Dienstag, 13. September 2022

Wer hat Angst vorm (bösen...) Synodalen Weg?

© Synodaler Weg/Maximilian von Lachner
Mit einem „Paukenschlag“ begann die Versammlung des Synodalen Weges (SW) am Donnerstag. Ein Grundlagentext zur Sexualität und Partnerschaft, der im Verlauf der vergangenen zwei Jahre entstanden war, fand zwar die Zustimmung der überdeutlichen Mehrheit der Synodalen. Allerdings stimmten nur 61 Prozent der Bischöfe mit „Ja“ (bezogen auf die Nein und Ja – Stimmen, denn Enthaltungen werden im SW nicht gezählt.) 209 Synodale hatten sich versammelt, von ihnen stimmten insgesamt 34 mit „Nein“. Allerdings waren von diesen 33 Stimmen 21 bischöfliche Stimmen, die Sperrminorität war damit erreicht, obwohl damit nur 12 weitere Synodale gegen das Papier waren. Eine sehr deutliche „Unwucht“ zwischen Bischöfen und weiteren Synodalen. Vor der Abstimmung hatten sich nur zwei Bischöfe in einem Statement gegen den Beschluss positioniert, direkt nach der Abstimmung bekannten sich drei weitere Bischöfe zu ihrem Nein.

Schwester Dr. Katharina Kluitmann beklagte in einer Predigt in Köln am Sonntag, dass sie sich nicht über die Ablehnung selbst geärgert habe, sondern darüber, „dass man uns im Dunkeln belassen und nicht vorher gesprochen hat.“ Zwei Jahre sei Zeit dafür gewesen.

In der Tat wird in diesem Vorgang zweierlei deutlich: Große Mehrheiten der Katholiken wünschen sich – gegen lehramtlichen Widerstand – seit Jahrzehnten Reformen der Sexualmoral. Und erleben aufgrund der hierarchischen Verfasstheit der Kirche immer wieder, dass am Ende ihre Bemühungen,  ihre Lebenserfahrung, ihre Stimme und alle theologischen und menschlich-emotionalen Argumente wertlos sind, wenn das Amt entscheidet. Genau das zeigt wie in einem Brennglas die Problematik der Kumulierung der Leitungsverantwortung bei den Geweihten, bei Bischöfen und Pfarrern – naturgemäß allesamt Männer. „Beratet uns gern – Entscheiden tun am Ende wir.“ Die Erschütterung und Ratlosigkeit nach diesem „Paukenschlag“ sorgte dann aber doch für einen insgesamt erstaunlichen und überraschenden Verlauf der 4. Vollversammlung des SW in Frankfurt.

Der laute Jubel auf allen konservativen Kanälen bliebt Manchem dann im Halse stecken, als weitere Beschlüsse auch bei den Bischöfen weitgehend Zustimmung fanden. Und zu Beginn der neuen Woche ist die Lage doch eher unübersichtlich.

In der katholischen Kirche tobe ein „Bürgerkrieg“ meinte kürzlich Marco Politi in einem Interview. Politi ist ein bekannter italienischer Publizist.

Je nachdem, ob man lieber „Kirche und Leben“ oder Tagespost liest, bekommt man jedoch die Schilderungen vom Schlachtfeld nicht übereinander. Wenn da nicht die verbindenden Bilder und das Logo des SW wären, scheint die Schilderungen der Einen nichts mit den Berichten der Anderen zu tun zu haben. Waren sie wirklich auf ein und derselben Veranstaltung?

Überhaupt scheint Kriegsrhetorik gerade angesagt: Dorothea Schmidt, die Vertreterin von Maria 1.0 beim SW spricht in der Tagespost von „Feindlicher Übernahme der katholischen Kirche“. Am letzten Versammlungstag habe man den „Grundstein für die Deutsche Nationalkirche gelegt“. „Allerdings mit unfairen Mitteln.“ „Ich habe in den vergangenen Tagen die feindliche Übernahme der katholischen Kirche miterlebt, eine Art Putsch mit verbalen Säbeln.“

„Vor meinem inneren Auge sehe ich Panzer das Kirchenschiff plattfahren, um Platz zu machen für die deutsch-nationale freizügig-feministische Genderkirche.“

Die Tagespost schießt aus allen Rohren und unterstützt ein Netzwerk von Aktivisten, dass sich gegen den SW engagiert. Ein Interview eher konservativer Bischöfe und Vertreter von Anti-SW-Initiativen wie „Neuer Aufbruch“ und Maria 1.0, ein Text von Bernhard Meuser und Franziska Harter jagt den Nächsten. Der Tonfall ist mehr als gereizt und nicht gerade von journalistischer Neutralität geprägt.

