Samstag, 30. März 2013

Selbst die Bienen künden von der Auferstehung Christi!

In dieser Nacht, der Nacht, in der Jesus Christus von den Toten auferweckt wurde besingt der Priester (oder Diakon) die Osterkerze und das Licht der Auferstehung, das von ihr ausgeht mit folgenden Worten: 
„In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater,
nimm an das Abendopfer unseres Lobes,
nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe!
Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet,
wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche
durch die Hand ihrer Diener.
So ist nun das Lob dieser kostbaren Kerze erklungen,
die entzündet wurde am lodernden Feuer zum Ruhme des Höchsten.
Wenn auch ihr Licht sich in die Runde verteilt hat,
so verlor es doch nichts von der Kraft seines Glanzes.
Denn die Flamme wird genährt vom schmelzenden Wachs,
das der Fleiß der Bienen für diese Kerze bereitet hat.“
Als Hobbyimker bin ich vielleicht etwas zu sensibel, aber es hat mich immer gestört, dass hier (zumindest weitgehend) die Unwahrheit besungen wird. Ich meine das natürlich nicht in dem Sinne, als wolle ich die Realität der Auferstehung Jesu und das leere Grab leugnen, sondern mit Blick auf ein „keines“ Detail. 
Die Osterkerzen sind heute nicht mehr aus Bienenwachs, sondern zu mindestens 90 Prozent aus künstlichem Wachs, also aus Paraffin oder Ceresin bzw. aus den pflanzlichen Wachsen Stearin und Raps. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass der Gesang des Exsultet viel älter ist als die moderne Kerzenherstellung. Aber sollte man nun – um der höheren Wahrhaftigkeit willen – das Exsultet ändern? Natürlich nicht! Aber es lohnt es sich, einmal bei diesen alten Worten (teilweise aus dem 4./5. Jahrhundert) zu verweilen. 
Fast alle Katholiken sehen in der Osternachtsmesse die zentrale Feier unseres Glaubens. Trotz des späten Beginns ist die Kirche immer voll und der feierliche Einzug des neuen Osterlichtes in die dunkle Kirche und die Erfahrung, wie sich das Osterlicht in der Kirche ausbreitet gehört zu den bedeutsamsten und stimmungsvollsten Momenten des Kirchenjahres. Sie berühren das Herz und bereiten der Botschaft von der Auferstehung den Weg. 
Während des ganzen Jahres hat die Osterkerze in Liturgie und Kirchenraum eine herausgehobene Stellung. Bei einer Taufe spendet sie ihr Licht der Taufkerze des Täuflings als Symbol, dass das Licht Christi diesem Kind stets leuchten möge. Bei einer Trauerfeier steht die Kerze am Sarg und symbolisiert das „ewige Licht“, das dem Verstorbenen leuchten möge. Es lohnt sich also, einige Gedanken auf diese Kerze, dieses zentrale Glaubenssymbol zu „verschwenden“. 
Wenn im Exsultet die Rede vom Bienenwachs ist, dann geht es auch nicht nur um das Material, aus dem die Kerze letztlich hergestellt wird, sondern um die besondere Symbolik, die die Gläubigen des alten und neuen Testamentes und in der Frühzeit der Kirche mit dem Wachs, dem Bienenvolk und dem Honig verbunden haben. 
Der Brauch, an Ostern eine besondere Kerze anzuzünden, ist sehr alt. Der Gebrauch einer Osterkerze als Symbol für Christus ist erstmals im Jahre 384 in einem Brief des hl. Hieronymus bezeugt. In dem reinen "Leib" der Kerze aus teurem, gebleichtem Bienenwachs sah man ein Sinnbild für die menschliche Natur Christi oder für seinen verklärten Leib nach der Auferstehung, während man die Flamme als Zeichen seiner göttlichen Natur auffasste. Die Verwandlung von (scheinbar totem) Wachs in ein lebendiges Licht ist ein Gleichnis für die Hoffnung auf die Auferstehung. 
Die Kerzen wurden aus flüssigem Wachs gezogen. Spätestens Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Chr. waren Wachskerzen so weit entwickelt, dass sie auch in geschlossenen Räumen verwendet werden konnten, ohne durch Rußen und unangenehmen Geruch lästig zu werden. (Beim Abendmahl haben wahrscheinlich noch Öllichte den Abendmahlssaal erhellt.)
Das Material, aus dem die Kerze besteht, wird im Osterlob besonders gewürdigt. Wachs galt als sehr kostbar, weil es mit mühevoller Arbeit verbunden und weil es der fleißigen und „jungfräulichen“ Biene zu verdanken war. Zum Bienenwachs gab es jahrhundertelang keine Alternative. Fast jedes Kloster hatte eine Imkerei, nicht (nur) wegen des köstlichen Honigs (der ja über Jahrhunderte auch das einzige Süßungsmittel war), sondern mehr noch, damit genügend Wachs für die in der Liturgie verwendeten Kerzen produziert werden konnte. Bis heute prägt das Wissen der Ordensleute die Imkerei. Sehr bekannt ist der inzwischen verstorben Bruder Adam (Kehrle) aus der englischen Benediktiner-Abtei Buckfast. Im 19. Jahrhundert standen auch in zahlreichen Pfarrgärten Bienenvölker und zahlreiche Fachbücher dieser Zeit stammen aus der Feder von Priestern und Ordensmännern. 
Kein Wunder, dass auch die Bienen selbst religiöse Bedeutung bekamen. Das Bienenvolk galt als Symbol für den lebendigen Organismus der Kirche selbst. In älteren Varianten des Exsultet wird diese Symbolik noch weit ausführlicher entfaltet. Auf den bemalten Exsultet – Rollen, aus denen gesungen wurde sind uns interessante Bilder von Bienen und Bienenstöcken überliefert. Der Bienenstock ist für die Dichter des feierlichen Lobgesangs auf Christus (im Bild der Osterkerze) ein Symbol für die Kirche überhaupt. Leider fliegen heute nicht alle so fleißig und zuverlässig in die Kirche wie die Bienen in einen Bienenstock. Durch ihren sprichwörtlichen Fleiß ist die Biene in vielen Kulturen ein Bild für ein funktionierendes, geordnetes Gemeinwesen. Im Bienenstock wie in der Gemeinde, hat jede(r) eine Aufgabe, die ihn oder sie erfüllt, und so wie Christus die Kirche lenkt und leitet und am Leben erhält, so tut dies bei den Bienen die Königin. Die „Jungfräulichkeit“ der Bienen wurde ebenfalls hoch geschätzt und als Bild der jungfräulichen Gottesmutter gedeutet, allerdings hatte man bis dahin noch nicht erkannt, dass auch im Bienenvolk Männchen, die Drohnen leben. Der Patron der Imker, der Hl. Ambrosius von Mailand schreibt dazu: „Seht zu, dass eure Arbeit der eines Bienenstocks ähnelt, denn eure Reinheit und eure Keuschheit sollen mit den arbeitsamen, bescheidenen und enthaltsamen Bienen verglichen werden. Die Biene ernährt sich von Tau, kennt keine sinnlichen Laster und bringt kostbaren Honig hervor. Der Tau einer Jungfrau ist das Wort Gottes selbst; er sinkt wie der Tau der Bienen wohltätig und rein vom Himmel herab.“
Die Hochschätzung des Bienenwachses hat sich in der Kirche ebenfalls erhalten, denn den Kirchenkerzen wird noch immer ein gewisser, symbolischer Anteil an Bienenwachs beigemischt. Die Hochschätzung der Biene hat dazu geführt, dass sie als eines der wenigen Tiere in den offiziellen kirchlichen Gebeten namentlich erwähnt wird. 
Die Osterkerze steht mit der Exodus-Erzählung in Verbindung, die ebenfalls im Exsultet besungen wird. „Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat.“ Wie das Volk Israel damals durch die Wüste und durch das Rote Meer hindurchgezogen ist, indem es der Feuersäule folgte, so ziehen jetzt die Christen in der Osternacht in die Kirche ein und folgen der brennenden Flamme der Kerze. Im brennenden Dornbusch hatte sich Gott einige Zeit zuvor dem Mose in der Wüste geoffenbart. Früher war es Brauch, den Funken zur Entzündung des Osterfeuers aus einem Stein zu schlagen. So war schon dieser Funke ein Hinweis auf Christus, der aus dem Dunkel seines Felsengrabes als Auferstandener hervorgetreten ist. Christus sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wandelt nicht im Dunklen, sondern er wird das Licht des Lebens haben.“ Diese Worte und Berichte der Bibel werden in der Osternacht lebendig. 
