Dienstag, 6. August 2013

Schwestern in den Wäldern Hessens - ein Besuch im Kloster der Bethlehemschwestern

Der Name des Örtchens weckt Assoziationen von Mittelalter. Harmuthsachsen heißt ein kleines Dorf bei Waldkappel, etwa 40 km von Kassel entfernt. 
Auf dem Weg dorthin ist aber von historischer Idylle kaum eine Spur. Wie eine Wunde gräbt sich die Trasse der im Bau befindlichen Autobahn 44 in die abwechslungsreiche Landschaft.  Baumaschinen, Kräne, rötliche Erdhaufen markieren die Streckenführung soweit das Auge reicht.  Es geht damit nur stockend voran, weiß man im Dorf; Gerichtsverfahren und Insolvenzen hemmen den Baufortschritt. 
Kommt man von Waldkappel aus nach Harmuthsachsen steht direkt hinter der Ortsdurchfahrt der alte, steinerne Wegweiser nach Wollstein. Nur Eingeweihte wissen, dass aus dem ehemaligen Gutshof (erstmals erwähnt im Jahre 1195, der 1852 mit 90 Personen seine höchste Einwohnerzahl erreichte) heute ein Kloster der Bethlehemschwestern geworden ist. Durch die abgelegene Lage wurde die wirtschaftliche Nutzung des Gutes schwierig, zuletzt lebten nur eine Handvoll Menschen dort. Es gab eine Schweinezucht und Wurstherstellung, ein Brauereibesitzer wollte eine Eventlocation daraus entwickeln. Alles ohne Erfolg!

Seit 2001 ist der Ort nun „Schweigekloster“, so steht es jedenfalls auf der Radwanderkarte des Werra-Meißner-Kreises, doch Radwege führen dort nicht vorbei. Besucher müssen sich den Weg selbst erschließen, denn trotz mancher Weggabelung weist entlang der ca. sieben Kilometern langen, recht schadhaften Straße kein Hinweisschild auf das Kloster hin. Einzig das Telefonkabel gibt dem Wanderer eine Ahnung, dass wohl noch etwas kommen wird. Den Weg zum Kloster sollen auch nur die finden, die wirklich dorthin wollen. „Neugierige“ und „Touristen“ wünschen sich die Schwestern nicht.

Wunderbare Natur, Himbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Blumen und Wildkräuter säumen den Weg durch den Wald. Es geht stetig bergan. Ich wollte schon umkehren, als nach einer letzten Kurve die Landschaft sich öffnete und das Kloster vor mir lag. 
Es mutet alles alt-ehrwürdig an; der Gutshof mit dem Kloster, die alte Strasse, bei der man teilweise noch die historische Pflasterung am Wegesrand entdeckt, der Name „Wollstein“ oder heute „Marienheide“. Doch die Monialen des Klosters leben erst seit 12 Jahren hier in einem entlegenen Winkel in der Diaspora des Bistums Fulda. Seit 1991 gibt es eine Niederlassung der Monialen der Ordensfamilie von Bethlehem, der Aufnahme Mariens in den Himmel und des Hl. Bruno in Deutschland. Zunächst sollte das Kloster für ca. 40 – 50 Schwestern in der Lüneburger Heide entstehen, aber der Widerstand von „Naturschützern“ brachte das Projekt zum Scheitern. Den Namen „Marienheide“ brachten die Schwestern von dort mit nach Wollstein. 

Die Gemeinschaft blickt nur auf eine recht kurze (aber überaus erfolgreiche) Geschichte zurück. Sie ist – man möchte es kaum glauben - ein Kind des Pontifikates Pius XII. Den Tag der Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, den 1. November 1950 verstehen die Schwestern als Gründungstag. An diesem Tag ging einigen Pilgern, vor allem Frauen, unter ihnen Schwester Marie (der ehemaligen Dominikanerin Odile Dupont-Caillard (* 1922)) wohl auf, dass die Gottesmutter damit am inneren Leben des dreifaltigen Gottes teilhaben müsse. Zwölf Wochen später gründeten sie in Chamvres im Bistum Sens (Burgund) eine Kommunität. Sie strebten danach, ganz in das innere Leben mit diesem Gott und seinem Wort einzutauchen. Ähnlich wie einst der Hl. Bruno (der zunehmend wichtiger wurde) entdeckten die Frauen eine einfache Lebensweise in Schweigen, Gebet, Anbetung und einer Verbindung von Eremitentum und Gemeinschaftsleben.

