Montag, 27. Februar 2012

Ein faktisches Schisma in der deutschen Kirche?

Es sind große Worte, mit denen das „Netzwerk katholischer Priester“ die deutschen Bischöfe zum Jagen tragen will. Vom „faktischem Schisma“ in der deutschen Kirche ist die Rede, von Bischöfen, die ihren grundlegenden Pflichten nicht nachkämen, den katholischen Glauben zu verteidigen; von Bischöfen, die ihre Priester „verraten“, in dem sie Wissenschaftlern Einblick in ausgewählte Personalakten gewärten.
Man bietet eine „Notwehrgemeinschaft“ für solche Priester an, die angeblich wegen ihrer „romtreuen“ Haltung aus Gemeinden hinausgemobbt oder von einzelnen Vorgesetzten gemaßregelt würden. Pfarrer Dr. Guido Rodheudt aus Herzogenrath füllt das Vatikan-Magazin mit lauter Untergangsprophetien, abwechselnd sind es die Bischöfe, das ZDK, die hauptamtlichen Laien, die Gremien, der Geist des II. Vaticanums, die bischöflichen Behörden und wer nicht alles, die die Kirche in die Bedeutungslosigkeit und in den Untergang führen.
Offensichtlich werden solche Äußerungen des „Priesternetzwerkes“ öffentlich ernst genommen. Zahlreiche Medien berichteten kürzlich (Ende Februar) von Streitigkeiten in der Priesterschaft. Der Spiegel glaubte gar zu wissen, dass es in der Priesterschaft zu einem offenen Bruch gekommen sei und führt Priesternetzwerk und Pfarrerinitiative als Organisationen an, die tausende von Priestern in Deutschland repräsentierten. 
Ist das wirklich so? Die Vertreter des Priesternetzwerkes wollen sich da nicht festlegen und sprechen von ca. 500 Priestern, die deren Newsletter lesen oder Sympathie bekunden würden. Echte „Mitgliedschaft“ gäbe es allerdings nicht. Auf der Homepage http://www.priesternetzwerk.de/ wird ein Foto eines Netzwerktreffens präsentiert - mit gut 30 Priestern am runden Tisch. Sehr ähnlich dürfte es sich auf der „anderen Seite“, bei den Brüdern der Pfarrerinitiative verhalten. Diese zählt – als deutscher Ableger – gerade mal dreißig namentlich benannte Mitglieder auf. http://www.pfarrer-initiative.org/. Vielleicht liegt auch darin das „Geheimnis“ begründet, dass diese Initiative die deutschen Bischöfe eher kalt läßt.
Ich möchte gar nicht bestreiten, dass die vom Priesternetzwerk beschriebenen Probleme in der deutschen Kirche existieren. Ich bin auch kein Anhänger der allzu plakativen Forderungen und der Rufe nach „Ungehorsam“. Aber ich bestreite, dass die Probleme im Zentrum der Krise der Kirche stehen. „Die Bemühungen um eine Verbreitung der christlichen Botschaft blieben gegenwärtig „unfruchtbar““, so heißt es in einer am Montag, 26.2.2012 vom Vatikan veröffentlichten Mitteilung eines Bischofsrates zur Vorbereitung der nächsten Bischofssynode. Das macht mich nachdenklich und besorgt, denn diese Bemerkung bezieht sich auf die ganze Weltkirche.
Im Interview mit dem katholischen Domradio aus Köln gibt sich der Sprecher des Priesternetzwerkes, Pfr. Hendrik Jolie auch eher handzahm.. http://www.domradio.de/aktuell/80031/aufruf-zum-gehorsam.html
Von „Spaltung“ wollte er eher ungern sprechen, die Leute von der Priesterinitiative oder von der Piusbruderschaft sind dann in diesem Gespräch doch eher nicht die Kirchenspalter, sondern extreme Randgruppen, die sich in ihren Ausdrucksformen sogar „berühren“. Man selbst (als Priesternetzwerker) sähe sich in der Mitte der Kirche. Ein deutlicher Kontrast zu den sonst sehr lautstarken und pointierten Stellungnahmen.
