Montag, 28. März 2016

Blutiges Osterfest?

Über 30.000 Menschen starben im Jahre 2014 durch Terroranschläge. 275 Terrororganisationen waren dafür verantwortlich. Weit über 6.000 Menschen starben allein durch die Gruppe „Boko Haram“ in Nigeria und Umgebung, etwas mehr als 6.000 durch den islamischen Staat in Syrien und im Irak. 

Vor einigen Tagen sprengten sich in Brüssel, gerade mal 250 km von hier entfernt, einige Menschen in die Luft und rissen 35 Menschen mit in den Tod, verwundeten aber viele weitere Menschen an Leib und Seele. Grauenhaft auch der Anschlag in Lahore in Pakistan am Ostermontag, der sich ausdrücklich gegen Frauen und Kinder, gegen Christen richtete und mindestens doppelt so viele Menschen tötete und verletzte. 

Möglicherweise gab es Gründe für das Handeln der Terroristen, möglicherweise waren sie Kriminelle, vielleicht waren sie psychisch gestört. Vielleicht ist es gut und richtig, dass mir nicht gelingt mein Erstaunen und Erschrecken angesichts solcher Taten zu überwinden. 

Gerade führte uns Anders Behring Breivik mal wieder vor, dass eine solche geistige Störung (die in der Tat die meisten Beobachter verstört) durchaus auch mit Intelligenz verbunden sein kann. Der Mann scheint eine gewisse Strategie zu verfolgen. Sonderbarerweise findet er sogar Leute, die sich von ihm fasziniert zeigen, die ihm Briefe schreiben und die seine Gedanken weiter tragen. 

In diese Kategorie fällt sicher auch Adolf Hitler, der es trotz seiner wahnhaften Gedankenwelt zum „Führer“ Deutschlands gebracht hat. Ein Massenmörder, dessen Schuld unbeschreiblich ist. Die Zahl von (über) 6.000.000 systematisch, fabrikmäßig ermordeten Juden wirft das bekannteste Schlaglicht auf diesen teuflischen Menschen. Und bis heute gibt es – normale – Menschen, die, obwohl ihnen die Verbrechen und die himmelhohe Schuld dieses Mannes bekannt ist, sogenannte „Verdienste“ Hitlers rühmen. Und zunehmend größer wird die Schar derer, die auch über seine zweifelhaften „Erfolge“ hinaus zu Hitler – Verteidigern oder sogar Verehrern werden. (Wie kann man eigentlich Menschen ernst nehmen, die zur "Entschuldigung" eines solchen Mörders die Opferzahlen geringer rechnen?)

Was ist da los? Wie ist es möglich, dass bestialische Menschenschinder von anderen Menschen verehrt, entschuldigt, verteidigt werden? Wie ist es möglich, dass andere Menschen sich zu Handlangern und willfährigen Vollstreckern der Terror und Gewaltphantasien solcher „Führer“ wie Stalin, Pol Pot, Kim Jong Un, Hitler oder Abu Bakr al Baghdadi machen lassen? Geht vom abgrundtief Bösen etwa eine gewisse Fasziantion aus, gibt es einen Sog der dunklen Kräfte? 

Als junger Erwachsener habe ich mich intensiv mit dem Nationalsozialismus beschäftigt und zahlreiche Bücher über den Terror und die Konzentrationslager gelesen. Es läßt mir noch heute keine Ruhe, wie das geschehen konnte. Was stecken für destruktive Kräfte in uns Menschen? Wie leicht scheint es zu sein, dass aus einem treusorgenden Familienvater ein gnadenloser Killer wird. 

Mir kommt ein Vers in den Sinn, der eigentlich in einen ganz anderen Kontext gehört, aus der „Geschichte von Gott“ des niederländischen Musikers und Poeten Hermann van Veen. „Es ist der Teufel.“ heißt es dort: „Der Teufel ist in die Menschen gefahren.“

Das Denk-Konzept, neben der Macht Gottes, einem göttlichen Widersacher Raum zu geben, dem personifizierten Bösen, in klar beschreibbarer Gestalt (mit Hörnern und Pferdefuß) ist uralt und es gibt das in unzähligen Facetten rund um den Erdball. 

