Primizmesse P. Maurus Runge OSB, St. Marien, Dinslaken-Lohberg |
In unserer Gemeinde in Voerde gibt es
einen Kreis von Menschen, die Wortgottesdienste, Maiandachten,
Kreuzwege und Rosenkranzandachten gestalten. Es sind alles Leute, die
mitten im Leben und im Glauben stehen. Mit ihnen kam ich gestern ins
Gespräch über das „für alle“ und „für
viele“. Mit großem Interesse und ohne Aufregung haben wir
über die Hintergründe diskutiert. Kein Grund zur Aufregung
unter uns kirchlich verbundenen Katholiken.
Soweit ich das sehen kann, reagierten
auch die deutschen Bischöfe weitgehend positiv und gelassen auf
den Papstbrief, der doch von zahlreichen Zeitungen, Bloggern und
Kommentatoren zur Sensation oder gar zur „Ohrfeige“ und „Rüge“
für die Bischöfe hochgejazzt wurde. Offensichtlich brauchte
das aus der Perspektive der Tagespresse etwas trockene und
unbedeutende Thema ein wenig „Pfeffer“.
Etwas erschreckend war für mich,
wie oberflächlich und teilweise fehlerhaft selbst überregionale
Tageszeitungen die Thematik aufgriffen: „Jesus starb nicht mehr
„für alle““ war da zu lesen. Da hatten sich die Autoren
nicht mal die Mühe gemacht den Papstbrief selbst zu lesen.
Einige vermuteten in der päpstlichen
Entscheidung gar ein Zugeständnis an die Piusbruderschaft. Sogar
der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität
Münster, Klaus Müller äußerte sich in dieser
Richtung: „Der Papst will die Schwelle für die
Piusbruderschaft und andere weiter absenken, die die Änderung
der Einsetzungsformel in der Messe schon lange fordern", sagte
Müller am Mittwoch (25.04.2012), wie die Universität
Münster mitteilte. Dafür erntete er prompt einen
Widerspruch des Münsteraner Bischofs Felix Genn.
Bei allem Respekt vor einem Dekan würde
ich sagen „völlig zu recht“. Man mag zu der vom Papst
gewünschten Änderung der Wandlungsworte stehen wie man
möchte; mit der Piusbruderschaft hat diese Entscheidung nur ganz
am Rande zu tun. Der Papst ist dieser
Gemeinschaft aus anderen Gründen schon weit entgegengekommen,
dass ein zusätzlicher Schritt völlig unnötig wäre. Und
eine Gemeinschaft, die die Rückkehr zum tridentinischen,
lateinischen Ritus fordert, müsste ja mit dem Klammerbeutel
gepudert sein, wenn sie Reformen an der „Neuen Messe“ fordern
würde.
Allerdings, in einem Punkt hat Prof.
Müller vielleicht recht. Traditionalistische und
ultrakonservative Kreise fordern schon lange eine Änderung der
Formulierung in der deutschen (und anderen) Übersetzungen des
Messbuches.
Dabei haben sie im Wesentlichen wohl
zwei „Hintergedanken“.
Einmal vermuten sie hinter der
Formulierung „für alle“ die Auffassung, dass durch Christi
Tod jeder Mensch schon persönlich gerechtfertigt ist, völlig unabhängig
davon, wie er lebt und was und woran er glaubt. Also so eine Art
„Allerlösungslehre“ bzw. „Allversöhnungslehre“, die
letztlich in der Idee gipfelt, dass „die Hölle leer ist“.
Ehrlich gesagt, begegnet mir diese Glaubensauffassung in den ganz
normalen katholischen Gemeinden, in denen ich bis dato aufgewachsen
bzw. tätig war, im Grunde nicht. Eher hoffen die Gemeindemitglieder auf
einen „gerechten“ Gott. Und ich glaube auch nicht daran, dass die
Formulierung „für alle“ in den Wandlungsworten die wesentliche
theologische Quelle einer solchen Theologie ist. Sicherlich gibt es
diese, sie wurzelt aber in anderen theologischen Quellen und
Gedankengängen.
Im Kontext eines Kampfes gegen die Idee der Religionsfreiheit und andere angebliche „Irrlehren“ des 2. Vatikanischen Konzils wurde die Diskussion um die Wandlungsworte für einige aus diesen Kreisen ein willkommenes Vehikel. Es ist aber nicht zu erkennen, dass der Papst und der Hl. Stuhl gewillt sind das theologische Rad hier zurückzudrehen.
Im Kontext eines Kampfes gegen die Idee der Religionsfreiheit und andere angebliche „Irrlehren“ des 2. Vatikanischen Konzils wurde die Diskussion um die Wandlungsworte für einige aus diesen Kreisen ein willkommenes Vehikel. Es ist aber nicht zu erkennen, dass der Papst und der Hl. Stuhl gewillt sind das theologische Rad hier zurückzudrehen.
Ähnlich nützlich erwies sich
für die sehr konservativen Kreise eine Diskussion um die
interpretierende Formulierung „für alle“, um damit
auch angebliche weitere „Mißbräuche“ in der Liturgie
anzuprangern. Die Diskussion um das „für viele“ sollte damit zum Hebel werden
gegen eine angeblich grassierende freiere (manchmal sicher zu freie) Gestaltung der
Messfeiern im erneuerten römischen Ritus.
Allerdings nimmt der Papst in seinem Brief den Argumenten solcher Verfechter des „für viele“ die Spitze, weil es in seinem Brief um „eine „Veränderung im Ausdruck“ geht und nicht um eine „Veränderung in der Sache“ (Prof. Thomas Söding). Papst Benedikt XVI. selbst schreibt, beim „für alle“ handele es sich um „eine Interpretation, die sehr wohl begründet war und bleibt, aber doch schon Auslegung und mehr als Übersetzung ist“. Dem Papst seien daher, so Prof. Söding, zwei Aspekte wichtig: eine einheitliche Formel für die gesamte Kirche durchzusetzen und die Einsetzungsworte näher an die biblische Überlieferung heranzubringen.
Allerdings nimmt der Papst in seinem Brief den Argumenten solcher Verfechter des „für viele“ die Spitze, weil es in seinem Brief um „eine „Veränderung im Ausdruck“ geht und nicht um eine „Veränderung in der Sache“ (Prof. Thomas Söding). Papst Benedikt XVI. selbst schreibt, beim „für alle“ handele es sich um „eine Interpretation, die sehr wohl begründet war und bleibt, aber doch schon Auslegung und mehr als Übersetzung ist“. Dem Papst seien daher, so Prof. Söding, zwei Aspekte wichtig: eine einheitliche Formel für die gesamte Kirche durchzusetzen und die Einsetzungsworte näher an die biblische Überlieferung heranzubringen.
Von einem Zugeständnis an extrem
konservative Kreise (Prof. Müller) kann also auch aus dieser
Perspektive keine Rede sein.
Paul Badde, Korrespondent der „Welt“ in Rom schreibt dazu zwei Kommentare in dieser Zeitung. Den ersten Text halte ich für sehr treffend und gelungen. Dort wehrt er sich gegen ideologisierende Aufladungen der Übersetzungsfrage und schreibt völlig richtig: „Aus einem Konflikt zwischen Rechtgläubigen und Häretikern hat der Papst die Debatte nun also auf jene Ebene zurück geholt, wo sie hingehört. Das ist der Bereich der Philologie."
Einige Tage später scheint sich diese - wie ich finde sehr vernünftige und realistische - Einschätzung bei Paul Badde verändert zu haben. Jetzt geht er das Thema anders an und deckt damit
(vermutlich ungewollt) das Denken mancher „Streiter“ für das
„für viele“ auf und zeigt, dass diese (und er selbst) aus
anderen Motiven (als der Papst) agieren.
Er schreibt, durch die interpretierende Übersetzung des „pro multis“ (in der ersten Übersetzung des Messbuches in den 1970er Jahren) mit „für alle“ sei „allerdings auch eine fatale Tür" mit diesem Prinzip geöffnet worden. "Es war zunächst nur ein Spalt breit. Doch er lud zu einer Entwicklung ein, wo innerhalb der einen Kirche fortan jeder Orden und jede Gruppierung mit eigenen Theologen anfangen konnte, eigene interpretierende „Übersetzungen“ der Bibel zu produzieren, natürlich immer im Sinne dessen, was Jesus „eigentlich damit gemeint“ habe - um es ihm dann gleich auch in den Mund zu legen.“ Nach Badde lag darin z.B. die Quelle einer „Theologie der Befreiung“, die Karl Marx zum „Kirchenlehrer“ gemacht habe. Solche Theologen hätten letztendlich in Jesu Wort und Handeln ihre eigene Deutung so hineininterpretiert, dass dessen Verkündigung und Absicht völlig verfälscht worden sei. Paul Badde: „Denn in letzter Konsequenz öffnete diese Entwicklung ja auch eine Tür zum „anything goes“ der Theologie und der Liturgie, im Leben und in der Lehre, die viele Gläubige irritierte und der Kirche entfremdete, wo der Kanon immer häufiger nach Gutdünken verändert wurde, so dass sich heute in vielen Pfarreien Deutschlands keiner mehr wundert, wenn statt einer Lesung etwa aus den Briefen des Apostels Paulus auch einmal ein selbstgemachtes Märchen der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden vorgelesen wird, ... bis hin zu Pappnasen und Osterhasen im Altarraum, als „Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte“ (Paul Badde in „Die Welt“).
Er schreibt, durch die interpretierende Übersetzung des „pro multis“ (in der ersten Übersetzung des Messbuches in den 1970er Jahren) mit „für alle“ sei „allerdings auch eine fatale Tür" mit diesem Prinzip geöffnet worden. "Es war zunächst nur ein Spalt breit. Doch er lud zu einer Entwicklung ein, wo innerhalb der einen Kirche fortan jeder Orden und jede Gruppierung mit eigenen Theologen anfangen konnte, eigene interpretierende „Übersetzungen“ der Bibel zu produzieren, natürlich immer im Sinne dessen, was Jesus „eigentlich damit gemeint“ habe - um es ihm dann gleich auch in den Mund zu legen.“ Nach Badde lag darin z.B. die Quelle einer „Theologie der Befreiung“, die Karl Marx zum „Kirchenlehrer“ gemacht habe. Solche Theologen hätten letztendlich in Jesu Wort und Handeln ihre eigene Deutung so hineininterpretiert, dass dessen Verkündigung und Absicht völlig verfälscht worden sei. Paul Badde: „Denn in letzter Konsequenz öffnete diese Entwicklung ja auch eine Tür zum „anything goes“ der Theologie und der Liturgie, im Leben und in der Lehre, die viele Gläubige irritierte und der Kirche entfremdete, wo der Kanon immer häufiger nach Gutdünken verändert wurde, so dass sich heute in vielen Pfarreien Deutschlands keiner mehr wundert, wenn statt einer Lesung etwa aus den Briefen des Apostels Paulus auch einmal ein selbstgemachtes Märchen der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden vorgelesen wird, ... bis hin zu Pappnasen und Osterhasen im Altarraum, als „Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte“ (Paul Badde in „Die Welt“).
Also ehrlich gesagt, ich finde, da
gehen die Pferde mit ihm durch. Ich lese Baddes Texte nicht ungern,
aber hier erschreckt es mich, was in den Augen mancher Leute aus dem
kleinen Wörtchen „für alle“ geworden ist. Ich finde, so entsteht ein Zerrbild der katholischen Kirche, das einige Publizisten und Akteure auf zunehmend mehr
Webseiten und mit den Mitteln der modernen Medien in alle Welt
transportieren. Sicher gibt es das ein oder andere ungute Phänomen,
aber man sollte doch auch sehen, dass es sich meist nur um wenige Fälle
handelt. Und von den Urhebern solcher angeblichen "Skandale" ist es meist sogar gut gemeint
(natürlich, ich weiß, dass dies das Gegenteil von gut
gemacht ist).
Auch ich habe auf gloria.tv den
Auftritt des sonderbaren „Osterhasen“ in einer Familienmesse in
Österreich gesehen. (Hier ist er: http://es.gloria.tv/?media=283593) Und genauso den Kopf darüber
geschüttelt, wie ein Petrusbruder in Wigratzbad und wie Paul
Badde in Rom. Aber ich bin völlig sicher, dass in tausenden von
Familienmessen im deutschsprachigen Raum auf gute und würdige
Art den Kindern das Geheimnis der Auferstehung vermittelt wurde (zu
vermitteln versucht wurde). Und ich bin sicher, dass auch der Kaplan
mit dem Osterhasen aus Österreich bei seiner
Gewissenserforschung am Abend gedacht hat: „Nun, den Kindern hat
es wohl Spaß gemacht, aber dieser Gottesdienst war jetzt nicht
wirklich gelungen. Wenn es Dir missfallen hat, guter, barmherziger
Gott, bitte ich Dich um Vergebung. Im nächsten Jahr bleibt das
Osterhasenkostüm beim Kostümverleiher. Schenke mir gute
Ideen, Deine frohe Botschaft in die Welt zu tragen.“
Paul
Badde am 26.4. in der WELT:
www.welt.de/kultur/article106230908/Benedikt-XVI-korrigiert-den-Text-zum-Abendmahl.html
Paul
Badde auf kath.net: www.kath.net/detail.php?id=36334
Paul Badde am 29.4. in der WELT: www.welt.de/debatte/article106237568/Papst-schiebt-theologischer-Willkuer-den-Riegel-vor.html
Ach ja, und was diesem Artikel und fast allen anderen Diskussionen im Netz noch fehlt ist genau das, was auch der Papst angemahnt hat, ein vertieftes Nachdenken, eine Katechese über den Sinn und die Bedeutung dessen, was Jesus im Abendmahl gesagt und durch seinen Tod am Kreuz für alle Menschen getan hat.
Ach ja, und was diesem Artikel und fast allen anderen Diskussionen im Netz noch fehlt ist genau das, was auch der Papst angemahnt hat, ein vertieftes Nachdenken, eine Katechese über den Sinn und die Bedeutung dessen, was Jesus im Abendmahl gesagt und durch seinen Tod am Kreuz für alle Menschen getan hat.
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