Donnerstag, 7. Juni 2018

Kommunionstreit - das theologische Unwort des Jahres

„Kommunionstreit“, das Wort macht die Runde und hat das Potential zum katholischen „Unwort“ des Jahres. Das Wort Kommunion hat seine Wurzeln im griechischen „Koinonia“ oder im lateinischen Communio, was soviel wie Gemeinschaft bedeutet. Die beiden Worthälften wollen also so gar nicht zusammen passen. Ein wirkliches "Paradoxon"!

„Kommunionstreit“ - was ich heute in Nachrichtenportalen und Diskussionforen lese, das ist wirklich unterirdisch. Das Argumentationsniveau macht betroffen (in allen Lagern). Selbst Bischöfe beteiligen sich mit öffentlichen Stellungnahmen und einige Kommentatoren faseln vom Schisma. Es geht zu, wie bei manchen entgleisten Bundestagsdebatten. Nur war ich bisher der Meinung, dass „wir“ in der Kirche irgendwie anders sind. Doch wenn man das Trauerspiel genau betrachtet, dann ist ein großer Teil der Debatte und sind viele Argumente längst über die eigentliche Thematik und das ursprüngliche Anliegen hinweg gedriftet. Man möchte seinen Brüdern und Schwestern zurufen: „Nun reißt euch doch mal zusammen, legt euch ein Schweigegelübde auf und geht beichten!“ Es ist ja nicht zum Aushalten! Da werden aus strategischen Gründen Dokumente an die Öffentlichkeit gegeben, die dafür überhaupt nicht bestimmt waren, die beteiligten und betroffenen Personen erhalten sie erst später auf offiziellem Wege. Sicher war es ein „Kardinalfehler“, über das unfertige Dokument schon in der Öffentlichkeit zu reden, bevor überhaupt ein Text vorlag. Im Grunde hätte uns die ganze Debatte erspart werden können, wenn die bischöflichen Kontrahenten etwas geduldiger und etwas geräuschloser gewesen wären. So begießt man das Pflänzchen „Kirchenverdrossenheit“, das im Schatten der schon länger wuchernden „Politikverdrossenheit“ immer größer wird. Aber, stellen wir uns einmal neben die aufgeregt Streitenden (vom Blogger bis zum Kardinal) und schauen uns die Sache einmal in Ruhe an.

Eine gemischt konfessionelle Ehe ist heute eine Selbstverständlichkeit und löst keine Fragen und Unsicherheiten mehr aus. Manches Paar denkt überhaupt erst kurz vor der Eheschließung intensiver darüber nach, welcher Konfession der Andere angehört und was das für die Eheschließung bedeuten könnte. Umsomehr muss die aktuelle Diskussion unseren Zeitgenossen wie „von einem anderen Stern“ vorkommen.

Wenn ich darüber nachdenke, so ist eine konfessionsverschiedene Ehe nicht so selbstverständlich wie es scheint. Man muss auch nicht weit zurück blicken, um in der eigenen Biografie interessante Geschichten dazu zu finden. Als meine Tante einmal ihren neuen Freund meinen Großeltern vorstellte, war deren Ablehnung groß. Nicht wegen dessen gewaltigen Bartes und seiner süddeutschen Herkunft, sondern weil er evangelisch war. Der Nachfolger war zwar auch evangelisch, aber immerhin Lehrer und von hier...

Vor einigen Monaten musste ich – in kurzem Abstand - zunächst einen Mann, später seine Frau beerdigen. Sie, ursprünglich aus einer evangelischen Pfarrersfamlie stammend, war kurz nach der Trauung konvertiert und hatte in der katholischen Kirche eine wirkliche Heimat gefunden, wie mir die streng evangelische, ältere Schwester nach einer Kommunionfeier am Sterbebett bewegt erzähle, auch welche Hürden zu überwinden waren und welche Schwierigkeiten der Entschluss der Schwester ausgelöst hatte.