Im volkstümlichen Denken (heute meist nur noch in schlechten Witzen gepflegt) erscheint der oder die Teufel als Hüter der Hölle, wo sie die bösen Sünder und schlechten Menschen peinigen. Das Mittelalter hat uns großartige Bilder von dieser Dualität von Himmel und Hölle (und vielleicht noch „Fegefeuer“) übermittelt. Da erscheinen die Teufel eher als „dienstbare“ Geister, die der göttlichen Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. 

In diesem überkommenen Denken kommt man schnell auf theologisch „abschüssige Bahnen“ und verläßt zügig ein christliches Gottes- und Menschenbild. Weder überzeugt es, den personifizierten Bösen als Widersacher Gottes zu verstehen noch als von ihm abhängiger Folterhelfer. Ganz sicher steckt in diesen Bildern und Vorstellungen von göttlicher Gerechtigkeit und gerechter Strafe für jene, die auf Erden Blut an den Händen hatten, eine tiefe Wahrheit. Aber ganz so einfach, wie damals – und bis heute – gedacht, ist das mit der Gerechtigkeit Gottes nicht, zumal diese ja auch mit seiner Barmherzigkeit untrennbar verbunden ist. Das ist „menschlich“ und „theologisch“ wohl kaum in seiner Tiefe auszuloten und bleibt – ähnlich wie die göttliche und menschliche Natur Christi ein Paradoxon, ein Geheimnis des Glaubens.   

In der Schöpfungsgeschichte jedenfalls ist noch kein Platz für eine teuflische Macht, auch wenn die arme Schlange später allzugern zum Teufel mutiert. 

Mich überzeugt das Konzept, das Böse zu personifizieren und es damit aus dem menschlichen Inneren zu verdrängen nicht wirklich. (Und noch weniger überzeugen mich die Versuche diese bösen Mächte außerhalb des Menschen in Teufeln und Dämonen zu verorten, die mit allerlei Mummenschanz oder gar mit Exorzismen und Gebeten ausgetrieben werden können. Sicherlich bleibt die dunkle Seite des Menschen unerklärlich und ich bin sicher, dass Beten immer hilfreich ist. Aber der Grat hier ist schmal.) 

Die Jesiden halten es für eine Gotteslästerung und Einschränkung der Allmacht Gottes, sich neben diesem eine böse Macht zu denken. Für die christliche Theologie stellte sich diese Problematik ebenfalls, so dass der Teufel eher als „gefallener Engel“ gedacht wird, als geschaffenes Wesen. Aber auch in diesem Konzept fehlt eine Antwort auf die Frage, warum Gott das Wirken eines solchen Wesens zulassen sollte. Eine Frage, die sich in gewisser Weise auch in der etwas rätselhaften Vater-Unser-Bitte spiegelt, wo es heißt „ und führe uns nicht in Versuchung“. 

Es ist und bleibt ein tiefes Rätsel, was den Menschen zum Bösen verführt. Natürlich spielen psychische Störungen eine Rolle, aber nicht alles läßt sich mit einer „schwierigen Kindheit“ erklären. Die Personifizierung des Bösen in Gestalt eines Teufels oder eines gestürzten Engels stellt letztlich mehr Fragen, als sie zu beantworten in der Lage ist. Ich ziehe es vor, das Böse als geheimnisvolle Kraft zu sehen, die inmitten der Menschheit (und auch in der einzelnen Person) wirkt, der man aber nicht einfach willenlos ausgeliefert ist. 

