Freitag, 30. Dezember 2011

Weihnachten, unter dem Baum...

„Weihnachten wird unter'm Baum entschieden.“ Als Christ bin ich geradezu dankbar für diese Steilvorlage aus der Werbewelt. Viele Prediger haben sie ja auch als Aufhänger oder als aktuelle Würze in ihrer Predigt genutzt. Von daher war es im Grunde überflüssig, dass einige Kirchenvertreter gegen diesen Werbeslogan protestiert haben.
Ich glaube, das ist der falsche Weg, man müßte solche „Werbegeschenke“ als Kirche viel intensiver für die eigene Verkündigung nutzen. Leider ist in der Öffentlichkeit diesmal eher etwas anderes rüber gekommen, nämlich: „Die Kirche hat keinen Humor“. Ein gewisses Augenzwinkern hatte ja sogar der Elektronikdiscounter mit seinen Werbefilmchen verbunden. Besser wäre es daher gewesen die Empfindungen der Menschen aufzunehmen und den Slogan positiv zu nutzen um zu sagen: „Weihnachten ist viel mehr...“ und das größte Geschenk liegt nicht unter dem Baum, sondern in der Krippe.
Jeder Mensch spürt doch, dass die Geschenke zu Weihnachten zwar wichtig, aber nicht "entscheidend" sind. Jeder spürt, dass Weihnachten ganz viel mit unseren Sehnsüchten und Hoffnungen zu tun hat und dass das nicht reicht, was unter dem Baum liegt. Spannend wäre es, zu entdecken, was Weihnachten eigentlich (im Herzen der Menschen) bedeutet, durchaus auch jenseits des vorgegebenen christlichen Rahmens.
Ein Teil unseres Brauchtums, auch wenn es christlich ist, verdeckt nämlich mehr „das Eigentliche“, als dass es dieses enthüllt. Die christliche Krippe – spiegelt eher eine ländlich-idyllische Stallatmosphäre als das Elend eines Paares, das sein Kind unbehaust und in der Fremde zur Welt bringt. Das Schenken ist heute mehr Ausdruck unserer Überflussgesellschaft als Spiegelbild der bedeutungsvollen Geschenke der Weisen aus dem Morgenland. Der Tannenbaum und der Adventskranz werden mehr und mehr zum modischen Accessoire (in Modefarben) als zum schlichten Träger des mehr und mehr wachsenden Lichtes. Wobei es sich bei beiden doch sowieso mehr um einen romantisch-regionalen Brauch handelt als um originär christliches weltumspannend – katholisches Brauchtum. (Natürlich steckt darin eigentlich eine wunderbare christliche Symbolik: „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt.“)
Der Weihnachtsmann offenbart auch nichts mehr vom heimlichen Geschenkebringer in der Gefolgschaft des vom Protestantismus seiner „Heiligkeit“ beraubten Hl. Nikolaus. Nein, er ist ebenfalls zum Werbe- und Geschenketräger geworden (obwohl er doch auf 250 Jahre Tradition zurückblickt, mindestens!).
Was feiern wir eigentlich an Weihnachten? Das Fest, das aus der eigenen Familie eine „Heilige“ machen soll? Die überzogenen Erwartungen an (klein-)familiäres Glück? Die strahlenden Kinderaugen in denen das Geflacker und Geleuchte der modernen elektrifizierten Spielzeuge widerleuchtet? Das Fest, das die Sehnsüchte nach heiler Welt, Landleben mit Hirten und Stall und in unzerstörter Natur ausdrückt? Die Gelegenheit zum ausgedehnten Konsumrausch mit Deco, Lämpchen und Geschenken? Ein Lichterfest gegen die Winterdepression?
Die Erwartungen borden über, das Fest wird aufgeladen mit unerfüllbaren Wünschen und um so größer ist die Enttäuschung nachher, wenn statt heiler Familienwelt ein alter Streit aufbricht; wenn die Nachrichten uns zeigen, wie wenig heil die Welt um uns herum ist; wenn das Glänzen in den Kinderaugen allzu schnell der „Übersättigung“ durch viel zu viel Spielzeug weicht und die Freude am Neuen schon nachläßt bevor die ersten Batterien leer sind. Es würde sich lohnen, einmal den Sehnsüchten nachzuspüren, mit denen wir unser persönliches Weihnachten aufladen. Und es wäre hilfreich, wenn wir uns mehr Gedanken darüber machten, wie die eigentliche Sehnsucht dahinter gestillt werden könnte.
Das braucht dann mehr Investitionen in Einfachheit, in Mitmenschlichkeit, in Verzicht, in Neuanfang, in Herzlichkeit und Zuwendung, in Liebe, in mehr Zeit füreinander und schließlich in mehr Gebet, Gottesdienst und Stille. Dann mag es gelingen, dass Gott in uns von Weihnacht zu Weihnacht immer mehr zur Welt kommt und in unserem Leben Raum einnimmt. Und das hat durchaus Folgen, für unser Weihnachten und unser ganzes Leben. Der Spruch „Mach's wie Gott, werde Mensch!“ ist zwar schon etwas abgedroschen, aber er gibt die richtige Richtung vor. Und wer weiß, ob auf diesem persönlichen Weg nicht auch immer mehr Wirklichkeit wird, was der Engel den Hirten sagt: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“

Samstag, 3. Dezember 2011

Bruder Weihnachtsmann

Unter diesem Titel veröffentlichte Lydia Saul im neuen Heft von "Christ in der Gegenwart" einen Text zur Aktion "Weihnachtsmannfreie Zone". Auch wenn ich den Artikel hier nicht zitieren darf möchte ich meine Gedanken dazu niederschreiben.
 
Bruder Weihnachtsmann - Bruder Nikolaus

Mit innerer Bewegung habe ich den Artikel der Kollegin Lydia Saul über den „Bruder“ Weihnachtsmann gelesen. Seit 1998 engagiere ich mich auf vielerlei Weise, u.a. mit „echten Schoko-Nikoläusen“ dafür, dass der Nikolaus wieder in das Bewusstsein der Leute und das „Straßenbild“ der Adventszeit zurückkehrt. Mehr über dieses Projekt unter www.bischof-nikolaus.net.
Vor einigen Jahren kam das Bonifatiuswerk auf die Idee mit der „weihnachtsmannfreien“ Zone. Was einmal als interessanter Werbegag gedacht war erweist sich inzwischen als Bumerang. Ich habe es immer für einen – fast exemplarischen – Fehler angesehen die Verkündigung der frohen Botschaft aus der Lebensgeschichte und den Legenden des historischen Bischofs Nikolaus von Myra auf diese Weise anzugehen. 
Als wir 1998 mit unseren Schokonikoläusen anfingen, wollten wir aus einer „nikolausfreien Zone“ eine machen, wo der Hl. Mann wenigstens ab und an präsent ist. Nach meinen Zählungen bringen die aus dem Glauben heraus motivierten Initiativen inzwischen zusammen mit den gewerblichen (und ähnlich motivierten) Verkäufern inzwischen ca. eine Millionen „echte“ Schokonikoläuse „unter die Leute“ während es noch immer 160 Millionen Weihnachtsmänner sind. Für ein Nischenprodukt doch durchaus ein vorzeigbarer Erfolg, oder? Wenn wir allerdings mit unseren Nikoläusen die „weihnachtsmannfreie Zone“ erzwingen wollen und uns über die Brauchtumsfigur des „Weihnachtsmannes“ lustig machen, löst das nicht nur positive Reflexe aus. Und wenn wir mal ehrlich sind, ist unser „lateinischer Bischof“ mit dem griechischen Urbild vermutlich weniger verwandt als unser Nikolaus mit seinem Urgroßneffen aus „Gods own country“. Ich bin der Meinung, wir Christen sollten auf dem „Markt der Möglichkeiten“ mit unserer christlichen Botschaft sehr präsent sein, aber positiv, unverkniffen, überzeugend, (menschen)freundlich, wenn nötig auch zurückhaltend. Wir sollten Alternativen anbieten, die Leute haben dann die freie Wahl. An Glaubenskampf haben sie kein Interesse! Die Freiheit ja oder nein zu sagen wollen sie um jeden Preis behalten. Doch für bessere Alternativen lassen Sie sich aus meiner Erfahrung durchaus gewinnen. Und wer weiß, vielleicht wird dann und wann mehr daraus. Auch ein halber Christ ist etwas wert und etwas christliche Botschaft ist mehr als gar keine. Dass wir Christen mit unserem Nikolaus keine Chance haben, den Weihnachtsmann zu beerben oder zu verdrängen, das ist doch durchaus symptomatisch für unsere Postmoderne und zeigt auf, wie es um den Glauben im christlichen Deutschland bestellt ist. Er ist ein Nischenprodukt geworden, sympathisch aufgenommen, wo er mit Ideenreichtum und Charme dargeboten wird. Abgelehnt, wo er unter seinem Chormantel die Rute versteckt hält.
Lydia Saul schließt ihren Artikel mit einer Bemerkung, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Es geht ihr, in dem Raum zwischen der säkularisierten Lebenswelt von heute und der Einflusssphäre der großen Kirchen ausgezeichnet. Hat sie nicht recht? Geht es nicht vielen unserer Zeitgenossen bestens – auch ohne uns? Kommen sie nicht mit dem Weihnachtsmann gut über die Runden und vermissen den Nikolaus nicht? Es ist doch so: Ohne Kirche fehlt vielen nichts! Trotzdem sind sie oft nicht ohne Glauben. Der Slogan „Weihnachtsmannfreie Zone“ war gut, jetzt gehört er in die Mottenkiste. 
Als Christen sollten wir aufmerksam dafür werden, dass wir uns mit gut gemeinten und in der Presse gut plazierten Initiativen nicht mehr und mehr in ein Ghetto der „zertifizierten Frommen“ zurückziehen. Christliche Mission sieht anders aus. Jesus hat es uns ins Stammbuch geschrieben. Wir sollen den Samen reichlich aussäen, überallhin, unter die Dornen, auf den Weihnachtsmärkten, in den Supermärkten und den Castingshows, in den Kirchen und Adventsfeiern genauso, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft. Ich jedenfalls vertraue darauf, dass der Same wächst und einst Früchte trägt, wenn ich selbst vermutlich längst weitergezogen bin oder erst dann, wenn ich erkenne, wie ich durch und durch erkannt worden bin. Als Christ muss ich nicht alles mit mir machen lassen, aber eine Kirche ohne die Macht des Geldes, der Institution, des Wortes, der Titel, der prachtvollen Liturgien und Gewänder verliert nicht nur sondern gewinnt durchaus an Überzeugungskraft.