Aber kommen wir zur Osterkerze aus reinem Bienenwachs zurück. Als Kind habe ich einige Male einen Imker beim Kerzenziehen beobachten können und war fasziniert von dieser Arbeit. Noch heute habe ich den herrlichen Duft in der Nase. So eine Kerze war – unabhängig vom Preis – etwas sehr Kostbares. Sie ist das Endprodukt eines längeren Arbeitsprozesses, großer Erfahrung und hoher Wertschätzung für den Werkstoff „Bienenwachs“. 
Nach dem Tod meines Vaters habe ich sein Hobby, die Imkerei „geerbt“. Am Ende der „Saison“ fallen immer Wachs- und Wabenreste an, die ich über Jahre eingeschmolzen und gesammelt habe. Ich hatte immer den Traum, daraus einmal eine Osterkerze entstehen zu lassen. In Deutschland gibt es heute – meines Wissens – nur einen Handwerker, der in der Lage ist, eine große Osterkerze aus reinem Bienenwachs zu ziehen. Das ist Bruder Clemens aus der niederbayrischen Benediktinerabtei Schweiklberg. Aber das ist vom Niederrhein aus gesehen weit weg und bei ihm kann man nicht einfach eine Kerze bestellen, weil er nur begrenzte Kapazitäten hat. Durch einen glücklichen Umstand konnte mein Traum wahr werden, denn ich lernte in der Abtei Mariendonk am Niederrhein die Benediktinerin Sr. Clara Vasseur kennen. Sie zeichnet für manche künstlerische Projekte der Abtei verantwortlich, arbeitet unter anderem an Paramenten und gestaltet Kerzen. Wir kamen miteinander ins Gespräch und es zeigte sich, dass sie eine Expertin für die Geschichte der Osterkerze ist und mit Bruder Clemens eng zusammenarbeitet. So konnte ich meinen Bienenwachs bei ihr abgeben. Sie schickte das Wachs mehrerer Imker nach Schweiklberg, wo Bruder Clemens es klärt und bleicht und dann daraus die Kerzen zieht. In der Abtei Mariendonk wurde die Kerze mit den klassischen österlichen Symbolen und einem besonderen Kreuz aus der Tradition der iroschottischen Mönche geschmückt. Die Symbolkraft der Osterkerze wird verstärkt durch den Brauch, das Kreuz Christi darauf anzubringen und dazu das Alpha und das Omega, den ersten und den letzten Buchstaben des griechischen Alphabetes; in Erinnerung an das Jesuswort: „Ich bin ... der Anfang und das Ende“. Schließlich schreibt man auf die Kerze auch die jeweilige Jahreszahl, um deutlich zu machen, dass wir Christen in dieser Welt leben, dass wir nicht auf eine (glorreiche) Vergangenheit starren und auch nicht nur auf eine bessere Zukunft hoffen, sondern die Dinge jetzt und heute in die Hand nehmen, dass wir anpacken und unsere Welt aus christlichem Geist gestalten.
Die fertige reine Bienenwachskerze ist etwa ein Meter lang und 7 kg schwer. In der Osternacht wird sie dem ewigen, göttlichen Licht, Christus dienen. Da Bienenwachs als Rohstoff etwa 10 € / kg kostet und auch der Arbeitsaufwand nicht gering ist, ist verständlich, warum das kostbare Bienenwachs immer weniger in Kirchenkerzen zum Einsatz kommt. Aber angesichts der herausragenden Bedeutung der österlichen Kerze wäre durchaus zu überlegen, ob nicht zumindest diese eine Kerze in unseren Gemeinden ganz nach den beeindruckenden Worten des Exsultet gestaltet werden könnte. 
Die Schlussverse des Osterlobes nehmen noch einmal den lieblichen Duft der Kerze in den Blick und deuten ihn auf Gott hin. „Darum bitten wir dich, o Herr. Geweiht zum Ruhm deines Namens, leuchte die Kerze fort, um in dieser Nacht das Dunkel zu vertreiben. Nimm sie an als lieblich duftendes Opfer, vermähle ihr Licht mit den Lichtern am Himmel.“ Das große Loblied des Exsultet endet mit dem Wunsch, die Osterkerze möge leuchten, „bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht...“.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern von Herzen ein frohes und gesegnetes Osterfest. 