Die Kommunität lebte zunächst in einem alten Gebäude, das dafür eigentlich ungeeignet war, einem ehemaligen Stall. Daher stammt der Name Bethlehem. Schon von Beginn an spielte dort die Anbetung eine wichtige Rolle, "wohnte" Christus mit den Schwestern in diesem bescheidenen Haus. Soeur Marie war damals dabei, gilt aber nicht im eigentlichen Sinn als Gründerin. Dennoch hat sie die Gemeinschaft sehr geformt. Heute ist Soeur Isabelle die Priorin der Gemeinschaft. 

Nach meinem abendlichen Kurzbesuch kehrte ich am Nachmittag des nächsten Tages nach Wollstein zurück. Die Klosterpforte war gastlich geöffnet, so konnte ich direkt in die Kirche gehen.  Das Haus ist wunderbar schlicht, mit natürlichem Materialien renoviert. Holz, Stein und Verputz prägen das Gebäude. Im Flur laden eine Christus-Figur und vor dem Eingang in die Kirche eine Abendmahls- und eine geschnitzte Christus-Ikone zum Gebet ein. Man betritt die Gäste-Empore, denn die Klosterkirche gehört natürlich zur Klausur. Die Kirche ist lässt noch erkennen, dass sie einst ein Stall war. Der Dachstuhl ist offen, man sieht die alten Balken, dazwischen die Flächen sind in gelblichem Lehmputz ausgeführt.
Die aufwendige Dachkonstruktion inspiriert mich zu einem Gedanken: Nicht jeder Balken erscheint hier auf den ersten Blick notwendig, manche entfalten ihre Bedeutung wohl erst bei einem Sturm. Vielleicht ein gutes Bild für unsere Kirche? Es braucht viele „Säulen“; Koinonia, Caritas, Verkündigung, Liturgie, Papst, Bischof (liberalere und traditionellere Gläubige) und manche Stütze mehr, damit die Kirche die Stürme gut übersteht. Fehlt ein Balken gerät das Ganze unweigerlich in Schieflage und die Stabilität ist gefährdet.

Unten in der Kirche zählt man 26 klassische Chorstallen (es sind noch einige mehr), jede Schwester hat auch einen Meditationshocker zur Verfügung. Rechts und links vom erhöhten Chorraum befinden sich lebensgroße Ikonen, eine Marien-Ikone links, eine Christus-Ikone rechts, alle jeweils mit einer kleinen Lampe. Auch auf der Empore befinden sich entsprechende Ikonen. Über dem Chorraum eine Reproduktion der berühmten Dreifaltigkeitsikone von Andrei Rubljow. Diese Darstellung hat für den Orden (seit 1998 päpstlichen Rechts) eine besondere Bedeutung. 

