Freitag, 23. Januar 2015

Georg Gänswein als Prophet der Islamisierung? Der Vatikan unterstützt PEGIDA?

Für einige Beobachter war es erstaunlich, wie deutlich sich die Katholische Kirche gegen „PEGIDA“ und andere extrem islamkritische bis islamfeindliche Bestrebungen gewandt hat. Ein erster (auch medialer) Paukenschlag waren einige Bischöfe, die sich kritisch äußerten. Dann folgte die „Licht-aus“ - Aktion des Kölner Domkapitels verbunden mit deutlichen Worten von Kardinal Woelki. Den (vorläufigen) Schlussakkord setzte die überraschend klare und pointierte Reaktion des Münsteraner Bischofs Felix Genn zum Engagement eines Pfarrers der Diözese bei einer Duisburger PEGIDA-Demo: 

„Wir weisen die Aussagen von Herrn Pfarrer Spätling entschieden zurück. Wir distanzieren uns mit Nachdruck von seinem völlig verzerrten Bild von Geschichte und Gegenwart. Herr Pfarrer Spätling bedient mit seinen Äußerungen undifferenzierte Klischees gegenüber dem Islam. Er schürt mit seinen Aussagen eine Feindlichkeit gegen „den Islam“, die wir für gefährlich erachten. Mit solchen Äußerungen – für die Herr Pfarrer Spätling, indem er äußerlich sichtbar als katholischer Priester auftritt, auch noch seine Autorität als Pfarrer und Priester missbraucht – legt er die Grundlagen für rechte Ideologien, für Fremdenfeindlichkeit und für ein Gegeneinander der Religionen, die in der katholischen Kirche keinen Platz haben. 

Die christliche Botschaft ist keine der Ausgrenzung, des Hasses und der Gewalt, sondern eine der Liebe und der Menschenfreundlichkeit. Wir sind dankbar dafür, wie viele Menschen in diesen Tagen auf die Straßen gehen und genau in diesem Sinne ein Zeichen setzen – darunter sind auch ganz viele Christinnen und Christen. Uns droht in Deutschland ganz sicher keine Islamisierung. Als Christen steht es uns gut an, den Menschen, die Zuflucht bei uns suchen, zu helfen und für sie da zu sein. Das geschieht auf ganz vielfältige Art und Weise. Zudem sind wir auf unterschiedliche Weise und auf vielen Ebenen mit muslimischen Vertretern im Gespräch und werden dies auch bleiben.“ 

Diese Worte hallten (und hallen) noch nach und brachten – verständlicherweise – die PEGIDA-Anhänger auf die Palme, was sich in langen Tiraden und heftigen Anfeindungen in den sozialen Netzwerken niederschlug. 

Aber auch „katholische Kreise“ folgen nicht einhellig ihren „Oberhirten“. Auch hier gibt es klaren Widerstand und deutlichen Widerspruch (der bedauerlicherweise den PEGIDISTEN in der Wortwahl manchmal in nichts nachstand). Offenbar gibt es auch unter einer Minderheit von Katholiken eine tiefe Angst gegenüber dem Islam und den Wunsch, zu radikalen "Lösungen" zu kommen. 

Bischof Oster von Passau stellte in einem Hirtenbrief (bei facebook) fest, dass man durchaus mit Besorgnis auf Entwicklungen in islamischen Ländern schaut, dass gegen „Islamisierung“ aber nur eine vertiefte Evangelisierung helfen würde, wobei es ihm aber nicht darum ging, Muslime zum Christentum zu bekehren, sondern Christen zu besseren Christen zu machen.

Ein Ausspruch des sehr populären Sekretärs des emeritierten Papstes Benedikt XVI, gleichzeitig Präfekt des päpstlichen Hauses bei Papst Benedikt, wurde in den letzten Tagen in immer neuen Schleifen durch das Internet gejagt und von den Kritikern der Bischöfe Deutschlands eben diesen vorgehalten: Seht, sogar der „VATIKAN“ ist auf unserer Seite, dort sieht man das Unheil am Horizont klarer als ihr. Verwunderlich bei einer Aussage, die vor fast acht Jahren in einem ganz anderen (inhaltlichen) Umfeld getätigt wurde.