Das Böse ist kein Naturgesetz. Manch Einer spricht ja davon, dass die Natur grausam sein, dass sie keine Gnade kenne, dass sie gnadenlos ausmerzt, was schwach (und unaufmerksam) ist. Sicher kann man diese Schlußfolgerung aus der Beobachtung der Zusammenhänge in der Natur gewinnen. Es gibt ein Fressen und Gefressen werden. Kühe weiden Pflanzen ab, Mäuse fallen einem Käuzchen zum Opfer und einen Bussard schert es wenig, wenn er seine Jungen mit einem seltenen Feldhamster füttert. Bemerkenswert ist aber auch, dass die Natur zwar „Fressen und Gefressen werden“ kennt, aber – mit wenigen Ausnahmen – keine „sinnlose“ Grausamkeit. Ich denke, diese Regel kann man aufstellen, ohne dass Ausnahmen sie grundsätzlich entwerten (eine Katze, spielt mit der halbtoten Maus und bringt sie langsam zu Tode / einige Tiere lähmen ihre Opfer, um sie später zu verzehren...). Das ist beim Menschen ganz offensichtlich anders. „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ lautet ein beinahe sprichwörtlicher Satz des römischen Dichters Plautus. Mir scheint, es ist weit schlimmer... 

Für meine Kriegsdienstverweigerung war es eine bedeutsame Erkenntnis, gewonnen aus den Schriften von Konrad Lorenz, dass jedes Lebewesen eine angeborene Tötungshemmung kennt. Diese bezieht sich auf Auseinandersetzungen im Tierreich zwischen Lebewesen einer Art. Hier geht es meist um den Platz in einer Rangfolge, um Führung und Gefolgschaft. Es scheint auch biologisch naheliegend zu sein, dass der Rivale oder die Rivalin nicht getötet oder schwer verletzt wird, ein Denkzettel reicht meistens aus. Diese Tötungshemmung funktioniert selbst in „erregtem“ Gemütszustand und geht von tief ins Unterbewußtsein eingeprägten Signalen aus. Konrad Lorenz führt in seinem Buch „Das sogenannte Böse“ aus, dass die Tötungshemmung eines Lebenwesens ausgesetzt wird, wenn es keinen persönlichen Kontakt mehr zwischen den Gegnern gibt, dass Waffen hier eine umso leichtere Tötungsentscheidung ermöglichen, je weniger man dem einzelnen Opfer ins Auge blickt. Letztlich erscheint der Betrieb einer Drohne über Pakistan auf dem Bildschirm im Steuerzentrum irgendwo in Amerika eher wie ein Computerspiel... Man kann noch viel darüber sinnieren, was genau dazu führt, dass der Mensch offensichtlich in der Lage ist Terrorakte zu begehen oder gar einen Völkermord. Wie eigenartig, dass der technische Fortschritt die Möglichkeiten der Menschheit zum Guten oder zum Bösen gleichermaßen erweitert. 

Der Papst sprach in seiner Osterbotschaft davon, dass sich im Menschen manchmal Abgründe auftuen, Abgründe des Bösen, Abgründe der Gottesferne. Und er führte weiter aus, dass die Liebe und Barmherzigkeit Gottes diese Abgründe zu füllen vermag. 

Wörtlich sagte Franziskus: „Angesichts der geistigen und moralischen Abgründe der Menschheit, angesichts der Leere, die sich in den Herzen zeigt und Hass und Tod hervorbringen, kann nur eine unendliche Barmherzigkeit uns Rettung bringen. Nur Gott kann mit seiner Liebe diese Leere, diese Abgründe auffüllen. Nur Gott kann es uns gewähren, dass wir nicht versinken, sondern unseren Weg fortsetzen in Richtung auf das Land der Freiheit und des Lebens hin.“ ...

Mit unseren Brüdern und Schwestern, die um ihres Glaubens und ihrer Treue zu Christus willen verfolgt werden, und angesichts des Bösen, das die Oberhand im Leben vieler Menschen zu haben scheint, hören wir wieder das tröstende Wort des Herrn: „Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). 