Freitag, 15. März 2013

Franziskus, Papst der Armen!


ANNUNTIO VOBIS – GAUDIUM MAGNUM – HABEMUS PAPAM. Ich hatte noch den Klang der Worte von 2005 im Ohr und im Geist, als ich sie vor zwei Tagen erneut hörte, aus dem Mund des – von seiner Parkinson-Erkrankung gezeichneten – französischen Kardinalprotodiakons Jean-Louis Tauran. Es berührte sehr, ihn dort zu sehen und aus seinem Mund zu hören, dass Jorge Mario Bergoglio als Papst den Namen Franziskus führen sollte. 
Natürlich war ich überrascht, wie alle, denn sein Name war zwar kurz nach der Ankündigung des Amtsverzichts durch Benedikt XVI. genannt worden, dann aber hinter Namen wie Scola, Scherer, Quellet wieder verschwunden. Mit 76 Jahren erschien er vielen Beobachtern schlicht „zu alt“. Selbst Andreas Englisch lag mit seinen – im Brustton der Überzeugung vorgetragenen - Prognosen voll daneben, befand sich aber dabei in „guter Gesellschaft“. Niemand konnte für sich in Anspruch nehmen, nach dem Konklave von 2005 auf den Erzbischof der argentinischen Hauptstadt gesetzt zu haben.
Nun hieß es für die Medien schnell Informationen herbei zu schaffen und neben manchem Wissenswerten gab es auch reichlich Spekulationen und Fehlinformationen. Je länger ich das aufgeregte Mediengetue und die Diskussionen um den Papst und seine Agenda beobachte, desto mehr drängt es mich zu schweigen und für ihn und seinen Vorgänger zu beten. Warten wir ab, welche Akzente er setzt und wie er sein Amt ausfüllt. 
Ob er mir gefällt oder nicht; ob ich ihn nun sympathisch finde oder nicht, ob er traditionstreu genug ist oder es in der Vergangenheit war, all das spielt keine Rolle. Er ist Petrus und auf diesem Felsen wird Gott seine Kirche bauen, durch den Papst und mit seinen Stärken und trotz seiner Schwächen. Franziskus ist jetzt unser Papst und ihm schulden wir Gefolgschaft, Gehorsam und Gebet. 
Ich habe mich gefreut, heute in der der morgendlichen Messe erstmals seinen Namen zu hören (im Grunde ja erstmals in der zweitausendjährigen Geschichte des Papsttums). 
Ich freue mich über die Schlichtheit und Einfachheit seiner ersten Auftritte. Es irritiert mich aber, dass seine „Bescheidenheit“ so viel gelobt wird und dass diese Tatsache allüberall hervorgehoben wird. Jorge Maria Bergoglio lebt, (man wird wohl sagen müssen, lebte) so wie viele Menschen heute auch, er zahlt seine Rechnungen selbst (sogar noch als Papst), kocht offensichtlich auch mal aus Dosen, wohnt in einem recht einfachen Hotel in Rom, wohnt in einem kleinen Appartement in Buonos Aires und nicht in einem Palais, reist mit öffentlichen Verkehrsmitteln, geht einfach so spazieren. Irritierend ist, dass manche hierzulande meinen, ein Bischof müsse im Luxus leben, wie einer der oberen zehntausend. Aber das ist außerhalb der "Ersten Welt" den meisten Bischöfen gar nicht möglich. Diese Bescheidenheit, als gläubiger Christ "einfach" zu leben, im Einklang mit der Schöpfung und den eigenen Überfluss mit den Anderen und den Armen zu teilen, das muss doch der biblische Normalzustand sein. Nur dann macht Bescheidenheit Sinn, wenn sie die Lebensweise Jesu Christi reflektiert. Es hat mich schmunzeln lassen, dass Erzbischof Zollitsch in seiner Stellungnahme zur Wahl des neuen Papstes nicht umhin kam, beinahe entschuldigend vom „Termindruck“ zu sprechen, der ihn als Bischof quasi in die Limousine zwänge. Der Karikaturist Thomas Plassmann reagierte darauf mit einer – wie immer – treffenden Karikatur. 
Kardinal Meisner führt (im domradio-Interview) den Gedanken in die Tiefe: „Er ist kein Hungerkünstler der Liebe, sondern ein Mann der Fülle Gottes. Da braucht man keine äußere Fülle, da kann man sehr bescheiden leben. Das sieht ihm also ähnlich, dass er sich Franziskus nennt.“
Der „SPIEGEL“ und manche andere Medien brauchten nur wenige Stunden um vom „Begeisterungsmodus“ in den „Kritikmodus“ zu wechseln. Hauptpunkte der Kritik: „Auch dieser Papst ist katholisch!“ und seine Rolle in der Zeit der Militärdikatur (1976-1983) in Argentinien. Im Grunde lässt sich das auf die Frage zuspitzen: „Hat der Provinzial der Jesuiten, damals Jorge Mario Bergoglio, genug getan, um seine Mitbrüder aus dem Gefängnis zu befreien?“ Die waren fünf Monate lang unter schlimmen Umständen in Haft. Einer von ihnen, Pater Franz Jalics SJ hat heute dazu Stellung genommen und gesagt: „Ich kann keine Stellung zur Rolle von P. Bergoglio in diesen Vorgängen nehmen. Nach unserer Befreiung habe ich Argentinien verlassen. Erst Jahre später hatten wir die Gelegenheit mit P. Bergoglio, der inzwischen zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt worden war, die Geschehnisse zu besprechen. Danach haben wir gemeinsam öffentlich Messe gefeiert und wir haben uns feierlich umarmt. Ich bin mit den Geschehnissen versöhnt und betrachte sie meinerseits als abgeschlossen. Ich wünsche Papst Franziskus Gottes reichen Segen für sein Amt.“ Wer vermag zu beurteilen, ob ein Mensch unter dem Druck einer unmenschlichen Diktatur immer „genug“ gegen die Machthaber getan hat? Und es stellt sich auch die Frage, ob ein Bischof, der ein durchaus offenes Wort gegenüber den Mächtigen der hohen Politik und der Wirtschaft wagt, nicht mit Spekulationen über „seine Vergangenheit“ diskreditiert werden sollte. So kann eine laute Stimme für die Armen auch zum Schweigen gebracht werden, manchem Mächtigen mag es nutzen. Aber, das Wort vom „Kardinal der Armen“ ist sicher nicht vom Himmel gefallen und auch keiner gezielten Imagekampagne zu verdanken.