Im halbrunden Chorraum ein hölzerner Altar, der Priestersitz und eine halbrunde Bank. Der Tabernakel steht rechts und ist mit einem Tuch bedeckt. Ebenfalls rechts steht ein großes Kreuz mit einem Korpus aus einer der Werkstätten des Ordens. Etwa eine Viertelstunde vor der Vesper kommt eine Schwester und läutet. Dann ziehen 13 Schwestern nach und nach in die Kirche ein. Mit einem weiteren Glockenläuten beginnt die Vesper. Der Ablauf ist ungewöhnlich, neben den bekannten Psalmen kommen auch orthodoxe Gesänge vor. Allerdings wird fast alles auf deutsch gebetet. Auch die Übersetzungen liturgischer Texte weichen von den gewohnten Formulierungen ab. So heißt es zu Beginn: „Ehre sei der unteilbaren, wesenseinen und Leben spendenden heiligen Dreifaltigkeit. Jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen!“ Nach dem orthodoxen Trishagion folgt (jeden Tag) ein Abschnitt aus dem Schöpfungspsalm 104, dann das Vater unser, später erst bis zu sieben Psalmen, die ohne die vertrauten Antiphonen gebetet werden. Die Schwestern bekreuzigen sich häufig und berühren dabei immer wieder den Boden.  Einzelne Schwestern gehen während des Gebetes zur Verehrung der Ikonen und des Kreuzes nach vorn. Vor dem Kreuz machen Sie eine Prostratio, einige sogar zweimal. (Hier scheint ein kleiner Exkurs sinnvoll: Nach orthodoxem Brauch nennt man so etwas auch Metanie (Metanoia). Das sind Zeichen der Bereitschaft zu Umkehr und Buße. Es gibt eine kleine Metanie, bei der man sich nach dem Kreuzzeichen so tief verneigt, dass die rechte Hand den Boden berührt und die große Metanie mit Niederwerfung. Metanien gehören auch zur Verehrung einer Ikone). Nach dem Salve Regina liegen alle Schwestern auf dem Boden, während eine Schwester den Angelus läutet, der in Stille gebetet wird. 

Voller neuer Eindrücke kehre ich nach dem Gebet nach Hause zurück, nachdem ich von den Schwestern gehört hatte, dass der kleine Raum links hinter der Klosterpforte und auch Toiletten für Gäste zur freien Nutzung zur Verfügung stehen. 

Bevor ich am nächsten Tag wieder nach Wollstein fahre, mache ich einen Abstecher nach Germerode, einst ein bedeutendes Prämonstratenserkloster, dessen romanische Klosterkirche, aber auch Teile der Gebäude bis heute bestehen. Das Kloster ist einen Besuch wert. Seit einigen Jahren lebt hier – auf Wunsch der Landeskirche – ein Ableger der evangelischen Kommunität Koinonia in einem sehr modernen Haus im Innenhof des ehemaligen Klosters. 
Im ehemaligen Sakramenthaus der Kirche hatte ein Vogel ein Nest gebaut: „Auch der Sperling findet ein Haus und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen. Deine Altäre, Herr der Heerscharen, mein Gott und mein König. Wohl denen, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben.“

Auf dem weiteren Weg gönne ich mir eine Pause auf einem Hochsitz: Vogelstimmen, das Plätschern des Baches und das Summen zahlreicher Insekten... mehr war nicht zu hören, auch keine Flugzeuge am Himmel! Hoffentlich bleibt die Ruhe, wenn die A44 erst fertig ist!

Als ich da war, besuchte ich zunächst die alten Kapelle hinter dem Schafstall, wo (mit Hilfe des Bonifatiuswerkes) die ersten neuen Zellen der Schwestern entstehen. Das Tor steht leicht auf, ich gehe die Treppe hinauf, öffne die Tür und stehe unmittelbar dem eucharistischen Herrn gegenüber. Die alte (evangelische) Gutshofkirche war von innen renoviert worden und diente als Anbetungskirche. Eine Schwester kniete vor dem Allerheiligsten. Über dem geöffneten Tabernakel ein großes Dreifaltigkeitsbild. Im gewissen Sinn mitten im Bild: der Herr im Tabernakel. Die Schwestern wechseln sich in der Anbetung ab, sie begrüßen Christus jeweils mit einer tiefen Verneigung.

Das Abendgebet ist auf 17 Uhr vorverlegt, weil noch gemeinsame Anbetung stattfinden soll. Die Vesper ist genau wie gestern ungewöhnlich, aber beeindruckend. Besonders die polyphonen orthodoxen Gebete sprechen mich an, man ahnt, wie schön es klingen wird, wenn einmal 30 Schwestern zusammen beten. Offensichtlich spielt Schönheit in der Liturgie hier eine größere Rolle als bei den Kartäusern. Die Gemeinschaft lebt aus der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils (während die Kartäuser ihre Eigenliturgie weitgehend bewahrt haben), sonst wäre ja auch die Übernahme orthodoxer Traditionen schwerlich denkbar. Auch die Ausgestaltung der Kirchen entspricht den Vorgaben des Konzils. Heute beeindruckte mich eine Fürbittlitanei mit Gebetsrufen an Maria, der Königin des Friedens und sehr eindrucksvollen Gebeten um Vergebung der Sünden. Am Ende wurde Christus in einer großen Hostie in einer fast einen Meter hohen Monstranz ausgesetzt. Bevor die Priorin die Hostie aus dem Tabernakel nahm, gab es eine dreifache Prostratio.
Von der morgendlichen Messe um acht Uhr kann ich nicht viele Besonderheiten berichten. Eine sehr würdig gefeierte Hl. Messe. Die Schwestern standen zum Vater unser in Orantenhaltung vor dem Altar. Beim Friedensgruß reichte eine Schwester beidhändig und sehr herzlich den Friedenswunsch an die nächste Schwester weiter. Die Priorin kam auch auf die Empore und wünschte uns Gästen den Frieden. Der Kommunion ging eine lange Prostratio voraus. Kommuniziert wurde unter beiderlei Gestalt durch Eintauchen, aber mit Patene und als Mundkommunion. 
Sehr eindrucksvoll war am Vorabend des Sonntag die Verkündigung des Auferstehungsevangeliums, mit den zugehörigen Gesängen. Die Kirche war mit Blumen sonntäglich geschmückt, eine Auferstehungs-Ikone und die Osterkerze waren da. Nach dem Evangelium trug die Priorin das Evangeliar nach vorn und alle verneigten sich vor dem Evangelium und der Ikone und berührten bzw. küssten sie. Auch wir auf der Empore bekamen Gelegenheit hierzu. Teil des Stundengebetes ist auch eine ausführliche Väterlesung, daher wird auch Sonntags normalerweise nicht gepredigt. Die Messe am Sonntag um 9.45 Uhr begann mit einer feierlichen Wasserweihe, mit dreifacher Anhauchung des Wassers, dem Segen über dem Salz und Vermischung des Salzes mit dem Wasser. Dann kamen die Schwestern und ließen sich besprengen. Abschließend wurden auch wir Gäste besprengt. Kleine, aber deutliche Zeichen der Ehrfurcht prägen die gesamte Liturgie, die Kreuzzeichen, Verneigungen, Prostrationen, die sehr lange Kniebeuge des Priesters, die Niederwerfung vor und nach der Kommunion. Zur Sonntagsmesse kommen eher wenige, etwa zehn Gäste und Besucher aus der Region. 

Häufig werden die Betlehemschwestern mit den Kartäusern verglichen, teilweise sogar als „neuer Kartäuserorden“ bezeichnet. Sicher gibt es eine ganze Reihe Parallelen, auch fühlen sich beide Gemeinschaften verbunden, die Ordensfamilie von Bethlehem hat auch schon Kartausen neu besiedelt. Aber man muss sagen, die Lebensweise der beiden Ordensgemeinschaften ist vergleichbar, die Spiritualität ist eine (deutlich) andere. Vielleicht ist es hier bedeutsam, dass die Regel bei den Kartäusern „Consuetudines“ heißt, die „Gewohnheiten“. In diesem Sinne leben die Brüder und Schwestern der Ordensfamilie von Bethlehem weitgehend in der (ursprünglichen) Lebensform der Kartäuser. 

Viele dieser „Gewohnheiten“ haben die Monialen übernommen. So das Leben in abgeschlossenen Zellen, das wöchentliche Kapitel, der gemeinsame Spaziergang, einzelne gemeinsame Gebete in der Kirche und weitere Gebete in der Zelle, die Ordenskleidung u.s.w.. Die Stille der Nacht wird als Chance der Gottesbegegnung betrachtet, allerdings gibt es nicht die geteilte Nachtruhe. 

Aber es gibt noch weitere wichtige Besonderheiten: 

Die Gastfreundschaft: Die Schwestern nehmen Gäste auf und nehmen sie auch als solche wahr, z.B. durch kleine freundliche Gesten. Nach den Liturgien suchen einige hiermit beauftragte Schwestern den Kontakt mit den Gästen und nehmen sich Zeit für Gespräche. (Hier ist vielleicht die richtige Stelle für einen aufrichtigen Dank an die Schwestern, namentlich Schwester Marika und Sr. Priorin Marie Ange für ihre Gastfreundschaft und die Gelegenheit, in der Liturgie, der Natur und der Begegnung mit den Schwestern, dem Wort Gottes und dem Kloster Gott ein Stückchen näher zu kommen.)

Die orthodoxe, orientalische Mönchstradition: Sie hat natürlich auch bei den Kartäusern Gewicht und eine Neuentdeckung der östlichen Mönchstraditionen prägt ja auch einige andere Gemeinschaften. Ich denke an die Abtei Mariendonk, wo die Beschäftigung mit den „Mönchs-, Kirchen- und Wüstenvätern“ noch nicht in die Liturgie selbst „durchschlägt“. Anders ist dies ja bei den Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem, die orthodoxe Elemente aufgenommen haben. Wirklich konsequent macht dies die Ordensfamilie von Bethlehem, indem sie z.B. bei ihren Stundengebeten östliche Vorlagen (Gebete, Gesänge) integriert, aber auch vereinfacht hat. Es gibt auch einige Gesänge auf französisch, kirchenslawisch und hebräisch. In diesem Zusammenhang ist auch das sogenannte Jesus-Gebet oder Ruhegebet interessant, das ja auch die Kartäuser pflegen.

Die Beschäftigung mit Gottes Wort und dessen Lesung, z.B. bei den Mahlzeiten spielt eine sehr wichtige Rolle (Lectio divina). 

Ein Aspekt, der der kartusianischen Frömmigkeit eher fremd ist, ist der hohe Stellenwert der eucharistischen Anbetung. Diese, ob allein oder in Gemeinschaft, in der Zelle (es gibt einen kleinen Tabernakel in den Oratorien), der Kapelle, der Kirche ist zentral. Der vertraute Umgang mit dem Herrn wird analog zum Leben Marias betrachtet, die ja 30 Jahre mit Christus das alltägliche Leben geteilt hat hat und in jeder Hinsicht für ihn da war. „Vielleicht ahmen wir das einfach nach“. Viele weitere jüngere Gemeinschaften kennen den Aspekt der Eucharistischen Anbetung. „Wir setzen uns Jesus aus, aber er setzt sich auch uns aus.“ Die Anbetung in der Kirche von heute ist notwendig, um die Eucharistie in Ihrer Fülle zu entdecken, vielleicht gar wiederzuentdecken. 

Die Schönheit. Die Gemeinschaft legt Wert auf Schönheit, aber eine schlichte Schönheit, die sich an der Natur orientiert. Die Räume sind mit Holz, Ikonen, Figuren und weiteren Materialien (Fliesen und Steinfussböden) ausgestattet. Die Möbel sind aus Holz und möglichst einfach, teils selbst geschreinert. Die Schönheit der Natur spiegelt die Schöpfung Gottes. Maria ist die absolut schöne Frau. Es gibt einen starken Akzent marianischer Frömmigkeit, was ja durchaus kartusianisch ist. Auch die Liturgie soll durch Texte und Musik schön und anziehend sein. Die Kartäuser haben da einen stärkeren Akzent auf Kargheit und Schlichtheit. In dem Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass in den Werkstätten der einzelnen Klöster schöne biblische Figuren aus Ton, Holz oder Dolomit gefertigt werden, dazu religiöse Medaillen, Kreuze und vieles mehr. Der Orden zieht künstlerisch begabte Menschen an. 

Der Orden der Bethlehemschwestern ist jung. Er besteht erst seit 1951, der Männerzweig seit 1976. Die 13 Schwestern sind etwa zwischen 20 und 60 Jahre alt. Während die Kartäuser viele Interessenten abweisen, sagen die Schwestern: „Wir sind nicht ganz so streng!“ Aber auch sie spüren, dass vielen Menschen eine solide Basis im Glauben fehlt. Vor der ewigen Profess steht eine langjährige Zeit der Prüfung und Einübung. Inzwischen gehören mehr als 600 Schwestern (Monialen) und fast 100 Mönche zur Ordensfamilie.  

Die erste Zeit der Schwestern in der Lüneburger Heide (seit 1992) diente vor allem der Verwurzelung in der Kultur und Sprache des Landes. Das Kloster Marienheide (seit 22. August 2000) ist noch in der Gründungsphase. Deshalb gibt es mehr praktische, körperliche Arbeit für alle Schwestern. Viele Menschen von außen helfen, aber die Schwestern packen auch beim Bau mit an. Zuerst waren 11 Schwestern da, nach der Fertigstellung der Kirche nur noch acht und heut sind es wieder 13, so dass es gut voran geht. Der Bau der Kirche im ehemaligen Pferdestall war ein Kraftakt. Bis zur letzten Minute wurde gearbeitet. Aber 2008 konnte der Bischof kommen. Wir haben bis 2 Minuten vor der Liturgie noch gearbeitet, 400 Gäste waren da und feierten mit den Schwestern und Bischof Heinz-Josef Algermissen. Uahlreiche Förderer in ganz Deutschland unterstützen die Neugründung, vor Ort allerdings ist es Diaspora und nur wenige Menschen können tatkräftig mit anfassen. Aber dennoch sieht man, dass es mit Gottes Hilfe voran geht. 

Literatur über die Ordensfamilie von Bethlehem ist rar. Der Buchmarkt gibt nichts her. Im Kloster gibt es Einzelexemplare eines Buches aus dem Jahr 1998 mit interessanten Texten und eine knappe Broschüre. Die Ordensregel und weitere Texte sind überhaupt nicht in deutscher Sprache verfügbar. Ein wunderschöner Bildband mit dem Titel: „Lumières de Silence“ zeigt in zahlreichen Fotografien von Hanan Isachar das Leben im Kloster von Bet Gemal in Israel. Unbedingt empfehlenswert, aber schwer zu beschaffen!

Unbedingt abzuraten ist von der Lektüre des Buches von Miek Pot „In der Stille hörst du dich selbst - Meine 12 Jahre in einem Schweigekloster“. Auch wenn das Buch als Erfahrungsbericht einer "Kartäuserin" verkauft wird, so geht es u.a. um das Kloster der Betlehemschwestern in Opgrimbie in Belgien. Man erfährt so gut wie nichts über das Leben im Schweigekloster und seine Grundlagen. Am Ende hat man das Gefühl, als habe die Verfasserin in den 12 Jahren kaum etwas über das Klosterleben verstanden. Angenehm fand ich, dass sie ohne Verbitterung gegangen ist und versöhnt auf ihre Zeit zurückschaut. Miek Pot hat scheinbar einen so großen Abstand zu dieser Zeit, dass die Jahre im Orden eher die Folie für ihr heutiges Denken bilden. Was sie letztlich aus dem Kloster herausgebracht hat, ist mir nicht ganz klar geworden. Vermutlich hat sie den klassisch - christlichen Gottesglauben verloren. Daher erscheint ihr das Leben in der Stille - ganz für Gott - sinnlos und das Leben unter und mit den Menschen ist wieder ihr Ding geworden. Das Buch dient wohl eher der (legitimen) Selbstvermarktung als Spiritualitätstrainerin und Coach. Daher macht die Beschäftigung mit der Zeit im Orden nur einen kleinen Teil des Buches aus. 

Das Internet bietet etwas mehr, z.B. in englisch und französisch auf der gut gemachten Homepage der Gemeinschaft. www.bethleem.org. Die Seite ist inzwischen u.a. auch um die deutsche Sprache erweitert worden. Sehr lohnenswert!

Auch interessant: www.kath.net/news/37655

Ein lesenswerter Bericht mit Informationen über die Schwestern findet sich in der FAZ:
www.faz.net/aktuell/feuilleton/im-kartaeuserkloster-hier-ist-raum-fuer-die-grosse-stille-geschaffen-11577791.html

Über die Geschichte von Wollstein selbst informiert das Land Hessen:
www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/636012160

Die ZEIT berichtet über die Schwierigkeiten des Anfangs in der Lüneburger Heide:
www.zeit.de/1997/24/Nonnen_in_der_Wildnis