Freitag, 23. September 2011

Die Kirche ist jung, farbig, ökumenisch (Der Papst in Berlin II)

Der Gottesdienst ist eine sehr lebendige Mischung aus alten und modernen Kirchenliedern, mit deutschen und lateinischen Texten. Ich bin überrascht, wie ruhig und gesammelt es dabei zugeht. Auch wenn sich unter den Gottesdienstbesuchern viele Schaulustige und manche evangelische Christen befinden, sie feiern wirklich alle mit. Bischof Woelki bekommt denn auch starken Beifall bei seinen Begrüßungsworten, als er sagt, dass für sein Bistum Berlin die Ökumene lebens-, ja überlebenswichtig für das authentische Zeugnis der Christen ist.
In seiner Predigt stellt der Papst dem öffentlichen Bild von der Kirche ein theologisch-biblisch inspiriertes Bild des Mysteriums der Kirche gegenüber. Als Christen sagt er, gehören wir zueinander und zu Christus. Zweimal spricht er davon, dass das reale Gesicht der Kirche verdunkelt ist, dass es in der Kirche auch Sünde und Dunkelheit gibt. Ich hätte es gern noch klarer gehört, aktuell zugespitzt auf die konkreten Diskussionen der vergangenen Zeit.
Aber ich nehme die Botschaft mit: „Kirche können wir nicht machen, was wir gestalten ist eine äußere Form von Kirche, Kirche ist aber mehr, ist das Miteinander der Menschen, die mit Christus lebendig verbunden sind.“ Das bedeutet ja auch, dass es keine Gruppierungen und Interessengruppen geben kann, sondern dass diese innere Verbindung zu Christus zählt. Die konkrete Gestalt der Kirche bleibt manchmal hinter diesem anspornenden Anspruch zurück. Der Papst zitiert das Bild vom Unkraut und dem Weizen, die zusammen auf einem Feld wachsen. Lieb wäre mir noch gewesen, wenn der Papst noch einige einladenden Worte direkt an die Adresse der Demonstranten und Papstgegner gerichtet hätte. Vielleicht wäre da auch was auf fruchtbaren Boden gefallen. Später in der U-Bahn sind mir viele junge Leute begegnet. Manche mit etwas platten Anti-Papst-Transparenten, manche als Papst-Pilger. Auf den ersten Blick alles junge, sympathische Menschen. Vielleicht muss man einfach mehr ins Gespräch kommen. Nach der Predigt lag eine tiefe und beeindruckende Stille über dem Stadion. Ich hätte nicht geglaubt, dass man mit 70.000 Menschen, vom neugierigen Berliner Zaungast bis zur Bundeskanzlerin wirklich so Gottesdienst feiern kann, dass Gemeinschaft entsteht.
Jetzt fehlte nur noch eine gut katholische Party rund um das Stadtion. Die Leute waren in aufgeräumter, lockerer Stimmung, man kam immer wieder gut ins Gespräch. Aber da war nichts geplant und die Ordner wollten gern Feierabend haben. Trotzdem war der Platz um das Stadtion noch für gute anderthalb Stunden sehr lebendig. Ich lernte in einer Warteschlange einen Ost- und einen Westberliner kennen. Der eine, Mitte dreißig outete sich als evangelischer Jugendreferent mit katholischer Vergangenheit. Er hatte für den Gottesdienst mit dem Papst sogar den abendlichen Jugendgottesdienst (zu dessen Mißvergnügen) allein seinem Pfarrer überlassen. Der andere, Mitte 60 war im Osten aufgewachsen und sagte, dass er 27 Jahre lang als Katholik der Staatsideologie widerstanden habe. „Da wirft einen so schnell nichts um!“ und die antikirchliche Stimmung in er Stadt Berlin würde ihn nicht verunsichern. Der evangelische Westberliner fühlte sich in der gottesdienstlichen Gemeinschaft gut aufgehoben, war aber aus Achtung vor der katholischen Auffassung nicht zur Kommunion gegangen. Ein spannendes Gespräch über Christsein in Berlin. Typisch für die Kirche, die bunter und vielfältiger ist als viele glauben und in den Biografien der Christen erst richtig lebendig wird. Auch da wirkt Christus, trotz mancher Brüche und Neuanfänge. Kirche beginnt in mir.
(Die Aufgaben am Rande: Junge Priester beim würdigen purifizieren der Kelche und Hostienschalen. Sie waren auch lange nach dem Ende des Gottesdienstes noch beschäftigt.)
Die lange Nacht in Berlin (mein Zug fuhr erst um 4.25 Uhr) am Hauptbahnhof brachte wenig „katholische“ Erkenntnisse. Die Gebetsnacht in der Bistumskathedrale war schlecht besucht und die Kathedrale selbst ein bescheidenes hässliches Kirchengebäude, in dem es mich nicht lange hielt. Also spazierte ich ein wenig durch die Stadt. In manchen U-Bahn-Stationen gab es – teils peinlich uninformierte Aufrufe zu Demonstrationen gegen den Papst und nach und nach verschwanden die letzten Pilger und einige Anti-Papst-Demonstranten in ihren Häusern und Wohnungen. Was wird bleiben vom Besucht des Papstes in Berlin? Ich bin sehr gespannt darauf, was sein Besuch in Deutschland uns noch bringen wird. Es war auf jeden Fall schön, in Berlin dabei zu sein. Es war schön eine bunte, selbstbewusste aber auch bescheidene Kirche zu erleben, eine Kirche die gut in die Welt passt und den Menschen etwas zu sagen hat.

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