Kein Wunder, dass Irme Stetter-Karp auch Tagespost und Maria 1.0 für eine Flut böser Angriffe und Briefe verantwortlich macht, was diese empört zurückweisen.

Der Ton ist gereizt: ein bei Facebook sehr aktiver katholischer Aktivist schreibt: „Seit Jahrzehnten waren die Bischöfe, die man dem Hl. Vater zur Wahl vorschlägt „faule Früchte“, „Kath.Bischöfe die sich in Deutschland zum Papst - zu Rom und zur Kath.Lehre bekennen und diese offen verteidigen, werden von den „Synodalen“ gezielt angefeindet - gemobbt und verleumdet!“

Diese Sicht wurde gefüttert durch gewisse Andeutungen einiger (Weih-)bischöfe in ihren Statements beim SW. Man habe sich „massiert“ gefühlt und zur Zustimmung gedrängt oder gar „emotional unter Druck gesetzt.“ Ganz offensichtlich ist ein offener Schlagabtausch und klarer Widerspruch für manchen Bischof schwer auszuhalten. Erst recht, wenn man auf Augenhöhe zu sprechen hat und nicht aufs Tablett gehoben wird.

Bernhard Meuser wittert in der Tagespost schon den Rauch qualmender Scheiterhaufen: „Abgesehen davon, dass für manche - etwa Religionslehrer oder Pfarrer - es schon heute schwer ist, sich öffentlich zum Lehramt zu bekennen, sind die Bedingungen für eine Jagd auf lehramtstreue Katholiken aufgestellt. Mehr denn je sind Bekennermut und Zeugnis notwendig.“

Man muss es ihm lassen, Dramatik kann er: „Im Streaming konnte nun jeder, der wollte, den Heldenmut der Wenigen angesichts einer dämonischen Drohkulisse ebenso wahrnehmen, wie den erschütternden Kniefall der Vielen vor dem Synofanten.“ Das putzige Kuscheltier, das vor einigen Monaten einmal auf einem Foto des DBK-Vorsitzenden auftauchte wurde zum Goldenen Kalb des Zeitgeistes stilisiert, dem das Volk im SW huldigte.

So kommt er, der Verteidiger der wahren Katholizität und rühriger Initiator der Initiative „Neuer Anfang“ zu einem erstaunlichen Ergebnis. Während man sonst die Hierarchie (zumindest das Modell) mit Zähnen und Klauen verteidigt… … wenn man den eigenen Bischof für einen Häretiker hält, darf man offenbar geistlich in ein anderes Bistum switchen. Dann ist der eigene Diözesanbischof eben abgeschrieben und man folgt treu dem fernen Bischof, der halt in allen Abstimmungen „Nein“ gestimmt hat. „Sollte es sich herausstellen, dass ein Amtsträger mit dem gemeinsamen Glauben der Kirche manifest gebrochen hat, und sollte er damit die Kommuniongemeinschaft der einen Kirche verlassen haben, so besteht gegenüber diesem "Bischof" nicht nur keinerlei Loyalitäts- und Gehorsamspflicht mehr, sondern man hat als getaufter und gefirmter Christ sogar die Pflicht, ihm jede Unterstützung zu entziehen. Nun wird man die Texte des Synodalen Weges in Ruhe betrachten müssen, um dann das reale Abstimmungsverhalten der Bischöfe anzuschauen.“

Auch wenn er sich da noch ein argumentatives Ausstiegstörchen offen gelassen hat: Im Grunde verlässt man mit diesem Satz die überlieferte Kirchenordnung weit mehr als mit der Einführung eines synodalen Ausschüsschens, das in Zukunft etwas verbindlicher als sonst die Bischöfe beraten darf.

