Dass aber der Wunsch der katholischen Laienverbände, vieler Bischöfe und des Synodalen Weges, einen sogenannten „Synodalen Rat“ zu gründen, die wahre Krise der katholischen Kirche in unserem Lande sein soll, das wird vermutlich die fromme Lieschen Müller doch sehr wundern, wenn der Pastor vorbei kommt, um ihr zum 85. Geburtstag zu gratulieren. Auch als regelmäßiger Kirchgänger kann ich mich nicht erinnern, das Stichwort jemals in einer Predigt gehört zu haben.
Während der normal engagierte Katholik gerade mit Spannung und Sorge auf die Pläne für Großgemeinden und pastorale Räume schaut, hat sich eine besondere katholische Blase das Projekt eines Synodalen Rates als Ziel ihrer Agitation gewählt. Es drohe die Spaltung, das Schisma, die Loslösung von Rom.
Was ist also los, dass sich einer der profiliertesten Köpfe des Katholizismus im deutschsprachigen Raum, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn tief besorgt zeigt über die Situation der Kirche im Nachbarland. Dass er in einem ausführlichen Interview sogar selbst das Wort „Schisma“ übernimmt, vor einer Kirchenspaltung warnt?,
Ernsthaft? Eine Kirchenspaltung wegen eines Gremiums von Katholiken, dass die Bischöfe beraten soll? Wird da nicht zu heiß gegessen, was da der Synodale Weg gekocht hat?
In der Tat ist die Mitbestimmung und Mitberatung in der Kirche, die „Demokratie“ also, seit jeher ein heikles Thema. In der Vergangenheit habe ich mich auch hier schon oft damit auseinander gesetzt.
Bei all den Demonstrationen für Demokratie und gegen rechtsextreme Bestrebungen der letzten Wochen waren kirchliche Gruppen und Gemeinden, ja sogar Bischöfe engagiert und beteiligt. Dieser Einsatz der Kirche für Demokratie wird allerdings auch gern kritisiert, da ja die Kirche in ihren eigenen Strukturen weder Demokratie noch Mitbestimmung kenne. In ihrer Verfasstheit ähnelt sie nach wie vor einer Monarchie, Gewaltenteilung kennt sie kaum, auch in ihrem Arbeitsrecht geht sie einen alternativen Weg...
In der Tat hat der Bischof in der katholischen Kirche eine ungewöhnliche Machtfülle und abgeleitet hiervon auch ein Pfarrer. In jeder katholischen Gemeinde muss ein Pfarrer die letzte Vollmacht und zumindest auf dem Papier und im Zweifel die Leitung haben – was zu immer größeren Pfarren und pastoralen Räumen führt, weil die Zahl der Pfarrer, die diese Leitung auch ausfüllen könnten immer mehr sinkt und immer weniger Pfarrer diese Verantwortung auch tragen möchten. Wer mag schon pastoraler Raumpfleger werden, wenn er Priester und Seelsorger sein wollte.
Trotzdem gibt es in der Kirche immer Bestrebungen Macht zu teilen, Macht zu begrenzen und dem Bischof Räte zur Seite zu stellen. Sie sollten ihm helfen, gute Entscheidungen zu fällen. Im Raum der Kirche liegt bei kirchliche Räten die Betonung daher immer auf „Beratung“. Die konkreten Entscheidungen fällt in der Regel dann der Bischof oder die von ihm beauftragten Männer, in letzter Zeit aber auch zunehmend Frauen. Im Bistum Münster gibt es eine ganze Reihe von Räten, wie z.B. der Priesterrat, der Diakonenrat, der Diözesanrat, der Rat der Pastoralreferentinnen und Referenten. Oft gibt es auch Räte, die den Bischof und das Bistum in gesellschaftspolitischen Fragen beraten. Im Bistum Essen kann man das sehr schön sehen.
Ich habe persönlich einige Erfahrungen in Räten dieser Art gesammelt, war vor der Familiengründung engagiertes Mitglied im Diözesanpastoralrat und im Pastoralreferent*innenrat und über diese Gremien auch im Diözesanforum, einer großen Versammlung, die die Weichen für Zukunft der Kirche im Bistum Münster stellen wollte.
Nach meinen Erfahrungen dort ist ein synodaler Rat auf Bundesebene wirklich nicht mein feuchter Zukunftstraum für die Kirche. Zu groß bleibt das Risiko, dass die Entscheidungen dort fernab der Lebenswirklichkeit in den Gemeinden getroffen werden, zu „speziell“ sind die Themen und das Denken in den katholischen Echokammern. Wenn ich die Szene der hoch engagierten Kirchenleute sehe, erwarte ich nicht, dass die automatisch bessere Entscheidungen treffen und hilfreichere Papiere verfassen, als es die Bischöfe allein täten. Auch kenne ich Laien, die an Klerikalismus (in der Definition des Papstes) meinen Bischof um Längen übertreffen.
Dennoch finde ich es wichtig, dass Bischöfe und Pfarrer gut beraten werden und – ganz wesentlich dabei – guten Rat auch annehmen und umsetzen. Sie dürfen ihre Ratgeber aber nicht enttäuschen, wenn zwar im großen Kreis Machtloser beraten wird, am Ende aber von machtbewussten Einzelpersonen und kleinen Entscheidungsgremien ganz Anderes beschlossen wird. Es verwundert nicht, dass solche Räte am Ende niemanden mehr anziehen und es ist inzwischen ein verbreitetes Phänomen, dass z.B. Priesterräte und Gremien immer schwieriger zu besetzen sind.
In meiner Zeit im Diözesanpastoralrat und auch in den Pfarr(gemeinde)räten und Kirchenvorständen meiner bisherigen Gemeinden habe ich hoch kompetente Menschen erlebt, die mit ihrem Sachverstand, ihrem Wissen, ihrer Lebens- und Berufserfahrung, ihrer persönlichen Glaubensüberzeugung, mit Leidenschaft und Liebe zur Kirche dem Bischof (und den Seelsorgern) zur Seite stehen und ihm/ihnen einen guten Rat geben wollten. Das ist auch eine ehrenvolle Aufgabe und Räte dieser Art blicken ja auch auf eine lange Geschichte zurück. Es waren oft besonders ausgezeichnete Personen, die die Mächtigen im Land berieten und mithalfen, dass gute Entscheidungen fallen. Gute Regierungskunst ist, die Mannschaft mitzunehmen auf den gemeinsamen Weg.
Im Übrigen glaube ich, dass die gute Führung eines Beratungsgremiums weit schwieriger ist, als die Führung eines klar strukturierten Stadtrates, wo klare Entscheidungen mit politischer Mehrheit gefällt werden. Daher ist ein synodales Gremium, wie es Papst Franziskus vorschwebt, eine wirkliche geistliche Herausforderung.
In Deutschland gibt es ja neben den Räten auch Gremien, in denen es um klare Entscheidungen geht, wie den Kirchenvorstand oder den Kirchensteuerrat. Hier wird manchmal auch ein Pfarrer überstimmt. Im Hintergrund solcher Strukturen stehen oft staatliche Institutionen, die die Machtposition der Kirchenführungen begrenzen und kontrollieren wollten. Besonders weit gediehen ist dies in der Schweiz, die eine weltweit beinahe einzigartige Kirchenverfassung hat mit Kirchenparlamenten und Präsidenten. Das ist zwar in der Weltkirche ein besonderes Phänomen, aber man sieht, dass es geht und dass nicht jede Entscheidung in der Kirche allein dem geweihten Amt zukommen muss.
Um den aktuellen Streit besser zu verstehen, hilft ein kleiner Blick zurück in die Kirchen-Geschichte: Nach dem zweiten vatikanischen Konzil kamen verstärkt Laien (also Menschen ohne ein kirchliches Weihe-Amt) in gewählte Gremien und Räte und standen hier den Pfarrern und Bischöfen zur Seite. Gleichzeitig war auch aus katholischen Vereinen und Verbänden, wie z.B. Kolping, KAB, Frauengemeinschaft etc. ein Netzwerk von Organisationen gewachsen, aus dem eine ganz eigene, selbstbewusste Vertretung der organisierten Gläubigen in der Kirche entstand, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das ZdK. Es hat den Anspruch, die katholischen Laien aus Gemeindegremien, Gruppen und Verbänden zu vertreten. Mitglied kann man dort auf recht verschlungenen Wegen mit Wahlen und Delegationen werden. Da dies recht kompliziert erscheint, wird die Legitimation der ZdK-Vertreter von interessierten Kreisen gern bestritten. Dabei geht es im Grunde weniger um diese Strukturen selbst, sondern um die Meinungen, die hier vertreten werden.
Seitdem das ZdK mit den deutschen Bischöfen den sogenannten Synodalen Weg beschlossen und durchgeführt hat, steht diese Vertretungsstruktur in ständiger Kritik.
Sehr gern spottet und polemisiert man dabei über den Begriff des Zentralkomitees, weil dieser Begriff auch im Kommunismus Verwendung fand. Dieses sei besetzt mit lauter „Funktionären“, die ihre Pfründe behalten wollten. Nach meiner Erinnerung bestanden die Pfründe in Wirklichkeit jedoch in der Teilnahme an langen (sicher ehrenvollen) Sitzungen und der Erstattung von Fahrtkosten. Andere schwurbeln über die angebliche Planung einer katholischen „Räterepublik“ nach dem Vorbild der Arbeiter- und Soldatenräte aus der Frühzeit des Kommunismus.
Ein besonderes Sperrfeuer konservativer Kreise geht nun gegen den sogenannten Synodalen Rat der Kirche in Deutschland. (Ich bin darauf hingewiesen worden, dass man weder den Papst noch Kardinal Schönborn, noch Kardinal Kasper, Prof. Tück oder Kardinal Fernández hier subsummieren könne. All diese Kritiker der Pläne für einen Synodalen Rat sind theologisch eher liberal. Das stimmt! Und sie haben mit ihrer Kritik in der Sache ja auch recht.) Dieser Synodale Rat sollte als Vertretung aller deutschen Katholiken mit den Bischöfen gemeinsam beraten und möglichst verbindliche Beschlüsse für die ganze Kirche treffen. Das wäre ein Novum! Um diesen Rat zu gründen und Bedenken auszuräumen, soll es zunächst einen Synodalen Ausschuss geben.
Was aus Sicht des ZdK, das auf eine lange Tradition einer bundesdeutschen Organisationsform und einer engen Zusammenarbeit mit den Bischöfen zurück blickt und was sich aus den Erfahrungen des Synodalen Weges sicher nahe legt – begegnet nun aber einigen hohen kirchenrechtlichen Hürden.
- Eine solche Hürde taucht nun in der Tatsache auf, dass die Bischofskonferenz nur ein Hilfsinstrument ist, das die Zusammenarbeit der Bischöfe in einem bestimmten Gebiet unterstützen soll. Die Kirche ist gegliedert in Bistümer, an deren Spitze nun mal ein Bischof steht. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz ist nicht deren Chef sondern eher ein Sprecher . Ein Rat, der einen einzelnen Bischof sogar in Glaubens- und Gewissensfragen Vorgaben machen könnte – das widerspricht ausdrücklich der katholischen Kirchenverfassung. Und dies selbst bei der liberalsten Lesart der Texte des II. Vatikanischen Konzils. Darauf weist Kardinal Schönborn aber auch Kardinal Kasper in Rom zu Recht und mit klaren Worten hin. Selbst liberalste Kirchenrechtler haben laut und vernehmlich gewarnt, ohne dass die Unterstützer eines Synodalen Ausschusses (ob die Mehrheit der Bischöfe oder auch das ZdK) ihre Argumente berücksichtigt oder überhaupt nur beantwortet hätten. Eine Steilvorlage für alle, die das Vorhaben verhindern möchten.
- Der zweite Knackpunkt ist die Frage, ob ein solcher Rat den einzelnen Bischof auch in Glaubens- und Gewissensfragen zu einem ausführenden Organ seiner (Mehrheits-)Beschlüsse machen könnte. Das würde die überlieferte Kirchenverfassung auf den Kopf stellen. Man könnte fragen, warum es noch geweihte Kirchenmänner (vielleicht irgendwann auch Frauen) geben soll, wenn sie denn dann nur zu tun haben, was Vereinsvorstände und Gemeinde(rats-)versammlungen entscheiden. Und wie wäre es um die Einheit bestellt, wenn auf diese Weise einmal alle Bistümer in unterschiedliche Richtungen marschieren, je nachdem, welche „Partei“ dort gerade das Sagen hat.
Insofern ist ein „Synodaler Rat“ in Deutschland, der verbindliche Beschlüsse für die Katholische Kirche in Deutschland fasst, ein unmöglich umzusetzendes Gremium. Dies ließe sich nur erreichen, wenn man die Kirchenverfassung einmal komplett umkrempelt und das Kirchenrecht umschreibt.
Es erschließt sich mir im Übrigen gar nicht, warum das ZdK und auch die Mehrheit der Bischöfe für ein solches Gremium kämpfen, als sei dies in genau dieser Form der erlösende Faktor für alle Probleme unserer Kirche. Ich habe aber überhaupt keine Zweifel, dass auch kirchliche, geistliche Macht geteilt und kontrolliert werden muss.
In diesem Zusammenhang muss sich auch der Limburger Bischof Georg Bätzing Kritik gefallen lassen. Als Theologe und Bischof weiß er um die Schwierigkeiten, er gibt aber keine Antworten und zeigt keine gangbaren Wege. Allein auf „Rom“ zu schimpfen, die sich notwendigen Reformen verweigerten … mich überzeugt das nicht. Er wäre in der Verantwortung gangbare Wege zu eröffnen und uns nicht in Sackgassen zu führen. In der FAZ beschreibt der für seine spitze Feder bekannte Christian Geyer die deutschen Bischöfe diesbezüglich gar als "Juristische Deppen".
Es ist sicher wirklich gut gewollt und gemeint – aber ich sehe keinen Weg, das jetzt und heute sinnvoll umzusetzen. Die Archillesferse der Pläne haben die Gegner des Synodalen Weges sehr genau erkannt und nutzten alle Kanäle und Verbindungen, um dies zu torpedieren. Der innerkirchliche Konflikt (der aber in erster Linie nur die Leitungsebene beschäftigt) wird auf beinahe unverantwortliche Weise angeheizt, ohne dass Lösungen für die gravierenden Probleme der Kirche sichtbar würden. Was aktuell geschieht, ist im höchsten Maße schädlich und kontraproduktiv. Leider zeigen sich auch die Verfechter des Synodalen Weges wenig diplomatisch und nutzen nicht ihre Chance, zu argumentieren und dem Sperrfeuer (nicht nur) aus dem konservativen Lager Paroli zu bieten. Sie kommen sicher auch nicht daran vorbei, eigene Fehler einzuräumen. Auch der Vatikan nutzt nicht seine Möglichkeiten, diese Krise (die ein Randschauplatz der eigentlichen Probleme, ja im Grunde ein Stellvertreterkrieg ist), zu managen. Ein angekündigte Besuch des Präfekten der Glaubenskongregation Kardinal Fernández in Deutschland ließ vor einigen Wochen aufmerken.
Es macht Hoffnung, dass Kardinal Schönborn die „unendliche Geduld“ des Hl. Vaters beschwört und dass auch die letzte vatikanische Intervention einigermaßen verständnisvoll formuliert ist.
Es bleibt wünschenswert, dass der Vatikan sich wirklich ernsthaft der Sorgen seiner deutschen Bischöfe und der Lage der Kirche und der Christenheit in den europäischen Ländern annimmt. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich hier in Deutschland, ja in Europa beispielhaft zeigt, was auch in zahlreichen anderen Gegenden dieser Welt droht, wenn unsere Kirche nicht ihre Hausaufgaben macht und Wege findet, die Menschen besser mitzunehmen. Und es führt kein Weg an Partizipation und Beteiligung der Gläubigen vorbei. Hier braucht es Augenhöhe und geduldiges Mitgehen mit den Menschen. Hier braucht es eine Atmosphäre in der Kirche, an der beispielhaft ablesbar wäre, wie ein gutes Miteinander in unseren Städten und Dörfern, in unserer Gesellschaft funktionieren kann. Kirche muss die Basis sein und immer mehr werden, dass Christen das Ferment der Versöhnung in der Gesellschaft sein können.
Partizipation, das ist weit mehr als Mit-Bestimmen können. Wenn man sich als Bischof, als Kirche auf einen synodalen Weg der Beratung einlässt, dann muss das auch greifbare Folgen haben. Wenn ein Bischof sich als beratungsresistent zeigt, dann muss er sich nicht wundern, dass niemand mehr kommt, wenn er einen Priesterrat oder Diözesanrat einberuft – oder dass am Ende jene Gestalten diese Gremien füllen, deren Rat kein guter Rat ist. Beteiligungssimulation und Verantwortungsverdunstung möchte im Grunde kein Katholik fördern. Sich Beraten zu lassen, das ist eine wahre Kunst.
Skurril erscheint mir das Wüten einiger Aktivisten gegen die Mehrheit der deutschen Bischöfe und das ZdK auch aus einem anderen Grund. Letztlich geht es denen ja darum, dass sie deren Ideen und Pläne für eine Veränderung der Kirche nicht billigen. In langen Briefen und Texten beschwört man einen besseren Weg, fordert andere Entscheidungen, fordert „Neuevangelisierung“, als müsse man nur das Kirchenrecht und den Katechismus besser kommunizieren, um die neue Blüte der Kirche zu initiieren. Die postulierte kirchentreue Demut gegenüber dem Bischof ist aber nirgendwo zu spüren. Der Bischof soll nicht auf synodale Räte hören, wohl aber auf sie, die wahren Katholiken. Treue zum Bischofsamt – aber nur dann, wenn der Bischof zum ausführenden Organ eines Kirchenbildes von gestern wird. Bitter ist auch die Sprache, in der man über missliebige Bischöfe in diesen Kreisen inzwischen spricht. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz stehe „theologisch blank bis auf die Unterhose“ da. Was er sage sei „Zum Fremdschämen!“ - so nur ein einziges, spontan gewähltes Beispiel – aus der Feder eines der Wortführer jener Leute, die sich auf dem synodalen Weg kleben und damit die Kirche zu retten glauben.
An dieser Stelle zeigt sich doch auch die Absurdität mancher Diskussion. Da werden spirituelle, geistliche Ideale beschworen, um dem Weiter-So das Wort zu reden. Leider auch durch Kardinal Schönborn. Der sagt, dass es für die Amtsführung eines Bischofs ja „die bestbewährte Compliance, die es überhaupt gibt: das Evangelium“ gäbe. Das möchte ich ihm für seinen Dienst gerne abnehmen. Aber, wenn ein Bischof diesem Ideal nicht gerecht wird, wer greift dann ein? Und warum ist es in der Vergangenheit so häufig schief gegangen und wo waren die bischöflichen Lichtgestalten nach dem Bilde Jesu, wenn man die tausende Seiten der Missbrauchsstudien der vergangenen Jahre studiert? Nicht mal das Bild eines Karl Lehmann, eines Klaus Hemmerle, eines Johannes Dyba leuchtet noch.
Dabei sind die Missbrauchsfälle und der Umgang damit wohl eher nur die Spitze eines Eisberges. Dieser offenbart in welcher Weise Macht durch durch Bischöfe, Kirchenbehörden und Kirchenleitungen missbraucht (im Sinne von falsch genutzt) werden kann. Wo Macht unkontrolliert bleibt - steht sie immer in der Gefahr missbraucht zu werden. Dafür hat schon Jesus deutliche und prophetische Worte gefunden, ich erinnere nur an den Mühlstein! Und manchmal braucht es Propheten und Kritiker, die von außen kommen und den Finger in die Wunden legen.
Lesen wir weiter beim Wiener Kardinal: „Wenn ich unbescheiden nach nun fast dreißigjähriger Erfahrung im Bischofsamt zurückblicken darf, so sieht gelebte Synodalität für mich vor allem so aus: Ein Grundvertrauen den Gläubigen gegenüber, eine dankbare Wertschätzung für alle Dienste und Charismen in der Kirche, ein hörendes Herz für die Zeichen, die der Herr für den gemeinsamen Weg seines Volkes gibt. Und auch, das sei nicht vergessen, die Bereitschaft zum Zeugnis – opportune oder inopportune, ob gelegen oder ungelegen. Christus, der auferweckte Gekreuzigte, ist und bleibt der Kompass für die Ausübung des Bischofsamtes und den gemeinsamen Weg der Kirche.“
Ja, aber wenn es nicht so ist, was dann? Er muss doch nur mal auf seinen Vorgänger im Amt blicken, dem es an der „Bereitschaft zum Zeugnis“ nicht mangelte – und den deshalb noch heute Leute verehren. Der aber im Umgang mit den ihm geistlich anvertrauten jungen Männern offenbar jede Grenze überschritt, sie missbrauchte – geistlich, emotional und auch sexuell.
Erstaunlich, dass sich dieses Interview in eine Kette von Wortmeldungen dieser Tage einreiht, für die der in Emmerich geborene Wiener Dogmatiker Prof. Dr. Jan Heiner Tück verantwortlich ist. Ein echter Coup, dass muss man dem Niederrheiner lassen, der sich auch schon ausführlich am neuen Gemeinsamen Rat des Bistums Essen abarbeitete, was ihm den energischen Widerspruch des Bistums einbrachte.
Bei all der Energie, die aktuell investiert wird, um den Synodalen Weg zu bekämpfen bzw. ihn zu einer Verstetigung oder einem Finale zu führen... Ich frage mich, was denn nun die Alternative ist. Überall, wo ich unterwegs bin, ob auf Reisen oder im Netz suche ich, wo denn der kraftvolle Neuaufbruch stattfindet, wo denn die postulierten Rezepte Frucht bringen, ja was überhaupt alternativ vorgeschlagen und gelebt wird.
Allenthalben wird zunächst Evangelisierung gefordert, manchen reicht selbst das nicht, er will sogar eine „Neuevangelisierung“. Aber wo klappt das denn wirklich – jenseits der oft mühsamen Arbeit im Weinberg des Herrn? Ja es stimmt, gewisse religiöse Biotope gedeihen, das Gebetshaus in Augsburg, ein Mehr – Kongress, Pfingstreffen in Salzburg, Adoratiokongress in Altötting, Night fever. Wer noch richtiges echtes Priestertum wie früher will, der geht nach Zaitzkofen oder notfalls auch nach Heiligenkreuz. All das wächst, während die normalen Ortsgemeinden schwächeln. Ich frage mich: Ist das Neuaufbruch – oder ist es ein Symptom der Krise? Das ganz normale katholische Leben in der Welt, in den Gemeinden, es trocknet immer weiter aus. Die „religiös Musikalischen“ fahren lieber dorthin, wo die fetzigste Lobpreis-Band spielt und der charismatischste Pfarrer predigt, oder wo die Messe noch wie früher, richtig lateinisch und im barocken Ambiente stattfindet. Das schätzen im Übrigen auch die jungen Paare für ihre Hochzeits- oder Segungsfeier, wenn der erwählte Partner denn dann nicht ins katholische Raster passt.
Ich glaube, für eine wirklich nachhaltige Evangelisierung muss erst der Boden bereitet werden, für eine Kirche die aus tiefen Wurzeln (des Evangeliums und der Tradition) Kraft schöpft, aber im Ackerboden der heutigen Zeit wächst und gedeiht. Und zwar ganz konkret so, dass man miteinander christliches Leben dort gestaltet – wo man lebt, in der Gemeinde, der Gemeinschaft vor Ort.
Ich frage mich schon seit dem Ende des Synodalen Wegs, was uns ein Synodaler Rat bringt, der am Ende schlimmstenfalls die vielen Ratlosigkeiten unserer Zeit und die bedrückenden Fragen, die die Welt uns stellt, nur mit Geschäftigkeit und schlauen Worten und Beschlüssen garniert.
Vielleicht braucht es hier jetzt ein Moratorium. Lasst uns die Pläne für einen Synodalen Rat zur Seite legen (aber an eine gut sichtbare Stelle) und den synodalen Prozess der Weltkirche abwarten. Und bis dahin versuchen, dem bischöflichen Ideal nachzueifern, das Kardinal Schönborn formuliert (und durchaus vorgelebt hat). Er bekennt in aller Klarheit: „Die moralische Autorität bischöflicher Entscheidungen aber wächst, wenn sie zuvor durch einen Beratungs- und Konsultationsprozess hindurchgegangen ist.“
Wesentlich wird es sein und bleiben, dass wir als zaghafte oder überzeugte Katholiken Zeugnis geben von der Hoffnung die uns erfüllt. Und dies in Wort und Tat, mit der Rückendeckung unserer Priester und Bischöfe, Hand in Hand mit den konservativen und liberalen Schwestern und Brüdern und aus der Kraft des Hl. Geistes.
Diese Hoffnung wird weder bestärkt durch „ich glaube an die Entscheidungen des Synodalen Rates“ oder „ich glaube, dass der Bischof in „persona Christi“ die Diözese führt“ sondern durch den gemeinsamen Glauben an den dreieinen Gott.
Ergänzend noch ein Link zu den Wortmeldungen der Kardinäle Kasper:
und Schönborn: