Donnerstag, 26. April 2018

Was nun, Angstprediger? Was tun, Liane Bednarz?

Hier folgt der abschließende Teil meiner Gedanken zu Liane Bednarz Buch "Die Angstprediger". Daher nun auch mit einigen kritischeren Bemerkungen.

Dass ich hier dieses offizielle Autorenportrait verwende, liegt in der Beobachtung begründet, dass einige Fundamentalkritiker glauben, ihre "Argumente" durch besonders unvorteilhafte Fotos der Autorin stützen zu müssen. Eigentlich sollte ein Autor, der seine Weltsicht durch eine immergültige Philosophie geschärft glaubt, instinktiv spüren, dass er solche Stilmittel nicht nötig haben sollte. Und die Anderen könnten schlicht aus Anstand ein besonders schönes Foto verwenden, auch wenn sie die Autorin inhaltlich scharf unter Feuer nehmen. (Wollte ich nur mal so loswerden...) 

Zur Kontroverse um die Person Liane Bednarz

Es bleibt mir im Grunde rätselhaft, warum Liane Bednarz ein derartiges Feindbild darstellt, warum man sich unter (gewissen) konservativen Katholiken gern über sie lustig macht (um es mal freundlich zu formulieren). Im Grunde möchte ich es auch gar nicht im Detail wissen, aber sicher spielt eine Rolle, was Harald Stollmeier in seiner Buchbesprechung bei „the cathwalk“ andeutete, dass ihre Abwendung von einem gewissen konservativ-katholischen Milieu mit politischen Ambitionen als Verrat begriffen wurde. Und in dem ihre nachfolgenden Veröffentlichungen als „Namedropping“ und „Geisterjagd“ abgetan wurden, ohne auf die Substanz ihrer Kritik überhaupt einzugehen. Sehr schnell stand als Urteil fest: Bednarz Kriterien seien willkürlich und subjektiv. Man könne im Buch weder Sachlichkeit noch Niveau erkennen. Ergebnis: Buch irrelevant und die kritischen Fragen darin uninteressant.

Liane Bednarz steht/sitzt zwischen den Stühlen, zwischen den Lagern mit ihrer Kritik. Und klare Abgrenzung ist ja das Rezept, mit dem man hier politisch „Nektar“ saugt. Gegen einen klar definierten Gegner läßt es sich leicht kämpfen. Man vereinfacht die komplexe Welt und am Ende ist Bednarz ein „linke Publizistin“ oder war ein „linkes U-Boot“. Und eine komplexe Welt wird auf einmal erklärbar. Hier die Guten, dort die Bösen, hier die Rechten, dort die Linken, hier die Deutschen, dort die Fremden. Besonders putzig wirds, wenn sich die extreme Linke wegen anderer Themen über Liane Bednarz zu Wort meldet.

In der Diskussion um Bednarz vorheriges Buch „gefährliche Bürger“, das sie zusammen mit dem liberalen Politiker Christoph Giesa schrieb, wurde der Autorin vorgehalten, sie könne gar nicht schreiben, ihre Behauptungen seien nicht ausreichend belegt und ihr Beitrag zum gemeinsamen Buch sei im Grunde nur marginal gewesen.
Von diesem Vorwurf bleibt – nachdem ich nun das neue Buch gelesen hatte – nicht viel übrig. Es liest sich flüssig, ist spannend geschrieben und stringent aufgebaut.

Man hat Liane Bednarz „Panikmache“ und „Geisterjagd“ vorgeworden oder die Skandalisierung von Randbemerkungen, mit denen sie Personen, Medien und Organisationen pauschal als problematisch und „rechtsradikal“ abstempele. Auch das kann ich nicht bestätigen. Verständlicherweise wird es niemanden erfreuen, in dem Buch erwähnt zu sein. Aber eigentlich kann sich auch niemand über eine ungerechte Behandlung oder absurde Zuspitzung beschweren. (Wer sich allzu spitzfindig, mehrdeutig oder ironisch ausdrückt darf sich nicht wundern, nur in der allgemeinen Tendenz "verstanden" zu werden.) Liane Bednarz ist nicht ungerecht, sondern durchaus differenziert (ob sich das dem unbedarften oder gar linken Leser immer erschließt, vermag ich nicht zu beurteilen). Ich erinnere mich persönlich auch bei manchen der benannten Akteure an weit schärfere Positionen in spontanen Facebook-Wortmeldungen der letzten Jahre. Oder an obskure Beiträge, bei denen ich manchmal per Kommentar anregte, auf deren Weiterverbreitung doch besser zu verzichten, um das eigene Renommé nicht zu beschädigen.

Bednarz Buch ist keinesfalls eine stumpfe Liste „neurechter“ Christen und problematischer Autoren, sondern liefert zahlreiche Belege für die These, dass konservative Christen teilweise auch politisch nach rechts driften.
Bednarz hält einen Spiegel vor. Er ist durchaus kein Zerrspiegel und wir sollten offen hineinschauen und uns prüfen. Die abschließende Bewertung nimmt sie uns nicht ab, aber sie bietet Maßstäbe an. Die müssen wir nicht übernehmen, aber verstehen und bedenken sollten wir sie schon, denn Christen sind immer zur Umkehr aufgerufen und dürfen sich an Jesu Wort neu orientieren. Nein, das Wort Christi ist niemals rechts. Aber es ist legitim zu prüfen, ob es letztlich um seine Nachfolge geht oder ob jemand Jesu Wort (und Zeichen) für eigene Interessen einspannt.

Mancher Widerstand gegen die Anfragen von Liane Bednarz wird damit begründet, sie wende sich insgesamt gegen das konservative katholische / evangelikale Milieu, sie stemple deren Überzeugungen schlicht und unberechtigt als „rechts“ ab, ja sie verdächtige insgesamt die Kirche rechter Umtriebe. Das wäre übertrieben und das gibt eine unvoreingenommene Lektüre des Buches absolut nicht her. Wenn, dann beklagt die Autorin, dass die Kirchen als Institution nicht aufmerksamer das Treiben ihrer sog. „Angstprediger“ verfolgen und dagegen vorgehen. Aber hierzu werde ich später noch einige Gedanken notieren.

Im rechts-konservativen Mileu gibt es durchaus auch Zustimmung zum Buch, wie auch Desinteresse, weil einen die Thematik persönlich gar nicht betrifft. Die ablehnenden Reaktionen (die teils schon vor Erscheinen des Buches formuliert wurden) kann man grob in vier Variationen einordnen:
  • Das Buch wird in Bausch und Bogen abgelehnt und es wird mit schillernden Argumenten widersprochen (bis hin in die Amazon-Rezensionen), obwohl es offenbar weder gelesen noch das Anliegen verstanden wurde. Einige verleihen ihren Aussagen sogar Relevanz indem sie betonen, sie hätten es in der Buchhandlung in der Hand gehalten und ihnen sei beim Blättern aufgefallen...
  • Es wird konstatiert, dass mit der Autorin etwas nicht stimme, daher seien auch ihre Argumente eigentlich für die Tonne. Eine Alternative zu dieser Linie ist die, dass es der Autorin nur ums Geld ginge, das man mit diesem Thema aktuell gerade „machen könne“. Mit diesem Argument bliebe aber auf dem Büchermarkt nicht mehr viel übrig, vor allem nicht mehr viel, was man dann noch lesen möchte.
  • Andere Rezensenten bzw. Reaktionen sind, dass die Autorin eine ganz normale, berechtigte Haltung kritisiere. Der wahre Christ sei eben rechts und konservativ und rechte Positionen würden unberechtigterweise von links kritisiert bzw. skandalisiert. Überhaupt würde die Autorin die differenzierte Argumentation der rechts-konservativen Christen unzulässigerweise mit verdrehten und verkürzten Zitaten belegen und sich nicht die Mühe machen, die evtl. feineren Schattierungen der geäußerten Überzeugungen auch zu verstehen. Die Autorin unterscheide auch nicht genug zwischen legitimen rechten und rechtsextremistischen Positionen und gäbe der „Linken“ Argumente in die Hand die konservative Weltsicht noch weiter zu diskreditieren. Auch insgesamt sei die Kirche zu weit nach links gerückt und brauche die wahren, konservativen und überzeugten rechten Christen. Und die seien keineswegs Angstprediger, sondern bemühten sich um einen Lebensweg, mit dem sie vor dem Richterstuhl Christi bestehen könnten.
  • Die vierte Gruppe von Reaktionen beklagt, dass Liane Bednarz wohl viel von Dialog spreche, aber dass ihr Buch kein wirkliches Dialogangebot sei, sondern eher als Angriff auf die eigenen Positionen empfunden wird. Die Autorin fordere nur, trage Unruhe in die Kirchen und spiele Christen gegeneinander aus. Einen echten Dialog wolle sie nicht bzw. der sei mit ihr auch nicht möglich.
Was Bednarz in ihrem Buch berichtet, hat mich überhaupt nicht erstaunt. Ich habe – leider – nur wenig Neues erfahren. Das was sie berichtet, ist offenkundig und vielfach belegt und genau das, was mir aus dem Netz täglich entgegen schallt. Von „Geisterjägerin“ kann keine Rede sein. Allenfalls bleibt die Frage, wie man die offenkundige Übernahme rechter Positionen, die Zusammenarbeit und die Solidarität mit Personen, Parteien und Bewegungen und die publizistische Unterstützung für deren Thesen in den christlich-kirchlichen Raum hinein zu bewerten hat. Während katholischer Saure-Gurken-Zeiten (wo gerade nichst über Papst Franziskus, dem Vatikan und der DBK zu berichten ist) werden von konservativen Akteuren und Vereinigungen in den letzen Jahren auffällig zunehmend „Nachrichten“, teils aus zweifelhaften Quellen zu sehr politischen Themen geteilt und verbreitet. Gleichzeitig nimmt man offenbar den Widerspruch nicht wahr, gleichzeitig von – als liberal gestempelten – Bischöfen und Kirchenleuten vehement politische Zurückhaltung einzufordern.

Dabei fällt auf, dass der Stempel „liberal“ oder „konservativ“ gern anhand solcher theologieferner Wortmeldungen der Bischöfe verteilt werden. Wie wenig solche „Stempel“ oft passen, zeigt sich aktuell bei Kardinal Woelki, der sich gerade vom Outlaw zum Lieblingskardinal der Konservativen wandelt, ohne seine Positionen und Überzeugungen überhaupt verändern zu müssen.

Erschwerend kommt hinzu, dass offenkundig sowohl auf Seiten der Autorin als auch auf Seiten ihrer schärfsten Kritiker Verletzungen und Empfindlichkeiten vorhanden sind, die manchmal eine mögliche Verständigung schwierig bis unmöglich machen.

Wohin fährt der Zug? Sind „Angstprediger“ auch „gefährliche Bürger“?

„Die Allianzen zwischen christlichem und rechtem Denken haben sich weit über das Pegida – Milieu hinaus verstärkt und werden auch offener gezeigt als früher.“ So resümiert Liane Bednarz auf S. 188 ihres Buches, nachdem sie entsprechende strategische Planungen von Götz Kubitschek zitiert hatte. Offenbar haben die Strategien einen gewissen Erfolg.

Ob man das aber wirklich so werten muss, da bin ich persönlich unsicher. Mag auch der Kontakt fester geworden sein, mögen auch gemeinsame Themen die Gruppen verbinden, eine über die bisherigen Protagonisten hinaus gehende Breitenwirkung ins allgemeine christliche Milieu ist eigentlich kaum festzustellen. Allenfalls sind konservative Christen politischer geworden oder haben den Kampfplatz gewechselt, weil ihnen die Politik „geschmeidiger“ erschien als die eher starren kirchlichen Strukturen.

Nach meiner Wahrnehmung gibt es die meisten Berührungspunkte aktuell mit der AfD und evtl. noch Pegida. Allerdings stößt die Partei und Bewegung aufgrund ihrer offenen Antikirchlichkeit sicher so viele Christen ab (oder hält sie auf Distanz) wie sie für sich gewinnt. Diese tragen häufig auch massive Enttäuschungen und Frustrationen mit sich und erwarten von der „offiziellen“ Kirche nicht mehr viel. Das fröhliche „Bischofs-Bashing“ gewisser kirchenferner Pegida-Anhänger im Verein mit ultrakonservativen Katholiken befremdet Katholiken, die sich als kirchentreu verstehen (also der normale, breite konservative (Volks-)katholizismus, der immer noch die Hauptströmung des pfarrlich-kirchlichen Lebens bildet). Zur IB und rechten Vordenkern wie Kubitschek und Kositza bleiben selbst katholische Traditionalisten nach meiner Wahrnehmung eher auf Distanz, selbst wenn letztere sich dezidiert christ-katholisch geben. Es wäre sicher einmal interessant zu erfahren, wie rechte Vordenker als Mitglieder in einer konkreten Ortsgemeinde gesehen werden.

Natürlich gibt es AfD und Pegida – Unterstützer auch in christlichen Gemeinden, über den Kreis der konservativen Aktivisten hinaus. Voraussichtlich – wie Andreas Püttmann kürzlich empirisch belegte – sind unter ihnen weit eher „kirchenferne“ Christen als regelmäßige Kirchgänger. Aber dennoch sind sie da.

Diejenigen unter den Konservativen, die ihre (gesellschaftspolitischen) Ziele mit Hilfe der AfD zu erreichen trachten, sollten aufmerksam hinsehen. Ich persönlich habe an dieser Partei zuerst eher die Höckes und Poggenburgs wahrgenommen. Daher war sie für mich nie eine Alternative, weil ich alles durch dieses Brennglas betrachte und auch die Ausfälle mancher anderer Akteure aufmerksam wahrnehme. Auch bin ich sicher etwas empfindlich, durch intensive Beschäftigung mit den Ereignissen und der gesellschaftlichen und politischen Bewegungen der Jahre 1900 - 1945. Aber ich weiß, dass man die Partei auch anders betrachten kann. Es ist sicher unfair, alle AfD-Wähler unmittelbar für rechtsradikal bis rechtsextrem zu halten. Aber Vorsicht ist geboten, erst recht mit Blick auf die strategischen Pläne der neurechten Vordenker. Sobald das Wohl und die Würde des einzelnen Menschen nicht mehr im Focus stehen, sobald Leben gegen Leben und Chancen gegen Chancen aufgerechnet werden, ist zumindest Vorsicht angesagt. Mit Blick auf welche Ideologie auch immer.

Durch einen Flirt oder gar eine Affaire mit der extremen Rechten schadet sich die kirchlich-konservative Szene selbst. Sie muss damit zu leben lernen, dass sie inhaltlich/theologisch zwar eine recht starke Position hat, innerkirchlich ihre argumentative Stärke aber kaum ausspielen kann.

Die katholische Zeitung „Der Fels“ stellt seit vielen Jahren die katholischen Opfer des Nationalsozialismus vor. Wir können mit Recht stolz sein, auf Viele, die Widerstand leisteten und dafür allzu oft mit dem Leben bezahlten. Und wir sollten uns da nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, selbst wenn es einige dunkle Stellen im Katholizismus gibt, wo Widerstand unterlassen oder gar die Nazi-Ideologie gestützt wurde. Doch aus der Erkundung just dieser dunklen Stellen wachsen uns Erfahrungen zu, die auch für die heutige Zeit hilfreiche Beurteilungsmaßstäbe beinhalten. Was war die Motivation für die sogenannte „Rattenlinie“ nach dem Untergang des zwölfjährigen, angeblich tausendjährigen Reischs? Es war „falsches Mitleid“ mit „Verfolgten“, die angeblich Hitler aus reinem Idealismus unterstützt hatten. Sollte uns nicht gerade dies eine Lehre sein? Eigentlich verbietet sich jede Identifikation mit autoritären Politikern und rechten Ideologen, auch wenn sie Christus, Christus sagen, sich mit Christen zusammen präsentieren oder ein Kreuzzeichen schlagen. Solidarität mit denen, die im Kreuzfeuer der Meinungen stehen (möglicherweise für Positionen, denen ich mich inhaltlich hier und da verbunden fühle) muss nicht kritiklos sein, sondern sollte die Augen öffnen für Aspekte, die vom Weg Jesu Christi abweichen. Neben der Parabel vom toten Fisch, der mit dem Strom schwimmt gibt es auch das sprechende Bild vom Autofahrer dem überraschenderweise zahlreiche Geisterfahrer entgegen kommen. Wohl dem, der dann mit gesunder Distanz auf sein Leben und Agieren schauen kann. 

Es ist verständlich, dass konservative Katholiken in ihrem Engagement für eine traditions- und glaubenstreue Kirche manchmal frustriert sind. Ihre liberalen und lauen Gegner haben aufgrund der anhaltenden „Kirchenflucht“ nach wie vor Oberwasser, weil sie mit dem Argument punkten können, die Kirche müsse sich mehr zur Gesellschaft und zur Welt hin öffnen und „alte Zöpfe“ abschneiden.

Was ist ein sinnvolles Ziel für katholische Konservative? Zurück in vermeintlich bessere Zeiten, wie die 50er Jahre kann niemand wirklich wollen, und wenn er es wollte, kann er nicht wieder dorthin kommen, weil sich der Rahmen völlig verändert hat. Das darf aber auch kein Argument dafür sein, alles, was nach Tradition „riecht“ pauschal als untauglich abzulehnen.

Letztlich hilft nur die Kraft des persönlichen Engagements, die eigene, überzeugende Frömmigkeit, Gesprächsbereitschaft und Einsatz für die Kirche und für den Nächsten. Politischer Einfluss und Applaus von glaubensfernen Rechtsradikalen wird konservativen Positionen in der Kirche sicherlich nicht zum Durchbruch verhelfen.

Die argumentative Durchschlagskraft in den Raum der Kirche hinein, läßt sich nicht durch Verlagerung des Engagements in die Politik steigern. Im Gegenteil, bestärkt man doch damit die liberale bzw. laue innerkirchliche Opposition. Und liefert diesen weitere und begründetere Argumente, deren Positionen als „Rechtskatholizismus“ zu marginalisieren. (Da muss völlig klar sein, dass Liane Bednarz, Andreas Püttmann und Andere zwar die Überbringer einer Nachricht sind, aber sie sind nicht die Täter.) Auch ist ja inzwischen deutlich zu erkennen, dass sich Personen vom konservativen Milieu absondern und sich klar von allen Kontakten ins politisch rechtere Milieu distanzieren. Da ist die Autorin des Buches selbst ein prominentes Beispiel, wie auch der katholische Publizist Andreas Püttmann und manche mehr. Es ist eine deutliche Spaltung der christlich-konservativen Szene zu beobachten.

Wir (damit meine ich alle Menschen guten Willens, die persönlich gläubig sich für eine lebendige und glaubensfrohe Kirche bemühen) müssen unsere Meinungen äußern, mit der Liebe und Geduld, die auch Jesus (meist) an den Tag gelegt hat und mit der Bereitschaft, auch weiterhin Tag für Tag unser Kreuz zu tragen und unserem Nächsten – und sei er noch so links- (oder rechts-)katholisch die Last des Kreuzes zu erleichtern, wie einst Simon von Cyrene.

Bei aller Offenheit braucht die Kirche auch eine klare, erfahrbare Struktur mit dem einen Ziel: Gott die Ehre zu geben, ihn anzubeten, ihm Raum in unserem Leben zu bieten und mit Gottes Hilfe die Welt ins Gebet zu nehmen und in seinem Sinne zu beackern.

Liane Bednarz beklagt, dass die kath. und evangelische Kirche sich kaum um die „Angstprediger“ in ihren Reihen kümmern und das Problem nicht energisch angehen. Daraus ergeben sich spannende Fragen, da die konservativ – katholische Szene aktuell im Umbruch steckt. Konnte man früher (zur Zeit der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI.) anhand des Kriteriums der „Papst- und Romtreue“ ein gewisses Koordinatensystem für die kirchliche Szene entwickeln, so kehrt sich dies aktuell etwas um. Weil es einigen Leuten schwer fällt, Papst Franziskus hier als klaren, eindeutigen Pol zu verorten, entsteht hier heute eine gewisse Unordnung. Liberale Bewegungen bekennen sich plötzlich (recht selektiv) zu päpstlichen Aussagen, Konservative erinnern sich sentimental an die Predigten von Papst Benedikt XVI.. Während früher von einzelnen Leuten annähernd alle deutschen Bischöfe als laue „Mietlinge“ geschmäht wurden, sucht man aktuell nach rechtgläubigen Bischöfen, die in der neuen Unübersichtlichkeit in der Kirche durch konservative Glaubenstreue glänzen.