Meuser plädiert in einem Kommentar sogar dafür, die Bischöfe bezüglich Ihres Amtseides kritisch und brieflich anzufragen und seine Zweifel an der Treue des jeweiligen Bischofs auch an höherer Stelle kundzutun. Meuser versteht es, sprachlich auf den Busch zu klopfen und die dicke Pauke zu schlagen. Aber auch die „Gegenseite“ wollte sich offenbar nicht lumpen lassen.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller Schüller fragte: „Was machen jetzt ein Kardinal Marx mit seinem Weihbischof Stolberg, ein so lernbereiter Bischof Genn mit Weihbischof Zekorn?“

Ja nix, will ich hoffen. Wenn das ihre Überzeugung war, dann muss man das aushalten und darf es und kann es nicht sanktionieren.

Aus der „neutralen“ Schweiz titelte kath.ch allen Ernstes: „Sind Bischof Gebhard Fürst und Weihbischof Thomas Maria Renz «feige Heckenschützen»? „Die Diözese Rottenburg-Stuttgart ist ein Schweizer Nachbarbistum. Früher wehte hier ein liberaler Wind. Doch nun gibt es Unmut: Bischof Gebhard Fürst und Weihbischof Thomas Maria Renz verschweigen ihr Votum beim Synodalen Weg.“

Es ist sicher bedauerlich, dass offenbar gerade die Weihbischöfe die "Mühen der Ebene" scheuten und sich wenig in die Diskussionen einbrachten, und am Ende dann "dagegen" stimmten. Es ist ja sowieso bedrückend, dass Arbeitsgruppen über Monate Konsenstexte erstellen, um einzelne Sätze ringen und am Ende steht nur ein "ja" oder "nein" zur Verfügung. Bischöfe sollten sich nicht in einer konstruierten Opferrolle einnisten, sondern auch anerkennen, dass der Widerspruch etwas spät kommt. Synodale Debattenkultur bedeutet Ringen um die Wahrheit. Und das erfordert Zeit und Mühe. Selbst dann, wenn man als Weihbischof einen vollen Terminkalender hat.

Dabei war es vorhersehbar, dass es zu dieser Zuspitzung kommen könnte. Die Synodalin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz hatte offenbar bei einem Vortrag im österreichischen Kloster Heiligenkreuz darauf hingewiesen und klar gemacht, dass die Bewahrer augenscheinlich besser zählen können als die Reformer. Obwohl auch die Religionsphilosophin erstaunt konstatierte: "Die Bischöfe schweigen in ganz großer Mehrheit". 

Ich bin ziemlich sicher, dass auch ich als aufmerksamer Beobachter der katholischen Szene die 21 bischöflichen Nein-Stimmen benennen könnte und würde ziemlich hoch wetten, dass ich dabei mindestens 19 Treffer lande.

Natürlich steht es jedem Synodalen frei, eine Meinung zu haben und zu einer Entscheidung zu kommen. So viel Freiheit braucht es und Synodalität heißt auch, auszuhalten, dass mein Weihbischof anderer Meinung ist. Ich hoffe, diese Professionalität bringen alle Beteiligten bald wieder auf.

Leider ist auch auf der Seite der Reformer die Stimmung extrem aufgeheizt. Dazu tragen auch Bewegungen wie Maria 2.0 bei oder Stimmen wie die des Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke, der im SW „Beteiligungssimulation“ beobachtet. Konservative Stimmen müssen sich manchmal gar als Vertuscher, Undemokraten, „angebliche Reformer“ oder in die geistige Nähe von Gewalttätern rücken lassen. Wobei die sozialen Netzwerke auch einen bunten Zoo von Menschen anziehen und der Umgangston dort sicher rauher ist als im normalen Leben.

Unangenehm berührt hat mich – bei verständlicher Emotionalität und Mitfühlen mit Betroffenen – auch eine Wortmeldung von Gregor Podschun, der für den BDKJ in der Versammlung sitzt: „Menschen werden umgebracht wegen der Haltung der Kirche. Sie hat dazu beigetragen, dass die Person beim CSD neulich (In Münster) umgebracht wurde."

