Vorgestern gab es das "Tagesgespräch" auf WDR 5 über die Rede des Papstes im Bundestag. Zu Gast war der Politiker und Katholik Wolfgang Thierse. Er bemühte sich wacker, den Anrufern Rede und Antwort zu stehen und sie für eine differenzierte Sicht der Dinge zu erwärmen. Leider hatte ich keine Zeit um einfach mal rechts ranzufahren und mich einzumischen. Ich kam mir als Katholik vor, als gehörte ich einer reaktionären Splittergruppe an und bekam mehr und mehr das Gefühl mich verteidigen zu müssen, dass ich überhaupt noch dabei bin. Dabei lag es ganz und gar nicht an Herrn Thierse, sondern an den sehr heftigen Einwürfen der Anrufer und auch am Moderator, der offensichtlich in seinem Blick auf die katholische Kirche auch wenig neutral war. Also, da fehlten mir echt die Stimmen der ganz normalen Katholiken, die bei allen kritischen Anfragen den Besuch des Papstes mit Freude erwarten und neugierig sind, was er zu sagen hat. Ich teile auch gar nicht die Überzeugung der Kritiker der Papstrede im Bundestag, dass Benedikt XVI. hier „konservative“ oder gar „reaktionäre“ Botschaften zum Besten geben wird. Warum sind manche unserer Abgeordneten nicht in der Lage sich eine Position und Stimme anzuhören, die vielleicht nicht ihre Meinung widerspiegelt, aber doch zumindest hörenswert ist. Und wer dem Papst widersprechen möchte – der muss ihn doch vorher erst einmal hören, über das Gesagte nachdenken und seine Argumentation ordnen. Das erwarte ich von jedem gewählten Mitglied des deutschen Bundestages.
Und ich bestreite auch, dass die Botschaft des Papstes eine „konservative“ sein wird. Er wird seine Stimme erheben und zum Wohl der Menschen sprechen, er wird von den Schwachen in der Gesellschaft sprechen, vom Miteinander der Religionen und Kulturen und von den Herausforderungen der globalisierten Welt. Wer will etwas dagegen haben, selbst als Säkularer, selbst als Linker. Er wird sicher sogar Dinge ansprechen, für die die Boykottierer ihm aus vollem Herzen Beifall klatschen könnten - wenn sie denn da wären. In vielen Punkten sind die Überzeugungen der Kirche "grüner" oder "roter" als mancher glaubt. Und er wird über Werte sprechen, über das Fundament auf dem wir stehen und das nun mal bis heute unser Miteinander, unsere Gesetze und unsere Gesellschaft zum Glück bis zum heutigen Tag prägt. Und selbst wenn ich als Abgeordneter der Linken meine Wertordnung aus anderen Quellen schöpfe muss ich doch wissen, wie die Wertordnung meiner Mitmenschen davon geprägt ist und was das für ein gemeinsames Engagement bedeuten kann.
Was da das Denken mancher Leute über die katholische Kirche prägt, ist nicht mehr als ein Zerrbild, das mit der Wirklichkeit des religiösen Lebens in den Gemeinden nur wenig zu tun hat.
Aber einmal ganz unabhängig von der Frage, ob der Papst nun als Staatsoberhaupt oder als Religionsführer spricht, er ist eine interessante Persönlichkeit, er ist eine Persönlichkeit mit großem Einfluß; er ist ein Deutscher in einer weltumspannenden Aufgabe und Verantwortung. Als Österreicher muss ich Arnold Schwarzenegger und seine Positionen (und seine Filme) nicht toll finden. Aber wenn ein Österreicher Gouverneur in Florida wird, sollte er mich etwas mehr interessieren als der Amerikaner der Gouverneur von Montana ist.
Selbst wenn ich also nicht aus Höflichkeit als Bundestagsabgeordneter der Rede des Papstes beiwohne, dann täte ich es aus der Verantwortung, aus erster Hand zu erfahren wer dieser Mann ist und was er zu sagen hat. Wenn ich den Plenarsaal verlasse, um draußen zu demonstrieren gegen die eine oder andere Überzeugung der Kirche, für die der Papst spricht, nehme ich mir, wenn ich der Rede fernbleibe, jede Legitimation und Qualifikation gegen die Aussagen des Papstes zu demonstrieren. Dann demonstriere ich gegen etwas, von dem ich nichts verstehe.
Legitin fände ich höchstens, dagegen zu demonstrieren, dass einem Religionsführer das Recht der Rede im Deutschen Bundestag eingeräumt wird. Aber damit offenbaren diese Politiker ihre eher antidemokratische Einstellung, denn die große Mehrheit der Abgeordneten hat diese Rede gewollt.
Ich finde es erschreckend, wie undifferenziert sich Menschen öffentlich, ob als Anrufer bei einer Radiostation oder als Politiker über den Papst und die Kirche zu Wort melden. Da werden Halbwahrheiten präsentiert, da wird die Kirche als Hort der Kinderschänder diffamiert, da wird die sehr menschliche Botschaft der Christenheit verkürzt auf eine Katechismus-Position zur Empfängnisverhütung und zum Kondomgebrauch, ohne jegliche Differenzierung.
Ich würde mich freuen, wenn in den Debatten rund um die Kirche wieder mehr "normale Katholiken" zu Wort kommen, Leute denen der Glaube im alltäglichen Leben und im alltäglichen Miteinander eine wichtige Stütze und Richtschnur ist. Leute, die vielleicht nicht jede kirchliche Überzeugung teilen, nicht "perfekt" im Sinne von Katechismus und Kirchenrecht sind, aber ihren Weg der Nachfolge Jesu in der Gemeinde und mit der Kirche gehen.
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