des Glaubens zu streiten. Aber ihre Taten offenbaren doch deutlicher als manchmal ihre Worte, dass ihre Triebfedern weniger Gottes Wort als Hass und Mordlust; Gewalt- und Machtphantasien sind. 

Ich plädiere sehr dafür, die Augen offen zu halten und differenziert wahrzunehmen was ist und was geschieht. Auch unter deutschen Muslimen gibt es etliche, die problematisch denken und manche, die problematisch handeln. Aber ich bin auch gegen jegliche Panikmache. Man muss genau hinschauen und genau unterscheiden. Nicht die frommen Muslime sind unser Problem. Wenn ich über 10 Salafisten klage, dann darf ich nicht so tun als gäbe es die 4.000 guten Staatsbürger nicht, die Tag für Tag treu ihren Pflichten als Arbeitnehmer, Unternehmer, Bürger, Väter, Mütter... nachkommen. Sie dürfen für die Gewalttäter und für die Verbrecher nicht in Mithaftung genommen werden. Im Gegenteil! Wir sollten uns mit ihnen zusammentun und ihnen zeigen, dass wir ihre Leistung und ihre Religiosität schätzen und diese Erwartung gegenseitiger Wertschätzung auch an sie artikulieren. Wir sollten die offenen und integrationsbereiten Gruppen, Vereine und Moscheen unterstützen – und die, die sich etwas zuschulden kommen lassen - auch entsprechend bestrafen oder beschränken. Das ist ein schwieriger und langer Weg. Aber wir werden ihn gehen müssen, denn das Rad der Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen. Als Christen sollten wir nicht ignorieren, dass auch Schwestern und Brüder von uns in der Vergangenheit durch Gewalt und Intoleranz Schuld auf sich geladen haben. In Deutschland und in der Welt werden wir Christen mit den muslimischen Gläubigen zusammen leben müssen. Je mehr das im Miteinander gelingt, desto besser für alle.

„Angesichts der Zwischenfälle eines gewalttätigen Fundamentalismus muss die Zuneigung zu den authentischen Anhängern des Islam uns dazu führen, gehässige Verallgemeinerungen zu vermeiden, denn der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Koran stehen jeder Gewalt entgegen.” (Papst Franziskus in Evangelii gaudium).
Mögen wir alle diesen Worten des Hl. Vaters folgen.