Offensichtlich haben Kritiker aus PEGIDA – Kreisen das Engagement der Kirche für verfolgte Christen in aller Welt gar nicht wahrgenommen. Anders kann man zahlreiche Behauptungen über „die Kirche“ und „die Bischöfe“ in diesen Tagen nicht interpretieren. Zumindest bei vielen Wortmeldungen darf man zweifeln, dass sie in den letzen Monaten (oder Jahren) eine Kirche von innen gesehen, geschweige denn einen Priester predigen und eine Gemeinde im fürbittenden Gebet gehört haben. Von Spendenaktionen und Kollekten möchte ich eigentlich gar nicht erst schreiben.

Etliche Kommentatoren führten auch Papst Benedikt XVI. ins Feld, der in seiner Regensburger Rede vor den Gefahren des Islam gewarnt habe. Kennern der Theologie des Papstes und seiner berühmten Rede nehmen das erstaunt zur Kenntnis, denn es ging dem Pontifex damals überhaupt nicht um den Islam. Er wollte mit einem Zitat des mittelalterlichen Kaisers Manuel II. Palaiologos (im Dialog mit einem – vermutlich schiitischen Muslim (Perser)) nur eines belegen: Man kann einen Menschen nicht gegen die Stimme der Vernunft für den Glauben gewinnen. In der Konsequenz ist daher ein Zwang im Glauben undenkbar und führt niemals zum Ziel. Es ist bedauerlich, dass die Christenheit diesen Gedanken nicht schon damals, im 14. / 15. Jahrhundert tiefer durchdacht und angewendet hat. So wäre den indigenen Völkern Amerikas oder den Juden Spaniens wohl manche Ungerechtigkeit und Gewalt erspart geblieben. Die Rede Benedikts ist daher mitnichten gegen den Islam gerichtet, höchstens gegen eine problematische Interpretation dieser Weltreligion, die auf Gewalt als Mittel der Mission setzt. Aber auch hier richtet sich die Spitze gegen jeden, der Gewalt in Glaubensdingen legitimiert, sei er Christ, Hindu, Muslim oder....

Die katholische Kirche leugnet in keiner Weise problematische Strömungen im Islam. Und Dialog bedeutet, dass gerade auch kritische Punkte angesprochen werden. Auch für uns Christen ist es hilfreich, vom Muslimen kritisch befragt zu werden. So können sich manche Fragen klären und man kommt gemeinsam voran. In jedem Fall aber erfolgreicher, als auf Wegen, die auf scharfe Konfrontation und Auseinandersetzungen gründen oder dorthinein führen. 

Leider hatten 2006 einige Zeitungen die Rede Benedikts als gegen den Islam gerichtet missverstanden und durch eine verkürzte Wiedergabe mit zu den heftigen Reaktionen in der islamischen Welt beigetragen. 

Und hier kommt das Gänswein – Zitat ins Spiel. Die in 2014/2015 zitierten Worte hat er in eine Interview im Peter Seewald (kursiv gesetzt) geäußert, veröffentlicht in der Ausgabe 30/2007 des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Das ist als inzwischen über sieben Jahre her. Aber lesen Sie selbst, was Gänswein im Kontext sagt (im Netz ist das ganze Interview nicht leicht zu finden. Aber Sie haben ja dieses Blog): 

„Alle seine wichtigen Texte schreibt der Papst selbst, auch die Rede von Regensburg mit dem umstrittenen Zitat aus einem historischen Buch über einen Disput mit den Muslimen. Warum hat den Text niemand gegengelesen? 
Ich halte die Regensburger Rede, so wie sie gehalten wurde, für prophetisch. 

War das Erschrecken groß, als die wütenden Attacken aus der islamischen Welt bekannt wurden?
Dass es einige grobe Reaktionen gab, hörten wir erstmals nach der Rückkehr aus Bayern am Flughafen in Rom. Es war eine große Überraschung, auch seitens des Papstes. Der mächtige Wirbel war zunächst durch Zeitungsberichte entstanden, die ein bestimmtes Zitat aus dem Zusammenhang gerissen und als des Papstes persönliche Meinung dargestellt hatten. 

