Mittwoch, 12. Februar 2020

Überraschung! Der Papst ist katholisch!

Seit heute Mittag um zwölf sind die „Papst- und kirchentreuen Katholiken“ wieder ein Stück versöhnter mit dem amtierenden Papst. Manchmal hatte man ja in den vergangenen Wochen das Gefühl, am Liebsten wäre es Manchem gewesen, dass ein wieder wunderbar verjüngter und gestärkter Papst Benedikt XVI. das Ruder des Kirchenschiffs wieder in seine Hände genommen hätte.

Und jetzt! Überraschung! Der Papst ist katholisch! Wer hätte das gedacht!?

Jetzt hat Papst Franziskus getan, was sie alle nicht zu hoffen wagten. Erst kürzlich noch hatten Internetforen vermeldet, der Papst habe den einschlägigen Abschnitt des Abschlussdokuments der Amazonas-Synode beinahe 1:1 in seine apostolische Exhortation übernommen. Der Zölibat sei in höchster Gefahr, der Großangriff auf das sakramentale Priestertum stünde bevor. Es wurde sogar behauptet, einige Bischöfe hätten genau dies schon bestätigt. Kardinal Sarah wurde nicht müde, den Papst vor diesen Sündenfall zu warnen und sein Brandbuch gegen diese Gefahr zu bewerben.

Und nun war alle Aufregung umsonst! (Vermutlich werden das einige Leute noch als ihren Erfolg verkaufen.) Auf jeden Fall hat Papst Franziskus in seinem heute erschienenen apostolischen Schreiben Querida Amazonia, seiner Antwort auf die Amazonas-Synode vom Oktober 2019, keine Sonderregelungen für die leichtere Weihe verheirateter bewährter Männer eingeführt und auch kein neues Diakoninnenamt in dieser Region. Nicht im Text und nicht einmal in einer Fußnote.

Gleichzeitig sind wohl manche Freude der Kirchenreformen tief enttäuscht. Hatten sie doch auf eben dies gehofft. Prof. Schüller spricht schon von der Reformunfähigkeit der kath. Kirche. Bedauern allenthalben, auch am Rande des synodalen Wegs.

Ich bedauere, dass ich nicht schon vor Wochen mutig nach Wettpartnern gesucht habe. Ich hätte die Wetten gewonnen. Denn mich wundert das überhaupt nicht. Bei der Amazonas-Synode hatte ich aus mancherlei Gesprächen und Interviews herausgehört, dass die Synode der Öffentlichkeit nicht die Synode in den Mauern des Vatikan war. Bischof Bahlmann sagte mir im Oktober, das die ganzen heißen Eisen in der Presse auf der Synode nur Randthemen waren, egal ob Zölibat, Priesterinnen (sowieso nicht) oder gar eine angebliche amazonische Pachamama-Verehrung. Bis heute geben gewisse Kreise einem jungen Vandalen ein Forum, der einige Holzfiguren aus einer Kirche entwendet und in den Tiber geworfen hatte. Ohne überhaupt ein ausgewiesener Kenner der Kultur des Amazonas zu sein, erklärte er die Holzfigürchen öffentlich zu Götzen und ermächtigte sich selbst, diesen „Götzendienst“ zu beenden. Erst in dieser Woche durfte er noch seine kleine Weltsicht in einem Café in Herzogenrath zum Besten geben. Auch für ihn hält Querida Amazonia ein Bonbon bereit.

Jetzt ist der Jubel laut und verbindet sich gleich mit lautstarker Häme all jenen gegenüber, die auf schnelle Reformen in der Kirche gehofft hatten. Jetzt habe der Synodale Weg einen Dämpfer erhalten und man verstünde nun, dass Kardinal Marx sich als erste Ratte von diesem sinkenden Schiff davon gemacht habe. Der synodale Weg könne nun beendet werden, seine Ziele könnten die Reformer mit dem Synodalen Weg nicht mehr erreichen.

Auch hier zeigt sich, wie sehr interessierte Kreise den Synodalen Weg, der ja noch ganz am Anfang steht, mit ihren eigenen, teilweise irrealen Ängsten aufgeladen haben.

Ich teile nicht die Hoffnung mancher Leute, dass unsere Kirche schlicht durch die Aufhebung des Zölibats und die Weihe von Frauen in klassische Kirchenämter reformiert werden kann. (Da ich aufgrund einer vorherigen Formulierung angefragt wurde (weil es klang als wäre das quasi eine Mindestforderung) habe ich das etwas umformuliert. Den Satz würde ich auch so vertreten, wenn der Papst "Viri probati" und Diakoninnen tatsächlich eingeführt hätte. Ich streite persönlich nicht dafür, bin skeptisch, ob es die Kirche weiter bringt und die Probleme löst. Aber ich kann mir verheiratete Priester vorstellen (kenne sogar welche), bin etwas skeptisch, wie das umzusetzen wäre und bin durchaus offen für ein (grundlegend reformiertes) Diakonat der Frau.) Ich habe in meinen Blog-Beiträgen oft darüber geschrieben, dass ich glaube, dass jenseits der ganz heißen Eisen in der konkreten Gestalt der Kirche reichlich Reform und Verbesserungsbedarf besteht. Da kann man noch eine Menge machen, um eine ärmere, glaubwürdigere, anziehendere Kirche zu gestalten.
Und Vorsicht, mögen einige katholisch-Konservative in einer erschütternd kurz blickenden Perspektive auch heute noch jubeln (aufgrund der Schlagzeilen), die Piusbruderschaft z.B. wird „not amused sein“, aufgrund vieler – aus ihrer Sicht - sehr spezieller Inhalte des Schreibens.

