Offensichtlich war die Skepsis gegenüber diesem Ereignis auch diesmal recht groß. Nicht nur, dass zahlreiche kirchen-kritische Geister während der einen Monat dauernden Wallfahrtszeit kritische Aktionen starten oder sich ablehnend zu Wort meldeten, auch in den Voerder Gemeinden war die Resonanz eher zurückhaltend. So machten sich letztlich 24 Gemeindemitglieder aus St. Peter, St. Maria und St. Elisabeth am Samstag, 21.4.2012 in aller Frühe auf den Weg. Unter ihnen auch Pastoralreferent Markus Gehling, Pastoralassistent Torsten Ferge und Schwester Margoretta. Schon um 5.30 Uhr startete der Bus an der Elisabethkirche und sammelte an den verschiedenen Kirchen die Pilger ein. Vermutlich hatte auch der nachtschlafende Beginn einige Interessenten abgehalten.
Nach vier Stunden hatten wir Trier erreicht und wurden direkt von einer freundlichen Pilgerbegleiterin in Empfang genommen, die uns – als ortsunkundige – in die Innenstadt führte.
Pünktlich vor Beginn der Pilgermesse erreichten wir die Stadtpfarrkirche St. Gangolf, wo der Spiritual des Münchener Priesterseminars, Dr. Andreas Schmidt, ein junger Priester der Gemeinschaft Emmanuel, mit uns die Hl. Messe feierte. Ein sehr guter Chor aus Sängerinnen und Sängern aus vielen Ländern begleitete den Gottesdienst musikalisch. Nach dem eucharistischen Segen reihten wir uns in die lange Schlange von Pilgern ein, die trotz Kälte und Regen auf Einlass in den Trierer Dom warteten. Die wunderbare, romanische Fassade des Domes zog die Pilger in den Bann. Unter der Kirchturmuhr stand in goldenen Lettern die Inschrift: „nescitis qua hora dominus veniet“ (Ihr wisst nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird). Der Stadtführer, der uns am Nachmittag führte wußte davon zu erzählen, dass diese Inschrift ein Zeugnis eines frommen Wettstreits zwischen den Bürgern der Stadt und dem damaligen Bischof darstellt, so wie er manche Anekdote dieser Art zum Besten gab. Diese Haltung führte dazu, dass die Trierer Christen die Kirchtürme ungewöhnlich hoch in den Himmel wachsen ließen.
So standen wir – geschützt von Regenschirmen – in einer Schlange mit vielen Christen aus dem Bistum Trier und aus ganz Deutschland und Europa und erwarteten eine Begegnung mit Jesus Christus, auf den sein ungeteiltes Gewand im Trierer Dom verweist.
Ob der Heilige Rock als Textil echt ist oder nicht - für die katholische Kirche ist das nicht entscheidend. Er sei ein Christuszeichen, sagt Bischof Ackermann. "Wer anlässlich der Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier kommt", so der Bischof, "pilgert zu Jesus Christus." Das war schon 1996 so. Die damalige Wallfahrt stand denn auch unter dem Motto "Mit Jesus Christus auf dem Weg". Der damalige Leiter der Pilgerfahrt hieß Felix Genn. Heute ist er, der Priester des Bistums Trier der Bischof des Bistums Münster. Schritt für Schritt näherten wir uns langsam dieser besonderen Reliquie, die nur sehr selten sichtbar ausgestellt wird.
Es war eine gute Gelegenheit, den wunderbaren Innenraum des Doms zu betrachten, der trotz der unterschiedlichsten Baustile und Bauepochen einen beeindruckenden Gesamteindruck bot. Die Orgelbauer der Firma Klais hatten 1974 eine herrliche Schwalbennestorgel eingebaut, die den Pilgern immer wieder kleine Eindrücke ihrer musikalischen Möglichkeiten vermittelte. Für eine kurze Weile konnte man dann am eliptischen Schrein verweilen und das Gewand betrachten.
Auch wenn es uralt wirkte, so ist doch das eigentliche, antike Kleid nicht zu sehen. Die römische Kaiserin-Mutter Helena hatte es zwischen den Jahren 320 und 329 nach Trier gebracht. Bis zum Jahr 1512 waren die antiken Stoffreste nie öffentlich gezeigt worden, sondern in Altären und Schreinen verborgen geblieben. Als der deutsche Kaiser Maximilian I. den Trierer Erzbischof Richard von Greifenklau bedrängte, ihm das Gewand zu zeigen. Das sprach sich bald herum und so verlangten die Gläubigen ebenfalls dieses Erinnerungstück an Jesus Christus zu sehen. Zunächst wurde es nun jährlich gezeigt. Im Verlauf der Geschichte wurden die öffentlichen Ausstellungen immer seltener und das schon sehr in Mitleidenschaft gezogene Textil erhielt eine Hülle aus kostbaren Seidenstoffen. Diese Hülle ist auch das, was man heute sehen kann. Die antiken original – Textilien befinden sich unsichtbar zwischen einigen Lagen späterer Stoffe. Erhalten ist die äußere Form des antiken Rockes Christi.
In Martin Luther fanden diese ersten Hl. - Rock – Wallfahrten einen entschiedenen Kritiker. Sicher wollten die katholischen Autoritäten mit den Wallfahrten damals auch dem Wittenberger Reformator die Grenzen seiner rhetorischen Macht aufzeigen. Vermutete dieser damals einen katholischen Schwindel so hat die wissenschaftliche Forschung bis heute nicht belegen können, dass der Hl. Rock wirklich auf Jesus selbst zurückgeht. Recht gut belegt ist aber die Schenkung durch Kaiserin Helena. Was aber wirklich zwischen den Jahren 33 und 320 mit dem Gewand Jesu geschehen ist, darüber wissen wir nicht mehr als in der Bibel steht: „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.“ (Joh 19,23-24)
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