Das waren alles ernste Fragen, die in der Vergangenheit auch zu politischen Verwerfungen führten. Der Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering wurde im Zuge eines Streits in der Frage der Mischehen am 20. November 1837 festgenommen und in der Festung Minden gesperrt und dort bis zum April 1839 gefangen gehalten. Bis zu seinem Tode lebte er im Exil, ohne auf seinen Bischofssitz zurück zu können. Er hatte gegenüber dem preußischen Staat an der katholischen Haltung festgehalten, dass die Kinder aus einer Mischehe im katholischen Glauben zu taufen und zu erziehen seien. Der preußische Staat hielt damals dagegen. In frommen Traktaten wurde lange vor den Gefahren der Mischehe gewarnt. Die deutschen Bischöfe bemerkten sogar noch 1958 in einem Hirtenwort: „Wer vor der Mischehe warnt, stört nicht den konfessionellen Frieden. [...] Wer vor der Mischehe warnt, hilft vor Leid und seelischen Konflikten bewahren; er dient dem religiösen Frieden.“

Praktisch wurde das aber auch damals schon je nach Pfarrer und Region unterschiedlich gehandhabt. So waren interkonfessionelle Ehen im Ruhrgebiet weniger problematisch als z.B. im rein katholischen Münsterland. Prälat Nienhaus aus Lohberg lehnte beispielsweise Ende der 1940er Jahre den Konversionswunsch eines evangelischen Ehemannes ab, mit dem Hinweis, dieser wolle doch nur das evangelische Kirchgeld sparen und solle der Taufe treu bleiben, zu der ihn seine Eltern bestimmt hätten. Und Albert Nienhaus war sicher mit jeder Faser seines Lebens ein überzeugter Katholik.

Den großen Wandel leitete dann das 2. Vatikanische Konzil ein, das die anderen Konfessionen nicht mehr als Häretiker und Schismatiker betrachtete sondern sie als getrennte Brüder oder getrennte Kirchen neu entdeckte und wertschätzte. Dem folgte auch eine Öffnung mit Blick auf die konfessionsverschiedenen Ehen. Papst Paul VI. lenkte 1970 in dem Motu proprio „Matrimonia mixta“ den Blick auf einen interessanten Aspekt dieser Konfessionsverschiedenheit: „Sie trägt ja in die lebendige Zelle der Kirche, wie die christliche Familie mit Recht genannt wird, eine gewisse Spaltung hinein; wegen der Verschiedenheit im religiösen Bereich wird die treue Erfüllung der Forderungen des Evangeliums erschwert; das gilt besonders von der Teilnahme am Gottesdienst der Kirche und von der Erziehung der Kinder.

Aus heutiger Sicht kommt einem all dies geradezu „mittelalterlich“ vor. So war ein junger Kollege von mir kürzlich zutiefst verwundert, als er seine standesamtliche Eheschließung mit seiner evangelischen Frau bei seinem Arbeitgeber bekannt gab und sofort zu einem Gespräch nach Münster gegeben wurde, warum er für diese Eheschließung nicht die vorgesehene bischöfliche Erlaubnis erbeten habe. Aber auch kirchlich eher ungebundene Paare staunen oft, wenn ihren eröffnet wird, dass es nach wie vor keine ökumenischen, sondern nur evangelische oder katholische Trauungen gibt, an denen der jeweils andere Pfarrer assistierend teilnimmt. Oder dass das Paar gefragt wird, ob es seine Kinder katholisch taufen und im katholischen Glauben erziehen wolle.

Umso verwunderter wird jetzt mancher auf die Auseinandersetzung zwischen Bischöfen und unter Katholiken schauen. Zumal es in der Öffentlichkeit sowieso darum zu gehen scheint, evangelische Ehepartner generell zur Kommunion zuzulassen, quasi als ersten Schritt zu einer allgemeinen Interkommunion. Selbst hochrangige Politiker haben sich im Umfeld des Katholikentages in diese Richtung geäußert. Und hier liegt sicher ein Grund für die Schärfe der Diskussion, aber auch für Verletzungen derer, die eine Lösung für Menschen suchen, die sich wirklich nach voller Teilnahme an der Communio der Kirche und Gemeinde sehnen.