Im real existierenden Islam, also überall dort, wo diese Religion Staat und Gesellschaft beherrscht, werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Die Verfolgung von Christen hat dramatisch zugenommen. Und der Präsident der islamischen Republik Iran hat gerade wieder erklärt, der Countdown für die Zerstörung Israels habe begonnen. Ist die Vorstellung von einem echten Dialog mit dem Islam nicht allzu naiv?
Die Islamierungsversuche im Westen sind nicht wegzureden. Und die damit verbundene Gefahr für die Identität Europas darf nicht aus falsch verstandener Rücksicht ignoriert werden. Die katholische Seite sieht das sehr klar und sagt es auch. Gerade die Regensburger Rede sollte einer bestimmten Blauäugigkeit entgegenwirken. Festzuhalten ist, dass es den Islam nicht gibt, und er kennt auch keine alle Muslime verpflichtend-bindende Stimme. Unter dem Begriff versammeln sich viele, unterschiedliche, teils untereinander verfeindete Strömungen, bis hin zu Extremisten, die sich bei ihrem Tun auf den Koran berufen und mit dem Gewehr zu Werke gehen. Auf institutioneller Ebene versucht der Heilige Stuhl, durch den Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen.“

Der Kontext der Aussage war also die Regensburger Rede des damaligen Papstes und die Reaktionen aus der islamischen Welt, die der Papstsekretär in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit ins Wort bringt. Abschließend betont er, dass einer der Schwerpunkte des Pontifikats im Dialog mit dem Islam liegt, mit dem Ziel die bestehenden Konflikte und Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen und zu einer friedlichen Koexistenz zu kommen. Soweit ich das verstehe, geht es dem heutigen Erzbischof auch nicht darum, die freie Religionsausübung der Muslime in Europa einzuschränken, sondern darum, dass die europäischen Gesellschaften nicht ihre christlichen Wurzeln vergessen. Die Gefahr durch die Säkularisierung ist hier bedeutsamer, denn solche Strömungen „benutzen“ häufig die angeblichen Interessen „der Muslime“ um die Religion aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Die Diskussionen um „Weihnachts- oder Wintermärkte“, St. Martin oder Kreuze in öffentlichen Gebäuden haben das deutlich vor Augen geführt.

Interessant ist natürlich der Satz, dass die Rede auch einer gewissen „Blauäugigkeit“ im Westen entgegenwirken sollte. Da er aber in dem Interview auch bekennt, die Rede zuvor nicht gelesen zu haben ist die Frage angebracht, ob es von Papst Benedikt so intendiert war – oder im Nachhinein hineininterpretiert wurde. In jedem Fall kam durch die Rede der christlich – islamische Dialog durchaus voran. Erst recht, weil sich Papst und Vatikan entschieden bemühten, den Eindruck zu zerstreuen, die Zitierung des Kaiser-Wortes sei gegen die Muslime gerichtet gewesen. 

Die Worte des Erzbischofs eignen sich sicher nicht, um eine Übereinstimmung des Vatikan mit Positionen der PEGIDA zu konstruieren. Im Gegenteil, würde man sich von PEGIDA doch derart differenzierte Rückmeldungen wie die von Erzbischof Gänswein dringend wünschen. Wenn auf der Bühne in Duisburg einem Priester zugejubelt wird, der von Kampf und Krieg gegen Türken und Muslime (wie einst vor Lepanto) redet, dann werden die schönen Worte in Positionspapieren unmittelbar zu Makulatur. Würde er heute zu dieser Frage interviewt, glaube ich, dass seine Antwort nicht weniger klar wäre als die, die Bischof Dr. Felix Genn auf die Rede des Pfarrers Spätling gegeben hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Erzbischof Gänswein auf die angebliche „Islamisierung“ in einem neuen Interview 2014 mit keiner Silbe eingeht. 

Sie können sich gern überzeugen:

Hier der Link zum Gespräch mit Erzbischof Georg Gänswein aus dem vergangenen Jahr:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41614
Außerdem das Interview von 2007:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/3239/Der-Papst-traegt-immer-weiss-Auch-beim-Fernsehen

Stellungnahme von Bischof Dr. Felix Genn: http://www.bistum-muenster.de/index.php?cat_id=20975&myELEMENT=304733

Montag, 5. Januar 2015

Von den Geburtsfehlern des Islam reden?

Anläßlich der heute wieder angesetzten PEGIDA-Demonstrationen wird sich auch mein heutigee Blogbeitrag mit "Islamisierung" beschäftigen. In den sozialen Netzwerken wird viel darüber gequatscht. In den Netzen erwarte ich unterschiedlichste (auch unsinnige oder aufregende) Meinungen, aber von der Wochenzeitschrift: "Christ in der Gegenwart", der ich seit Jahrzehnten treu bin, erhoffe ich mir mehr. 

