Sonntag, 22. März 2015

Wir Ritter von der traurigen Gestalt

Natürlich kannte ich Miguel de Cervantes schon länger. Und ich wusste, dass er ein bedeutender spanischer Schriftsteller war, und nicht nur das, der Autor des Don Quijote gilt als Spaniens Nationaldichter. Seinem Todestag 1616 verdanken wir auch den "Welttag des Buches" (23. April). Im nächsten Jahr ist das ein Jubiläum, nämlich der 400. Todestag. 

Über einen besonderen Aspekt in der Vita Miguel de Cervantes bin ich allerdings erst jetzt gestolpert. Bei dem denkwürdigen Auftritt bei der Pegida – Demonstration in Duisburg sprach der Emmerich/Klever Pfarrer Paul Spätling über allerlei, aber eben auch über diesen spanischen Dichter. 

Es ist schon skuril, dass bei einer eher ausländerfeindlich angehauchten Demostration ausgerechnet ein Spanier für die Gegnerschaft gegen Muslime herhalten muss. Aber lesen Sie selbst, was der Priester zu sagen hatte: 

"Wenn ich mich nicht irre, haben die Christen Europas schon fast 1400 Jahre… gegen den Islam kämpfen müssen, weil er in Europa eingefallen ist. Immer wieder hat sich Europa verteidigt! Hat sich die Christenheit verteidigt! Und jetzt seid etwas 20/30 Jahren sollen wir das nicht mehr tun? Gehört denn der Islam zu Deutschland? (Tosender Applaus und im Hintergrund hört man einen Sprechchor „Niemals“). Das ist doch ein unmögliches Wort was die Frau Merkel dort gesagt hat. (Buh-Rufe und Applaus). 

Wenn ein großer spanischer Dichter Cervantes, der den Don Quijote geschrieben hat, wenn er als junger Mann mit 21 Jahren… bei der Schlacht von Lepanto … seinen linken Arm verloren hat, Entschuldigung, seinen rechten Arm … und hat dann … ist dann ein so großer Dichter geworden… was hat der Mann auf sich genommen… damit die Türken von Europa ferngehalten wurden. (Applaus) Und dieser Dichter Cervantes ist abgebildet auf einem 20 Cent Stück aus Spanien des Euro. Und vielleicht schauen sie mal drauf, vielleicht bekommen sie auch so ein Bild. Ich hoffe nicht, dass Frau Merkel den Antrag stellt, dass diese Münze verschwindet. Ich danke ihnen ganz herzlich für ihr Gehör und bitte dann dass wir uns dann ordentlich und in Ruhe bewegen und unseren Marsch für Deutschland machen." Wer es selber sehen und hören will: https://www.youtube.com/watch?v=ZEkld1nR6rQ&feature=youtu.be

Ganz offensichtlich muss man dem Mann zunächst einmal eine gewisse rechts-links Schwäche attestieren. Also, sowohl dem Spätling (geistig-geistlich), als auch dem Cervantes (körperlich). Schauen wir einmal in die zuverlässigste Quelle, die das "Weltnetz" zu bieten hat: Wikipedia. Dort lesen wir: "Als Mitglied der Infantería de Marina nahm er 1571 an der Schlacht von Lepanto teil, in der Juan de Austria gegen die Türken kämpfte. Er erhielt drei Schusswunden, zwei in der Brust, eine in der linken Hand, die dauerhaft entstellt blieb, wodurch er den Beinamen el manco de Lepanto (der Einhändige von Lepanto) bekam. In einer Anspielung auf seinen Erfolg mit dem Don Quijote schrieb er später in der Geschichte Viaje del Parnaso, er habe „die Fähigkeit, seine linke Hand zu bewegen, zum Ruhme seiner rechten verloren“. Also, lieber Paul Spätling ... es war doch die linke Hand und es war auch nicht der Arm und verloren war er schon gar nicht (wenngleich ich die Wunde nicht klein reden möchte). Aber dran ist er schon noch geblieben. Und wäre er damals nicht verwundet worden - ob wir ihn heute noch kennen würden?

Später wurde Cervantes dann von algerischen  Korsaren (wieder Muslime!)gefangen genommen und auf dem Sklavenmarkt verkauft. Nach fünf Jahren konnte ihn der Trinitarier-Orden aus der Gefangenschaft wieder freikaufen. Es folgte ein sehr bewegtes Leben. Doch erst als er 1597/98 im Gefängnis von Sevilla in Untersuchungshaft saß (er sollte Geld veruntreut haben), begann er mit der Arbeit an seinem bedeutendsten Werk "El ingenioso Hidalgo Don Quijote de la Mancha" (Der sinnreiche Junker Don Quijote von La Mancha), das in zwei Teilen 1605 und 1615 erschien. 