Denn es geht bei der Handreichung der deutschen Bischofskonferenz in der Tat nicht um Interkommunion, sondern in jeder Hinsicht um eine Gewissensentscheidung. Verlangt wird nämlich, dass der evangelische Partner den katholischen Glauben teilt und das die Zulassung zur Kommunion die Reaktion auf eine schwerwiegende geistliche Notlage ist.

Ganz ehrlich, ich erlebe sicherlich konfessionsverbindende Paare, die am Leben ihrer jeweiligen bzw. am Leben der evangelischen oder katholischen Gemeinde teilnehmen. Aber ihre Nichtzulassung zum Kommunionempfang erleben viele sicherlich als unbefriedigend, ärgerlich, enttäuschend... aber von einer Notlage würde sicher kaum jemand sprechen. Ich glaube, eine Handreichung, die solches formuliert, würde von den Betreffenden eher mit Verwunderung aufgenommen. Und ich wäre auch nicht geneigt, diese Formulierung aus dem Kirchenrecht (CIC 844 § 4) überhaupt im Gespräch dem Paar gegenüber zu formulieren. Einzelne evangelische Ehepartner sind im Grunde in der katholischen Gemeinde und im Glauben weit tiefer verwurzelt als mancher Katholik. Sie gehen ganz selbstverständlich (meist nach Gesprächen mit dem Pfarrer) zur Kommunion, andere tun dies, ohne dass ich um die Hintergründe weiß. Viele verzichten allerdings auch, ohne darüber mit den Seelsorgern oder ihrem Ehepartner überhaupt ins Gespräch zu kommen. Es ist zu einer Gewohnheit geworden, in der Kommunion nicht Teil der Communio zu sein, de facto aber doch Teil der Gemeinde. Nur wenige kommen zum Segen nach vorn, wie es aktuell wieder Kardinal Kasper vorgeschlagen hat. Eine Idee, die man sicher noch mal vertiefen sollte.

Der Wandel der Jahre von 1958 – 2018, in 60 Jahren, von den „Mischehen“ über die konfessionsverschiedenen bzw. interkonfessionellen Ehen zur Konfessionsverbindenden Ehe kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden. So viel Wandel gab es auch theologisch in so kurzer Zeit in der Kirche wohl selten. Angesichts der Individualität der Menschen, der Paare, der Religiosität – ist sicher auch nicht jede interkonfessionelle Ehe auch eine Konfessionsverbindende.

Anders als Papst Paul, der den Aspekt der Trennung in der „lebendigen Zelle der Kirche, die die Familie ist“ in den Focus nimmt, entdeckten andere Theologen, unter ihnen auch Kardinal Kasper in der konfessionsverbindenden Ehe, die ja auch eine „Kirche im Kleinen“ ist, eine Art „Klebstoff“ der Konfessionen bzw. eine vorweggenommene Einheit, eine stabile Brücke zwischen den getrennten Kirchen. Die zunehmende Anzahl interkonfessioneller Ehen stellt solche ökumenischen Fragen mit einer gewissen Dringlichkeit.

Als Katholiken schätzen wir die Ehe hoch. Sie ist für uns das sakramentale Abbild der Liebe, die Christus mit seiner Kirche verbindet. Die Liebe der Eheleute zueinander, die Unauflöslichkeit ihrer Verbindung hat christologische Dimensionen. Das nimmt sie in gewisser Weise schon hinein in die katholische Communio.

Die theologischen Fragen, die sich durch die Existenz konfessionsverbindender Paare stellen, sind bis heute nicht endgültig durchdacht. Aber wenn die Kirche an ihrer Sicht des katholischen Ehesakramentes festhalten will, muss das auch Folgen haben für die Communio mit denjenigen Ehepartnern, die (noch) nicht offiziell zur katholischen Kirche gehören oder sogar sehr bewußt in ihrer Konfession verbleiben möchten. Sie können uns nicht gleichgültig sein.

Bischof Feige weist in einem Beitrag für die ZEIT auf einen Abschnitt aus der Enzyklika „Ecclesia de eucharistia“ des Hl. Papstes Johannes Paul II. hin, wo es, nachdem die Möglichkeit der gemeinsamen Gottesdienstfeier ausgeschlossen wurde, heißt: „Dies gilt nicht für die Spendung der Eucharistie unter besonderen Umständen und an einzelne Personen, die zu Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften gehören, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. In diesem Fall geht es nämlich darum, einem schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis einzelner Gläubiger im Hinblick auf das ewige Heil entgegenzukommen, nicht aber um die Praxis einer Interkommunion, die nicht möglich ist, solange die sichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft nicht vollständig geknüpft sind.“

Das ist ein bedeutsamer Text, der sich ja offenbar auch auf evangelische Kirchen (kirchliche Gemeinschaften) bezieht. Bischof Feige bedauert, dass bis heute nicht geklärt wurde, wen der Papst mit dem „schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis einzelner Gläubiger“ meint. Diese Formulierung erscheint mir zumindest stimmiger als die „Notlage“-Regelung der deutschen Bischofskonferenz und es bleibt zu hoffen, dass die nun anstehende und von der Glaubenskongregation angekündigte Klärung auf weltkirchlicher Ebene möglicherweise hier anschließt.

Wenn dies auch zu einer umfassenden Relectüre der Enzyklika des heiligen Papstes führt, wäre das ja mehr als wünschenswert, gerade auch in der dort ausgedrückten Sehnsucht „Doch haben wir den sehnlichen Wunsch, gemeinsam die Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird schon zu einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet. Gemeinsam wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend "mit nur einem Herzen".

Der Jubel der konservativen Kreise in der Kirche könnte möglicherweise verfrüht sein, wie Christian Geyer-Hindemith in der FAZ feststellt: „... dass der sogenannte Kommunionstreit mitnichten von Rom „entschieden“ wurde, wie es jetzt heißt. Rom hat entschieden, in der fraglichen theologischen Sache nicht zu entscheiden, jedenfalls im Augenblick nicht, hat eine „baldige Klärung“ und diese dann „auf weltkirchlicher Ebene“ in Aussicht gestellt.“

Wie die dann konkret aussieht – das ist noch einigermaßen offen. Man darf gespannt sein.

Bei manchen Wortmeldungen dieser Tage hat man doch eher den Eindruck es geht um konfessionellen Kleinkrieg und in den evangelischen Ehepartnern wird ein Kampf gegen Margot Käßmann, Johannes Calvin und die evangelische Kirche als „Vorfeldorganisation der Grünen“ ausgetragen. Den evangelischen Ehepartnern wird unterstellt, was man an der Haltung der reformatorischen Kirchen allgemein ablehnt.

Blendet man hier nicht allzu oft bewußt aus, dass es den Bischöfen nicht um eine Interkommunion durch die Hintertür ging, sondern um Personen, die den katholischen Glauben teilen, die ein ernsthaftes, geistliches Verlangen nach der Communio mit ihrem Ehepartner und der Gemeinde, in der sie sich aufgehoben fühlen, empfinden? Nach wie vor könnte man eine reformatorische Ehefrau nicht zur Kommunion zulassen, für die das Abendmahl nur wenig mehr als eine christliche Agape ist, die im Brechen des Brotes einen symbolischen Akt sieht, der an das Tun Jesu erinnere. Ohne einen Grundkonsens im Glauben wird die Teilnahme an der Kommunion nicht möglich sein. Kardinal Woelki hat die Dimension dieser Entscheidung in seiner Fronleichnamspredigt ja sehr gut verdeutlicht. Ob man dazu auch die Verehrung eines jeden von vielen Tausend Heiligen zur Verpflichtung machen muss, das sei noch mal dahin gestellt. Ich halte es auch für angemessen von einem solchen Gläubigen nicht mehr zu verlangen als von einem frommen Katholiken. Dennoch ist das nicht wenig und alles Andere als ein leichtfertiger Ausverkauf der Eucharistie. Das Wort Johannes Pauls von einem „schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis“ könnte da eine gute Richtschnur sein.

Kardinal Kasper bestätigt diese Sichtweise ja in seiner aktuellen Stellungnahme: „Zum andern müssen sie den katholischen Glauben bezüglich der Eucharistie teilen, sicher nicht in allen theologischen Einzelheiten, sondern in der Weise wie ihn jeder einigermaßen unterrichtete "normale" Katholik bekennt. Das ist keine willkürliche Auflage; es ist vielmehr die gemeinsame katholische und evangelische Überzeugung, dass die Sakramente ihrem Wesen nach Sakramente des Glaubens sind und nur im Glauben würdig und fruchtbar empfangen werden können. Schon der Apostel Paulus mahnt, sich zu prüfen und den Leib des Herrn von anderer Speise zu unterscheiden; denn wer bedenkenlos vom Altar isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht (1 Kor 11, 27-29).“

„Aber warum wird ein solcher Mensch dann nicht katholisch?“ - fragt so mancher Kritiker der „Mehrheitsfraktion“. Dafür mag es gute (aber oft sehr individuelle) Gründe geben, die sich einer theoretischen Überlegung vermutlich weitgehend einziehen.

Ich weiß auf diese Frage keine bessere Antwort als die, die ich von Frère Roger aus Taizé kenne: Er schrieb mit Blick auf seine Großmutter, die eine „innere Versöhnung“ mit der katholischen Kirche vollzog: „Ihr Lebenszeugnis prägte mich bereits in jungen Jahren und in ihrer Folge fand ich meine Identität als Christ darin, in mir den Glauben meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem zu brechen.“ Das fasst ganz gut die Haltung der Communaute von Taizé zusammen, die mich als jungen Menschen sehr tief beeindruckt hat. Versöhnung - „ohne mit irgendjemandem zu brechen.“ Dafür hat die Communaute und mit ihr Frère Roger so manche Anfeindung – auch aus dem evangelischen Lagern – ertragen müssen. Viele erinnern sich an den Moment, als Frère Roger aus der Hand des späteren Papstes Benedikt XVI. die Hl. Kommunion empfing. Der tägliche Kommunionempfang ist für viele der Brüder, manche auch mit evangelischen Wurzeln, ein Teil ihrer Identität und ihres Lebensengagements.

Beim europäischen Jugendtreffen 1980 in Rom beschrieb Frère Roger in Gegenwart Papst Johannes Paul II. seine Haltung mit den Worten: „Ich habe meine Identität als Christ darin gefunden, in mir selbst den Glauben meiner Herkunft mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgend jemand die Gemeinschaft abzubrechen.“

In einem Interview erklärt Frère Alois, die Haltung seines Vorgängers so: „Frère Roger hat nicht abgestritten, dass die Konversion ein Weg für einzelne sein kann; für ihn und für unsere Communauté zog er es aber vor, von „Kommunion“ (Gemeinschaft) zu sprechen. Für ihn hat sich der allmählich vollzogene Eintritt in die volle Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche an zwei Punkten festgemacht, aus denen er nie einen Hehl machte: Die Eucharistie zu empfangen und die Notwendigkeit eines Dienstamtes der Einheit anzuerkennen, das der Bischof von Rom ausübt.“

Auf dieser Basis hat die katholische Kirche den Brüdern von Taizé die Kommuniongemeinschaft gewährt. Und dies schrittweise seit etwa 1972.