Papst Franziskus wäre nicht klug gewesen, das vielschichtige, bunte Papst-Schreiben derart in den Schatten dieser „heißen Eisen“ zu stellen. Ich habe „Geliebtes Amazonien“ vorhin einmal flugs quer gelesen. Da steckt noch eine Menge drin! Zunächst einmal fällt die poetische Sprache auf und die darin eingestreuten Gedichte. Dann widmet sich der Papst ausführlich der Kultur, den sozialen, politischen und ökologischen Problemen der Region. Er fordert sehr deutlich eine weit tiefgehendere Inkulturation der Kirche in der Region. Ein Mahnruf, der auch weit darüber hinaus Gültigkeit besitzt und auch in Frankfurt gehört werden sollte. In diesem Zusammenhang läßt aufmerken, dass das Schreiben auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurde.

Papst Franziskus stutzt einer Aufladung des priesterlichen Amtes mit überbordender Macht- und Entscheidungsgewalt deutlich die Flügel und definiert noch einmal mit wünschenswerter Klarheit, was der Priester ist und was ihn ausmacht. Das empfehle ich allen zur vertieften Lektüre. Mit größter Selbstverständlichkeit beschreibt er die Rolle der Katechisten als Gemeindeleiter und Gemeindeleiterinnen. 

„Eine Kirche mit amazonischen Gesichtszügen erfordert die stabile Präsenz reifer und mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteter Laien-Gemeindeleiter, die die Sprachen, Kulturen, geistlichen Erfahrungen sowie die Lebensweise der jeweiligen Gegend kennen und zugleich Raum lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät. ... Dies setzt in der Kirche die Fähigkeit voraus, der Kühnheit des Geistes Raum zu geben sowie vertrauensvoll und konkret die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist.“ Und weiter vorn: „Die Laien können das Wort verkünden, unterrichten, ihre Gemeinschaften organisieren, einige Sakramente feiern, verschiedene Ausdrucksformen für die Volksfrömmigkeit entwickeln und die vielfältigen Gaben, die der Geist über sie ausgießt, entfalten.“

Papst Franziskus spricht auch über die Rolle der Priester in einer Kirche, die von großem Priestermangel geprägt ist. Nur er kann der Eucharistie vorstehen: „Das ist sein spezifischer, vorrangiger und nicht delegierbarer Auftrag. Einige meinen, dass das, was den Priester auszeichnet, die Macht ist, die Tatsache, dass er die höchste Autorität innerhalb der Gemeinschaft ist. Aber der heilige Johannes Paul II. erklärte, dass, obwohl das Priestertum als „hierarchisch“ betrachtet wird, dieser Dienst keine Überordnung gegenüber den anderen bedeutet, sondern dass »sie völlig auf die Heiligkeit der Glieder des mystischen Leibes Christi ausgerichtet ist«. Wenn gesagt wird, dass der Priester „Christus das Haupt“ darstellt, dann bedeutet das vor allem, dass Christus die Quelle der Gnade ist: Er ist das Haupt der Kirche, denn er hat »die Kraft, allen Gliedern der Kirche Gnade einzuflößen«.“

Franziskus betont den engen inneren Zusammenhang zwischen der Eucharistie und dem Sakrament der Versöhnung und eröffnet weite Räume für eine Kirchenstruktur, die auf dem Engagement, dem Zeugnis und der Leitung durch Laien, Männer wie Frauen aufbaut. Laien können in ihrer Funktion der Gemeindeleitung mit den Gläubigen Sakramente feiern, predigen, Wortgottesfeiern halten. So zeigt der Papst der Kirche gangbare Wege, um trotz des Priestermangels mitten unter den Menschen am Amazonas präsent zu sein. Der Papst wünscht sich mehr Diakone in der Pastoral und stärkt auch dieses Amt, das in vielen Weltregionen als ständiges Diakonat noch immer nicht im Sinne des 2. Vatikanums umgesetzt ist.

Sicherlich werden seine Worte zu den unterschiedlichen Rollen und Aufgaben von Männern und Frauen viel diskutiert werden. Anders als in mancher Diskussion in Europa hält der Papst an der Unterschiedlichkeit der Geschlechter fest und betont dabei die Mütterlichkeit. Er denkt dabei aber nicht an Über- und Unterordnung, Frauen und Männer sind absolut gleichberechtigt. Manches können Frauen besser, anderes die Männer. Franziskus hält daher fest: „Das bedeutet auch, dass Frauen einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften haben, ohne dabei jedoch ihren eigenen weiblichen Stil aufzugeben.“ 

An diesem Punkt will ich Bischof Overbeck zitieren, der heute wie folgt (in der FR) Stellung nimmt: „Im Vergleich mit der Situation, in der die Kirche vor 40, 50 Jahren war, ist das Papst-Schreiben fraglos ein Fortschritt. Solch einen Text hätte es noch vor zehn Jahren nicht gegeben, und das freie Reden über die Probleme unserer Kirche auch nicht. In der gegenwärtigen Situation der Kirche bin ich immer schon froh, wenn Türen nicht zugeschlagen werden. Das täten bestimmte Gruppierungen – übrigens auch in der Gesellschaft – gern, um vermeintlich für Klarheit zu sorgen.“

Einen „amazonischen Ritus“ scheint der Hl. Vater nicht zu befürworten, er sagt aber deutlich, dass vielfältige Symbole, Riten und Bräuche, Musik und Tanz in die Liturgie aufgenommen werden können. Auch scheint er die unsägliche Pachamama-Diskussion zu streifen, indem er deutlich macht, dass die Kirche indigene Symbole aufgreifen kann ohne das dies in irgendeiner Weise Götzendienst sei. "Ein Mythos von spirituellem Sinngehalt kann aufgegriffen und muss nicht immer als heidnischer Irrtum angesehen werden." Auch empfiehlt er das Studium der Geschichten und Mythen der indigenen Völker, die ihrerseits auch die Bibel studieren.

Es wäre wirklich schade gewesen, wenn die vielen wichtigen Äußerungen des Papstes aus Lateinamerika einfach in einer aufgeregten Diskussion um Viri probati oder den Frauendiakonat verschwunden wären.

Diese Diskussion bleibt übrigens auf der Agenda. Denn so sehr betont wird, dass der Papst sich dazu nicht geäußert hat, so sehr sollten wir auch aufmerksam sein für die Tatsache, dass der Papst sich dazu eben nicht geäußert hat. Er hat gar nichts dazu geschrieben. Wohl hat er argumentiert, warum das Priesteramt ein Amt für Männer in der Kirche sei, aber er hat auch mit großer Wertschätzung über das Engagement der Frauen gesprochen. Ich glaube, es wäre auch nicht angemessen, angesichts der schwierigen Diskussion über die Gestalt des priesterlichen Amtes und der Bedeutung und Ausgestaltung des Diakonen bzw. Diakoninnenamtes ausgerechnet für Amazonien dieses quasi „ad experimentum“ einzuführen als Priesteramt light oder Diakoninnenamt light. Auch sollte man nicht übersehen, dass der Papst dazu einlädt, das Schlußdokument der Synode parallel zu seinem apostolischen Schreiben zu lesen, ja das er diese offenbar als Teil von Querida Amazonia selbst betrachtet. Hier ist zumindest keine Tür ganz geschlossen worden. Es bleibt spannend!

Abschließend noch zwei bemerkenswerte Zitate von Bischof Overbeck. Im Ersten leuchtet auf, dass die Schwierigkeiten der Kirche in Deutschland nicht mit der Abschaffung des Zölibats und der Weihe von Priesterinnen geheilt werden können und dass das eigentliche Problem woanders liegt, nämlich darin, dass für immer mehr Menschen der Glaube an den dreifaltigen Gott kaum noch Relevanz in ihrem Leben hat. Der Bischof empfiehlt: „Das intellektuelle und existenzielle Wagnis, so zu leben, als gäbe es Gott.“ Auf die Nachfrage, wie man dann leben würde, sagt er: „Gelassener – und zugleich bereiter, selbstlos für andere einzustehen. Nicht, dass man dafür unbedingt den Glauben bräuchte. Aber er gibt ein eigenes Fundament. Nur kommt diese Option eines Lebens mit Gott in unserer postmodernen, säkularen Welt ja immer weniger in Betracht. In Lateinamerika aber schon. Der Gottesglaube wird dort anders gelebt als bei uns. Insofern ist das nicht 1:1 übertragbar. Aber angesichts der vielen, die auch bei uns auf der Suche nach Sinn sind, könnte darin doch ein Moment der Anziehung stecken – auch durch eine Gemeinschaft, die trägt.“
Und er macht jenen Mut, die auf Reformen hoffen: „Schritt für Schritt nach vorn. Auch daraus wird ein Weg.“

Ich bin gespannt auf die Diskussionen in der nächsten Zeit (nach der ersten Aufregung) und ob das Dokument am Amazonas eine gute Wirkung entfaltet und evtl. auch auf den Synodalen Weg ausstrahlt.

Der Originaltext: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2020-02/exhortation-querida-amazonia-papst-franziskus-synode-wortlaut.html

Sehr lesenswert und besser als mein obiger Text: https://www.zeit.de/2020/08/zoelibat-papst-franziskus-katholische-kirche-amazonas

1 Kommentar:

  1. Papsttreu zu sein ist natürlich leicht, wenn man ohnehin nur das akzeptiert, was man selbst glaubt - und ihm anderenfalls vorwirft, nicht (mehr) katholisch zu sein....

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