Leider hat es Paul Spätling auch mit Zahlen nicht so. Cervantes war bei der Schlacht von Lepanto wohl bereits 24 Jahre alt und sein Portrait schmückt sowohl die spanischen 20 Cent, wie auch die 10 und 50 Cent – Münzen. Ein Zeichen dafür, dass der Nationaldichter von den Spaniern bis heute hoch geschätzt wird. Im Alter von 69 Jahren starb dieser aber 1616 einigermaßen mittellos in Madrid, zehn Tage vor seinem Zeitgenossen William Shakespeare. Vor einigen Wochen hat man nun - pünktlich zum "Jubiläum" auf dem Gelände des Klosters der Unbeschuhten Trinitarierinnen in Madrid mit recht hoher Wahrscheinlichkeit seine sterblichen Überreste geborgen. Die Wunde seiner Hand ermöglichte es, die Gebeine dem großen Dichter zuzuordnen. Da es heute keine bekannten lebenden Verwandten mehr gibt war mit der DNA nichts zu machen. 

So skuril der Auftritt des niederrheinischen Pfarrers vor den johlenden Pegida – Demonstranten daher kam, so skuril und sinnbildlich ist seine Verzweckung des spanischen Weltschriftstellers mit dem Kampf gegen die "Islamisierung" Deutschlands. Gerade der Don Quijote ist geradezu eine sinnbildliche Geschichte für diese selbsternannten Verteidiger des Abendlandes.

Alonso Quijano, der sich später Don Quijote nennt ist ein verarmter Landadeliger, der nach der Lektüre allzu vieler Ritterromane selbst zum edlen Ritter werden möchte.(Würden wir den Roman aktualisieren müßte man von übermäßiger Lektüre der einschlägigen, von Pegida betriebenen und beworbenen Webseiten z.B. dem Blog: Politically Incorrect sprechen.) Schon zu Cervantes Zeiten, ist die "ritterliche Welt" ein Mythos geworden, eigentlich "Schnee von gestern". So hat auch Don Quijote wenig vorzuweisen, es fehlt ihm buchstäblich an allem, er ist ein Ritter von der traurigen Gestalt, mit Rosinante, seinem klapprigen Gaul, begleitet von seinem Stallmeister, in einer rostigen, selbst geflickten Rüstung. Auf seinem 2. Ausritt ereignen sich "jene Taten, für die der Roman berühmt ist. Don Quijote kämpft gegen Windmühlen, die ihm als Riesen erscheinen" und "attackiert staubumwölkte Hammelherden, die für ihn mächtige Heere zu sein scheinen ... und dergleichen mehr. Häufig wird Don Quijote am Ende solcher Abenteuer von seinen Widersachern fürchterlich verprügelt oder kommt anders zu Schaden. Sancho Panza (sein Begleiter), weist seinen Herrn stets auf die Diskrepanz zwischen dessen Einbildung und der Wirklichkeit hin. Für Don Quijote beruht sie jedoch auf der Täuschung durch mächtige, ihm feindlich gesinnte Zauberer." (bei Wikipedia abgeschrieben).

Wie wahr hat doch Pfarrer Spätling gesprochen, als er uns auf diesen Roman hingewiesen hat. Bietet dieser doch einen trefflichen Schlüssel für das Verständnis der Pegida – Bewegung. In gewisser Weise lauter „Ritter von der traurigen Gestalt“ im Kampf gegen "die Politik", die "Lügenpresse" und die Islamisierung. 

Im Roman sind es u.a. Zwei Priester, ein Dorfpfarrer und ein Kanoniker, die den Don Quijote im Käfig auf einem Ochsenkarren in seine Heimat zurückbringen. Was mag diese kleine Randgeschichte uns für heute sagen wollen? Auf jeden Fall sollten wir gewarnt sein, denn Don Quijote aus La Mancha, das ist nicht nur ein Bild für die Anderen, die irgendwie irre und wirre geworden sind. Ein gutes Stück "Ritter von der traurigen Gestalt" steckt auch in jedem von uns. Das zu sehen und zu erkennen würde uns tatsächlich voran bringen im Kampf gegen die mächtigen Windmühlen unserer Zeit. 

P.S.: Natürlich, ich weiß, dass das hier jetzt etwas "off topic" ist und die Nachrichten den sonderbaren Pfarrer aus Emmerich und Kleve längst wieder vergessen haben. Aber die Nachrichten über die Entdeckung des Grabes von Cervantes und ein Besuch in Kleve förderten diese Gedanken zu Tage. Und warum sollte ich Sie nicht daran teilhaben lassen.

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