Mit steigendem Ärger las ich daher vor Weihnachten darin den Kommentar "Herrschaftsreligion" (Ausgabe 51/2014, Link s. unten) und dachte mir: "Die Damen und Herren von "PEGIDA" werden sich freuen, aus der Schreibe einer renommierten christlichen Zeitschrift "Argumentationsmaterial" zu erhalten." Vermutlich lesen die "Pegida"-Strategen dies wohl nicht, selbst wenn der Kommentator in der aktuellen ersten Ausgabe 2015 erneut in diese Kerbe schlägt. (WARNHINWEIS: Vermutlich werden mir manche Leser "politische Korrektheit" vorwerfen. Aber ich bekenne, dass ich selbst einige Stunden in diesen Text investiert habe und weder Geld noch Unterstützung von "Mainstreammedien" und "Lügenpresse" erhalten habe.)

Der Kommentar "Herrschaftsreligion" setzt beim Kindermord zu Peschawar ein. Taliban – Terroristen hatten mindestens 132 Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche ermordet. Auf der einen Seite unschuldige muslimische Kinder, auf der anderen Seite schuldige, ebenfalls muslimische Taliban. 
Kein Wunder, dass sich der Autor (weil kein Name genannt wird handelt es sich wohl um die Meinung der Redaktion) über dieses unmenschliche Verbrechen aufregt und Assoziationen zum "Kindermord" zu Bethlehem weckt – gerade in diesen weihnachtlichen Tagen. 

Zur ganzen Wahrheit gehört, dass die betreffende Schule eine Einrichtung des pakistanischen Militärs ist, einer Institution in diesem Staat, die mitnichten für Gewaltfreiheit und Demokratie steht. Warum ich dies erwähne? Nicht um die grausige Tat zu verharmlosen, sondern weil es Teil der Wahrheit ist. Die Taliban argumentierten ja, dass diese Schule ein legitimes Ziel sei, damit auch die Militärs erleben, was manche Familie in den pakistanischen Stammesregionen durch die Waffen des Militärs erleben mußte. Ich kann diese Argumentation zwar nicht teilen und denke, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Schüler einer Militärschule in Peschawar oder ein Schüler einer säkularen Schule in Islamabad einem Terrorangriff zum Opfer fällt.
Wenn ich als Christ solche Taten wahrnehme, muss ich die ganze Wahrheit in den Blick nehmen. Auch wenn die Taliban eine islamistische Terrorgruppe sind; dieser Anschlag wird nicht religiös begründet. Da ich kein Richter bin, muss ich nicht jeden Aspekt werten, sondern kann das Handeln der Verbrecher an den moralischen Überzeugungen meiner Religion messen. 

Warum dieses entsetzliche Verbrechen der Taliban den Autor des Artikels dazu herausfordert, die Formulierung "Islam ist Friede" in Frage zu stellen, verstehe ich nicht. Soweit ich weiß, ist das auch nur eine der möglichen Übertragungen des Wortes Islam, abgeleitet aus einer gemeinsamen Sprachwurzel mit dem Wort Salam. Wer genauer hinsieht, wird ja auch weitere Wortbezüge entdecken, wie z.B. die Unterwerfung, die Hingabe an den Willen Gottes. Würde Christ in der Gegenwart (CIG) den Zweifel am Friedenwillen vieler Muslime auch den überlebenden frommen Muslimen unter den Schülern der pakistanischen Schule entgegenschleudern? Meint man in der Redaktion, dass diese durch die grauenvollen Taten der Taliban – Angreifer im Glauben zu zweifeln beginnen? Was würden man dem jugendlichen Pakistani antworten, der kopfschüttelnd zu Ihnen sagt: "Was sind das für Menschen, die wollen Muslime sein, wo doch Islam "Friede" heißt, wo es doch im Islam heißt, wer ein Menschenleben tötet, für den ist es so, als lösche er eine ganze Welt aus?"

Aus unserer Perspektive betrachtet, ist ein muslimischer Pakistani von seinen Glaubensüberzeugungen her eher im ultrakonservativen Spektrum des Islam angesiedelt. Hierzulande würde er vermutlich mißtrauisch beäugt. Und dennoch schauen zahllose Muslime in Pakistan verzweifelt und entsetzt auf die Bluttaten der Taliban – ohne dabei den eigenen Glauben in Frage zu stellen.

Wenn ich feststellen muß, dass auch das Christentum Gewalt hervor gebracht hat; dass wir Christen gewaltsam bekehrt haben; dass wir Menschen getötet haben, die nicht bereit waren zu Konversion; dass es u.a. während der Kreuzzüge Gemetzel und Pogrome an Andersgläubigen gegeben hat ... rechtfertigt und entschuldigt das in meinen Augen keinen Mord durch die Hand oder die Waffe eines Terroristen, der sich auf seine Version des Islam beruft. 

Ich bin kein Freund der pauschalen Bemerkungen wie "Islam ist Friede" oder "Der islamistische Terror hat nichts mit dem Islam zu tun!" Das ist in der jeweiligen Verkürzung in der Tat Mumpitz. Aber "Islam heißt auch Friede" und das sollte Anspruch an jeden Muslim sein. Die Terroristen bedienen sich an Bruchstücken aus dem Koran, der Sunna und islamischer Theologie zur Rechtfertigung ihrer Untaten. Insofern sie überhaupt für ihre Untaten noch nach Rechtfertigungen suchen und nicht längst "göttliches Recht" selbst schaffen.

Wir können doch nicht ernsthaft leugnen, dass der islamistische Terror - von mir aus auch der islamische Terror - auch etwas mit politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ethnischen Verwerfungen zu tun hat. Und wenn ich bemerke, dass dies "auch" etwas damit zu tun hat, entschuldigt das dennoch nicht die grausame Unmenschlichkeit dieser "Unmenschen". Doch es ist eine Tatsache, dass es Al Quaida, IS und Taliban ohne die Geschichte der Kolonisation und Unterdrückung der islamischen Länder, auch ohne die jüngste Geschichte der russischen Unterdrückung der Muslime am Rand des russischen Reiches und in Afghanistan und ohne die Kriege im Irak heute nicht geben würde. Möglicherweise gäbe es heute dafür andere mörderische Mächte auf dieser Welt; ich will das gar nicht ausschließen. Beispiele davon haben wir ja auch ohne religiöse Ideologie in den 30er – 70er Jahren allzu viele erleben müssen. 

Im Mittelteil des CIG-Kommentars finde ich dann wieder, was ich an der Zeitung schätze: fundierte, abwägende Analyse des Verhältnisses zwischen Religion und Macht. Auch den Hinweis auf den grauenhaften Völkermord in Ruanda versäumt der Autor nicht, eine offene Wunde zu der auch noch manche mehr kommen, wenn es um das Bild vom Christentum als friedvolle und friedensstiftende Religion geht. Ja, sicher ist es so, dass das Christentum auf diesem Weg einer Emanzipation von den staatlichen Mächten schon weiter ist als manche andere Religion dieser Welt. Zumindest in Europa ist es durch die schmerzhafte Mühle der Aufklärung und der Auseinandersetzung mit den Wissenschaften gegangen. Aber auch im Christentum gibt es Kräfte, die in den Folgen dieser Auseinandersetzung eine Verwässerung des Christentums entdecken. 

Daher lohnt es sich auch für uns Christen nach wie vor, die schmerzhafte Geschichte dieser Entwicklung zu reflektieren und möglicherweise gerade mit dieser Offenheit denen, die die Entwicklung des Islam voran treiben möchten, eine Hilfe anzubieten. 
Eine weitere Anmerkung zum Kommentar erscheint mir an dieser Stelle notwendig: Auch wenn das Judentum heute in Israel eine machtpolitisch bedeutsame Rolle spielt, so dürfte es nicht falsch sein, dem Judentum insgesamt die Kraft zuzubilligen, "Wesen und Unwesen von Religion selbstkritisch zu betrachten und die Selbstimmunisierung zu mobilisieren."

Der Islam heute ist eine vielschichtige und vielgestaltige Religion. Aber es ist keine Religion, die aus sich heraus zu Kampf und Gewalt anstachelt. Die islamische Religion ist (vielleicht bedauerlicherweise) in einer Region entstanden, wo ihre Ausbreitung von Kämpfen und Konflikten begleitet war. Ob man dies ihrem Propheten zuschreiben kann vermag ich nicht zu beurteilen, mir scheint er ist in diese Rolle doch eher gedrängt worden. Sicher war Mohammed ein "Kriegsherr", ob er aber "Kriegstreiber" war, darüber sollten Sie ruhig noch einmal mit kundigen islamischen Theologen und Geschichtskundigen streiten.  

Die "Friedfertigkeit" Jesu sehe ich durchaus, aber rein "gewaltfrei" war er nicht, wenngleich er kein Krieger und Kämpfer war. Sein Reich war nicht von dieser Welt. Als überzeugt glaubender Katholik bin ich sicher, dass er aus Gottes Willen so und nicht anders in die Welt gekommen ist, als hilfloses Kind und nicht als Mächtiger, nicht als Kriegsherr, nicht als Aufrührer sondern arm und mit wenig mehr ausgestattet als mit der Macht seines Wortes, der Kraft seiner Gottessohnschaft und seiner besonderen Beziehung zu seinem Vater im Himmel. Mohammed, der Prophet des Islam ist in ganz anderen Bezügen geboren worden. 

Der CIG hat vor einigen Monaten einmal einen spannenden Artikel gebracht: "Kann Mohammed auch ein Prophet für Christen sein?" Dieser Gedanke ist für den christlich – muslimischen Dialog sehr bedeutsam und führt über die bisherigen Themen sicher hinaus. Für mich persönlich hat Mohammed keine religiöse Bedeutung im Sinne von Bedeutsamkeit für meinen christlichen Glauben. Ich achte ihn hoch als Propheten des Islam und wichtige "große" historische Persönlichkeit. Ich erlebe, wie bedeutsam er für die Muslime ist, die seinen Namen nicht "einfach so" aussprechen, sondern immer einen Segensvers hinzufügen. Wir Christen kennen aus älterer Zeit den Brauch, das Wort Gott oder Jesus groß zu schreiben, um die Bedeutung des "Hl. Namens Jesu" zu unterstreichen. 

In den abschließenden Sätzen des CIG-Kommentars wird festgestellt: "Der Geburtsfehler des Islam liegt in seiner Gründungsfigur, seinem „Propheten“. Im Grunde ist das ein ungeheuerlicher Satz! Wie will man mit einer solchen Überzeugung überhaupt noch ein Gespräch beginnen? Selbst liberale und sehr offene Muslime werden auf diesem Niveau keinen Dialog führen wollen. Wer die besondere Position des Papstes für die Kirche negiert kann sich kaum katholisch nennen, wer Luther ablehnt wird mit keinem Protestanten über die Gestaltung des Jahres 2017 sprechen können.

Möglicherweise ist es ja wirklich so, dass der Islam über "Geburtsfehler" verfügt. Aber kann man sie benennen, ohne gleichzeitig Geburtsfehler der eigenen Religion und Theologie selbstkritisch einzugestehen? Und können wir als islamisch – theologisch doch weitgehend ungebildete Menschen ernsthaft die Grundlagen einer Weltreligion derart in Frage stellen? Wie soll hieraus ein Fortschritt möglich sein? Denkt der Autor an einen Islam, der sich von einem Teil seiner Wurzeln befreit? Für einen "Dialog" auf dieser Basis fehlt mir schlicht die Vorstellungskraft. 

Erschütternd sind für mich auch Zitate aus dem CIG-Kommentar "Dschihad 2015" vom Jahresbeginn: "Die Unruhe nicht weniger Bürger wächst..." ... "politisch korrekte Beschwichtigungsrhetorik" ... "über Realitäten im Unklaren gelassen..." ... "immens hohe Zahl an Dschihadisten und Sympathisanten" ... "der islamische Untergrund" ... "Heilige Krieger (die) unter dem Deckmantel von Kriegsflüchtlingen ... unbehelligt Aktivisten rekrutieren..." 
Will man in einer renommierten christlichen Zeitschrift ernsthaft behaupten, die Probleme mit islamistischen Extremisten würden in Deutschland "beschwichtigt"? 
Was sind das für Stilmittel? Ich verneine strikt die Behauptung, das Problem des politischen Islamismus bekäme bei den Sicherheitskräften oder in den Medien nicht die notwendige Aufmerksamkeit. Im Gegenteil! Ob über die "RAF" damals angemessen berichtet wurde, das entzieht sich meiner persönlichen Erinnerung... aber mit Blick auf den Islamismus vermisse ich nichts. Schon der CIG selbst setzt sich intensiv mit diesem Thema auseinander. Und an Artikeln in SPIEGEL, FAZ, WELT u.s.w.. mangelte es ebenfalls nicht. Kritiker des Islam wie Hamed Abdel-Samad, Sabatina James oder Necla Kelek bekommen die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Natürlich sollten wir genau hinschauen. Und wir sollten uns mit allen Kräften in der muslimischen Community zusammentun, die erkennen, wie sehr der Islam selbst auch durch den Islamismus von IS, Al Quaida und Boko Haram angegriffen wird. Es hilft genaussowenig, diese Extremisten als "unislamisch" auszugrenzen, wie die PEGIDA-Demonstrationen für schlicht dumm und unbedeutend zu erklären. 

Natürlich ist es eine Tatsache, dass die Unruhe mancher Bürger wächst. Aber das liegt für mich nicht an zu wenig Aufmerksamkeit der Medien oder der Sicherheitskräft, sondern an deren Focus. Man beschäftigt sich nämlich mit den Minderheiten, die extreme Positionen vertreten oder gar in einen "Hl. Krieg" ziehen. Und durch die so gerichtete Aufmerksamkeit machen die kleinen Minderheiten für manchen Zuschauer 100 % der Wahrnehmung über Moslems aus, oder vielleicht 80 Prozent, weil jeder kennt ja einen Türken, der "sogar Bier trinkt" und ein netter Kerl ist. Damit möchte ich in keiner Weise das Problem des islamischen Extremismus klein reden. Es sind ja auch nicht nur die "Dummen" die Islamisten, sondern durchaus auch kundige und wortgewaltige Strategen, ein Phänomen, das wir aus der – durchaus wesensverwandten – rechtsextremen Szene ja ebenfalls kennen. 

Hier sind die Sicherheitskräfte gefordert, aber sicher auch in der Beobachtung und Bestrafung der islamistischen Szene. Das geht nur durch enge Zusammenarbeit mit hier heimischen Muslimen. Mag es auch bis heute noch kaum islamistische Angriffe hierzulande gegeben haben, so ist doch in der wachsenden weltweiten Terrorbewegung der Keim dafür schon gelegt. Es könnte auch "uns" treffen ... und nicht nur die Schüler der Militärschule in Pakistan. 

In den Bestrebungen, gewaltbereite Schläger gegen Salafisten oder Islamisten auf die Straße zu bringen sehe ich hierzulande ebenfalls eine große Gefahr. Und Sorge macht mir die zunehmende Bedrängung ganz normaler Muslime durch zahlreiche Einflüsse von außen, aber auch durch die Stimmungsmache der Pegida – Hintermänner. Ich glaube gar nicht, dass hier der rechtsextreme Sumpf marschiert. Aber es sind zahlreiche "Strategen" dabei, die im Pegida – Schwung ihr eigenes Süppchen kochen. Was mich besonders besorgt ist, dass Pegida in einem Umfeld von Wahlverweigerung, Frustration und Mißtrauen gegenüber Medien und Politik gedeiht. Das sollte allen, die für das Funktionieren der Gesellschaft Verantwortung tragen, große Sorge machen. Das "Abendland" lebt nämlich vor allem von Bildung, vom Füreinander-Da-Sein, von der Hilfe für Schwächere... Wer das Abendland retten will, sollte das nicht gegen Andere tun, sondern die Werte des Abendlandes mit allen anderen entdecken, ja erarbeiten. Und das Abendland ist ohne eine Glaubensauseinandersetzung mit der eigenen Gottesbeziehung und den Konsequenzen daraus nicht zu retten. Wenn unser Glaube, wenn unsere Werte stark und anziehend sind, dann brauchen wir vor den Muslimen in der Moschee um die Ecke keine Angst zu haben. 

Ob der "Dschihad der Massaker" die weltpolitische Herausforderung Nr. 1 ist? Zumindest sehe ich im Kampf gegen Unterernährung, Ungerechtigkeit, ungerechte Wirtschafsstrukturen, Krieg, Krankheiten (u.a. Malaria, Ebola, AIDS) etc.. genauso bedeutsame Arbeitsfelder, die leider weniger im Rampenlicht stehen. 

Ein "Geburtsfehler" des Islam hat sich viele Jahrhunderte lang als Stärke erwiesen; nämlich, dass es in ihm kaum wirkliche religiöse Autoritäten gibt. Es gibt zwar die Vertreter der vier Rechtsschulen, aber darüber hinaus entwickelten sich weitere Strömungen. Letztlich ist jeder Muslim allein Gott gegenüber verantwortlich, wie er seinen Glauben lebt. Es gibt – anders als in der katholischen Kirche – weder Papst noch Lehramt noch eine allgemein akzeptierte Idealgestalt gelebten Glaubens. Daher lassen sich die Terroristen im Namen des Islam auch nicht "überzeugen", daher verhallen die Apelle zahlreicher islamischer Lehrer und Autoritäten weitgehend ungehört. Daher legen die Terroristen auch so viel Wert darauf, ihre Anhänger (und die von ihnen Unterdrückten) dumm zu halten. Jede dieser Terrorgruppen kämpft gegen Bildung und Bildungseinrichtungen. Mädchen dürfen nicht mehr zur Schule gehen, die Lehrinhalte werden auf wenige Themen zusammengestrichen. Die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram trägt den Kampf für die Verblödung ihrer Anhänger sogar im Namen. 

Was soll angesichts dieser Lage das geforderte "Burka-Verbot" als "klares Signal" bringen? Die gefährlichste Strömung des Salafismus setzt sich m.W. nicht einmal für die Burka ein. Die Burka ist ein Kleidungstück, dass einer bestimmten islamischen Stammeskultur entspringt. Ähnlich wie der Niquab in arabischen Ländern. Hier könnte ich mir schon wirksame "Zeichen" vorstellen, aber ein Verbot solcher Kleidungsstücke ist reiner Symbolpolitik und setzt mitnichten ein Zeichen gegen Islamismus und für Dialog mit den "normalen" Muslimen in Deutschland. 

Die Antwort auf den Islamismus muss auf vielen Ebenen gegeben werden. Zunächst einmal müssen wir intensiv das Gespräch und die Kontakte mit Muslimen pflegen, mit den Theologen an deutschen Universitäten und in den Moscheen aber auch mit den ganz normalen Gemeindemitgliedern, mit den unterschiedlichen islamischen Verbänden. 

Zum Dialog gehört auch unbedingte Offenheit. Ich darf meine "kritischen Fragen" den Gesprächspartnern nicht ersparen. Das wäre eine falsche Rücksichtnahme. Dazu gehört von muslimischer Seite sicher – berechtigt – auch die Frage nach "westlicher Moral". 

Entscheidend ist auch, dass Muslime sich in Deutschland nicht als "ausgegrenzt" erfahren und dass sie sich auch nicht selbst ausgrenzen. Hier wäre noch viel zu tun. Wir haben seit Jahrzehnten Menschen nach Deutschland geholt, ihnen sind viele Familienangehörige gefolgt, später auch Flüchtlinge und andere Zuwanderer. Wir haben ihnen gegenüber eine Verantwortung. Menschen, die in ihrer Nachbarschaft, in ihren Familien, im Gemeinwesen, in den Kommunen, am Arbeitsplatz u.s.w. verwurzelt sind – sind weniger anfällig für die Verlockungen des Islamismus. Natürlich ist das nicht nur etwas, was die Gesellschaft allein zu leisten hat. Jeder Bürger muss selbst etwas tun. Aber die Bedingungen müssen stimmen. 

Wenn Muslime hier unter uns wohnen, dann muss sicher gestellt werden, dass sie ihren Glauben hier in angemessener Weise leben können. Hierzu gehört auch die geregelte Errichtung von Moscheen, nicht nur in Randlagen der Gewerbegebiete. Dazu gehört auch, nach den Regeln der Religion leben zu können, solange dieses Leben nicht die Rechte Anderer oder geltende Gesetze tangiert. (Koschere bzw. Halal – Lebensmittel, Beschneidung etc.. sind Themen, die einer Lösung harren. Die Tradition islamischer Friedensrichter ist wohl weniger in Regeln der Religion, denn in Gebräuchen der Heimatländer begründet.) Was spräche ernsthaft gegen den öffentlichen Gebetsruf in Gegenden, wo Muslime wohnen?

Natürlich darf nicht vergessen werden, dass der Staat auch in der Pflicht ist, wenn es darum geht, die Freiheit seiner Bürger vor religiöser Bevormundung zu schützen. Auch das ist ein sensibler Punkt in vielen muslimischen Gemeinschaften, wo ein Abkehr von der Religion nicht geduldet wird (während ein Nichtpraktizieren meist akzeptiert wird). 

Ich würde mir wünschen, dass Katholiken in diesen Tagen, ausdrücklich auch als Redaktion einer christlichen Wochenzeitschrift alles dafür tun, den Islamisten aber auch den extrem rechten (und linken) Strategen in Deutschland den Nährboden zu entziehen. Nur so kann Schritt für Schritt ein Abendland weiter wachsen, dass sich dieses Namens nicht zu schämen braucht. 

Kommentar aus CIG 51/2014: "Herrschaftsreligion": www.christ-in-der-gegenwart.de/aktuell/artikel_angebote_druckversion?k_beitrag=4326213

Artikel über Mohammed als Prophet für Christen: www.christ-in-der-gegenwart.de/aktuell/artikel_detail_html?k_beitrag=4197872