Er wird mir geradezu sympathisch, der
Bischof em. Gerhard Ludwig Müller von Regenburg, inzwischen dort
emeritiert und zum Erzbischof und „Dritten Mann im Vatikan“ ernannt. Gerade hat
der Papst ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation berufen.
Die Reaktionen darauf sind – gelinde gesagt - „gemischt“. Ich
würde sagen: Meine Güte, hat der arme Mann Gegner!
Selbst
das sonst so sachliche ZDF garniert seinen Bericht über die
Ernennung so mit Einseitigkeiten, dass man meinen könnte, Johann
Tetzel persönlich sei zurückgekehrt. Oder Bischof Müller
sei zum Großinquisitor ernannt und gleich wieder mit diesem
Titel ausgezeichnet worden. Dabei wäre es doch eigentlich einmal
ein guter Anlass gewesen, fröhlich zu jubilieren und zu rufen:
„Wir sind Papst...“, nein, das jetzt nicht... Aber warum nicht
einfach froh darüber sein, dass ein deutscher Theologe auf
diesen vor allem theologisch so wichtigen Posten berufen wurde.
Schließlich wurde immer wieder betont, es sei das
„drittwichtigste“ Amt im Vatikan. Und daher kann es doch nur gut
sein, wenn hier jemand arbeitet, der von der Sache etwas versteht und
eigenständig zu denken gelernt hat.
„Als Präfekt der
Glaubenskongregation ist dieser bornierte Scharfmacher fehl am
Platz“, soll Hans Küng gesagt haben. Es versteht sich von
selbst, dass auch „Wir sind Kirche“ von der Ernennung nicht
erfreut ist. Schließlich hatte Gerhard Ludwig Müller als
Bischof von Regensburg mit den engagierten Laien gerne einmal „die
Klinge gekreuzt“ und so manchen Strauß ausgefochten. Manchmal
sogar vor kirchlichen und weltlichen Gerichten. Trotzdem bescheinigt
der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert
Schmidt dem Bischof einen „ansteckenden Humor“ und sieht in ihm
eine „Idealbesetzung in diesen schwierigen römisch-vatikanischen
Zeiten“. Gerhard Ludwig Müller ist ein Freund des offenen
Wortes und ich finde, manchmal schießt er auch über das
Ziel hinaus, z.B. als er „Wir sind Kirche“ als „parasitäre
Existenzform“ bezeichnete. Was er damit meint, formuliert er nun im
Interview mit Radio Vatikan so: „Es darf nicht sein, dass die
Einheit der Kirche Gottes gestört wird durch Ideologien,
sektenhafte Art – am linken oder rechten Rand –, die auf
sonderbare Weise kollaborieren und so der Kirche schaden. Diese
Gruppierungen haben leider in manchen Medien mehr Resonanz als die
vielen Millionen Gläubigen, die den Weg der Nachfolge Jesu
Christi gehen und Vieles und Gutes leisten für den Aufbau der
Kirche." Ich mag ihm und seinen Einschätzungen nicht widersprechen. Zumeist lohnt es sich bei Müller, den ganzen Text zu lesen und
von dort her die ein oder andere Spitze zu verstehen. Es wäre
wünschenswert, wenn er selbst es seinen Kritikern durch
übertriebene Zuspitzungen nicht zu leicht machen würde.
Man sollte nun meinen, wenn ein
„(erz-)konservativer“ Bischof auf diesen Posten berufen wird,
sollte die konservativ – fromme Szene jubilieren. Aber weit
gefehlt: Pius-Bischof Alfonso de Galarreta kommentierte noch am
selben Tag – offensichtlich spontan in seine Predigt zur
Priesterweihe eingefügt – der Papst habe einen „Häretiker“
zum Glaubenswächter ernannt. Damit habe er sprichwörtlich
„den Bock zum Gärtner“ gemacht (Das ist jetzt kein Zitat).
Nun, de Galarreta hat ihn nicht direkt „Häretiker“ genannt,
aber gesagt: „Es ist unglaublich, dass wir heute so weit sind, dass
der Oberste Hüter des Glaubens Häresien verbreitet.“ Auf
diese Unterscheidung (worin auch immer der Unterschied genau liegt)
legte man zunächst bei der Piusbruderschaft wert. Doch nur einen
Tag später legte man durch P. Matthias Gaudron nach, der eine
offizielle Erklärung veröffentlichte und darin benannte,
worin die Häresien des neuen Präfekten der
Glaubenskongregation denn nun – nach Ansicht seiner Bruderschaft –
bestehen. Ob er für diesen Text wohl die Originaltexte Müllers
gelesen hat? Jedenfalls klingt die Erklärung, als habe er sie
eher bei kreuz.net und den einschlägigen Blogs
zusammengestoppelt. Vom Dogmatiker der Piusbruderschaft hätte
ich mehr erwartet!