Nein! Bei allem Verständnis für Mitgefühl. Das erscheint mir reichlich „unterkomplex“. Um nicht unfair zu sagen. Ich will nicht ausschließen, dass die kirchliche Verkündigung vergangener Jahrzehnte einen Einfluss auf eine gewisse homophobe Grundstimmung meines dörflichen Lebensumfeldes hatte. Sprüche in der Schule, auf dem Sportplatz, in Stammtischrunden kenne ich natürlich. Dass aber ein Vredener Pastor es für notwendig hielte, irgendwas zu Homosexualität oder zu schwulen Paaren zu predigen, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Das wird auch schnell zur Frage vom Huhn oder Ei. Was ist der originäre Anteil der Kirche an einer solchen Haltung? Fragwürdig wurde Homosexualität in der Pubertät als Anfrage an die eigene sexuelle Orientierung. Die Kirche habe ich da eher – selbst im konservativen Münsterland – als Gegenwelt erlebt. Hier war das Lästern über Leute, die Anders waren verpönt. In der Jugendarbeit hatten wir ein offenes Herz für Typen, die anderswo ausgegrenzt wurden. Erste intensive und offene Gespräche mit schwulen Männern hatte ich bei Katholikentagen. Manchmal arbeiten wir auch eine dunkle kirchliche Vergangenheit auf, die schon lange Jahrzehnte keine Gegenwart mehr war. Jedenfalls nicht überall. Dass sich kleine Gruppen und Milieus nach wie vor wie in der „guten alten Zeit“ denken und verhalten ist Teil einer sehr vielgestaltigen Kirchenwelt. Und leider haben sich Sonderwelten gerade in der Domumlaufbahn besonders lange gehalten.

Es ist sicher nicht von der Hand zu weisen, dass die Kirche sich sorgfältig überlegen muss, was ihre Moral- und sonstige Verkündigung möglicherweise auslöst. Da verantwortet sie durchaus eine Unheilsgeschichte. Niemals darf es dazu kommen, dass Menschen zurückgesetzt und bedrängt oder gar gewalttätig angegangen werden. Hier sollte die Kirche immer Position beziehen. Das ist wichtiger als auf irgendwelchen Lehrpositionen zu beharren oder diese gar mit der eigenen Pastoralmacht, dem Arbeitsrecht oder der Finanzkraft umzusetzen. Manchen Zuspitzungen auf dem SW und auch in der nachträglichen Kommentierung kann ich (bei aller guten Absicht) nicht folgen. Niemand will Missbrauchstäter unterstützen, weil er an Katechismusformulierungen festhalten möchte.

Das alte Diktum „Den Sünder lieben und die Sünde hassen.“ ist in seiner Tiefe noch gar nicht ausgeschöpft. Es ist ein Paradoxon, das uns immer wieder herausfordert. Aber es verbietet, einem Menschen den Platz im Gemeinderat zu verwehren oder ihm als Mitarbeiter stumpf zu kündigen.  Jesus sagt: „Ich bin nicht gekommen um das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen.“ Ich denke, es bleibt richtig, dass wir theologisch Ideale und Prinzipien beschreiben, an denen man sich orientieren kann. Aber wir dürfen nicht mit diesen Idealen auf Menschen einprügeln, die ihnen nicht entsprechen. So viel geistlichen Spagat sollten wir uns zutrauen.

Es uns aber damit auch nicht leicht zu machen. Es ist sicher richtig, Menschen nicht pauschal wegen vergangener Fehler auszuschließen. Aber ohne einen klaren Kompass kirchlicher Lehre kann es nicht gehen. Auch die Reformer wollen nach meiner Wahrnehmung keinen Relativismus und kein „everything goes“. Es braucht Regeln. Gerade in Fragen des sexuellen und geistlichen Missbrauchs entstehen aufschlussreiche neue Regelwerke und Selbstverpflichtungen. Niemand möchte aus lauter Barmherzigkeit den Missbrauchstäter wieder in der Seelsorge sehen. Und es wird auch in Zukunft menschliches Fehlverhalten geben, das sich nicht mit einer Arbeit für die katholische Kirche verträgt.

Kehren wir zurück zur Beobachtung der nunmehr zu Ende gegangenen Vollversammlung des SW. Wenn man die Reaktionen in den sozialen Medien betrachtet, müsste der Synodale Weg die ganze katholische Welt in Atem halten. Tut er aber nicht. Wenn ich in meinen beruflichen Alltag schaue, so ist das ein ziemliches Insiderthema. Wir hatten einmal den Plan, in der Gemeinde einen Infoabend dazu zu starten und eine Synodalin einzuladen. Aber das Interesse war so mäßig, dass wir davon Abstand genommen haben. Es fehlt an der Vermittlung in die Gemeinden, vielleicht pointierten Zusammenfassungen der sehr komplexen Papiere und Ereignisse. Die Kritik aus gut organisierten Aktionsgruppen ist laut. Die Presse interessiert sich vor allem für die „heißen Eisen“ und die Konflikte. Für die Gemeinden wäre interessant, was in ihrem Gemeindealltag Relevanz haben könnte.

Manchmal kommen mir die Gemeinden vor Ort und die Kirchenleitungen in Münster und Rom schon wie Parallelwelten vor, die zwar aufeinander bezogen sind – aber doch weit voneinander entfernt existieren. Und die bittere Kirchenkritik vieler Medien trifft mich in der täglichen Seelsorge selten, wenngleich ich weiß, dass die Strukturen, Macken und Fehler meiner Kirche existierten und teils noch heute existieren. Wobei allzuoft ein Status der Kirche kritisiert wird, der längst der Vergangenheit angehört. Dass heute ein Missbrauch vertuscht wird, kommt mir undenkbar vor, aber viele glauben noch immer, dass die Personalabteilungen in erster Linie die Akten von Missbrauchstätern verschwinden ließen und diese nach wie vor irgendwo in der Kirchenorganisation verstecken. Es scheint manchmal, als kämpfe Don Quichote gegen die frommen Windmühlen. Nicht, dass alles schon gut wäre, aber der Wandel kann doch nicht übersehen werden, selbst wenn er nur oft, aber noch nicht immer und überall zum Guten geschieht. Ich mag die Kirche nicht verloren geben. (Und weil dazu schon eine kritische Anmerkung kam: Es liegt mir völlig fern damit das bodenlose Versagen von Bischöfen und Verantwortlichen in der Vergangenheit zu leugnen oder mit dem aktuellen Stand im Umgang mit Betroffenen und deren Entschädigung zufrieden zu sein.)

Ich muss gestehen, dass ich mich auch nur mit Mühe durch die Papiere des SW ackere und im Grunde nur wenig mit Ruhe gelesen habe. Daher hatte ich mir diesmal einige Stunden Zeit genommen, um dem Livestream zu folgen.

Meine ganze Hochachtung hat die 31jährige Katharina Norpoth, die einige Stunden lang die Versammlung mit stoischer Ruhe und Freundlichkeit moderierte. An einer Stelle hatte sich eine Gruppe von 5 Synodalen gefunden, die mit dem Verweis auf einen Passus der Satzung eine geheime Abstimmung forderten und sich einfach nicht davon überzeugen ließen, dass die Zahl 5 nur verhindern sollte, dass Einzelpersonen aus strategischen Gründen bei jeder Gelegenheit eine geheime Abstimmung fordern könnten. Damit hätten sie jede der satzungsmäßig vorgesehenen namentlichen Abstimmungen verhindern können. So wollten diese 5 es auch nicht akzeptieren, dass ihre Forderung geheimer Abstimmung nun selbst zur Abstimmung gestellt wurde. Da offensichtlich die fünf Antragssteller aus dem eher oppositionellen Kreis stammten, fanden Sie bei Franziska Harter in der Tagespost große Sympathien und Frau Norpoth musste sich folgendes Verdikt über die eigenen Moderations“leistungen“ zu Gemüte führen:

„Die Moderation von Katharina „BDKJ“ Norpoth am Samstagmorgen verschaffte übrigens einen Eindruck davon, wie die Kirche aussehen wird, wenn demnächst mehr Frauen mehr Macht in der Kirche haben. Soviel eiskalten Autoritarismus dürfte sich kein Bischof auch nur im Ansatz erlauben. Synodale, die sich höflich darum bemühen, eine geheime Abstimmung als einen geschützten Rahmen für eine Gewissensentscheidung zu erreichen, mussten sich wie Schulkinder von ihrer Oberlehrerin über den Mund fahren lassen. Frauen wie Männer – wenigstens da herrschte Geschlechtergerechtigkeit.“

Das ist völlig unfair. Ich würde mir eine souveräne Moderation für viele Gremien in Politik und Kirche wünschen. Und ein ruhiger Blick in die Satzung und Geschäftsordnung sollte auch deutlich machen, dass der Zweck dieses Passus keineswegs die Erzwingung einer geheimen Abstimmung durch eine winzige Gruppe sein kann. Der grundsätzliche Abstimmungsmodus der Versammlung war eine öffentliche Abstimmung. Durch die Verwendung der Stimmgeräte jedoch wurde hieraus schon per se eine mindestens halbgeheime Abstimmung und je nach persönlicher Vorliebe auch eine Geheime, wenn man die Tastatur zu hielt. Norpoth ist übrigens seit 2020 nicht mehr BDKJ-Vorsitzende.

Insgesamt habe ich die Debatten gern verfolgt. Ich habe vielen Menschen zugehört, die sich mit Engagement und Sachverstand meldeten und für ihre Sache und für ihren Glauben und ihre Kirche brannten. Das macht mir Hoffnung.

Mit Respekt habe ich auch Wortmeldungen eher konservativer Synodaler gehört, frage mich aber, ob es wirklich ausreichend ist, auf Kirchentreue, Tradition und Gehorsam zu pochen oder Kurzreferate über das eigene Amtsverständnis als Bischof zu halten. In zwei Minuten kann man viel Unsinn reden und langatmig seine Emotionen schildern, was manchmal ziemlich nervig war. Aber man kann in zwei Minuten auch wesentliche Punkte benennen. Und wenn sich die Konservativen einmal einigen könnten, auf Wiederholungen, Zynismus und Mimimi zu verzichten, sondern abgestimmt für Ihre Position zu werben und sich mehr mit ihrer Meinung konstruktiv in die Textarbeit einzubringen, wäre auch hierfür viel gewonnen. Wen soll es überzeugen, wenn Treue zur Lehre eingefordert wird, ohne dazu zu sagen, welchen tiefen Sinn diese Treue haben könnten, und wer davon wie profitiert.  

Und hier bin ich wieder an dem Punkt, wo ich mit Leidenschaft immer wieder ende. Und wo ich denke, dass ich auch voll auf der Linie des Hl. Vaters bin, wenn er über Synodalität redet und die Gabe der Unterscheidung. Der Synodale Weg kannte sicher Sternstunden. Aber die schienen mir eher selten zu sein, wenn ich dem folgen darf, was ich selbst angehört habe und was in verschiedenen Medien zu lesen war. Leider wirken gewisse Lobby- und Antilobby-Kreise hier wenig segensreich. Sie fördern nicht die Synodalität, sondern die Konfrontation. Die Einen mit dem Knüppel der unveränderlichen Kirchenlehre, die anderen mit dem Vorwurf einer Menschenfeindlichkeit der Lehre und ihrer Verteidiger. Es wird Zeit, bei aller, teils verständlichen Emotionalität und Ungeduld auch verbal abzurüsten. Und jenen Stimmen wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen, die für Verstehen werben. Aber das würde auch von allen Anwesenden fordern noch mehr auf Machtpositionen und Sperrminoritäten zu verzichten. Und der Einflüsterung und Stimmungmache von Außen zu widerstehen.

Franziska Harter kommt nach dem Paukenschlag am Donnerstag zu dem Schluss: „Denn entgegen allen geduldigen Mahnungen von Papst Franziskus ist der Synodale Weg alles, nur nicht eins: synodal.“

Vermutlich können sich alle Seiten wenigstens darauf einigen. Da sollte noch etwas gehen. Und wir dürfen zuversichtlich sein. Da geht auch noch was. Beim weltweiten synodalen Weg, aber auch bei den weiteren Synodalversammlungen und beim geplanten synodalen Ausschuss.

Ein Zurück zur Bestimmerkirche, in der alle Macht in der Hand der Geweihten liegt, kann es nicht geben. Weder in demokratisch-westlichen Staaten, aber auch nicht in Afrika, Asien, Lateinamerika, wo die Kirche angeblich wächst und wächst. Selbstverständlich ist und bleibt Christus das Haupt der Kirche. Und der Bischof von Rom wird auch ihr Papst sein und bleiben. Aber ohne dass jene mitbestimmen, über die und deren Anliegen entschieden wird, hat unsere Kirche keine Zukunft. Um den rechten Weg müssen wir ringen. Und selbstverständlich werden wir über Gottes Wort nicht abstimmen, auch wenn Josef Bordat in einer Glosse in der Tagespost genüsslich vorschlägt, um die Synodalen lächerlich zu machen. Jesu Wort, das was das Evangelium sagt, was die Hl. Schrift uns im Geist Gottes vermittelt, das muss es sein und bleiben, das uns in der Nachfolge immer weiter führt, Schritt für Schritt dem kommenden Christus entgegen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen