Dienstag, 22. Mai 2012

Katholikentage sind auch nicht mehr das...

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich war gar nicht beim Katholikentag in Mannheim! Eigentlich bedauere ich das, denn ich erinnere mich gern an die großen Katholikentage, die ich besuchen konnte, die vielfältigen Messen, Vorträge und Gebetszeiten, die Gespräche zwischen Christen und Juden und nicht zuletzt die lebendigen Diskussionen auf den Straßen, zwischen Katholiken aus dem ganzen breiten Spektrum der Kirche. In jedem Jahr nutzten auch Gruppen wie die z.B. die Piusbruderschaft, die Petrusbruderschaft und die Jugend 2000 dieses Forum, um ihre Themen unter die Leute zu bringen.
So nimmt es nicht Wunder, dass kürzlich quer (oder längs) durch die ganze Blogozese der Ruf hallte: „Es gibt eine „Alte Messe“ beim Katholikentag!“ Eine „Premiere“ sollte das sein (was ich gar nicht so recht glauben kann, schließlich sind Petrus- und Piusbruderschaft schon lange in Deutschlands großen Städten präsent.) Auch aus dem schönen Mühltal stimmte „Landpfarrer“ Jolie in den Jubel mit ein, packte seine Schola und einen Teil der Gemeinde in den Bus, um in Mannheim gleich noch eine zweite... alte, nein „gregorianische“ Messe zu feiern.
Ich bewundere das Netzwerk katholischer Priester und seine Protagonisten dafür, dass sie die Klaviatur der modernen Medien so gut beherrschen. So nutzte Pfarrer Hendrik Jolie die öffentliche Aufmerksamkeit noch besser als P. Bernward Deneke und versäumte es nicht gleich seine gesamte Kritik an seinem – etwas unwilligen - Gastgeber in eine Pressemeldung zu packen und über kathnews.de publik zu machen. Nicht ohne zu beklagen, dass diese zweite "alte" Messe gar nicht ins Programmheft gedurft hätte. 
Ich vermute, es gab dafür zwei Gründe. Einmal: Das Heft würde aus allen Nähten platzen, wenn jede Mannheimer Gemeinde ihre Gottesdienste darin finden wollte. Und vielleicht hat er sich nicht an die richtigen Stellen gewandt oder war schlicht zu spät. Ich tue mich jedenfalls schwer damit, darin die böse Absicht der ach so "liberalen" Organisatoren zu vermuten. Und es ist auch nicht sehr freundlich, über den mangelnden Dialog des gastgebenden Erzbistums zu klagen, wo doch der Ortspfarrer (Priester dieses Bistums) die Nutzung der Kirche für die "gregorianische" Messfeier ausdrücklich genehmigte, ohne dass sein Bischof ihn "zurückpfiff". (Ja, Pfarrer Jolie, ich gebe Ihnen recht, das, was Herr Glück später gesagt hat war jetzt auch nicht klug. An seiner Stelle wäre ich einfach mal zur "alten Messe" hingegangen. Er wird doch das Stufengebet wohl noch auswendig können!?!)
Aber zu glauben, dass das Erzbistum hier opponiert hat, um seine „liberale Gesinnung“ zu zeigen fällt mir sehr schwer. Das wäre doch ein sehr ungewöhnlicher Aufwand für einen – nach den Pressemeldungen – zwar gelungenen, festlichen und frommen Gottesdienst, der aber ansonsten – außer der gregorianischen Liturgie nichts Besonderes hatte. Gut 100 Leute haben mitgefeiert. Dafür hat er in der Presse mehr Raum eingenommen als manche große Aktion. Das Priesternetzwerk kann doch sehr zufrieden sein.
Angesichts der sonstigen Dimensionen auf Katholikentagen; denken Sie nur an die ständigen „Halle überfüllt“ - Schilder, nimmt sich das alles aber bescheiden aus. 20.000 Teilnehmer beim Hauptgottesdienst; 80.000 Teilnehmer insgesamt und 33.000 Dauerteilnehmer. Das sind zwar – wie der Kölner Kardinal so spitz wie treffend bemerkte – nicht gerade die „Massen“, die da einen neuen Aufbruch wagen. Aber in diesen beiden „alten Messen“ so etwas wie einen „Exorzismus“ für die in manchen Augen allzu liberale Großveranstaltung zu sehen ist auch alles andere als angemessen. Die „offizielle“ tridentinische Messe mit P. Deneke aus der Petrusbruderschaft hat es immerhin auf 150 – 250 Teilnehmer gebracht. Die Angaben gehen da sehr auseinander. Aber immerhin nutzen einige „normale“ Katholikentagsgäste die Gelegenheit, diese besondere Liturgie einmal selber mitzufeiern. Und auch hier herrschte eher normale Frömmigkeit als Skandal. P. Deneke wehrte sich ja auch ausdrücklich gegen eine mediale Zuspitzung dieser Messfeier als gegen die „ordentliche“ Liturgie gerichtet.
Da „saß“ (und schmerzte die Organisatoren) viel mehr, was Kardinal Meisner aus der Ferne; Bischof Tebartz van Elst (es fehlten ihm die Themen Katechese, Ehe und Familie) und Bischof Müller (der einige Termine auf dem Katholikentag absagte und erst später erschien) zum Katholikentag zu sagen hatten. Vielleicht hatten sie aus ihrer Perspektive recht. Aber war es nötig, den anderen damit die Freude an dem zu verderben, was gelungen ist in diesen Tagen in Mannheim?
Schade eigentlich, dass es so schwer ist, miteinander ins Gespräch zu kommen und einen neuen Aufbruch zu wagen. Der Katholikentag wäre doch ein Forum dafür. Und ein Bischof, der etwas vermisst oder zu verbessern hat, hat doch alle Chancen seine Kritik an geeigneter Stelle einbringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Familienbischof, der gute Vorschläge zum Katholikentagsprogramm mitbringt, diese nicht umgesetzt bekommt.
«Katholikentage sind nicht mehr das, was sie mal waren», sagte Kardinal Meisner der «Kölnische Rundschau« und dem Bonner «General-Anzeiger». Da wird man ihm aus vollem Herzen zustimmen! Aber die Welt hat sich auch sehr verändert. Ob es aber auch stimmt, dass man „Verbundenheit und Einheit von Papst, Bischof, Priestern und dem Volk Gottes“ nicht mehr spürt? Ich weiß es nicht, es kommt wohl sehr auf die Perspektive an. Und – mit Verlaub, lieber Herr Kardinal, wer dieser Veranstaltung fern bleibt, kann aus der Ferne auch nichts spüren. Dabei ist gerade der Kölner Erzbischof mit seiner Herzlichkeit und teils einfachen und klaren Sprache durchaus ein Mensch, der Beziehung aufnehmen und ein Gefühl der Verbundenheit vermitteln könnte. Und „Wertschätzen“ kann er eigentlich auch, wie das Lob für die Hl.-Rock–Wallfahrer und Kölner-Dom-Besucher im selben Interview zeigt.
Aber zurück zu Pfarrer Jolie und seiner kritischen Analyse, die er uns begleitend zur „gregorianischen“ Messe in Anlehnung an die Kritik des Kölner Kardinal liefert: „Den heutigen Katholikentagen fehlt es an profilierten Persönlichkeiten: Menschen, die erkennen lassen, dass spirituelle Kraft, Originalität und Durchsetzungsfähigkeit einerseits und Glaubenstreue, Romverbundenheit und Liebe zur Kirche andrerseits kein Widerspruch sind. Diese Personen haben im derzeitigen System keine Chance, nach „oben“ zu kommen – weder als Laie noch als Kleriker. Sie haben sich deshalb längst auf andere Kongresse glaubenstreuer Katholiken verzogen, weil sie durch die beständigen Verleumdungen und Angriffe mürbe gemacht wurden. Auch in Mannheim trifft man sie nur am Rande.“
Ich glaube nicht, dass es uns an profilierten Persönlichkeiten fehlt. Die sind schon da, aber die Aufmerksamkeit für das, was sie zu sagen haben nimmt ab. Oder aus anderem Blickwinkel betrachtet – wie ordnet Pfr. Jolie denn Leute wie P. Anselm Grün OSB oder P. Notger Wolf OSB ein (waren gar nicht in Mannheim), bei deren Auftritten die Hallen aus allen Nähten platzen. Ja, stimmt, mit der Menge der Worte, die sich gedruckt in Büchern finden, muss nicht zwangsläufig auch die Qualität des Gesagten steigen. Aber lesen Sie doch heute mal die alten Bücher und Texte solcher profilierter Persönlichkeiten wie P. Leppich SJ oder Christa Meves. Würden die auch heute noch Leute auf die Beine bringen?
Etwas schmunzeln musste ich, als Pfr. Jolie dann die Eigenschaften solcher spirituellen Wundermenschen aufzählte: Einerseits „spirituelle Kraft, Originalität und Durchsetzungsfähigkeit und andererseits „Glaubenstreue, Romverbundenheit und Liebe zur Kirche“. Als spräche er hier tatsächlich von Gegensätzen. Es klingt mir ein wenig so, als wäre das eher ein selbstgefälliges Schulterklopfen der Kreise, die sich auf „Kongresse glaubenstreuer Katholiken“ verzogen haben. Es klingt auch sehr nach Pfarrern, die gegenüber ihren Gemeinden manchmal so beinhart auftreten und so "alleswisserisch", als wären Liebe zur Kirche und Liebe zum Gottesvolk Eigenschaften, die nicht zusammen gehen. Ich glaube auch nicht, dass „profilierte Persönlichkeiten“ automatisch zur Zielscheibe ungerechter Kritik werden. Das geschieht eher, wenn Profil und Persönlichkeit nicht zusammen passen.
Vielleicht würde etwas draus, wenn solche Christen neben den von Jolie aufgezählten Eigenschaften noch diese besäßen: Lebenerfahrung, den Mut zu schweigen, wenn es not tut, Bescheidenheit, Liebe zu den Menschen, Frömmigkeit, Dialogbereitschaft, Demut; Dienstbereitschaft und manches mehr.

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