In diesem Weg sähe ich auch einen gangbaren Weg für evangelische Christen in einer konfessionsverbindenden Ehe. Und „billiger“ und „einfacher“ sollte die Communio auch nicht zu haben sein. Nein, es geht nicht um einen „Keks“ oder eine Oblate, wie Eckart von Hirschhausen und andere es polemisch in den Debatten des Katholikentages formulierten. Es geht auch nicht in erster Linie um kirchliche Normen und Regeln. Auch hierzu äußerte sich Kardinal Kasper in einem Grußwort an die Weltgemeinschaft der konfessionsverbindenden Eheleute 2003 über den Schmerz, nicht wechselseitig zur Kommunion zugelassen zu sein: „Dieser Schmerz kommt aber nicht von den derzeit geltenden Normen, sondern von der Tatsache, dass die Trennung der Christen bis heute nicht überwunden ist.“

Durch einen formalen Fehler hat mein früherer Pastor zwei evangelische Kinder zur Kommunion und zur Firmung geführt. Als einer davon dann heiraten wollte, stellte sich heraus, dass er formal noch evangelisch ist. Ein Anruf im Ordinariat machte schnell klar, dass eine Hinführung zur Kommunion und der Empfang des Firmsakramentes katholisch macht, auch wenn jemand evangelisch getauft wurde.

Meine seelsorgliche Erfahrung sagt mir, dass die Landkarte des Glaubens viel bunter ist als die konfessionelle Landkarte. Nicht jeder Katholik glaubt alles, was der Katechismus sagt und macher evangelische Christ bewahrte das übrig gebliebene Abendmahlsbrot am Liebsten im Tabernakel auf. Viele Evangelische schätzen und verehren den Papst als Oberhaupt der Kirche und lassen sich durchaus katholisch-spirituell anregen. Mancher Protestant ist es nur auf dem Papier und mancher Katholik ebenso.

Daher braucht es eine Offenheit für Menschen, die zum Ausdruck bringen, dass die Teilnahme an der Hl. Kommunion ihnen ein tiefes spirituelles Bedürfnis ist und dass sie den Glauben der Kirche teilen. Und so vielfältig diese Menschen sind, so vielfältig könnten auch die Wege sein. Für den ein oder anderen mag dieser Weg in einer Konversion enden, für andere in einer Zeit des Wartens, der Vorbereitung, möglicherweise auch eines Beichtgesprächs. Kann ein Lutheraner eigentlich gültig die Beichte ablegen?

Es ist traurig, dass der „Kommunionstreit“ auf diesem Niveau geführt wird. Zunächst einmal wäre es gut, wenn alle, die nun gegen Kardinal Marx, Kardinal Kasper und Bischof Feige und ihre Mitstreiter zu Felde ziehen, die Motivation hinter ihrem Engagement verstehen und achten würden. Und dann sollte man sich doch eigentlich unter Katholiken problemlos hierauf einigen können: „Doch haben wir den sehnlichen Wunsch, gemeinsam die Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird schon zu einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet. Gemeinsam wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend "mit nur einem Herzen".“ Und dazu wird es notwendig sein, im eigenen Herzen die persönliche Glaubensüberzeugung und Frömmigkeit mit der wahren katholischen Weite des Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgend jemand die Gemeinschaft abzubrechen. Oder um es angelehnt an Nostra aetate zu formulieren: „Als Gläubige lehren wir nichts von alledem ab, was im Glauben des Anderen wahr und heilig ist.“ Aber das zu erkennen ist ein langer, gemeinsamer Weg. Wenn wir uns, statt mit allen Mitteln der eigenen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen (und dabei vor Leaks, Beschuldigungen und Beschimpfungen der Schwestern und Brüder nicht Halt machen), auf diesen Weg begeben, dann wird dem (inzwischen schon stattlichen) Pflänzchen der Kirchenverdrossenheit möglicherweise der Dünger ausgehen.

Hier kommt mir der Prophet Jona in den Sinn, der anhand einer Rhizinusstaude durch Gott selbst eine Katechese erlebt, die sich gewaschen hat. Berichtet wird davon im vierten Kapitel des biblischen Buches.

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