Und die Vorwürfe sind zumeist so auf einen
Satz zugespitzt, dass man sich fragt, was Gaudron und seine
Piusbruderschaft mit dieser Attacke erreichen möchten. Immerhin
ist der zukünftige Kardinal Müller letztlich der Mann, der
in Sachen Versöhnung mit der Bruderschaft ein sehr gewichtiges
Wort mitzusprechen hat. Will man hier gleich im Vorfeld das
persönliche Klima so vergiften, dass ein Scheitern der
Versöhnungsbemühungen dem Vatikanischen Behörden in
die Schuhe geschoben werden kann? Ich mag mir die taktischen
Spielereien (mit dem Feuer) hinter den Kulissen der Piusbruderschaft
gar nicht ausmalen. Schade, wie hier das Entgegenkommen des Hl.
Vaters verspielt wird. Aber ich schweife ab. Jedenfalls bin ich sehr
gespannt, was Bischof Müller oder Bischof Fellay zu einer
Befriedung der Situation beitragen wollen.
Es kann doch selbst in der
Piusbruderschaft niemand ernsthaft glauben, dass der Hl. Vater nicht
intensiv geprüft hat, wen er für diese gewichtige Aufgabe
beruft und ob seine theologischen Positionen der Lehre der Kirche
widersprechen. Wenn die Einzelsätze aus dem theologischen Werk
des Bischofs (der gleichzeitig Herausgeber der gesammelten Werke des
Papstes ist und bleibt) Anlass zu lehrmäßigen
Beanstandungen geben würden) hätte man dies sicherlich im
Vorfeld geklärt. Schließlich ist z.B. das Lehrbuch zur
Dogmatik des Regensburger Bischofs sogar schon vor seiner
Bischofsweihe erschienen. Erste gewichtige Verteidiger von Müller
melden sich auch schon entsprechend zu Wort (z.B. Don Nicola Bux)).
Nun gut, im Grunde verwundert es natürlich nicht, dass ein dem
Sedisvakantismus zuneigender, irregulär geweihter Bischof
eigentlich in jedem nach dem 2. Vaticanum geweihten Bischof (mit
Ausnahme vielleicht von Albert Malcolm Kardinal Ranjith Patabendige
Don ;-)) einen Häretiker erblickt.
Bischof Gerhard Ludwig Müller, ich
muss es gestehen, ist mir bisher nicht besonders sympathisch gewesen.
Aber, dass seine Ernennung derart widersprüchliche Reaktionen
hervorruft, dürfte Beleg für seine Vielseitigkeit und sein
eigenständiges Denken sein. So mag es seine Kritiker aus dem
„linken Lager“ erstaunen, dass er gemeinsam mit dem
Befreiungstheologen Gustavo Gutiérrez ein Buch herausgegeben
hat und offensichtlich sogar mit ihm befreundet ist. Als
„Ökumenebischof“ war er bei den evangelischen Schwestern und
Brüdern in Deutschland durchaus geschätzt und das sogar
eher wegen als trotz seiner offenen Worte und seines theologischen
Sachverstandes.
Der Mann sprengt die Klischees!
Wie auch immer – ich mache mir wegen
der Ernennung von Gerhard Ludwig Müller zum Präfekten der
Glaubenskongregation keine Sorgen mehr. Im Gegenteil! Ich bin
gespannt, was dieser Mann uns zu sagen hat und ob es ihm gelingt, den
Glauben und das Nachdenken über den Glauben wieder mehr zum
Gesprächsthema zu machen. Es würde mich freuen, wenn er im
Konzert der Meinungen den „vielen Millionen Gläubigen, die den
Weg der Nachfolge Jesu Christi gehen und Vieles und Gutes leisten für
den Aufbau der Kirche“ eine Stimme gibt und vor allem ihnen sein
Ohr leiht und Aufmerksamkeit schenkt.
Mehr über Erzbischof Müller gibt es bei Wikipedia, den Text von P. Gaudron kann man hier lesen: www.pius.info/offizielle-stellungnahmen/698-distrikt-stellungnahmen/6947-presseerklaerung-zur-ernennung-von-bischof-mueller
Hier findet sich etwas über die Entgegnung aus Rom: www.kath.net/detail.php?id=37270
Und hier eine Beschwerde über die Einseitigkeiten im ZDF: www.kath.net/detail.php?id=37223
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