Samstag, 5. Mai 2012

Bunt und vielfältig wie unsere Kirche...


Kardinal Schönborn und Kardinal Husar
Alle Augen blicken zur Zeit in die Ukraine. Es naht die Fußball – EM. Und es mutet sehr sonderbar an, was dort in der Politik geschieht und mit welchen undemokratischen Mitteln der amtierende Präsident Janukowitsch gegen die Opposition und die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko vorgeht. Dabei spielt dieser Präsident gern den gläubigen orthodoxen Christen.
Aber auch jenseits politischer Auseinandersetzungen lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen dieses Landes, denn in der Ukraine gibt es die Größte der Katholischen Ostkirchen, die den Papst als Oberhaupt anerkennen. Die sogenannte griechisch-katholische Kirche der Ukraine schloss sich der katholischen Kirchengemeinschaft im Jahr 1595/1596 wieder an. Vielen Menschen ist bekannt, dass diese Kirche z.B. auch verheiratete Männer zu Priestern weiht und eine Form der Wiederverheiratung von Katholiken kennt. Aber ansonsten ist sie – trotz ihrer 5,2 Millionen Mitglieder eine Minderheitenkirche.
Ein sehr bedeutsamer Unterschied ist, dass die ukrainischen Katholiken ihre Gottesdienste in einem eigenen Ritus feiern, dem byzantinischen Ritus. Neben diesem ostkirchlichen Ritus gibt es noch vier weitere, die sich durch die liturgische Sprache und die Form des Gottesdienstes sehr deutlich von unseren Gottesdiensten unterscheiden. Entsprechend ist z.B. auch die liturgische Kleidung der Priester und Bischöfe eine völlig andere. Weitere Unterschiede im Leben dieser Kirchen ergeben sich auch dadurch, dass sie ein eigenes, vom römischen CIC unterschiedenes Kirchenrecht kennen.
Bei vielen Diskussionen innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland wird leider übersehen, dass es in der Weltkirche eine große Vielfalt an Riten und Gebräuchen gibt und tiefe Gläubigkeit, die sich in ganz anderen Formen äußert, als das, was hierzulande vertraut und manchmal unveränderlich erscheint.
Bis vor einem Jahr war das Oberhaupt der katholischen Ukrainer der „Großerzbischof von Kiew und Halytsch“ Lubomyr Kardinal Husar. Er wurde im Januar 2001 zum Kardinal erhoben und nahm am Konklave teil, das Papst Benedikt XVI. gewählt hat. Es gibt noch weitere Kardinäle, die aus den Ostkirchen stammen, z.B. Mar Nasrallah Boutros Kardinal Sfeir (Maronitische Kirche des Libanon), Lucian Kardinal Mureșan (rumänisch-katholische Kirche), Emmanuel III. Kardinal Delly ist Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche und Antonios Kardinal Naguib, Patriarch der koptisch-katholischen Kirche. Aber unter den 210 Kardinälen (davon 123 wahlberechtigt) sind sie selten und bieten daher ein recht auffälliges Bild bei Kardinalsversammlungen.
Der amtierende Großerzbischof:
Swjatoslaw Schewtschuk
Lubomir Husar hat im Westen studiert, nämlich in Washington D.C., New York City und später in Rom. Das hat auch mit der Geschichte der ukrainischen Katholiken zu tun, die in der kommunistischen Zeit brutal verfolgt wurden. Der damalige Großerzbischof von Lemberg Jossyf Ivanovič Kardinal Slipyj floh kam für 18 Jahren in ein sibirisches Straflager und ging nach seiner Freilassung nach Rom, wo er Lubomir Husar 1977 in einem unierten Kloster die Bischofsweihe erteilte. Da diese Weihe damals (immerhin durch einen Kardinal) ohne die Zustimmung des Papstes Paul VI. erfolgte, wurde er in seinem Amt erst im Jahr 1996 durch Papst Johannes Paul II. bestätigt, der ihn als Weihbischof von Lemberg einsetzte. Überhaupt hat die Ukrainische griechisch-katholische Kirche weitgehende Autonomie in der Wahl von Bischöfen. Erst kürzlich (Anfang 2011) wurde der Nachfolger von Kardinal Husar, der erst 51jährige Swjatoslaw Schewtschuk, von der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Lemberg zum Großerzbischof von Kiew-Halytsch gewählt, eine Wahl die vom Papst zwei Tage später bestätigt wurde.
Dennoch scheint es im Vatikan selbst, dem Zentrum der Weltkirche Personen zu geben, die eine gewisse Weite gegenüber der Vielfalt des Katholischen vermissen lassen. In einem Interview mit der Zeitung „Die Tagespost“ sagt Lubomir Kardinal Husar zu diesbezüglichen Schwierigkeiten seiner Kirche: „Leider ist man in Rom nicht immer konsequent. Da sind gewisse Gruppen in der römischen Kurie, die Angst haben, dass die Verwirklichung einer echten Tradition innerhalb der katholischen Kirche zur Spaltung führen könnte. Das ist nicht gut begründet, aber es hat die Politik beeinflusst. Schon seit Jahren bitten wir um die Anerkennung unserer Kirche als ein Patriarchat. Man versteht das sehr oft als Spaltung, so als wollten wir uns vom Heiligen Stuhl entfernen. Das ist nicht wahr, aber viele sehen es so. Darum habe ich mit Johannes Paul II. und Benedikt XVI. selbst gesprochen. Sie haben persönlich nicht diese Angst, aber es gibt Gruppen im Vatikan, die Angst haben.“ So scheint es im Vatikan (der aus deutscher Sicht manchmal als monolithischer Block erscheint) durchaus unterschiedliche Meinungen und Strömungen zu geben.
Der Kardinal hat auch eine sehr ermutigende Sicht auf die Ökumene: „Wir griechischen Katholiken sind daran sehr interessiert, denn es gibt nicht vier Kiewer Kirchen, sondern die eine Kiewer Kirche in vier Teilen.“
Die nächsten Schritte auf dem Weg zu mehr Kirchengemeinschaft sieht er so: „Der einzige Vorwurf, den die Orthodoxen haben, ist, dass wir als Griechisch-Katholische Kirche ein wenig zu sehr latinisiert sind. Im 19. Jahrhundert und im ersten Teil des 20. Jahrhunderts war die Latinisierung auch äußerlich sichtbar. Die Latinisierung ist heute immer noch da, aber mehr innerlich, also auf dem Feld der Theologie. Vieles in der Theologie ist immer noch lateinisch geblieben. Die jungen Priester müssen unsere echte Theologie wieder kennenlernen, leben und umsetzen. Es war ein Nachteil der Verfolgung, dass Leute durch lateinische Praktiken beweisen wollten, dass sie katholisch sind. Wir müssen die Orthodoxen überzeugen, dass griechisch-katholisch zu sein und östlich zu sein ganz logisch verbunden ist.“
Eine interessante Sichtweise, bei der der Kardinal in keiner Weise daran zu denken scheint, dass hierdurch die enge Einbindung in die katholische Kirche beeinträchtigt werden könnte. Es geht ihm darum, dass die Priester und die Gläubigen immer tiefer eindringen in den Glauben und in die Theologie und dies im Kontext ihrer Kultur tun. Die „Latinisierung“ erscheint ihm dabei als eine Oberflächlichkeit. Sie abzulegen gefährdet das enge Band des Katholischen nicht. Ob wir im Westen nicht von den griechisch-katholischen Schwestern und Brüdern manches lernen könnten? Zum Beispiel eine große Liebe zur Theologie und zu deren Verwurzelung in unserer Kultur; eine große Liebe und Verbundenheit mit dem Hl. Vater; eine große Liebe zu unserer reichen Tradition; Stolz und Freude über die lange und interessante Geschichte der katholischen Kirche ein Deutschland und über deren Eigen- und Besonderheiten; eine tiefe Gläubigkeit und Verbundenheit mit Bräuchen und Traditionen und schließlich die Überwindung mancher (theologischer und menschlicher) Oberflächlichkeiten im Denken und Urteilen über Andere. „Die Teilung ist über viele Jahrhunderte gekommen. Die Teilung zu überwinden, ist keine leichte Sache und braucht sehr lange Zeit. Ich habe keine Illusionen, dass es in zwei oder drei Generationen zu einer Annäherung kommen wird.“ Aber es ist eine wichtige Aufgabe daran zu arbeiten, dass die Christen zur Einheit finden, in der Ukraine aber auch hier bei uns in Deutschland.

Sehr interessantes Interview mit Lubomir Kardinal Husar:

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