Zu Beginn des Konklaves fragte mich die Rheinische Post, was ich vom neuen Papst erwarte. Ich habe geantwortet: „Zunächst einmal, dass er ein Mensch ist, der die Theologie und das theologische Denken im Blut hat, wie es bei Benedikt XVI. der Fall war. ... 
Ich wünsche mir, dass es ihm gelingt, den Menschen zu vermitteln, dass die kirchliche Lehre und Haltung dem Wohl der Menschen dienen soll und nicht im Einhalten überkommener, verstaubter Überzeugungen besteht. 
Dass er den Glauben an Gott in den Mittelpunkt seiner Verkündigung stellt und dafür sorgt, dass alles in der Kirche eindeutig auf Jesus ausgerichtet wird.
Ich wünsche mir, dass er die innerkirchlichen Polarisierungen zwischen Traditionalisten und Liberalen überwinden hilft und die lebendige Mitte der Kirche stärkt. 
Dass er sich aus seiner globalen Verantwortung heraus deutlich für Frieden, Gerechtigkeit und gegen Armut und Gewalt engagiert und dabei im Dialog mit anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam neue Impulse setzt.
Vielleicht wäre es ein schönes Zeichen, wenn der neue Papst aus dem wirtschaftlich ärmeren Süden, z.B. aus Lateinamerika kommt. 
Dass er die innerkirchlichen Konfliktthemen engagiert anpackt und auf der Basis des Evangeliums einer Lösung oder Befriedung zuführt. 
Dass er in den Katholiken in aller Welt die Freude am Glauben wieder zu wecken vermag. 
Dass er Demut und Bescheidenheit vermittelt und dazu das manchmal höfische Gepräge im Vatikanstaat entschieden reformiert. 
Vor allem mit Blick auf den Missbrauchsskandal wäre mir wichtig, dass er es versteht Fehler und Defizite, Sünden der Kirche nicht fromm zu bemänteln, sondern offen zu legen und zu verbessern.“ 
Wenn ich das heute wieder lese, habe ich das Vertrauen, dass ich mit meinen Hoffnungen nicht ganz daneben gelegen habe. Doch, noch ist Franziskus für uns alle ein Fremder. Wie er denken könnte, erschließt sich vielleicht einem Zitat, das bei Facebook die Runde machte und das ich beachtlich finde: 
„Wenn wir rausgehen auf die Straße, dann können Unfälle passieren. Aber wenn sich die Kirche nicht öffnet, nicht rausgeht, und sich nur um sich selbst schert, wird sie alt. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Kirche, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht und einer Kirche, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen.“
Das klingt nicht nach einfachen Lösungen vordergründig „wichtiger“ Fragen im reichen Westen, sondern nach einer Hinführung auf das Eigentliche der Kirche: Gebet, Gottesdienst, Verkündigung und Hilfe für die Armen und Unterdrückten. 
Anrührend war, was Kardinal Meisner noch zu sagen hatte: „Der arme Mann, jeder Augenschlag und jede Handbewegung wird jetzt registriert, der kann doch jetzt gar nicht die Seele baumeln lassen und mal in den Himmel gucken, ohne dass er dabei fotografiert wird. Das ist schon eine Last, dass man so eine öffentliche Person wird. Auch innerhalb der Kirche. Da muss er sich sicherlich erst noch dran gewöhnen. Ich habe im Konklave mit ihm im Gästehaus auf dem gleichen Flur gewohnt. Das war ganz normal und jetzt, wo er Papst geworden ist, stehen zwei Schweizer Gardisten vor der Türe.“
Ich hoffe sehr, dass es ihm gelingt, mit seiner eigenen Persönlichkeit ein Stück Entweltlichung in der Kirche möglich zu machen, dass er dem Vatikan so prägt, wie er auch seinen ersten Auftritt geprägt hat: Den Menschen zugewandt, einladend zum Gebet für sich und andere, ein Segen für die Stadt und die Welt, engagiert für Brüderlichkeit, gemeinsam mit den Bischöfen der ganzen Welt und allen Menschen guten Willens auf dem Weg, dem kommenden Christus entgegen. 
Nachdem die Kardinäle Papst Franziskus die Treue versprochen haben, hat er zu jedem ein persönliches Wort gesprochen. Zu Kardinal Meisner auf deutsch: „Herr Kardinal, beten Sie für mich, ich brauche das Gebet sehr.“ Kardinal Meisner hat ihm dann gesagt: „Sie können sich auf mich verlassen, ich werde Ihnen die gleiche Zuneigung und Solidarität entgegenbringen, wie Ihrem Vorgänger.“ Damit ist eigentlich alles gesagt!