Diese kirchenpolitischen Umbrüche beschäftigen viele kirchliche Akteure so sehr, dass sie den ins politische abdriftenden – auch zuvor schon randständigen Katholiken – zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Da deren Wirksamkeit in den katholischen Gemeinden jedoch seit vielen Jahren denkbar marginal war, erwarte ich auch keine ernstzunehmende „Rechtsdrift“ der katholischen Kirche insgesamt.

Viel spannender dagegen finde ich die Frage, wie wir innerkirchlich „mit Rechten zu reden“ lernen können. Wie kann es gelingen, auf berechtigte Fragen und Sorgen angemessene Antworten zu geben? Wie kann das gehen, dass mehr oder weniger kirchentreue, liberale und konservative Christen miteinander ins Gespräch kommen und Extrempositionen überwinden. Das Bednarzsche Buch bietet eine zuverlässige Problembeschreibung. Nun gilt es, sich den Problemen und Gesprächen zu stellen. Gesprächsblockaden gibt es auf beiden Seiten, wie die heftige Diskussion um den Auftritt eines AfD-Vertreters beim Katholikentag in Münster zeigt. Daran scheiden sich die Geister extrem. Während Liane Bednarz eher für das Gespräch plädiert ist Andreas Püttmann der entschiedendste Gegner eines solchen Gesprächs. Ich habe an anderer Stelle in diesem Blog schon einmal als verbindende Position vorgeschlagen, die notwendigen Gespräche auf jeden Fall und intensiv, aber hinter verschlossenen Türen zu führen. So dass keine Seite damit öffentlich allzu sehr „punkten“ kann. Die Kirche ist nicht dazu da, populistische Positionen zu verbreiten und entsprechenden Personen ein Podium dafür zu bieten. Gegen Populismus und Demagogie hilft die Stimme der Vernunft in einem öffentlichen Dialogforum nur bedingt. Diese Überlegung gilt in gewisser Weise aber für „politische Bühnen und Podien“ insgesamt.

Aber auch jenseits der Mikrofone und Lautsprecher könnte unter kirchlichen Dächern eine neue Dialogkultur wachsen, im Sinne eines Wortes von Freré Roger, dass Christen dazu berufen seien, Ferment der Versöhnung in der Gesellschaft zu sein. Oder, wenn Sie es so möchten: Salz der Erde, Licht der Welt...

Abschließend frage ich mich, auch angesichts der aktuellen originellen Versuche des bayrischen Ministerpräsidenten, eine Art politischer Kreuzestheologie zu entwicken, warum es bis heute nicht gelungen ist, eine Partei zu gründen, die aus christlichem Geist den Schöpfungsauftrag annimmt und die Welt zu einem menschenfreundlichen, freien, pluralistischen, offenen Ort zu machen. Eine Partei, in der nicht nur eine etwas abstrakte christlich-jüdische Kultur im Focus steht und ein etwas trockener Gottesbezug in Grundgesetzen befürwortet wird, sondern eine Partei, deren Akteure aus dem Glauben an Gott und aus Liebe zu den Menschen aktiv werden. Und dabei ein politisches Angebot machen, das z.B. auch von Muslimen (und Anderen) in der Weise angenommen wird, wie sie heute vielfach auch kirchliche Kindergärten und Krankenhäuser schätzen, weil dort der Glaube an Gott noch eine Bedeutung hat. Ein politisches Angebot, dass niemanden zum Glauben drängt, sondern zeigt, dass ein Leben nach den Geboten Gottes auch ein Leben ist, dass dem Menschen an sich und seiner Freiheit gerecht wird. Warum könnte man „rechts“ nicht in diesem Sinne einfach neu erfinden, nicht als Neuauflage eines ewigen, darwinistischen Konkurrenzkampfes um Recourcen und Macht, sondern als Dienst am realen Menschen, meinem Zeitgenossen, meinem Nächsten. Einen Dienst, in dem wir dem Lebensopfer Jesu Christi auch in unserem gesellschaftspolitischen Engagement zumindest anfanghaft nacheifern.

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