Dieser Gedanke macht mir Mut! Letztendlich ist die Macht Gottes stärker als alles Dunkel und alle Abgründe dieser Welt. Uns seine Macht überwindet das Böse nicht nur in ferner Zukunft, sondern hilft uns schon heute, das Ruder herumzureißen. Allerdings nicht, indem wir der Logik des Bösen folgen und Gewalt mit Gegengewalt beantworten, Terror mit Haß und Verachtung zu beantworten, sondern der Liebe Gottes und seiner unendlichen Barmherzigkeit Raum geben.

Natürlich bedeutet das nicht, die Terroristen, die Menschenschinder, das Böse wirken zu lassen und ihnen Raum zu geben. Aber alle Maßnahmen zur Abwehr müssen von der Haltung getragen sein, die der Hl. Vater beschreibt. Das ist unsere Verantwortung als Christen!

Mag ja in manchem Radio- oder Fernsehinterview darüber gefaselt werden, dass „Religion“ die Konflikte in der Welt verschärfe. Ich vermag dieser „Logik“ nicht zu folgen. Ohne die Macht der Liebe und der Barmherzigkeit, ohne, dass glaubende Menschen konkrete Schritte auf dem Weg des Friedens und der Versöhnung gehen, wird es uns nicht gelingen, das Böse zu überwinden. Welche Kraft der Welt sollte die Schritte der Menschen sonst auf den Weg des Friedens lenken? 



Osterbotschaft des Hl. Vaters: http://de.radiovaticana.va/news/2016/03/27/wortlaut_osterbotschaft_von_papst_franziskus/1218462

Donnerstag, 3. März 2016

Dass ein Laie lehrt, erlaube ich nicht, er soll sich still verhalten.

Ausgerechnet das offizielle Presseorgan des Hl. Vaters diskutiert aktuell offen die Frage der „Laienpredigt“, wenngleich unter dem speziellen Focus der „Frauenpredigt“. 

Nachdem das im englisch- und italienischsprachigen Raum bereits thematisiert wurde, würde es mich sehr wundern, wenn es nicht auch im deutschsprachigen Raum die beinahe erkaltete Diskussion wieder entfachen würde. Schließlich berührt man hiermit allseits beliebte „Reizthemen“ wie „Frau in der Kirche“ und „Laien und Priester“. Der eine wittert sicher schon wieder einen Angriff auf das Priestertum, andere erinnern sich an das Ringen um die Laienpredigt in den 80er Jahren. 

Dass dieses Thema ausgerechnet im Osservatore Romano aufgegriffen wird, erscheint vielen als Zeichen, dass etwas in Bewegung gerät. Der distanzierte Beobachter wundert sich, warum es eine Sensation sein soll, dass eine solche pastorale Frage in der Kirche öffentlich und auf höchster Ebene diskutiert wird. 

Als Laie, der durchaus predigt, habe ich auch meine Beziehung zu dieser Problematik. Ich erinnere mich an eine Erklärung des damaligen Münsteraner Diözesanbischof Reinhard Lettmann während eienr Sitzung des Diözesanpastoralrates, dessen Mitglied ich war. Der Bischof, der sich sonst vor klaren Worten nicht scheute, bat (!) eindringlich darum, die Laien (sprich Pastoralreferenten) und die Pfarrer in den Gemeinden mögen sich an die neuen Regelungen halten. Er selbst habe zwar für eine weitergehende Öffnung plädiert, in der Treue zur Kirche und zum Hl. Vater warb er jedoch um eine ebensolche Treue zu den Weisungen der Bischöfe. Mich hat das damals sehr beeindruckt und ich habe mir daraufhin vorgenommen, mich in meinem pastoralen Dienst an die neue Ordnung zu halten. 

Mir hat damals die Begründung sehr eingeleuchtet, dass die Predigt des Priesters in der Eucharistiefeier sinnvollerweise auch vom Zelebranten dieser Feier gehalten wird, weil Wortgottesdienst und Eucharistie eins sind und so der innere Zusammenhang zwischen Glaubensverkündigung und Messopfer deutlicher hervor tritt. 

Wobei spätestens jetzt die Frage beantwortet werden muss, worüber wir eigentlich reden, wenn es um die „Frauenpredigt“ geht. In dem Artikel der vatikanischen Zeitung klagt die „schwedische Dominikanerin Madeleine Fredell, sie könne praktisch überall predigen, "manchmal sogar in der lutherischen Kirche", nicht jedoch in einer katholischen Messe.“ In der Öffentlichkeit wird wohl rüber kommen: „Ach ja, die Katholiken! Die sind so rückständig und frauenfeindlich! Dass Frauen da nicht Priester sein können wussten wir, aber dass sie nicht mal predigen dürfen! Und die Pastoralreferentin spricht doch immer so schön!" Dabei kann auch Schwester Madeleine in ihrer Klosterkirche ohne Schwierigkeiten predigen und durchaus sogar eine Fastenpredigt im Münsteraner Dom halten (während der Bischof ihr zuhört). 

„Predigt“ kann vieles sein und beileibe nicht von allen Predigten sind katholische Frauen ausgeschlossen. Von der Predigt zu unterscheiden ist sicher zunächst einmal das „Glaubenszeugnis“ eines gläubigen Menschen, der im Rahmen einer liturgischen Feier etwas von seinen persönlichen Glaubenserfahrungen teilt ohne selbst Theologe zu sein. Da springt manchmal sogar eher ein Funke über als bei einer allzu theologischen Predigt. In gewisser Weise ist ein solches Zeugnis sicher auch „Predigt“, aber für den Predigtdienst an sich braucht es eine bischöfliche Beauftragung. Schließlich geht es nicht um Selbstdarstellung, sondern um Verkündigung. Und wer im Namen einer Gruppe oder eines Vereins etwas sagt, braucht dazu die Beauftragung des Vorsitzenden. 

Mit Predigten werden in der Kirche seit vielen Jahren Frauen und Männer vom Bischof beauftragt. Das ist ein echter Fortschritt gegenüber der kirchenrechtlichen Regelung von 1917. Meist sind dies Theologen und Pastoralreferent(innen) im kirchlichen Dienst. In Klöstern ist es eine Selbstverständlichkeit, dass dort Frauen ihren Mitschwestern eine Predigt halten. Auch ich habe genügend Gelegenheit zu predigen, im Rahmen von Trauergottesdiensten, bei Wortgottesdiensten und Andachten und in anderem Rahmen. Manchmal halte ich im Rahmen eines sonntäglichen Familiengottesdienstes eine Katechese. (Das Direktorium für Kindermessen führt hierzu aus: „Es steht nichts im Wege, dass einer der an der Kindermesse teilnehmenden Erwachsenen im Einverständnis mit dem Pfarrer oder Kirchenrektor nach dem Evangelium eine Ansprache an die Kinder hält, vor allem wenn es dem Priester schwer fällt, sich dem Verständnis der Kinder anzupassen.“)

Eine Ausnahme ist jedoch – und nur hierum geht es aktuell – die Predigt im Rahmen einer Eucharistiefeier, im Fachbegriff Homilie genannt. Diese ist – nach den geltenden Bestimmungen – dem zelebrierenden Priester und „vertretungsweise“ weiteren Priestern und Diakonen vorbehalten. 

Vor dem 2. Vatikanischen Konzil war es für Laien völlig undenkbar, dass sie einen solchen Predigtdienst in der Hl. Messe übernehmen könnten. In der früheren Kirche dagegen hat es wohl durchaus predigende Laien gegeben. Der Hl. Franziskus ist ein bis heute bekanntes Beispiel. In Folge der sich ausbreitenden Laienbruderschaften und Armutsbewegungen (Franziskaner, Waldenser, Beginen etc.) entstand eine heftige Auseinandersetzung um das Predigtrecht dieser Nichtkleriker und ihrer neuen Gemeinschaften. Im Jahr 1228 wies Papst Gregor IX den Erzbischof von Mailand an: „er solle allen Laien, gleich welcher religiösen Gemeinschaft sie angehören mögen, das Predigtamt untersagen." 