Beten wir für den Hl. Vater, Papst Franziskus.
Für den Nachfolger des Apostels Petrus, unseren Papst Franziskus: 
Erfülle ihn mit Weisheit und Mut. Hilf ihm, die Wahrheit des Evangeliums zu bezeugen und den Glauben im Volk Gottes lebendig zu halten. 

Für das Kollegium der Bischöfe, in dem Papst Franziskus seinen Petrusdienst versieht: 
Stärke die Verbundenheit unter den Nachfolgern der Apostel, 
damit sie die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums deuten 
und gute Entscheidungen treffen für den Weg der Kirche in die Zukunft. 

Für Christinnen und Christen in aller Welt, 
die vom neuen Papst Wegweisung und Orientierung erhoffen: 
Stärke unseren Glauben an deine Nähe. Festige unsere Hoffnung auf deine Treue. 
Erneuere in uns den Geist der Liebe. 

Für die Schwestern und Brüder im Erzbistum Buenos Aires, 
die ihren Bischof verloren, aber der Weltkirche einen Hirten geschenkt haben, 
und für die Kirche in ganz Lateinamerika: 
Um Mut und Zuversicht, die Armut und Ungerechtigkeit durch Solidarität im Glauben zu überwinden. 

Für die Schwestern und Brüder in den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften: 
Heile die Wunden, die durch menschliche Schuld gerissen wurden, 
und hilf Papst Franziskus, der Einheit aller Christen zu dienen. 

Für alle, die unter der Friedlosigkeit unserer Tage leiden. 
Sie vertrauen darauf, dass unser Papst vor aller Welt seine Stimme erhebt: 
Ermutige sie durch das Wort und tatkräftige Beispiel vieler Menschen. 

Herr, wir glauben und bekennen voll Zuversicht, 
dass du deiner Kirche Dauer verheißen hast, solange die Welt besteht. 
Darum haben wir keine Sorge und Angst um den Bestand und die Wohlfahrt deiner Kirche. 
Wir wissen nicht, was ihr zum Heile ist. 
Wir legen die Zukunft ganz in deine Hände und fürchten nichts, 
so drohend bisweilen die Dinge auch scheinen mögen. 
Nur um das eine bitten wir dich innig: Gib deinem Diener und Stellvertreter, dem Heiligen Vater Papst Franziskus, wahre Weisheit, Mut und Kraft. Gib ihm den Trost deiner Gnade in diesem Leben und im künftigen die Krone der Unsterblichkeit. Amen.