Im Interview vertritt Pfr. Jolie die Meinung, die Bischöfe müßten sich nur deutlich und klar genug zu bestimmten strittigen Themen äußern (und ihre Priester entsprechend auf Gehorsam einschwören) und schon befände sich die Kirche wieder auf dem Weg der Besserung. Ich glaube, damit verkennt das „Netzwerk katholischer Priester“ die Lage. Überall in der Welt ist es zur Zeit spürbar (ob in der Kirche, in den arabischen Ländern, in Putin's Rußland oder auch in den demokratischen Prozessen in Europa); es braucht nicht (nur) bessere Kommunikation und treuere Amtsträger, sondern es braucht überzeugende Antworten auf legitim gestellte Fragen. Aus unserer modernen Kultur heraus wird – wieder mal – das Christentum angefragt. Und es müssen, durch die Gläubigen, die Priester, die Bischöfe, den Papst überzeugende Antworten gefunden werden, die sowohl der Botschaft Jesu als auch der Lebenssituation der Menschen und dem Schatz der kirchlichen Erfahrung gerecht werden und die letztlich überzeugen. Wir brauchen Botschaften, die aufhorchen lassen und überzeugen, nicht jeden, aber zumindest die, die an den dreifaltigen Gott glauben und in der Kirche ihren Glauben in Gemeinschaft leben wollen.
Auf die Frage nach den notwendigen Reformschritten wird es bei Pfr. Jolie allerdings eigenartig dünn. Notwendig sei „Erneuerung“ des Glaubens, aber eigenartigerweise klingt es, wenn es konkret wird eher nicht nach vorwärts sondern nach zurück. Der Priester solle kein „Gemeindeangestellter“ sein und Pfr. Jolie's konkrete Reformidee lautet wörtlich so: „die Priester müssen ihre Hirtenaufgabe wahrnehmen. Sie sind die Letztverantwortlichen in den Gemeinden, sie sind Gott und dem Bischof gegenüber verantwortlich. Das wäre eine Reform, die den Namen verdient und dafür treten wir ein.“ Anders ausgedrückt bedeutet das: „Als Pfarrer möchte ich es (weiterhin) zu sagen haben! Ohne mich kann es keine Entscheidungen geben.“ Ich glaube, in dieser Haltung liegt noch weit eher als in einer besonders konservatien oder papsttreuen Grundeinstellung der Grund für die Schwierigkeiten einiger Priester in ihren Gemeinden. Wer heute als Priester nicht delegieren kann, wer keine Verantwortung abgeben will und nicht in der Lage ist, im Team zu arbeiten, der wird in der Tat in den immer größeren Gemeinden Schwierigkeiten bekommen. Und er wird recht bald spüren, dass „Letzverantwortung“ dann auch bedeuten kann: „Ohne mich läuft gar nichts...“ In einer Gemeinde, wo ein Priester so arbeitet, kann letztlich inhaltlich auch nur ganz wenig geschehen. Denn wo wären wir Hauptamtlichen, wenn es nicht die vielen engagierten Ehrenamtler gäbe, die verantwortlich die Organisation und Leitung vieler Aufgaben in Liturgie, Verkündigung und Diakonie übernehmen und damit die Gemeinde zum Leib Christi aufbauen. Selbstverständlich unter der Leitung eines Priesters, aber doch nicht unter seinem Kommando. Wir sprechen doch vom „gemeinsamen“ Priestertum, miteinander und mit den Priestern, die in die Gemeinden gesandt sind. Christus selbst ist durch seinen Geist mitten in der Gemeinde präsent. Er führt und leitet auch die gläubigen Laien. Der Priester ist im Volke Gottes zu einem besonderen Dienst bevollmächtigt. Und dieser Dienst charakterisiert ihn nicht als „Letztverantwortlichen“. Allerdings hat er klar definierte Verantwortlichkeiten In der Nachfolge der Apostel verkündet der Priesters das Evangelium und spendét der Sakramente, steht insbesondere der Eucharistiefeier vor. Die Weihe verleiht ihm, der „In persona Christi“ handelt, eine besondere Verbundenheit mit Christus, dem einzigen Priester. Wenn das nicht für eine stabile Identität und eine hohe berufliches Zufriedenheit sorgt, dann weiß ich es auch nicht. Verantwortlich Gott gegenüber ist der Priester für sein Tun und Lassen. Verantwortlich Gott gegenüber ist aber auch jeder einzelne Christ selbst. Und nur gemeinsam wird es uns gelingen. Und sicher ist es kein gutes Zeichen, wenn Priester sich gegen Priester, Priester gegen Bischöfe stellen. Der geforderte „Gehorsam“ gilt – recht verstanden – im ganzen Beziehungsgeflecht der kirchlichen Hierarchie.