Nach der Liturgiereform unter Papst Paul VI. wurde die Laienpredigt wieder neu zum Thema, weil man das allgemeine Priestertum neu entdeckte und die tätige Teilnahme der Laien an der Eucharistiefeier fördern wollte, ein Prozess, dem eine ganze Reihe von Reformen folgten, wie z.B. die Zulassung von Messdienerinnen, die außerordentlichen Kommunionspender und manches mehr. In Österreich und Deutschland gab es schon 1970 Beauftragungen mit dem Predigtdienst mit vatikanischem Einverständnis (als Ausnahmeregelung). Die Würzburger Synode deutete diese neue Aufgabe theologisch und empfiehlt sowohl „Glaubenszeugnisse“ von Gemeindemitgliedern als auch Predigt durch beauftragte Laien. Erklärend führt man aus: „Durch die Zuordnung von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier im engeren Sinn (vgl. SC 35, 56; PO 4) ist zwar eine sichtbare, personale Einheit von Prediger und Vorsteher der Eucharistiefeier angemessen, aber nicht unbedingt notwendig; im Übrigen ist nach der Lehre der Kirche bei Wahrung der besonderen Verantwortung des Amtes der Priester nicht allein, sondern die ganze Gemeinde unmittelbarer Träger der Verkündigung und des liturgischen Handelns (vgl. auch 1 Kor 11,26; SC 26; LG 11).
Schließlich wird so sichtbar, daß es, unbeschadet der Einheit der Sendung, dennoch verschiedene Charismen, Dienste und Ämter in der christlichen Gemeinde gibt“ (2.3.3).

Natürlich betrachtet auch die Würzburger Synode den Predigtdienst von Laientheologen als Ausnahme und Sonderfall, in den Gemeinden sind die Pfarrer jedoch zumeist froh über die zusätzlichen Prediger und auch die Gottesdienstbesucher selbst schätzen die neue Abwechslung. Schon vor dem Ende der Synode beginnen die Auseinandersetzungen in dieser Frage. Heute ist das weitgehend vergessen, aber 1988 ist es mit dieser Praxis dann vorbei, was weitere langwierige und zermürbende Auseinandersetzungen zur Folge hatte. Nicht wenige Laientheologen wurden für ihren Predigtdienst abgemahnt. Doch in weitaus mehr Gemeinden störte sich niemand an deren Predigtdienst, im Gegenteil wurde die neue Vielfalt, alternative Sichtweisen und die besonderen Blickwinkel von Frauen geschätzt. 

Völlig abgeschafft wird der Predigtdienst von Laien im Umfeld der Hl. Messe jedoch nicht. Auf Intervention der deutschen Bischöfe ist er weiter möglich in Form einer Statio zu Beginn der Hl. Messe (quasi als ausgedehnte Einführung in den Gottesdienst). Und dies auch nur dann, wenn der zelebrierende Priester aus irgendwelchen Gründen nicht predigen kann. 

Die heftigen Auseinandersetzungen verwundern, zumal sie in den Gemeinden beinahe keine Rolle spielten. Es war ein Thema auf Ebene der Bischöfe und der Kurie und verhandelt wurde es weniger als liturgische Frage, sondern im Grunde ging es um die „Aufgabenteilung“ zwischen Priestern und Laien. Ist der Predigtdienst in der Eucharistiefeier eine Aufgabe, die zum priesterlichen Amt zwingend dazu gehört und von daher Laien im jedem Fall davon ausschließt? Oder ein wenig schief gefragt: „Nimmt es dem priesterlichen Amt etwas, wenn auch ein Laie die Homilie halten kann?“

Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann präzisiert den Hintergrund dieser Sichtweise bei einer Ansprache vor den Mitgliedern des Würzburger Diözesanrates 2005: „Wenn also ein Priester die Messe feiert, so feiert in ihm letztlich Christus selbst mit den Gläubigen. Dies geschieht auch bei der Verkündigung des Wortes Gottes. Dienst am Sakrament und Verkündigung des Wortes gehören in der Messe untrennbar zusammen. Weil es also beim Dienst des Priesters in der Eucharistiefeier um die Vergegenwärtigung Christi in seinem Wort wie in seinem Fleisch und Blut zugleich geht, kann der Priester letztlich nicht von der Aufgabe entbunden werden, in der Eucharistiefeier auch selbst zu predigen. Einzig an den Diakon oder einen anderen Priester kann der Vorsteher die Verkündigung in der Messe delegieren, weil auch sie mit der Weihe in den Dienst der Gegenwärtigsetzung Christi mit ihrer ganzen Person einbezogen sind. Die Predigt des Diakons in der Eucharistiefeier sollte aber nicht den Regelfall darstellen.“

Ich muss sagen, dass ich all diesen Gedanken durchaus folgen kann und sie auch bejahe. Aber mich überzeugt nicht vollends, warum ein begrenzter Predigtdienst befähigter Laien derart grundsätzlich ausgeschlossen wird. 

Papst Franziskus spricht immer wieder davon, wie wichtig eine gute Predigt ist. Warum sollte es da nicht möglich sein, dass ab und an in einer Messe der Predigtdienst des Priesters, der diesen vielleicht schon seit Jahrzehnten in eben dieser Kirche versieht, durch eine Predigt eines Laien ergänzt wird. Nimmt dies der Verkündigung des Priesters irgendetwas? Ich erinnere mich an die Predigten meines Heimatpastors, die man irgendwann als regelmäßiger Kirchgänger „auswendig“ aufsagen konnte. 

Wäre es nicht denkbar, dass der Priester und der Laie sich miteinander so absprechen, dass der Priester zur Laienpredigt einführt und diese vielleicht mit einigen vertiefenden Worten auch abschließt, so dass deutlich wird, dass er aus dieser Vergegenwärtigung Christi heraus einem Laien die Möglichkeit eröffnet, seinen Glauben zu bekennen. Sicher sollte dies die Ausnahme bleiben, aber man muss es auch nicht auf Situationen beschränken, wo der Priester krank oder anderweitig am Predigtdienst gehindert sei. So ähnlich hat es schon die Würzburger Synode vorgeschlagen. 

Die ausdrückliche Formulierung, dass Laien predigen könnten, wenn der Priester hierzu „nicht in der Lage ist“ ist im Grunde doch eine Einladung zur Unwahrhaftigkeit. Darin liegt die Gefahr, dass Gründe konstruiert werden, einem Nichtpriester die Homilie zu ermöglichen. Und es ist doch allemal besser, dass ein Laie aus dem eigenen Glauben und mit erfülltem Herzen predigt, also das irgendein Text aus einem Predigtbuch oder einer andere Vorlage vorgelesen wird („Lesepredigt“). Irgendwo war aus bischöflichem Munde zu lesen, es sei besser eine veröffentlichte Predigt eines Priesters vorzulesen als einen Laien predigen zu lassen. Aber was ist, wenn ein Priester die Predigt vorträgt, die ein Laie erarbeitet und in einer Predigtvorlage publiziert hat? Wem will man eigentlich solche kirchlichen Regeln noch erklären?

Ich bin der festen Überzeugung, dass es gut und richtig ist, wenn Laien ab und an eine Predigt als Homilie halten. Ich glaube keinesfalls, dass man bei einer solchen „Laienpredigt“ den notwendigen „Unterschied“ zur priesterlichen Homilie nur so einhalten kann, dass sie als erweiterte Einführung in die Eucharistie gehalten wird und man dann gleichzeitig behauptet, das in derselben Feier halt keine „echte“ Homilie gehalten werden kann. Das wirkt künstlich, konstruiert und ist unter den heutigen Kommunikationbedingungen eher peinlich als überzeugend. Und es ist allemal stimmiger festzulegen, dass ein Laie ab und an die Predigt in enger Abstimmung mit dem Zelebranten übernehmen kann, als festzulegen, dass er es nur dann soll, wenn der Priester an der Predigt gehindert ist. Wer will das überzeugend feststellen?

Wesentlich wäre für mich, dass der doch überzeugende geistliche Grundgedanke, dass Christus in Wort und Sakrament gegenwärtig ist, dass dies eine Einheit ist, was erkennbar und spürbar wird, weil der zelebrierende Priester in seiner Predigt Wortverkündigung und eucharistisches Opfer zu einer Einheit werden lässt. Dazu braucht es aber durchaus mehr als ein klares Regelwerk, das Laien die Homilie verwehrt, sondern sehr viel Liebe und Engagement für die angemessene und dialogische Verkündigung des Gotteswortes. Dann wäre es wünschenswert, dass der Prediger zugleich auch der Zelebrant der Messe ist. Überhaupt nicht stimmig ist vor diesem Horizont ein Priester, der zur Verkündigung des Evangeliums den Chorraum betritt und nach der Predigt die Kirche wieder verlässt. 

Das Argument, dass Priester und Diakone allein wegen ihrer Weihe schon exklusiv in den Dienst der Gegenwärtigsetzung Christi in seiner ganzen Person einbezogen seien und das dies ausreiche um die allgemeine Beauftragung mit dem Predigtdienst zu begründen, erscheint mir da eher schwach. Und die Bemerkung, Diakone mögen doch eher ausnahmsweise predigen (die vermutlich der mangelnden Überzeugungskraft des Arguments geschuldet ist), sollte doch auch Ausnahmen für Laien zumindest denkbar erscheinen lassen. Wenn Laienpredigten im Rahmen anderer Gottesdienste (wir mögen den Wert der Wortgottesdienste neu entdecken, wird gerade heute wieder gern betont) eine tiefere Verbindung mit Christus, der „mitten unter uns ist“ ermöglichen, warum sollte dies nicht in der ein oder anderen Homilie auch gelingen, möglicherweise nicht in der Tiefe, wie es ein Diakon kann, sicher nicht in der Tiefe, wie es der zelebrierende Priester kann, aber vielleicht doch genausogut wie durch eine vom indischen Kaplan vorgetragene Predigt aus der Feder eines Laientheologen, die just zu diesem Sonntag im „predigtforum.at“ veröffentlicht war.

Darüber zumindest nachzudenken, das tut uns allemal gut. 

Grundsätzlich bin ich nicht der Meinung, dass man die Bedeutung und den Stellenwert des priesterlichen Amtes nur dann angemessen schützen kann, wenn man für ausreichend Distanz zwischen Priestern und Laien sorgt. Darin steckt die Gefahr, dass das Niveau allgemein absinkt oder dass Priester mit der Kumulation von Aufgaben und Erwartungen schlicht überlastet werden. 

Es sollte auch für einen selbstbewußten Laien selbstverständlich sein, dass im Rahmen einer Eucharistie der zelebrierende Priester das erste Predigtrecht hat. Und dass eine Wortgottesfeier auch wegfallen kann, wenn sich ein Priester auf Durchreise anbietet, einer Eucharistiefeier vorzustehen. 

Wohlgemerkt, mich drängt nichts zum Predigtdienst in der Messe. Aber wenn wir ihn ausschließen, dann würde ich gerne einen Priester und Bischof erleben, der die Begründung dafür in einer kurzen Ansprache in einer ganz normalen katholischen Gemeinde schlüssig und überzeugend vortragen kann, ohne sich dafür theologisch verrenken zu müssen. Und der, wenn er dies tut, die Zuhörer, wenn nicht überzeugt, so doch nachdenklich zu machen vermag. 

Ich bin gespannt, ob der Debatte im päpstlichen Hausblatt auch ein offener, theologischer und wertschätzender Dialog folgt. Ein Dialog mit Folgen, der uns als Kirche hilft, die Botschaft Jesu Christi klar und überzeugend in die Welt zu tragen. Bis dahin bemühe ich mich weiterhin den geltenden Vorschriften für den Predigtdienst der Laien in meinem Dienst gerecht zu werden. 

Wichtige Texte zum Thema: 



Aktuell gültige Ordnung: