Freitag, 11. April 2014

Der ewige katholische Ehestreit

Dieser Post schließt an meinen vorletzten zur kirchlichen Sexualmoral an.

(c) pfarrbriefservice.de - Johannes Simon
In der öffentlichen Diskussion innerhalb der kath. Kirche scheint es in den letzten Monaten kaum wichtigeres Thema zu geben als die Situation derer, die in 2., 3., 4. Ehe leben, also nach einer Scheidung eine neue Beziehung eingehen, vielleicht sogar wieder heiraten. Für die katholische Kirche ist das (anders als für unsere evangelischen Schwestern und Brüder) ein Problem, denn sie geht davon aus, dass eine sakramental geschlossene Ehe nicht wieder gelöst werden kann. Wer daher eine neue Beziehung eingeht – begeht damit seinem ersten Ehepartner gegenüber – Ehebruch. 

Für viele Menschen klingt das heute weltfremd. Welche Verpflichtungen kann man noch gegen einen Partner haben – der längst keiner mehr ist – und von dem man staatlich geschieden ist und mit dem man – hoffentlich – alles, vieles geklärt hat. 

Geradezu archaisch mutet es für viele an, wie die Kirche dann über die Ehe, das Eheband spricht, das auch über Trennung und Scheidung hinaus das Paar “bindet”. Und diese Bindung entsteht - das Kirchenrecht definiert es genau – durch den “Vollzug der Ehe”, sprich den Geschlechtsverkehr, der die Voraussetzung für die “Gültigkeit” einer Ehe ist. Das klingt in den Ohren eines modernen jungen Paares sicher ziemlich komisch. 

In den letzten Wochen war zu lesen, dass einige bedeutende Kardinäle der Kirche über die “Unauflöslichkeit” einer “vollzogenen Ehe” mehr oder weniger offen und über die Presse "streiten". Kardinal Müller sagt so, Kardinal Marx etwas anders, Kardinal Kasper stellt (nicht zum ersten Mal) sehr berechtigte Anfragen an die kirchliche Praxis. Kardinal Caffarra widerspricht Kasper energisch! Es steht zu erwarten, dass die innerkirchlichen Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt noch lange nicht erreicht haben. 

Wie wird das wohl auf unsere Mitmenschen wirken, als weiterer Beleg dafür, dass die Kirche “weltfremd und abgehoben” ist - oder als Signal, dass die Kirche die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art in sich aufnimmt und für sie und mit ihnen nach Lösungen sucht. Entscheidend wäre, dass man der Botschaft Jesu über die Ehe und seinen Worten zu 100 Prozent gerecht werden muss. Entscheidend ist auch, dass die sakramentale Ehe keinen Schaden nimmt und dass nicht der Eindruck entsteht, die Kirche gibt das Ideal auf, dass ein Mann und eine Frau das Leben miteinander teilen möchten, durch dick und dünn bis zum Tod. 

Dass es so schwierig ist für die katholische Kirche, hier zu einer “einfachen Lösung” zu kommen, liegt in der Sakramentalität der Ehe und der hohen zeichenhaften Bedeutung dieses Sakramentes, wie Papst Franziskus vor einigen Tagen noch in einer Katechese deutlich machte: “Die Ehe gründet auf einem zweifachen göttlichen Geheimnis. Zum einen betrifft das die göttliche Trinität: Der dreifaltige Gott, der wesenhaft eins ist, macht die Ehepartner zu einer einzigen Existenz, zu »einem Fleisch«, als Bild seiner eigenen Liebe und als Zeichen für eine Gemeinschaft, die in Gott ihren Ursprung hat und aus ihm ihre Kraft bezieht. Zum anderen zeigt sich dieses Geheimnis unter einem christologischen Aspekt: Die christlichen Ehegatten spiegeln die gleichsam bräutliche Beziehung Christi zur Kirche wider.”

Letztendlich ist die Tiefenströmung hinter der manchmal etwas oberflächlichen Diskussion, die, ob die Aufgabe dieses strahlenden Bildes der Ehe als Abbild der göttlichen bzw. jesuanischen Liebe nicht letztlich das eigentliche Dogma der göttlichen Dreifaltigkeit oder der großen Liebe Christi zu den Menschen in Frage stellt. Leider habe ich auch keine Idee, wie der “gordische Knoten” zu durchtrennen ist. 

Bei vielen Diskussionen über “barmherzige Lösungen” geht es direkt um “das große Ganze”, die (oft verbissenen) Verteidiger der traditionellen Auffassung der lateinischen Kirche von der Unauflöslichkeit der Ehe kämpfen gegen jede Veränderung und verweisen auf die klassischen Möglichkeiten der “Josefsehe” oder der kirchenrechtlichen Überprüfung, ob überhaupt eine sakramentale Ehe zustande gekommen ist.

Doch wie überzeugend ist eigentlich das z.B. von Prof. Jos. Spindelbök wieder in die Diskussion eingebrachte Konzept einer “Josefsehe”, also einer Enthaltsamkeit in der zweiten Ehe? Was macht den Aspekt der “leiblichen Begegnung” für die Kirche so bedeutsam, dass sie solche “Lösungen” vorschlägt? Ist das (verliebte) Zusammenleben von zwei Menschen in einer neuen Beziehung (in den Augen der Öffentlichkeit, in den Augen des ehemaligen Partners, in den Augen Gottes anderswertig - sobald Sex dazu kommt? Und wo fängt Sex an, dürfen beide zusammen in einem (Ehe-)Bett schlafen, geht eine Umarmung, geht es, einander “nackt zu sehen”. Es hat etwas durchaus Absurdes... “Enthaltsamkeit” ... ich denke es gäbe viele Paare, die auf Geschlechtsverkehr – zumal im Alter – durchaus verzichten könnten oder die lieber “kuscheln” würden. “sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind‘“ (Zitat: Familiaris Consortio). Und wenn in der zweiten Ehe dann aus der Liebe zwischen Mann und Frau Leben weiter gegeben wird und die gemeinsamen Kinder die beiden Eheleute zusammen binden. Wenn die Fruchtbarkeit einer sakramentalen Ehe ein bedeutsamer Bestandteil dieser Sakramentalität darstellt – dann kann es doch auch nicht bedeutungslos sein, wenn “Kinder das Band der Liebe zwischen den Eltern verstärken und bereichern.” (Kardinal Kasper in der Rede vor den Kardinälen). 

Die Auseinandersetzung um die Bedeutung der Ehe hat in der Kirche ja schon eine lange Geschichte, denken Sie nur an die Abspaltung der Anglikanischen Kirche, die ja durch ein ebensolches Problem ihren Anfang nahm. Aber, aus der Geschichte kann man auch lernen, dass die Kirche auch jenseits der Worte Jesu gute Gründe hat alles zu tun, damit das Versprechen der Eheleute, miteinander durch gute und böse Zeiten zu gehen bis dass der Tod sie scheidet, ausgesprochen, versprochen, gelebt und durchlitten werden kann. 

Ich denke, es ist nicht falsch zu behaupten, dass die Ehe das einzige Sakrament ist, dass sich in der Beständigkeit bewähren soll; wo die Sakramentalität selbst im Zusammenbleiben - bis dass der Tod die Partner scheidet - begründet liegt. In allen anderen Sakramenten, vielleicht mit Ausnahme der Weihe, geht es stärker um einen besonderen Moment der Gottesbegegnung, in der Teilhabe am eucharistischen Mahl, in der Vergebung meiner Sünden, in der Stärkung durch die Krankensalbung, in der Aufnahme eines Menschen in die christliche Gemeinschaft in der Taufe und der Besiegelung mit dem Hl. Geist. Die Ehe soll in ihrer ganzen Dauer sichtbar und spürbar machen, dass Christus sich mit seiner Kirche inniglich verbunden hat, die Ehe (und die Familie) stellen daher die kleinste Zelle der Kirche, eine Hauskirche dar. “Indem Jesus in die Geschichte einer Familie eingetreten ist, hat er die Familie geheilt und geheiligt. Die Heilsordnung nimmt die Schöpfungsordnung auf. Sie ist nicht leib- und sexualitätsfeindlich; sie schließt Sexus, Eros und menschliche Freundschaft ein, reinigt und vollendet sie.” (Kardinal Kasper vor den Kardinälen)

Aber, sehen das wohl die vielen Paare so, für die der besondere Moment des Eheversprechens vor einem Priester in der Kirche vermutlich die eigentliche “Sakramentenspendung” ausmacht? Hier gäbe es auch für die Ehevorbereitung noch ein weites Feld, deutlich zu machen, wie ernsthaft es die Kirche mit diesem Sakrament – auch religiös – meint. Doch was bieten wir denen an, die nach einer guten Ehevorbereitung sagen: “Das ist mir eine Nummer zu groß!” Schicken wir sie in eine katholische “Ehe ohne Trauschein”, wo sie – wenn wir streng sind – ebensowenig zu den Sakramenten zugelassen wären wie ein Paar, bei dem ein Partner schon verheiratet war?

Was sagen wir Paaren, die im Grunde keine sakramentale Ehe schließen können bzw. wollen, weil sie z.B. kinderlos bleiben wollen, weil ein Partner das katholische Eheverständnis nicht teilt, die unbedingte Treue ausschließt u.s.w.. Wollen wir solchen Paaren ernsthaft anraten sich zu trennen? Oder müssen wir stärker lernen, die Gebrochenheit, die in den neuen Freiheiten und neuen Formen des Zusammenlebens liegt, positiver aufzunehmen und auf das Gute zu schauen, statt nur die “Defizite” zu kritisieren. 

Bei keinem anderen Sakrament verbindet sich mit der Sakramentenspendung ein so ausgeklügeltes (kirchen-)rechtliches Regelwerk wie bei der Ehe. Und in der Diskussion über den Umgang mit “wiederverheirateten” Menschen geht es auch sprachlich oft mehr um “Recht” als um menschliche Schicksale. So wirkt schon die Formulierung (und der rechtliche Konstrukt) eines “bestehenen Ehebandes” abstrakt, formelhaft, theoretisch. Nicht einmal das Weihesakrament wird derartig “unantastbar” gehandhabt, ein Priester kann vom Papst laisiert werden, das ewige Gelübde einer Ordensfrau kann mit päpstlicher Erlaubnis aufgehoben werden, wenn sich zeigt, dass das Ordensleben dann doch ein Irrweg war. Nur bei der Eheschließung wird betont, dass selbst der Papst nicht die Vollmacht habe, ein “bestehendes Eheband” zu lösen.

Manchmal zeitigt diese Rechtsordnung heute auch Situationen, die zwar rechtlich sauber zu sein scheinen, aber doch eher Verwirrung als Klarheit stiften. Es kann die absurden Situation entstehen, dass ich eine Frau problemlos kirchlich – und sakramental gültig - heirate, die vorher dreimal und über Jahrzehnte jeweils mit katholischen Partnern standesamtlich verheiratet war und aus diesen Ehen mehrere Kinder hat, während eine Prüfung der Gültigkeit einer Ehe notwendig wäre, wenn ich eine evangelische Frau heiraten wollte, die zuvor evangelisch mit einem ebenfalls evangelischen Partner verheiratet war und deren Ehe nach einigen Monaten kinderlos in die Brüche ging, weil der Partner sie betrog. 

Wenn wir weiterhin die Ehe als “Norm” oder “Idealfall” des Zusammenlebens von Mann und Frau gegen neue Lebensformen verteidigen möchten, und das auch über den Raum der Kirche hinaus in eine säkulare Gesellschaft hinein, dann stellt sich die Frage, ob mit dieser Ehe (als Zusammenleben eines Mannes und einer Frau – mit den aus dieser Beziehung hervorgehenden Kindern) zwingend das sakramentale Verständnis der kath. Kirche einhergehen muss. Müßte es nicht auch sowas geben, wie “Ehe light”, für all die Paare, die die hohen Anforderungen der kath. Kirche an eine sakramentale Ehe nicht einhalten können? Oder können wir ernsthaft wollen, dass die “Hochform” der sakramentalen Ehe nur noch Minderheiten erreicht, während wir fast alle anderen Formen des Zusammenlebens von Menschen einen Stempel “defizitär” aufdrücken. Ich weiß, dass dieser Gedanke natürlich neue Probleme aufwirft. 

Es wird uns nicht mehr gelingen, den bunten “Beziehungskisten” der Menschen eine einheitliche (kanonische) Form zu geben. Kaum jemand liebt seinen Partner mit schlechtem Gewissen. Und wenn doch – wäre das sehr fragwürdig. Wer sich in eine “verlassene Ehefrau” verliebt, wird – wenn er sich später langsam der Kirche annähert – wohl kaum inneres Verständnis für den Ausschluß von den Sakramenten entwickeln - weil er doch selbst keinen Fehler begangen hat. Aber wie können wir mit Blick auf die Ehe hieraus eine frohe und missionarische Verkündigung erwachsen, wenn wir erst einmal neue Schwellen und Hürden errichten? 

Was soll ich als Katholik schlecht an einer Beziehungsgeschichte in meinem Freundeskreis finden, wo eine – eher säkulare – Muslimin mit einem – ebensowenig praktizierenden – katholischen Mann zusammen lebt? Die beiden haben inzwischen das zweite gemeinsame Kind, leben seit einiger Zeit im gemeinsam gekauften Haus und haben sich jetzt gerade “verlobt”. Und wollen bald heiraten? Muss ich Ihnen jetzt “missionarisch” klar machen, dass es alles verkehrt war was sie getan haben? Jeden Schritt in ihrer Beziehung sind sie voller gegenseitiger Liebe gegangen.... 

„Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht.” So heißt es im bedeutsamen päpstlichen Schreiben: Familiaris consortio von Papst Johannes Paul II.

Der Eindruck der Menschen von heute ist, dass kaum eine Sünde oder ein Vergehen “kirchenamtlich” so hart bestraft wird wie die neue Liebe und die neue Ehe nach einer gescheiterten ersten Ehe. Wem wäre es – auf die Spitze getrieben – zu vermitteln, dass zwar die Frau zur Kommunion gehen kann, die ihren Mann ermordet hat, während ihres Gefängnisaufenthaltes gebeichtet hat und dann einen katholischen Mitgefangenen geheiratet hat – nicht aber die Frau, die von ihrem Mann – zugunsten einer jüngeren Frau – mit den Kindern sitzen gelassen wurde und die dann nach einigen Jahren den alleinstehenden Nachbarn geheiratet hat, der sich mit Rat und Tat für sie und ihre Kinder nach der Trennung eingesetzt hat? Oder denken Sie an die junge Frau, die einen ebenso jungen Mann kennenlernt, sich in ihn verliebt und dann erfährt, dass er vor vier Jahren schon einmal – quasi als Jugendsünde – eine andere Frau geheiratet hatte, eine Beziehung, die schon nach einem halben Jahr in die Brüche ging. 

Wie können wir missionarisch tätig sein in einer Gesellschaft, wo nicht wenige aus dem “zu missionierenden “Publikum”” in zweiter oder dritter Ehe (oder einer Patchworkfamilie) leben? Das sind doch Fragen, die nur schwer zu ignorieren sind, auch von denen nicht, die “bis aufs Messer” die Unauflöslichkeit der Ehe gegen jede Ausnahme verteidigen. 

“Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung.” Wenn dieses Argument wirklich “stichhaltig” wäre, dann ist es doch zur Zeit so, dass die Haltung der Kirche “Irrtum und Verwirrung” erzeugt über die barmherzige Liebe Gottes zu den Menschen. Es kehren Menschen der Kirche den Rücken, weil sie diese Haltung als “unbarmherzig” erfahren. Auch hier sollte eine Katechese möglich sein, die Einzelfälle möglich macht und die grundsätzliche Wertschätzung der Kirche für die Ehe erfahrbar werden läßt. Im Zweifel kann auch bei einer in der Gemeinde bekannten und mit durchlittenen Trennungsgeschichte im Hintergrund eine sakramental ungültige Ehe stehen. Niemand kann das als Außenstehender durchschauen und es kann auch nicht wünschenswert sein von “kirchenamtlicher” Seite jeweils öffentliche Erklärungen zum Stand der Gnade einzelner Eheleute und Paare abzugeben. 

Kardinal Kasper vertritt demgegenüber, als Frage formuliert: „Aber wenn ein geschiedener Wiederverheirateter bereut, dass er in der ersten Ehe versagt hat, wenn die Verbindlichkeiten aus der ersten Ehe geklärt sind und ein Zurück definitiv ausgeschlossen ist, wenn er die in der zweiten zivilen Ehe eingegangenen Verbindlichkeiten nicht ohne neue Schuld lösen kann, wenn er sich aber nach besten Kräften darum müht, die zweite zivile Ehe aus dem Glauben zu leben und seine Kinder im Glauben zu erziehen, wenn er Verlangen nach den Sakramenten als Quelle der Kraft in seiner Situation hat – müssen oder können wir ihm dann nach einer Zeit der Neuorientierung das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?“ (S. 66)

Es geht ihm also nicht um eine allgemeine Lösung, sondern um das einzelne Schicksal. Überhaupt muss man darauf achten, hier keinen kirchenpolitischen Kampfplatz zu kultivieren. Wenn wir von “wiederverheirateten Geschiedenen” sprechen, dann geht es um völlig unterschiedliche Lebens- und Leidensgeschichten. Es sollte klar werden, dass es hier nicht um eine generelle Zulassung zu den Sakramenten geht, sondern um einzelne Fälle. 

Wie könnten nun konkrete Lösungen aussehen?

Ein erster Schritt sollte sein, in der ganzen Kirche umzusetzen, was schon Papst Johannes Paul II. in “Familiaris Consortio” fordert: “Die Hirten mögen beherzigen, daß sie um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, daß die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war.” Es kommt also darauf an, genau hinzusehen und mit den Betroffenen Wege zu gehen und ihnen Wege in die Gemeinde zu eröffnen. Hier sind noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Das kirchliche Arbeitsrecht wäre vor diesem Horizont ebenfalls zu reformieren. Und manchmal wird mit den Betroffenen leider auch im normalen Gemeindeleben recht hartherzig umgegangen. 

Ein anderes Konzept, das immer wieder vorgeschlagen wird, hängt mit der Formulierung des Eheversprechens zusammen, “bis dass der Tod uns scheidet”. Hieraus leiten manche Theologen die Idee des “geistigen Todes einer Ehe” ab. Aber eine solche Lösung klingt etwas “konstruiert”, ähnlich wie die fromme Idee der “vielen kleinen” Tode, die man im Laufe seines Lebens zu überstehen habe. Hier wäre es notwendig, einigermaßen nachvollziehbare Kriterien zu entwickeln, wann eine Ehe denn nun den “geistigen Tod” gestorben ist. Daraus kann schnell “überall und nirgends” werden und ein unverbindliches Geschwafel darüber, wann denn nun die Ehe gestorben ist (“als er mir die Affaire mit seiner Sekretärin beichtete, da spürte ich: unsere Ehe war soeben gestorben...”). Natürlich kann ich mir Situationen vorstellen, wo das “gültige Eheband” zwischen zwei Eheleuten endgültig und un”flickbar” gerissen ist. Ob aber ein eher sprachlicherer Lösungsvorschlag hier den richtigen Weg zu einer Lösung der Schwierigkeiten darstellt? Mich überzeugt das nicht.

Vermutlich macht es durchaus Sinn – auf dem Weg zu einer Lösung der Problemstellungen – noch einmal auf das Wort der Bibel und die Worte Jesu (und die des Paulus) zu hören. Es ist sicher nicht falsch zu behaupten, dass Jesus keine in sich abgeschlossene Ehetheologie dargelegt hat. Die Ehe war für ihn eher ein Randthema. Er kam darauf angesichts sehr konkreter Situationen zu sprechen, z.B. Im Kontakt mit der Ehebrecherin und im Gespräch mit den Pharisäern, wo es immer darum ging, ihn in einen theologische Klemme oder eine Falle zu locken. Auch sollte man berücksichtigen, dass gerade auch Paulus in seinen Aussagen von der Naherwartung Christi geprägt war. Von daher stellten sich Ehefragen vor diesem kurzen Horizont eher nur am Rande. Daher ja auch die Idee, es sei besser ehelos zu bleiben für die, die das können. 

Ein weiterer Blick wäre sicher auch hilfreich auf die Entwicklung der Institution Ehe von der Zeit Jesu bis heute. Vermutlich hat es in keinem Zeitabschnitt der Geschichte so rasante Veränderungen gegeben, wie in den letzten Jahrzehnten in den westlichen – christlichen – Gesellschaften. Das Konzept einer “Liebesheirat” ist ja auch erst seit gut 100 Jahren in unserer Kultur verankert, wer in der Kirche würde heute etwas dagegen sagen? Auch haben manche Diskutanten darauf hingewiesen, dass das “bis der Tod uns scheidet” in der Vergangenheit oft schneller kam als gehofft, dass es den wenigsten Paaren über Jahrhunderte vergönnt war eine “silberne Hochzeit” zu feiern und das nicht, weil man sich trennte (das ging aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen nicht), sondern weil – allzu oft die Frauen im Kindbett – und allzu häufig die Männer auf dem Schlachtfeld oder an Krankheiten allzu früh starben. Dieser Blick in die gesellschaftlichen Entwicklungen sollte uns die veränderte Situation klar machen, in die wir unsere frohe Botschaft hineinsprechen und nicht der Relativierung der Verkündigung oder des Wortes Jesu dienen. 

Auch wenn wir eine verantwortete Lösung für die Problematik der Geschiedenen finden – sie wird sicher von einer modernen Gesellschaft als rückständig und wenig angemessen gebrandmarkt werden, weil die Kirche mit Verweis auf göttliches Recht auf Einschränkungen der persönlichen Freiheit pocht. Wir können den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht antizipierend hinterherlaufen und die Entwicklungen theologisch rechtfertigbar machen, wir müssen schon eine klare Position haben und bewahren, die eine Orientierung für gelingendes Leben möglich macht. Mit denen, die uns hier nicht folgen mögen oder können müssen wir aber auch vor diesem Hintergrund weiterhin offen, tolerant und “wertschätzend” umgehen.

Entscheidend für eine Lösung wird auch sein, wie wir die Eucharistie und den Empfang der Hl. Kommunion betrachten. Um eine Formulierung des Papstes Franziskus aufzugreifen; die Sakramentenspendung ist “nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.” Wobei das voraussetzt, dass man sich seiner “Schwäche” bewusst geworden ist. Wer sich selbst von aller Schuld frei spricht ... wird wohl kaum im Sinne Jesu die Eucharistie empfangen können. Vielleicht gehen wir heute viel zu selbstverständlich zu Hl. Kommunion, ohne wirklich aufrichtig in unser Herz zu schauen und unser Leben in Ordnung zu bringen (soweit es in unserer Macht steht). Auch in diese Richtung sollten wir denken. 

Von manchen Diskussionsteilnehmern, wie z.B. von Carlo Kardinal Caffarra aus Bologna wird angemerkt, dass es zahlreiche geschiedene Männer und Frauen gäbe, die den spirituellen Weg der Kirche mitgingen und entweder keine neue Beziehung eingehen oder auf den Kommunionempfang verzichten insofern sie in zweiter Ehe leben. Kardinal Caffarra: “Ich bin wirklich sehr enttäuscht, ... wenn ich in diesen Wochen der Diskussion das Schweigen über die Größe von Ehefrauen und Ehemännern zur Kenntnis nehmen muss, die verlassen worden sind und treu bleiben.” (Was etwas in die Irre führt, denn das stimmt nicht. Auch Kardinal Kasper ist natürlich darauf eingegangen.) Wenn nun eine Reform in der Kirche möglich würde, dann würde dieser heroische Verzicht quasi nachträglich entwertet. Diese Argumentation lässt schon aufmerken, aber kann man wirklich den spirituellen Weg des einen Christen gegen den des anderen aufwiegen? Ich muss an meine Oma denken, für die eine zweite Hochzeit nach dem Kriegstod meines Opas niemals in Frage kam ... aber auch an deren Freundinnen, die teilweise wieder geheiratet haben. Ist der Dienst des verheirateten Diakons weniger wert als der des ehelosen Priesters? Auch wenn es andre legitime Möglichkeiten gibt, mit dem Ende einer Partnerschaft und Ehe umzugehen ... ist es doch dem Einzelnen vorbehalten unter Gottes Weggeleit “seinen” Weg zu suchen und zu finden. “Wer es fassen kann....” 

Kurienerzbischof Lorenzo Baldisseri, der Sekretär der Bischofssynode erklärte, dass man bei der Synode “ohne Tabus” sprechen werde und schloss einen interessanten Satz an: “Die orthodoxe Erfahrung kann uns eine Hilfe sein“. Die orthodoxe Kirche ermöglicht eine weitere Heirat, verknüpft diese aber stark mit dem Aspekt der Buße. Und: diese zweite Ehe ist keine sakramentale Ehe mehr. Auch wenn im Westen die eigentlichen Hintergründe dieses orthodoxen Weges eher holzschnittartig und in Schlagworten zur Kenntnis genommen werden, wir dürfen gespannt sein, ob die Bischofssynode in diese Richtung denken wird und anerkennt, dass vielleicht in der Kirche des Ostens das Wehen des Hl. Geistes früher zu einer Lösung geführt hat, die Jesu Klarheit und Wahrheit mit seiner barmherzigen Haltung zusammen bringen konnte. Auf jeden Fall würde sich hier ein weites Feld der Seelsorge eröffnen, bei der auch manche Wunde heilen kann, die nach einer gescheiterten Ehe in den Herzen der beiden Eheleute geblieben sind. Am Ende eines solchen gemeinsamen Weges stände eine Zulassung zu den Sakramenten der Beichte und Kommunion, allerdings ohne eine weitere sakramentale Eheschließung. Auf diesem Weg können auch die Möglichkeiten des Kirchenrechts (Ehenichtigkeitsverfahren) oder auch das Konzept einer Josefsehe mit dem Paar besprochen und evtl. gegangen werden, weil in diesem Kontext für viele Paare eine “passende” Lösung gesucht und gefunden werden kann. 

Der Vorschlag eine evtl. Zulassung zur Kommunion mit der Zustimmung des ehemaligen Partners zu verknüpfen halte ich für problematisch. Das wird ähnliche Folgen haben wie im orthodoxen Judentum, wo die Ehemänner ihrer Frau den Scheidungsbrief verweigern können und dies ab und an als Druckmittel missbrauchen. 

In manchen Fällen wird sich nicht mit Sicherheit belegen lassen, dass eine Ehe als ungültig geschlossen zu betrachten ist. Eine Ehe wird aber an den Ehegerichten nur dann für ungültig erklärt, wenn die Beweislage eindeutig ist. Aber wie geht man mit solchen Fällen um, wo die Wahrscheinlichkeit einer Ungültigkeit hoch ist, die Beweisführung aber nicht gelingt? Müssen dann die betreffenden Partner um einer “sauberen Lehre willen” auf die Gnadenmittel der Kirche verzichten oder könnte es nicht hier leichter pastoral verantwortliche Lösungen geben? Hierauf zielt auch Kardinal Kasper in seiner Rede vor dem Konsistorium ab und geht sogar noch etwas weiter: “Faktisch sind viele Seelsorger davon überzeugt, dass viele religiös geschlossenen Ehen nicht in gültiger Form abgeschlossen werden. In der Tat, als Glaubenssakrament setzt die Ehe den Glauben voraus und die Akzeptanz der charakteristischen Besonderheiten der Ehe oder besser gesagt: der Einheit und Unauflöslichkeit. Können wir in der heutigen Situation davon ausgehen, dass die Brautleute den festen Glauben an das Sakrament teilen und dass sie die kanonischen Bedingungen für die Gültigkeit ihrer Ehe wirklich verstehen und akzeptieren?”

Diese Wege werden nicht leicht sein, ist die die Situation der Kirche und der Eheleute und Familien in der ganzen Welt im Blick zu halten. Und da sieht es oft anders aus als im modernen Westen. Und die lehramtlichen Linien sind deutlich gezogen, so hatte Papst Johannes Paul II. in Familiaris Consortio und ausdrücklich auch Kardinal Ratzinger in einem Text (Die Ehepastoral muss auf der Wahrheit gründen, veröffentlicht zuletzt 2011 im Osservatore Romano) zur Erklärung der Glaubenskongregation über den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen von 1994 den Weg der orthodoxen Kirche als ungeeignet abgelehnt. Ähnlich argumentiert gerade wieder dessen Nach-Nachfolger Gerhard Ludwig Kardinal Müller. Interessant ist an diesem Text des späteren Papstes, dass dieser für eine ganz klare, saubere Linie eintritt. Die Kirche könne “ihre Lehre und Praxis nicht auf unsichere exegetische Hypothesen aufbauen” und habe sich an die eindeutige Lehre Christi halten. 

Bei einzelnen Kirchenvätern konstatiert der Kardinal allerdings, dass diese für “seltene Grenzfälle pastorale Lösungen suchten”. In der Reichskirche nach Konstantin hätte man dann zu einer größeren Flexibilität und Kompromißbereitschaft in schwierigen Ehesituationen gefunden. In der Ostkirche setzte sich diese Entwicklung nach Auffassung von Kardinal Ratzinger fort und “führte zu einer immer liberaleren Praxis”. “Im ökumenischen Dialog muß dieses Problem unbedingt zur Sprache gebracht werden.” 

Interessant ist, dass Kardinal Ratzinger durchaus schon die Frage stellt, die auch Kardinal Kasper bewegte, wenn er schreibt: “Weiterer gründlicher Studien bedarf allerdings die Frage, ob ungläubige Christen ... wirklich eine sakramentale Ehe schließen können. Zum Wesen des Sakraments gehört der Glaube; es bleibt die rechtliche Frage zu klären, welche Eindeutigkeit von Unglaube dazu führt, dass ein Sakrament nicht zustande kommt.” Bedenkenswert!

Der nachmalige Papst Benedikt XVI. hält also wenig von dem skizzierten Auswegen und schließt seinen Text mit den Worten: “Sicherlich kann das Wort der Wahrheit weh tun und unbequem sein. Aber es ist der Weg zur Heilung, zum Frieden zur inneren Freiheit...” Hier bleibt allerdings zu fragen, ob eine Wahrheit, die ganz offensichtlich nicht immer zu Heilung, Frieden und innerer Freiheit führt, dann für jeden einzelnen Fall wahr sein kann. 

Kardinal Kasper stellt noch eine weitere Frage, auf die die Synode eine überzeugende Antwort geben muss: “Wenn wir wiederverheiratete geschiedene Christen, die disponiert sind, von den Sakramenten ausschließen und sie auf den außersakramentalen Heilsweg verweisen, stellen wir dann nicht die sakramentale Grundstruktur der Kirche in Frage?” Vielleicht muss man in diesen schwierigen Problemen wirklich auch einmal anders und vielseitiger an die Fragen herangehen.

“Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!”

Montag, 31. März 2014

Was bleibt nach all dem Streit um Limburg?

Als Münsteraner Domkapitular 2007
Mit keinem Thema habe ich mich in diesem Blog häufiger auseinandergesetzt als mit dem Konflikt rund um den Limbuger Bischof Franz Peter Tebartz - van Elst. Daher liegt es nahe, das Thema abschließend (?) noch einmal aufzugreifen. Der vom Papst inzwischen angenommene Rücktritt und seine Folgen; einige Begleitumstände wie die Veröffentlichung des Prüfberichtes, die Veröffentlichung der Entgegnung des Bischofs, seine Entschuldigung und der angeblich neu bestellte Dienstwagen beschäftigt die Menschen und Medien nun wohl noch einige Tage lang. 
Man darf auch gespannt sein, was der Bischof ohne Bistum in Zukunft mit seinem Leben und seinen Fähigkeiten wohl anfangen wird. Die Diskutanten an allen Fronten bescheinigen ihm ja einhellig eine inspirierende Theologie, Wissen und Kenntnis, Intelligenz...

Enttäuscht sind angesichts des doch sehr eindeutigen Prüfberichtes inzwischen auch viele Christen, die dem Bischof lange die Stange gehalten haben. Mancher nachdenkliche Text in diesen Tagen zeugt davon. Die Angelegenheit hat die katholische Welt nachhaltig erschüttert. 
Während Erzbischof Gänswein – wohl aufgrund frühzeitiger Einsichten in den Prüfbericht noch rechtzeitig zurückhaltend wurde - steht Kardinal Müller nun doch etwas “begossen” da. Und mit ihm noch einige Kommentatoren, die auch heute noch den bösen Medien die Schuld an allem geben. 

Ich habe mich in den letzten Tagen mal an die Relectüre meiner Blogbeiträge gemacht. Kann das, was ich vor Monaten schrieb - mit dem heutigen Wissen – alles noch stehen bleiben?

Im ersten Beitrag vom 5. September 2013 hatte ich schon angefragt, ob die kirchenpolitische Verzweckung des Konfliktes angesichts der Theologie des Bischofs wohl wirklich stimmt. Die Frage beschäftigt mich nach wie vor und ich glaube, viele haben es sich mit der Antwort zu leicht gemacht. Was spricht eigentlich belastbar dafür, dass das Prädikat "Rom-" und "Papsttreu" auf Tebarzt – van Elst stärker zutrifft als auf den Durchschnitt der deutschen Bischöfe? Ich möchte ihm diese “Prädikate” gar nicht absprechen. Aber in den Diskussionen z.B. auf Facebook haben kundige Leute dieser Tage zum Beispiel auch darauf hingewiesen, dass Prof. Vorgrimler Bischof Tebartz van Elst in seinen Lebenserinnerungen als Hoffnungsträger der Liberalen eingeschätzt hat (o.k., das ist jetzt eine Weile her). In seiner Zeit als theologischer Lehrer (und Domvikar) im Umfeld des Münsteraner Doms galt er keinesfalls als konservativ. Hat sich in all den Diskussionen eigentlich einmal jemand wirklich mit seinen Texten und seiner Theologie auseinandergesetzt? Oder ist er eigentlich eher unbeabsichtigt zur Galionsfigur eines kirchenpolitischen Streits geworden, der ihn auf den "konservativen" Schild gehoben hat? Augenscheinlich hat er sich auch nicht ungern auf den Schild heben lassen. Mir scheint, manchmal genügen eher symbolische “Handlungen” und Signale dafür aus. 

Auf die – provozierende – Segnung einer homosexuellen Partnerschaft, die am Anfang mancher Auseinandersetzungen stand, hätte wohl auch Bischof Kamphaus reagiert, reagieren müssen. Handwerklich und menschlich möglicherweise anders, inhaltlich wohl kaum. Die Leute, die das damals inszeniert haben sollten sich selbstkritisch fragen, ob sie den Bischof damit nicht auf einen für das Bistum (und letztlich auch ihre Anliegen) unheilvollen Weg geschickt haben. Berichtet wurde ja auch von der Auseinandersetzung mit einem Pfarrer, weil dieser das Gebet für den Bischof in einer Firmfeier provozierend unterlassen hat. Da fragt man sich wirklich: was soll das? Im Bezug auf die Liturgie war er sicher ein "Ästhet" nach dem Geschmack konservativer römischer Liturgen, aber das hat was mit seiner Persönlichkeit und Lebensart und seinen Lebens- und Liturgieerfahrungen zu tun. Und eine "ordentlich" gefeierte Liturgie erwarte ich heute auch von unseren Bischöfen. Das mag in den 80er Jahren etwas anders gewesen sein, aber aktuell erlebe ich keine “Eigenmächtigkeiten" bei unseren  Bischöfen, im Gegenteil. 

Bisher habe ich noch niemanden gefunden, der eine Expertise über die Theologie des Limburger Bischofs jenseits mancher Verlautbarungen und einzelner Predigten abgeben könnte und der sich mit seinen Fachbüchern wirklich auseinandergesetzt hat. Seine Doktorarbeit liegt unter dem Titel vor: “Der Erwachsenenkatechumenat in den Vereinigten Staaten von Amerika. Altenberge 1993. 629 S.”. Entsprechend hat er in der Folge im Bistum Münster das Erwachsenenkatechumenat bearbeitet und manche durch eine gewisse eigenwillige Überhöhung der dazugehörigen Riten manche auch “genervt”. Das lief aber eher unter "Lieblingsthema" denn unter "klassischer, konservativer Theologie". Er war dann der Herausgeber einer Festschrift für den – nicht gerade konservativen - Pastoraltheologen Dieter Emeis. Habilitiert hat er sich dann sechs Jahre später mit dem Thema: “Gemeinde in mobiler Gesellschaft. Kontexte - Kriterien - Konkretionen. Würzburg 1999. 815 S.” Er gilt als Ghostwriter eines kleinen Büchleins zur Zukunft der Pastoral im Bistum Münster, verantwortet noch von Bischof Lettmann. Aber das war das übliche Rezept mit Zusammenlegungen, Großgemeinden, Zielgruppenpastoral, angereichert mit allerlei Allgemeinplätzen, wie das bei so pastoralen Papieren gängig ist. Sturm gelaufen gegen diese Rezepte sind eher die traditionell gebundenen Katholiken, die auf die sonntägliche Messe in ihrer Kirche Wert legten und sich mit der Idee “geistlicher Hochorte” auf Kosten der Pastoral in der Fläche nicht recht anfreunden konnten. Nach seiner Weihe bevorzugte er bei allen "Auftritten" - im Gegensatz zu seinen Mitbischöfen den vollen bischöflichen Ornat. Aber ist das jetzt schon "konservativ"?


In meinem zweiten Beitrag vom 11. Oktober 2013 hatte ich durchaus Verständnis für das ein oder andere “Bauliche”, aber in der Summe bin ich dann zu der Überzeugung gekommen: der Bischof kommt um einen Rücktritt wohl nicht mehr herum (den er – wie wir jetzt wissen – im Gespräch mit dem Papst 14 Tage später wohl auch angeboten hatte). 


Als dann die “Kulisse” für das Bischofsdrama von der Lahn von den Unterstützern des Limburger Bischofs immer dunkler und schlechter geschrieben wurde, habe ich einen dritten Beitrag etwas “dagegen” geschrieben. Hier hatte ich kürzlich einen freundlichen Dialog mit einem der Autoren, die damals auf diese Weise den Bischof wieder hochschreiben wollten. 


Kann man die Episode Bischof Franz Peter und sein Bistum Limburg nun abschließen? Ich fürchte nicht. Sie hat erhebliche Verwerfungen zu Tage treten lassen. Zahlreiche Menschen sind getroffen, verletzt... Der Streit, ob die Medien überzogen haben oder nicht – er schwelt nach wie vor. Am Bischof von Limburg a.D. scheiden sich nach wie vor die Geister. Spätestens beim nächsten medienwirksamen Thema wird alles wieder da sein. Aber vermutlich gehören die notwendigen Auseinandersetzungen nicht mehr auf die Titelseiten der Zeitungen sondern eher in persönliche Gespräche und ins eigene Reflektieren. 

Vielleicht wäre es gut, wenn der “Richtungsstreit” in der Kirche jenseits der konkreten Situation in Limburg weiter diskutiert würde. Ob der Bischof nun noch für den bestellten BMW in Haftung zu nehmen ist oder nicht ... was trägt das noch zum Verständnis bei? Es hilft der Person Franz Peter Tebartz – van Elst nicht, wenn sich weiterhin viele hinter ihm versammeln und gegen die Front machen, die diesen skeptisch sehen. Nein, es beschädigt ihn. Wir sollten zeigen, dass Christen Fehler eingestehen können und einen neuen Anfang machen dürfen. Das gilt für den Bischof selbst, das gilt auch für viele Protagonisten in diesem Streit, mögen Sie nun Johannes Eltz, Michael Hesemann, Daniel Deckers, Martin Lohmann oder Markus Gehling heißen. Die Zeit ist reif dafür, die Karwoche steht vor der Tür...

Und der Bischof selbst? In einem Beitrag im Forum kreuzgang.org fällt ein hartes Urteil: “Ich meine wohl, in seiner Persönlichkeit ist angelegt ein großer Mangel an Selbstkritik und Kritikfähigkeit, ein Übermaß an Überzeugtsein von sich selbst und seinen Meinungen, gepaart mit einem großen Unvermögen, Kritik und kritische Töne, auch wohlwollende, in ihrer sachlichen Berechtigung wahrzunehmen und ggf. darauf zu reagieren. Nach außen kommt das als Arroganz und Beratungsresistenz heraus. Als arrogant galt TvE schon in Münster, noch als Priester. Seine abschließenden Stellungnahmen machen letztlich deutlich: Schuld sind immer die anderen, nicht er."

In seiner letzten Öffentlichen Stellungnahme entschuldigt sich Bischof Franz Peter Tebartz - van Elst und schließt mit den Worten: “Ich hoffe, dass es jenseits wechselseitiger Beschuldigungen und Verletzungen gelingt, aus der Distanz das Geschehene zu verstehen und Einsichten zu gewinnen, die zu einer Versöhnung führen können. Dafür werde ich beten, meine ganze Kraft einsetzen und bitte auch um das Gebet.”

Spannend wäre zu wissen, an wen er dabei zuerst denkt, an seine Gegner, das Domkapitel, die Journalisten? Es wäre gut, wenn er dabei vor allem an sich denkt. Und ich hoffe, dass die, die nun für ihn Verantwortung tragen (und damit meine ich auch alle, die ihn bis zum heutigen Tag schätzen und in Schutz nehmen), meinen es wirklich gut mit ihm und helfen ihm zur “Katharsis”, helfen ihm auf dem schmerzhaften Weg zur Selbsterkenntnis. Nein TvE ist nicht an allem schuld, ja, TvE ist schlecht und ungerecht behandelt worden... Und es gibt keinerlei Anlaß (mehr) über die Person schlecht zu sprechen. Der emeritierte Limburger Bischof ist ein Mensch mit vielen Stärken und – wie wir sehen konnten – mit Fehlern. Wichtig ist, dies mit den Augen Gottes anzusehen, der ihn (und uns) trotzdem annimmt. Noch überwiegt bei ihm offensichtlich das Gefühl unverstanden zu bleiben und ungerecht behandelt worde zu sein. Ich würde mir wünschen, dass er in einigen Wochen mit voller Überzeugung auf die Frage: “Wer ist Franz Peter Tebartz-van Elst?” die Antwort geben kann: “Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.”

Umso mehr sollten wir alle das tun, was Bischof Felix Genn uns empfohlen hat, für den Bischof, seine Familie und Freude und das Bistum Limburg zu beten. Und vielleicht auch dem Beispiel des Moderators auf kreuzgang.org folgen und den Diskussionsstrang endgültig schließen. Keine weiteren Beiträge mehr möglich! Ich für meine Teil verspreche das hiermit feierlich!

Samstag, 22. März 2014

Die Kirche und der Sex

http://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2014-5.html
In der Kirche steht zur Zeit ein Doppel-Thema (wieder) ganz oben auf der Tagesordnung: die Sexualmoral und die Unauflöslichkeit der Ehe. Die anstehende Bischofssynode über Ehe und Familie im Herbst im Vatikan sorgt dafür, dass vielfältige (teils irrationale) Hoffnungen und Befürchtungen mit Blick auf diese Thematik durch die aktuelle öffentliche Debatte “geistern”.
Es lohnt sich also, hierüber einmal ins Nachdenken zu kommen. Ich versuche das mit Gedanken zunächst zum Themenkreis “Kirche und Sex” und dann zur Frage der Wiederverheiratung.

Ein spontaner Blick auf “Gloria.tv” am Tag als ich diesen Text begonnen habe zeigt: Es gibt für die “Traditionalisten” nur noch ein Thema. Man berichtet von einem amerikanischen Priester, der konstatiert: “In der Ehe-Frage erschüttert Satan die Kirche derzeit bis in ihre Grundfesten.” ... Die Verwirrung sei heute noch massiver als während der Verhütungsdebatte in den 60er Jahren. Dann forderten deutsche Bischöfe angeblich “öffentlich die Auflösung des Ehebandes” und Regina Einig weiß in der Tagespost zu berichten, dass andere deutsche Bischöfe eine zweite “Königsteiner Erklärung” fürchten. Für seine Bemerkung “Wiederverheiratete seien keine “Christen 2ter Klasse”” bekommt der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz im zugehörigen Forum den Spottnamen “Kardinal Murks” und andere Diskutanten sprechen “Wiederverheiraten” das Christ-Sein gleich vollständig ab. Es rumort also im “Bauch” der katholischen Kirche.

Man hat den Eindruck, an der Frage der Ehe sehen gewisse Kreise gleich ihr ganzes Kirchenbild in Gefahr. Mehr “Barmherzigkeit” hier ... sorge für das endgültige Zerbröseln der katholischen Lehre. Andere befürchten – und manche Umfrage gibt ihnen recht – ein weiteres Auseinanderfallen von kirchlicher Morallehre und dem “praktischen Leben der Menschen”. Hier der erratische Block der kirchlichen Lehrverkündigung, dort die Menschen, auch die Katholiken, die das kunstvolle Lehrgebilde kaum mehr zur Kenntnis nehmen und tun, was das Gewissen sagt.

Auch wenn die Sexualität im gesellschaftlichen Leben gerade in den vergangenen Jahrzehnten einen unglaublichen Bedeutungswandel erfahren hat, mit der menschlichen Urkraft “Sexualität” hat sich die Kirche seit Jahrhunderten schwer getan. Aber vermutlich ist das so falsch formuliert. Mit dieser Urkraft – und wie sie in “menschliche” Bahnen zu lenken ist – beschäftigt sich die Menschheit, ja jeder einzelne Mensch seit Jahrtausenden. Also, gemeinsam mit der gesamten Menschheit sucht die Kirche nach einem Weg, diese schwer zu bändigende Kraft in gute Bahnen zu leiten. Wohl keine andere Antriebskraft des Menschen ist so ambivalent, keine andere Kraft vermag den Menschen auch auf solche Irrwege und Perversionen zu führen.

Rund um die Sexualität gibt es zahlreiche “Verirrungen”, die auch in einer entchristlichten Gesellschaft in einem großen Konsens abgelehnt werden. Dennoch wächst die Toleranz für mancherlei Ausdrucksformen der Sexualität, die noch für unsere Eltern “tabu” waren. Die Frage bleibt also, wo liegen die Grenzen? Eine Grenze ist klar und eindeutig, manches, was sich mit Sexualität verbindet ist schlicht ein Verbrechen: Zwangsprostitution – wobei schon die aussichtslose wirtschaftliche Lage mancher Frauen das Kriterium “Zwang” erfüllen dürfte. Ich denke, dass die weitaus meisten Prostituierten nicht absolut freiwillig in diesem Beruf arbeiten. Gewalt und Vergewaltigung in der Partnerschaft, Mißbrauch von Kindern und Erwachsenen, Folter und Erniedrigung, Menschenhandel bis hin zu der grauenhaften Strategie von Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung. Aber für einen humanen Umgang mit meinem “Sexualpartner”, mit meiner und ihrer Sexualität braucht jeder Mensch Kriterien, Regeln, Sensibilität, Verständnis. Nicht alles was möglich ist und Lust bereitet (oder den Trieben “abhilft”) kann auch ausgelebt werden.

Bei ihre Suche nach Richtlinien im Umgang mit der eigenen Sexualität ist die Kirche, sind ihre Theologen und ihre Kirchenväter auf die mit der Sexualität verbundene Fruchtbarkeit gestoßen. Ob sich daraus Kriterien entwickeln lassen...? Sicherlich! “Die Liebe zwischen Frau und Mann kreist nicht in sich selbst, sie überschreite und objektiviert sich in den aus ihrer Liebe hervorgehenden Kindern.” ... Das gilbt nicht nur für den Akt der Zeugung, sondern reicht darüber hinaus.” (Aus der Rede von Walter Kardinal Kasper vor dem Kardinalskollegium). Aber es bleibt eine Spannung; wenn die Sexualität des Menschen ausschließlich auf Fruchtbarkeit ausgerichtet ist ... warum “ergreift” sie den Menschen so stark (und oft) und warum spielt sie dann für die Liebesbeziehung zweier Menschen eine so große Rolle? Dann hätte der Schöpfer doch aus ihr doch eine Kraft formen können, die den Menschen weniger packt und die leichter zu steuern ist. Wo liegt der tiefere Sinn?

Bei fast allen anderen Lebewesen auf dieser Welt gehört die Sexualität in eine bestimmte, zeitlich eng umrissene “Brunftzeit”, dient in erster Linie der Fortpflanzung. Dass sie beim Menschen noch weitere Funktionen hat und nicht so an die fruchtbaren Zeiten der Frau gebunden ist, sollte uns nachdenklich machen. Ist es nicht eine Gabe des Schöpfers, dass die Sexualität des Menschen anders ist, dass sie auch dazu dient, Liebe, Zärtlichkeit, Gefühle auszutauschen und die Bindung zwischen zwei Menschen zu stärken und das Band der Liebe spürbar zu machen? Ich glaube, es fehlt in der Kirche die rechte Sprache und die rechte Freude an der Schönheit der Sexualität. Sehr eindrucksvoll zeigte sich das vor einigen Jahren an dem Hype um den Franziskanerpater Ksawery Knotz. Er schreibt Bücher mit dem Titel „Sex und Sakrament“ und „Sex ist göttlich – die Erotik eines Katholiken“. Der Priester sagt u.a.: “Der körperliche Akt ist (…) ein Gebet, das die Liebenden in diesem Moment vor Gott sprechen – ein wirkliches Gebet vor dem Akt kann auch tatsächlich dabei helfen, die Anwesenheit von Gott noch stärker zu spüren. Ein erfülltes Liebesleben ist ein Weg, sich Gott zu nähern.“ Mal ehrlich, ich glaube bis heute sind die Bücher nicht mal bei Weltbild auf deutsch verfügbar. Wir können sicher selbst im aufgeklärten katholischen Deutschland noch was lernen. Was in der säkularen Gesellschaft (und Öffentlichkeit) zuviel davon ist, das fehlt uns in der Kirche. Wie wäre es einmal von Ksawery Knotz zu lernen und die Sache Sex und Kirche viel viel positiver rüber zu bringen.

Zumal wir als Kirche vielleicht einer zwar übersexualisierten aber dennoch manchmal eigentümlich verklemmten "Welt" durchaus auch eine positive Botschaft zu vermitteln hätten. Jahrhundertelang waren wir nicht unbeteiligt daran, die Urkräfte der menschlichen Sexualität eher zu dämonisieren, denn ins rechte Licht zu setzen. Das führte auch zu einem völlig verzerrten Blick auf die Rolle der Frau, die zur "Verführerin" stilisiert wurde. Bis heute sind Reste einer solchen Sicht im Bewußtsein der Menschen übrig geblieben. Dabei hätte man wissen können, dass Kräfte, die dämonisiert und nicht "angeschaut" werden, erst recht ihre dämonische Macht entwickeln, wie die Mißbrauchsdebatte in Kirche und Gesellschaft wieder schmerzlich vor Augen führt.

Ohne einem Priester, Mönch oder Bischof zu nahe treten zu wollen. Kann auch in der zölibatären Lebensform ein Keim für einen etwas skeptischen Blick auf die menschliche Sexualität liegen? Oft herrscht in den kirchlichen Köpfen ein eigenartig theoretisches Verständnis, ein etwas verzerrter Blick auf die Urkraft der Sexualität. Kann es sein, dass ein Bischof (manchmal) diese menschliche Kraft vor allem in Zerrbildern erfährt, beim Nachdenken über Pornografie und Sexualität, in der Auseinandersetzung über Mißbrauchsfälle in der Kirche, in den eigenen – abzuwehrenden (gerne auch zu sublimierenden – sexuellen Regungen, im Nachdenken über die immer weiter gehende Sexualisierung in Medien, Netzwerken, Werbung und im menschlichen Zusammenleben? Es wäre daher jedem, der über die menschliche Sexualität nachdenkt, mehr als zu wünschen, dass er selbst einmal Erfahrungen gelingender, liebevoller Sexualität gemacht hat. Nach katholischen Vorstellungen ist das aber für einen zölibatären Priester nur in seltenen Ausnahmefällen möglich. Theoretisches Nachdenken über Sexualität bleibt immer in gewisser Weise “defizitär”. Daher gehört auch der “Sachverstand” von verheirateten Paaren in die Diskussion hinein, ja er sollte auch für die Theologie fruchtbar gemacht werden.

Auf der anderen Seite wird in der Diskussion (beispielsweise über den Zölibat) allzu oft so getan, als ob erfülltes Leben ohne gelebte Sexualität gar nicht denkbar wäre. Auch ist die gesamte Diskussion oft von der Vorstellung dauernder sexueller “Höchstleistungen” bestimmt, die mit dem “Liebesleben” der allermeisten Paare in der Wirklichkeit eher wenig zu tun hat. Hier könnte die Kirche auch jenseits lehramtlicher Positionen hilfreiche Wege aufzeigen. Wenn es uns gelingt, eine Theologie des Leibes, vielleicht sogar eine Theologie der Sexualität zu entwickeln, die es den Christen möglich macht, den Sexualtrieb zu “zivilisieren” oder besser sogar “zu heiligen”, dann wäre das doch ein wirkliches Geschenk für die Welt. Eine Theologie, die nicht von Verzicht und Askese ausgeht, sondern von dem Geschenk, das der Schöpfer uns in der Sexualität gemacht hat.

Wenn es uns gelingt aus der Rolle des Spaßverderbers und Schlafzimmerkontrolleurs herauszukommen; wenn wir durch eine Verkündigung, die das Thema Sex vom Kopf wieder auf die Füße stellt, wieder mit den Menschen ins Gespräch kommen, dann bin ich sicher, dass viele Fragen rund um Treue, voreheliche Sexualität, Empfängnisverhütung wieder richtig gestellt werden können. Ich bin sicher, dass wir damit unseren Zeitgenossen, zumal den Christen und Katholiken unter ihnen helfen, die richtigen Antworten selbst zu finden. Sie werden auf jeden Fall umso richtiger, je mehr wir wieder – auf Augenhöhe – mit ihnen ins Gespräch kommen und mit unserer frohen Botschaft wahrgenommen werden. Auch wenn wir dann damit leben müssen, dass viele zu Antworten kommen, die nicht immer zu 100 Prozent mit der kirchlichen Morallehre deckungsgleich sind. Aber ich bin überzeugt, dass sie dann immer noch näher an der frohen Botschaft Jesu sind als dies heute – weitgehend - der Fall ist.

Donnerstag, 13. März 2014

"Geschwächte Bischöfe" oder "ein deutscher Papst"?

“Habemus Marx” posteten gestern einige Katholiken in die sozialen Netzwerke, als bekannt wurde, dass der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx der neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ist. 
Die weiter gehenden Kommentare hielten sich – interessanterweise – durchaus in der Waage. Die Einen loben Marx dafür, dass er eher konservativ sei. Die Anderen betonten, dass er in jüngster Zeit eher liberale Töne anschlug. Die neue Tagesthemen – Moderatorin Pinar Atalay vermochte ihn im abendlichen Interview nicht eine eindeutige Stellungnahme für die Teilnahme von wiederverheirateten Katholiken am “Abendmahl” festzunageln. Die Medien berichten allesamt recht positiv über den gebürtigen Westfalen, den es ins “barocke” München verschlagen hat. Die FAZ weiß zu berichten, dass die Mehrheit für Marx knapp war. “Die Weihbischöfe” hätten letztlich den Ausschlag gegeben, will Daniel Deckers wissen. Wie er das bei einer geheimen Wahl herausbekommen hat, das wird sein Geheimnis bleiben. Oder hat er einfach nur gerechnet? 63 wahlberechtigte Mitglieder, 27 Diözesanbischöfe, ah – es stimmt: wenn alle Weihbischöfe gegen ihn gestimmt hätten – wäre er es nicht geworden ;-).

Ein “deutscher” Papst sei der Vorsitzende der Bischofskonferenz natürlich nicht, betonten gestern zahlreiche Bischöfe, zuvorderst der Kardinal selbst in seiner ersten Stellungnahme. In seiner morgendlichen Predigt im Paulusdom hatte dieser zwar klar gemacht, dass er theologisch auf einer Linie mit Papst Franziskus liegt; von Auftreten und Habitus kommt der Münchener aber doch ganz anders rüber. Eher der Typ “barocker Fürstbischof”, wie manche Kommentatoren meinten, den Freuden des Lebens nicht abgeneigt, Zigarrenraucher, Gerne – Esser und Trinker (Fresser und Weinsäufer)? Bin ja mal gespannt, wann man sich mit seiner Residenz oder den Bauplänen in der Münchener Innenstadt beschäftigt. 

Nun, wir werden sehen, wie er in den nächsten Jahren der katholischen Kirche in Deutschland ein Gesicht gibt. Es ist ihm – in unser aller Interesse – viel “Erfolg” zu wünschen. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen den Beistand des Hl. Geistes, Kreativität, stets das rechte Wort und Gottes reichen Segen. 

Ein Diözesaner des Limburger Bischofs, der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach nutze die Aufmerksamkeit, die ihm die diesjährige Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe einbrachte, zu einem starken Statement, das er mit den Worten: “Gemeinschaft der Geschwächten” überschrieb. 

“Die Bischofskonferenzen, die erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschaffen worden sind, haben das Amt des katholischen Bischofs demontiert und in einer Weise zum Schrumpfen gebracht, dass von dem eigentlichen Bild, das die Kirche von dem Bischofsamt hat, nicht viel übrig gelassen hat.” Mit dieser steilen These eröffnet er das Gespräch. Ob er da wohl übersehen hat, dass die (nach einigem Vorgeplänkel) am 22. Oktober 1848 erstmals tagende "Versammlung der deutschen Bischöfe" den damaligen Kölner Erzbischof Johannes von Geissel zum Vorsitzenden wählte und dass die deutsche Bischofskonferenz mitnichten eine “Erfindung” des Konzils ist? Nachzulesen ist das in einem interessanten Papier auf: www.dbk.de/fileadmin/redaktion/bildmaterial/ueber_uns/Geschichte-Deutsche-Bischofskonferenz_Langfassung.pdf.

Das Deutschlandfunk-Gespräch erinnert sehr an Mosebachs starkes (und sicher lobenswertes) Engagement für die außerordentliche Form des röm. Ritus und gegen eine “Häresie der Formlosigkeit”. Aber nicht immer ist das II. Vaticanum “Schuld” an allen Mißständen. Im Gegenteil, hier zeigt sich, dass dieses Konzil einer schon länger in vielen Ländern “gelebten” Idee von Brüderlichkeit, Kooperation und Miteinander eine verbindliche Form gab. 

Die Herausforderungen, die mit einem solchen Zusammenschluß verbunden waren, benannten die Bischöfe schon 1867 wie folgt: Sie hielten in der Geschäftsordnung fest, dass sie in den "bischöflichen Conferenzen ... nicht den deutschen Episkopat als eine Gesamtheit" vertreten wollten. Sie beabsichtigen vielmehr, "alle zwei Jahre für die Dauer von höchstens sieben Tagen" in Fulda zusammenzukommen, um "sich persönlich kennen zu lernen", um "das Band der Liebe und der Einheit zu stärken" und "solche Verhältnisse und Maßnahmen zu besprechen und zu berathen, welche die Interessen der Religion in unserer Zeit besonders berühren".

Vom Ende des 2. Weltkrieges bis zu dem, von Mosebach als “Zeitenwende” verstandenen, 2. Vatikanischen Konzil führte wieder ein Kölner Erzbischof, Josef Kardinal Frings, die Deutsche Bischofskonferenz. 

Mosebachs erster (und im Grunde einziger) inhaltlicher Einwand gegen die Neuerung der Bischofskonferenzen ist: “Man hat die Illusion einer Nationalkirche geschaffen, die so in der katholischen Tradition überhaupt nicht vorgesehen ist. Die katholische Kirche kennt nicht die Vorstellung von Nationalkirchen. Jeder Bischof ist in seinem Bistum im Grunde Papst und steht in unmittelbarer Verantwortung, in Äquidistanz zur gesamten Kirche.”

Das ist genau der Einwand, dem die deutschen Bischöfe schon 1867 in ihrer Geschäftsordnung Rechnung trugen. Man wolle gerade nicht den “deutschen Episkopat als eine Gesamtheit” vertreten. Die Interviewerin des Deutschlandfunks, Marietta Schwarz, nennt daher die Argumentation Mosebachs auch eine “sehr intellektuelle Diskussion” und fragt den Autor, ob es nicht sinnvoll ist, dass die Bischöfe ein gemeinsames Gremium hätten. Dieser Einwurf bringt Mosebach dazu, über “Bürokratie, Apparate und Verwaltung” zu lamentieren. 

Nach Mosebachs Meinung ist auch nicht der Vorsitzende entscheidend, sondern die eigentlich machtvolle Position sei die des “Sekretärs der Bischofskonferenz”. Da kann ich Mosebachs Sorge nicht teilen, so wie Kardinal Marx auftritt, halte ich es für undenkbar, dass er sich von einem machtvollen Sekretär gängeln ließe. (Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der gerade im Amt bestätigte Pater Dr. Hans Langendörfer SJ sich selbst so sieht.)

Aber man sollte die Sorge des prominenten Frankfurter Katholiken nicht kleinreden. Zumal Mosebach nicht der Einzige ist, der sich über die rechte Gewichtung, das Gleichgewicht von Papst- und Bischofsamt, Synoden und Konferenzen, Beteiligung und Zusammenarbeit Gedanken macht.

Sicherlich gibt es die Gefahr, dass es zu einer “Schwächung” des einzelnen Bischof kommen kann. Obwohl – wen könnte er konkret meinen? Gerade wurde ein solcher (Erz-)bischof emeritiert, der Kölner Kardinal Meisner. Aber dieser ist doch das beste Beispiel, dass das sein kann – aber nicht muss. Meisner hat sich sicher nicht schwächen lassen und nie hinter Beschlüssen einer Konferenz versteckt. Heute braucht das Bischofsamt – mehr als in der Vergangenheit – eine starke und kommunikative Persönlichkeit, jemanden, der es auch auszufüllen versteht. Allein das Amt macht den Amtsträger noch nicht zum Hirten, Lehrer und Priester. 

Wenn ein Bischof sein Amt in dieser Eigenständigkeit ausübt, aber die Vorteile der gemeinsamen Beratung und des gemeinsamen Auftretens nutzt, dann kann durch eine Bischofskonferenz auch eine neue Stärke möglich sein. Nicht nur für die Bischöfe als “Kollektiv” sondern auch für den Einzelnen in der Kollegialität. 

In den letzten Jahren wurde – im Gegenteil – auch eher die mangelnde Solidarität und Absprache unter den Bischöfen bemängelt. Auch Mosebach sieht die Notwendigkeit der Kooperation der Bischöfe und die Vorteile, wenn Bischöfe miteinander sprechen und sich abstimmen. Er schlägt dafür die Synoden vor und verweist auf die bestehenden Kirchenprovinzen. Es scheint vor allem der “Apparat” zu sein, der ihm ein Dorn im Auge ist. Letztlich bleibt aber die Frage, ob sich in den Augen der kirchlichen und nichtkirchlichen Öffentlichkeit dieser Unterschied überhaupt wahrgenommen würde. Und ob eine Synode ohne eine weitere personelle Unterstützung überhaut arbeitsfähig wäre. 

Martin Mosebachs "stichhaltigstes" Argument ist ja die Frage, ob es durch die Konferenz der deutschen Bischöfe eine Art “Nationalkirche” und eine entsprechendes Bewusstsein gefördert wird, etwas, was in der römischen Weltkirche nicht vorgesehen ist. Angesichts der Entwicklung in der orthodoxen Kirche, wo es zahlreiche autokephale Nationalkirchen gibt – ist die Sorge ja auch nicht unberechtigt. Auf der anderen Seite zeigt aber die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Bischöfe (CELAM, gegründet von Papst Pius XII.) über Landesgrenzen hinweg, dass sich hilfreiche Strukturen der Kooperation auch jenseits von “Nationalkirchen” zusammenfinden können. Wichtig bleibt nur aufmerksam zu bleiben, wo sich Strukturen verfestigen, für die es keinen Sinn und keine Notwendigkeit mehr gibt. 

Gegen den Einwand seiner Gesprächspartnerin beim Deutschlandfunk, dass es doch bedeutsam ist, dass die Kirche mit einer Stimme sprechen könne lobt Martin Mosebach die Vielfalt der Stimmen auch unter den Bischöfen, die er als Reichtum begreift. Für ihn sind durchaus kontroverse Meinungen möglich und immer noch besser als ein schwacher Konsens. Die Interviewerin wendet ein, dass ein Katholik doch Orientierung braucht und ob er die denn eher bei seinem Bischof oder beim Papst in Rom suchen solle? 

Die Antwort Mosebachs ist zwar konsequent auf der Linie seiner Argumentation, aber sie überrascht denn doch: Entscheidend sei für den Einzelnen “sein Bischof. Sein Bischof ist die wichtigste Bezugsperson eines traditionellen Katholizismus. Und dieser Bischof ist heutzutage eingeklemmt in eine Fülle synodaler Gremien in seinem Bistum, die da geschaffen worden sind, und in die Bischofskonferenz, und kann sich im Grunde frei überhaupt nicht mehr bewegen.”

Ob er da ein wenig zu sehr vom Fluß seiner Argumentation gezogen wurde? In vielen Diskussion wird ja genau andersrum argumentiert. Da wird nämlich der vermutete oder bekannte Wille des Papstes immer wieder gern gegen die Meinung eines Bischofs ins Feld geführt. Konservativere Gruppen betonen gern ihre “Rom-” und “Papsttreue” gegen die als allzu liberal zugeordneten Ortsbischöfe. Mosebachs eigenem Bischof wurde in den Querelen von seinen Kritikern zunächst vorgeworfen, dass er eher so etwas wie ein “römischer Beamter” denn der Ortsbischof der Diözese Limburg sei.  

Ich möchte Mosebach deutlich widersprechen. Eine Konferenz der deutschen Bischöfe ist unverzichtbar! Wenn es die nicht schon seit über 150 Jahren gäbe – sollte man sie spätestens heute neu erfinden. In der heutigen Zeit und in der Vielgestaltigkeit und Pluralität des Denkens und Argumentierens und der Lebensentwürfe braucht es ein munteres Miteinander der Bischöfe. 

Einheit und Solidarität fallen nicht vom Himmel und sie stellen sich auch nicht automatisch ein, wenn sie nur laut genug postuliert werden. Das haben die Bischöfe schon 1867 erkannt, als sie sich auf die Fahnen schrieben, dass Ziel der Begegnungen sei: “sich persönlich kennen zu lernen", um "das Band der Liebe und der Einheit zu stärken".

Und das, obwohl die Herausforderungen damals noch nicht so groß waren. Ein Bischof - sagen wir mal im Jahre 1925 - hatte eine deutlich andere Amtsführung als ein Bischof heute. Auch war die Globalisierung noch nicht so fortgeschritten. Den Limburg - Hype hätte es unter den damaligen Bedingungen nie gegeben. Informationen bewegten sich gemächlich auf dem Postweg oder über kirchliche Zeitungen. Die Katholiken in einem Bistum blickten vor allem auf den eigenen Bischof – und auf den Papst in Rom. Beide wurden durchaus als Einheit betrachtet. 

Die heutigen Kommunikationsmittel und die sozialen Netzwerke weiten den Blick enorm. Mit einzelnen Bischöfen kann der “normale” Gläubige sogar bei facebook in Kontakt treten. Neben den eigenem Bischof werden auch die anderen Bischöfe mehr wahrgenommen, ja manche Katholiken haben sich ihren “gefühlten Diözesanbischof” im Internet (oder der Zeitung) selbst ausgesucht. Das zeigte sich nicht zuletzt auch bei Unterschriftenaktionen für Kardinal Meisner, Bischof Mixa oder Bischof Tebartz-van Elst, wo Unterzeichner aus dem gesamten Bundesgebiet (Mosebach würde sagen, der Nationalkirche) kamen. In dieser Situation braucht es soviel Miteinander wie notwendig - im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz - und soviel Eigenständigkeit wie möglich im Rahmen der bischöflichen Amtsführung in einer Diözese oder Kirchenprovinz. Daher wäre ich für das Jahr 1925 vielleicht noch geneigt Martin Mosebach zustimmen - für 2014 kann ich es nicht mehr. 

Auch das wohlfeile Lamento über den angeblichen Apparat und das Eigenleben der Verwaltung kann ich nicht recht teilen. Nach freundlicher Auskunft der Pressestelle arbeiten für die Bischofskonferenz 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedensten Bereichen. (Hier ein Organigramm). Ich denke angesichts der Mitarbeiterzahl der bischöflichen Verwaltungen ist das angemessen. Ohne diese Zuarbeit könnte der neue Vorsitzende Reinhard Kardinal Marx diese Arbeit überhaupt nicht leisten.

Und letztlich: wenn die Bischöfe selbst die Zusammenarbeit suchen und pflegen (trotz mancher von Mosebach sicher richtig benannten Risiken und Probleme) - warum sollte dann Martin Mosebach als dort Außenstehender besser wissen was gut und richtig ist als die Betroffenen selbst? 
Noch nie habe ich in den letzten Jahrzehnten einen Bischof (oder gar einen Papst) gehört, der die Sinnhaftigkeit der gemeinsamen Konferenz in Frage stellte. Wohl aber sehe ich Bischöfe, die für ihre eigenen kirchlichen und christlichen Überzeugungen auch über die Konferenz hinaus mit Wort und Tat einstehen. 

Freitag, 28. Februar 2014

Ich halte zu Müller - ich zu Mixa - ich zu Kasper - ich zu .... Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Weidisch für euch gekreuzigt?

Hat mich eigentlich in der letzten Zeit so wenig in der Kirche aufgeregt, dass ich meinen Blog so vernachlässigt habe? Nein eigentlich gab es ja ausreichend Themen, nur meine Aufmerksamkeit wurde recht unvermittelt auf zwei Tumoren in meinem Körper gerichtet, die eine kräftezehrende Therapie notwendig machen. Aber ich bin zuversichtlich, dass Gott mir Kraft schenkt, diesen Weg zu gehen. 

In den Tagen, als ich diese Diagnose bekam, wurde in der Sonntagsliturgie ein Wort aus dem 1. Korintherbrief gelesen: „Es wurde mir nämlich ... berichtet, dass es Zank und Streit unter euch gibt.  Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus. Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden? ... Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird.“ Dieser Satz begegnet mir immer wieder im Eingangsbereich „meiner“ Pauluskirche. Der Glaskünstler Joachim Klos hatte den Auftrag die Fenster in der Kirche zum Lebensweg des Paulus zu gestalten... Zum Leidwesen mancher Gottesdienstbesucher tat er das zumeist sehr abstrakt, nur dieses Wort im „Paradies“ unserer Kirche, leuchtet dem, der darin eintritt und dem , der die Kirche verlässt in gleicher Weise. 

Wer will leugnen, dass dieses Wort auch heute mitten in das Herz der Kirche spricht. Und für diese Auseinandersetzung fallen mir einige Namen besonders ein, einmal auf der Ebene der Weltkirche, einmal ganz in der Nähe im „Kirchenstreit“ in Emmerich. Vielleicht lasse ich meinen Blick und meine Worte auf ein ganz aktuelle Ereignis fallen, nämlich auf das Konsistorium der vergangenen Woche in Rom. 

Eines kann man dem neu „kreierten“ Kardinal Gerhard Ludwig Kardinal Müller nicht vorwerfen – dass er notwendigen Auseinandersetzungen aus dem Wege geht! Einer seiner Kritiker präsentiert im Internet eine eindrucksvolle Liste von Konflikten: http://sancta-simplicitas.de/wp/bischof-mueller/. Naturgemäß kann man diese Punkte so oder anders betrachten. Der Pressesprecher des Bistums antwortete dem Verfasser denn auch: „Das alles richtig zu stellen, verlangte ein Buch.“ Aber so hartnäckigen wie einseitigen Gegnern wie diesem Herrn Klaus Kegebein aus Lübeck verdankt der Kardinal den Stempel „Panzerkardinal“ (kommt uns das nicht bekannt vor?) oder „hartnäckiger Gegenspieler von Papst Franziskus“. 

In dieses Negativ-Bild fügt sich, dass auf der von vielen Zeitungen berichteten „Gästeliste“ zu seiner Kardinalserhebung zunächst (und immer wieder) die Bischöfe Franz Peter Tebartz-van Elst und Walter Mixa genannt wurden. Das „Wochenblatt“ aus Landshut spitzte sogar eine recht allgemeine Formulierung in der Predigt des neuen Kardinals in der Dankmesse so zu, dass daraus ein „Zuspruch“ vom Kardinal für Bischof Tebartz-van Elst wurde. Schließlich hatte er ja schon in einem Interview darauf hingewiesen, dass er rund um den Limburger Bischof auch zahlreiche übertreibende, herabsetzende und unwahre Berichte gäbe. Wer wird das bezweifeln, wird es uns aktuell in den Spekulationen über den „Untersuchungsbericht“ wieder so bunt wie widersprüchlich vor Augen geführt.

Aber die dauernde Betonung der Namen Mixa, Müller, Tebartz-van Elst im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Kardinalserhebung Erzbischof Müllers (der leider sogar Radio Vatikan erlag) soll offensichtlich deutlich machen, was das für einer ist, dieser Müller. Eben ein ganz Konservativer, ein Anti-Franziskus.

Dabei ist Gerhard Ludwig Kardinal Müller viel facettenreicher als man gemeinhin in Deutschland glaubt. Ausgerechnet der Erzbischof von Lima (wo Müller als Priester einige Male tätig war), Juan Luis Kardinal Cipriani sagte über seinen jetzigen Mitkardinal „Müller ist ein bisschen naiv“, wegen dessen positiver Sicht auf bestimmte Strömungen der Befreiungstheologie und dessen Freundschaft mit dem bekannten Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez. Dagegen sagt der als liberal geltende Honduranische Erzbischof von Tegucigalpa, Óscar Rodríguez Kardinal Maradiaga in einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger: „Ich meine, ich verstehe ihn: Er ist Deutscher - ja, ich muss das sagen, er ist obendrein Professor, ein deutscher Theologieprofessor. In seiner Mentalität gibt es nur richtig oder falsch, das war's. Aber ich sage: "Die Welt, mein Bruder, die Welt ist nicht so. Du solltest ein wenig flexibel sein, wenn du andere Stimmen hörst, damit du nicht nur zuhörst und sagst, nein, hier ist die Wand." Also, ich glaube, er wird dahin gelangen, andere Ansichten zu verstehen. Aber jetzt ist er halt noch am Anfang, hört bloß auf seinen Beraterstab.“

Mir zeigt auch das, das hier ein Mann der Mitte, ein Brückenbauer, wie der stv. Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz der Hildesheimer Norbert Trelle betonte, der (weniger beachtet) zusammen mit Kardinal Meisner, Bischof Voderholzer, Kardinal Marx, Kardinal Wetter und manchen anderen deutschen Bischöfen ebenfalls an den Feierlichkeiten teilnahm. Sogar Kardinal Lehmann (!!!) war mit seinem Weihbischof in Rom, schließlich stammt der neue Kardinal Müller aus dem Mainzer Vorort Finthen. Mehr noch, Müller hat bei Lehmann promoviert und habilitiert. Allein dieser Aspekt sollte die „Panzerkardinal“-Schreiber einfach mal nachdenklich machen. Vielleicht würden Sie einem facettenreichen, vielseitigen Menschen entdecken, wenn denn der Blick mal mehr von der Oberfläche in die Tiefe ginge. 

Die Nennung der beiden „Skandalbischöfe“, die in der konservativen Szene eine nach wie vor hohe Reputation haben, soll wohl vor allem den Zweck erfüllen, sie mit Kardinal Müller in eine eindeutige Ecke zu stellen. Dabei ist es doch kaum verwunderlich, dass beide die Gelegenheit nutzen, einige festliche Tage in Rom zu verbringen. Mag der Limburger Bischof auch schon lange in der öffentlichen Meinung „schuldig“ gesprochen worden sein. Er ist (und wird es auch bleiben) ein freier Mann, der sicher manchen guten Rat von Kardinal Müller bekommen hat. Dieser hat immer zu ihm gehalten hat, da sich dieser in seinem Amt als Bischof nichts zuschulden lassen hat. Es wäre ein Fehler und zeugte von schlechtem Charakter, ihn nun zur „persona non grata“ zu erklären. Selbst wenn Bischof Tebartz-van Elst auf den Limburger Bischofssitz verzichten muss, (weil er und seine Berater einige dicke Fehler gemacht haben) so ist ihm doch auch in diesen Monaten in der Öffentlichkeit Unrecht getan worden. Es ist ihm zu gönnen, dass seine Freunde ihm die Freundschaft nicht aufkündigen und zu ihm stehen – trotz seiner Fehler. Und auch wenn Bischof Mixa in seiner Zeit als Pfarrer und Verantwortlicher für ein Waisenhaus Fehler gemacht hat, so ist er doch keiner Straftat angeklagt worden und sicher nicht der sadistische Menschenquäler, als der er in der Öffentlichkeit präsentiert wurde. 

Für mich ist es wenig verwunderlich, dass Papst Franziskus an seinem Präfekten der Glaubenskongregation fest hält. Er hat damit einen profunden Kenner der Theologie, gerade auch der deutschen Theologie an seiner Seite, jemanden der die Wahrheit sagt und danach handelt, sei es gelegen oder ungelegen, einen auch auf evangelischer Seite geschätzten Theologen, der lange Jahre „Ökumenebischof“ in Deutschland war, einen international vernetzten Kirchenmann und Seelsorger. Und auch für die „progressive Seite“ lohnt es sich, die Texte von und Interviews mit Kardinal Müller einmal in Ruhe zu lesen und nicht gleich bei jedem Reizwort zu zucken.

Ich freue mich sehr, dass Gerhard Ludwig Kardinal Müller „unser Mann in Rom“ ist und bleibt. Ich gratuliere ihm von Herzen zu seiner neuen (B/W)ürde; wünsche ihm Gottes reichen Segen für seinen wichtigen Dienst und das spürbare Geleit des Hl. Geistes. Es war doch auch schön und menschlich zu sehen, wie er an diesem Tag glücklich war und wie er seinen Mitkardinälen, dem Papst und dem emeritierten Papst Benedikt begegnete. Sehr menschlich und nah!

Und, um noch mal auf Paulus zurückzukommen; es ist ein Fehler, wenn in der Kirche die einen sagen, „ich halte zu Franziskus, und zu Karl Lehmann und zu ... und die anderen Reihen sich hinter den „Märtyrerbischöfen Mixa oder Tebartz-van Elst“ oder unterstützen Kardinal Kasper in seiner Verkündigung des Evangeliums von der Familie oder setzen Kardinal Müller dagegen der – zu recht sagt: „An der kirchlichen Ehelehre wird nicht gerüttelt“. 

Ähnlich klingt es in diesen Tagen aber auch in einem etwas weniger wichtigen katholischen Ort als Rom. Er liegt auch nicht am Tiber, sondern direkt am Rhein. In Emmerich hat der dortige katholische Pfarrer Karsten Weidisch (halb freiwillig) den Bischof von Münster, Felix Genn um Entpflichtung von seinem Amt gebeten. Er leitete dort seit wenigen Jahren eine Seelsorgeeinheit mit sieben Kirchen. Allein, und unter diesen Umständen wollte auch sein junger Kaplan Christian Olding seine Dienstzeit in Emmerich nicht zu Ende führen und daher schon im Sommer 2014 die Stelle wechseln. 

Grund für die Demission war die hartnäckig von einer Gruppe Gemeindemitgliedern vorgebrachte Kritik am Leitungs- und Arbeitsstil des jungen Emmericher Pfarrers. Womit wohl weder einer der Kritiker gerechnet hatte, noch der Münsteraner Bischof, noch die Seelsorger selbst, das war eine Welle der Solidarität aus Emmerich und Umgebung. Pfr. Weidisch hatte offensichtlich harte Kritiker aber auch zahlreiche Freunde, Fans und Unterstützer. Innerhalb von Stunden hatte eine fb-Gruppe deutlich über 1.000 Unterstützer gesammelt. Heute sind es schon beinahe 3.000. 

Das Bistum Münster ließ daraufhin eine zeitnah angesetzte öffentliche Aussprache aussetzen, da man Sorge hatte, dass eine Veranstaltung mit hunderten von Diskutanten nur daneben gehen kann, zumindest wohl kaum in einen echten Dialog mündet. 
Daraufhin organisierten die Unterstützergruppen eine Menschenkette, die als Protestaktion mehr als 1.000 Anhänger von Pfarrer und Kaplan auf die Straßen brachte. Hier wurde ein Plakat gezeigt und oft fotografiert, dessen Aufschrift mich ebenfalls sehr an den Paulus – Text erinnerte: „Christus-Nachfolge gelingt nur mit Karsten Weidisch“ - stand unter anderem darauf. 

Die Namen der beiden Geistlichen sind in aller Munde: Karsten Weidisch + Christian Olding werden im Tandem genannt. Der eine ohne den anderen, das scheint in Emmerich nicht vorstellbar. Kirche in Emmerich ohne Weidisch und Olding – da bleibt offensichtlich nichts. Ein Blick auf die Gemeindehomepage zeigt, dass zum Seelsorgeteam noch zahlreiche aktive und emeritierte Priester, Diakone und pastorale Mitarbeiter gehören. Aber von ihnen ist (mit Ausnahme eines Diakons) wenig zu hören und zu sehen. Alles spitzt sich auf Stadtpfarrer und Kaplan zu. Eine eigenartige Entwicklung. Während inzwischen vom Papst bis zu „Wir sind Kirche“ auf breiter Front die Verantwortung der Laien, der normalen Gläubigen eingefordert wird scheint in Emmerich die Kirche ohne die beiden leitenden, aktiven Priester vor dem Untergang zu stehen. 

„Veni ohne Olding ist wie Knast ohne Türen.“ stand auf den Protest-T-Shirts der Emmericher Jugendkirchenengagierten zu lesen. Mir kommt zunächst in den Sinn: „Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad“. Aber trotz der ironischen Formulierung soll es wohl doch sagen: Ohne den Kaplan geht es nicht weiter. Und der ergänzt: „Ohne den Pfarrer kann ich nicht weiter machen“ und hat folgerichtig seine Versetzung für den Sommer erbeten. 

Etwas kopfschüttelnd verfolgt man aus der Distanz die Aufregung, die Ungeduld und die Aktivitäten in Emmerich. In höchsten Tönen werden die Priester gelobt. Tausend Leute gehen auf die Straße, noch mehr unterschreiben Solidaritätslisten, fast dreitausend klinken sich in eine pro weidisch/olding – Gruppe bei facebook ein. Beeindruckend! Offensichtlich haben die Beiden vieles (fast alles) richtig gemacht. Junge Leute kommen wieder in die Kirche. Die „Veni“-Gottesdienste sind voll wie Weihnachten, die Gruppe muss sogar auf „Tournee“ gehen. Von Kindern bis zu Greisen lassen sich alle von diesen „anderen“ Gottesdiensten beeindrucken und berühren. Die Zutaten: moderne Medien, Filmausschnitte, farbiges Licht, Nebelmaschine, kreativ gestaltete Symbole, ein junger, moderner Prediger/Priester, der die Sprache der Zuhörer spricht. 

Bei Facebook bringt das jemand so ins Wort: „Ich ... habe Herrn Pfr. Weidisch mit der Schulgemeinschaft meiner Kinder in der Josefskirche in Cloppenburg erleben dürfen. Er versteht es die heutige Jugend zu begeistern und mit einzubeziehen. Der ganze Altarraum stand am Ende voll mit lachenden Gesichtern. Seine moderne Art zu entertainern erfrischt und belebt die Kirche und es ist traurig, dass alte konservative Strukturen sich wieder durchsetzten um das gute und moderne nicht zu zulassen.“ Die Dame bringt die Situation sehr schön auf den Punkt. Das könnten sicher die Meisten der Unterstützer so unterschreiben. 

Und trotzdem gibt es in Emmerich neben der pro Weidisch – Fraktion eine (kleine) contra Weidisch – Fraktion. Und die hat offensichtlich erbitterten Widerstand geleistet. Die Querelen begannen schon kurz nach dem Amtsantritt. Und hielten durchgehend an, von Anfeindungen, Hass, nächtlichen Anrufen, Briefen und Leserbriefen berichtete Pfr. Karsten Weidisch und letztlich bot er aus diesem Grund auch dem Bischof den Rücktritt an. Der Konflikt habe sich auf ihn zugespitzt und personalisiert sagte er nach einem abendlichen Gottesdienst in Xanten dem ZDF. Daher habe er um seine Entpflichtung gebeten, in der Hoffnung, dem Konflikt damit die Grundlage zu entziehen. 

Was konkret an seiner Amtsführung und an seinem Stil Kirche zu gestalten den Kritikern missfällt, das kommt nur langsam an die Oberfläche. Die Kritiker melden sich nur verhalten zu Wort, sind offensichtlich eingeschüchtert von der Welle der Solidarität und fürchten, ins Hintertreffen zu geraten. Es wurde sogar von Gebetswachen von Weidisch – Unterstützern vor der Tür persönlich bekannter Kritiker berichtet. Inzwischen haben sich einige Kritiker per Zeitung anonym zu Wort gemeldet und von persönlichen Verletzungen und einem Pfarrer berichtet, der durchaus hart für seine Überzeugungen zu kämpfen und sich durchzusetzen weiß. Und es scheinen auch mehr zu sein als eine kleine "kritische Gruppe". 

Die meisten „Schläge“ bekommen jetzt die Verantwortlichen des Bistums unter dem Bischof. In einer Wochenzeitung wurde schon die Idee vorgetragen (angeregt durch einen Witz der Vorsitzenden des Rates des Seelsorgeeinheit), man könne doch eine katholische Freikirche gründen und die beiden Priester selbst anstellen. Zahlreich sind die Drohungen, man wolle aus der Kirche austreten, wenn das Bistum nicht einlenke. In zahlreichen – auch überregionalen Zeitungen – wurde berichtet, der Kern des Problems seien die „modernen Priester“, die dem Bischof und einigen Konservativen vor Ort ein Dorn im Auge seien. Die Unterstützer des Pfarrers argumentieren: „Endlich seien die Kirchen wieder voll...“ - und in der Tat sind die „Veni“-Jugendgottesdienste ja voller junger und alter Menschen. Aber darüber scheinen die Meinungen gar nicht auseinander zu gehen. Auch das Bistum lobe diese alternativen Gottesdienste, ebenso die Gruppe der Kritiker. 

Das Bistum setzt jetzt auf Gespräche zwischen Kritikern und Verantwortlichen in der Seelsorgeeinheit, der Pfarrer ist freigestellt und vertritt den Inselpfarrer auf Langeroog, in der „pro Weidisch + Olding – Gruppe bei facebook machen sich einige einen Spaß daraus „Maulwürfe“ zu entdecken und Leute anzugreifen, die auch mal etwas „Nachdenkliches“ oder etwas „pro Münster“ - gegen den „Mainstream“ der Gruppe schreiben. In all dies spielen auch die echten und vermeintlichen Kirchenskandale in Vergangenheit und Gegenwart mit hinein. 

Viele sehen in Bischof Oscar Romero einen bedeutenden Bischof, einen Kirchenreformer, einen Märtyrer, der stets auf Seiten der Armen, der kleinen Leute stand, einen Heiligen. Aber wer kennt seinen Wahlspruch? Es ist ein Wort des Gründers der Jesuiten, des Hl. Ignatius und wohl auch das Geheimnis seines Engagements: »sentire com ecclesia« - »Sentir con la iglesia« – »Mit der Kirche fühlen«. Ein tiefer Satz, in dem auch der Weg verborgen liegt, der zu einer erneuerten Kirche im Sinne von Papst Franziskus führen könnte. 

Mich macht das alles sehr nachdenklich. Was ist los mit der Kirche Christi? Wie kann die verbindende Kraft seiner Botschaft wirksamer werden? Was können wir „normalen Seelsorger“ und „normalen Laien“ ohne „Fan-Gruppen“, ohne Nebelmaschinen und mit geringeren Fähigkeiten zum „Entertainern“ dazu beitragen?

Ich glaube, ich muss es doch wieder mit Paulus halten und darf nicht sagen: „Ich gehöre zu Kasper, ich zu Müller, ich zu Weidisch, ich zu Christus.“ Ist Christus [etwa] zerteilt? Ist denn Tebartz-van Elst für euch gekreuzigt worden? Oder seid ihr auf den Namen des Franziskus getauft?“

Und besonders beeindruckt mich angesichts all dieser Dinge sein abschließender Satz. Und der gibt mir in seiner selbstbewussten und demütigen Bescheidenheit Kraft: „Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird.“

Sonntag, 22. Dezember 2013

"Geld oder Glauben!" - Limburg, ein problematisches, protestantisches, verwildertes Bistum?

Eigentlich mag man über das Thema „Bischof Franz Peter Tebartz-van Elst“ nichts mehr hören. Seit dem „Höhepunkt“ des Dramas und dem Beginn der „Auszeit“ des Bischofs im Kloster Metten hoffte man als Katholik eigentlich auf Ruhe und auf eine weise Entscheidung des Hl. Vaters in Rom (nach der Auswertung aller Akten und Unterlagen durch die Kommission der deutschen Bischöfe). 
Doch irgendwie fühlen sich immer wieder einzelne oder Interessengruppen bemüßigt hier „nachzulegen“ und das Feuer rund um Bischof Franz-Peter am Kokeln zu halten. Dabei gönnt man ihm nach dem medialen Trommelfeuer die Atmosphäre und Ruhe des Klosters von ganzem Herzen. 
Doch nun, kurz vor dem „Fest der Liebe“, kurz vor Weihnachten erscheinen in zwei betont kirchen- und Romtreuen Publikationen zwei bemerkenswerte Texte. In der ZEIT äußerte sich zudem noch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der nach dem Verständnis des (seines) Bischofsamtes „nach Limburg“ gefragt wurde. Zweifellos kennt Overbeck aus der gemeinsamen Münsteraner Zeit seinen Limburger Mitbischof besser als jeder andere. Daher wurde die folgende Frage und ihre Antwort auch gern interpretiert: Christ & Welt: „Könnten Sie sich vorstellen, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst nach Limburg zurückkehrt?“ Overbeck: „Es gibt Leute, die es hoffen, und solche, die es nicht hoffen.“ Vergessen habe ich natürlich auch den Einsatz der Erzbischöfe Müller und Gänswein aus dem Vatikan für ihren Limburger Mitbruder nicht. Ich gehe zum Abschluß dieses Beitrags darauf ein. 

Aber zurück zu den beiden Texten, um die es mir heute geht. Es ist einmal ein Interview mit dem bisher allseits anerkannten Limburger Generalvikar Wolfgang Rösch, das von zahlreichen anderen Medien begierig aufgenommen (und teils zugespitzt) wurde. (Man sollte unbedingt das gesamte Interview lesen: http://www.die-tagespost.de/Wie-in-der-klassischen-Tragoedie;art456,148395)
Regina Einig fragt ihn: „Ein Kenner des Bistums – Kardinal Lajolo – verortet die Ursache für den Konflikt tiefer. Nach seinem brüderlichen Besuch erklärte er, er habe in seinen Gesprächen feststellen können, dass „die Spannungen latent schon über Jahrzehnte existieren und jetzt eben offen zutage treten“. Ist Bischof Tebartz-van Elst eine Projektionsfläche für Spannungen, die das Bistum seit Jahren in sich trägt?“ 
Wolfgang Rösch antwortet sehr entschieden: „Eindeutig nein. Denn dann ginge es in Wirklichkeit um ein renitentes Bistum. Dieses Deutungsmodell ist mir zu einfach. Das Bistum Limburg ist genauso katholisch wie andere und hat eigentlich immer eine gute Kultur gehabt. Den Prozess, der in den Konflikt hineininterpretiert worden ist – ein Bistum, das sich sehr stark von Rom losmacht – gibt es nicht. Wir haben viele Priester und pastorale Mitarbeiter, die in Rom studiert haben, unter ihnen etwa der Weihbischof und ich.“ 
Frau Einig hakt nach: „Nicht einmal das Domkapitel hat damals widersprochen. Wenn Kardinal Lajolo nur etwas in den Konflikt „hineininterpretiert“ hat – warum wird seine Einschätzung von vielen Gläubigen im Bistum Limburg nachvollzogen? Die Affäre Bafile, der Konflikt um den Ausstieg des Bistums aus der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung sind Fakten. Vor allem der synodale Weg hat eine Mentalität geprägt, in der „Limburger Wege“ in der Praxis nicht unbedingt etwas mit dem Kirchenrecht zu tun haben brauchen.“ 
Der Generalvikar antwortet: „In den siebziger Jahren gab es bei uns vielleicht wirklich Demontagevorstellungen, als wir diesen Weg als erste Diözese ausexperimentierten. Dann haben wir die ersten Laien in die kooperative Pastoral einbezogen. Das war anfangs eine Klerikalisierung von Laien. Man hat ihnen auch Unrecht getan. Wir führen aber mittlerweile andere Diskussionen. In den neuen Pfarreien gibt es Pastoralteams, in denen die Pfarrer eine ganz andere Leitungsfunktion haben als vor zehn Jahren. Die Suchbewegungen der 70er und 80er Jahre haben wir hinter uns. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass uns die Beratungsgeschichte unter Bischof Franz Kamphaus jetzt noch einmal unterschwellig einholen würde. Als Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst aus einer anderen Kultur hierherkam, fing es gar nicht schlecht an. Am Anfang gab es eine Öffnung der Diözese auf ihn hin. Wir stehen stärker in einer gesunden Ekklesiologie. Ich merke das heute bei der neuen Generation von pastoralen Mitarbeitern und ihrem stärkeren sakramentalen Kirchenverständnis.“
Der Generalvikar bemüht sich sehr um Versöhnung in seinem tief gespaltenen und verletzten Bistum. Er verteidigt den Bischof gegen ungerechtfertigte Kritik, versucht aber auch die Kritiker ernst zu nehmen. Man sollte dabei auch im Blick haben, dass Wolfgang Rösch von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst selbst als Generalvikar ausgewählt wurde. 

Gleichzeitig nimmt sich auch das VATICAN-Magazin erneut des Themas an. Monika Metternich hat sich dazu in die Altstadt von Limburg begeben und auf Straßen und in Kneipen die Leute befragt. Das idyllische Städtchen an der Lahn kommt dabei nicht gut weg. „Klaustrophobisch“ seien die Gassen, nur der Domberg mit Georgsdom und bischöflichem Haus gebe Platz zum Atmen. Der allgemein gut situierte (wohlhabende) Limburger wollte halt wieder einen Bischof zum Anfassen, einen Kumpel wie Kamphaus, nicht so einen, wie den Bauernsohn vom Niederrhein. Die ganzen kirchenpolitschen Hintergründe seinen dem normalen Limburger eigentlich egal. Man wolle einen Bischof als eine Art Pastor von nebenan. 
Bei der Lektüre dieses Artikels fragte ich mich, ob es zielführend ist, die Kulisse des Dramas möglichst dunkel zu zeichnen, damit der „Held“ oder gar der tragische Held möglichst helle leuchtet bzw. die Story noch zusätzlich dramatisiert wird. Ich war mehrfach in Limburg, das ich als wunderschönes Städtchen erlebt habe. Fahren Sie doch mal selbst hin!
Der eigentliche Artikel in dem aktuellen Heft (wurde inzwischen - nach der Veröffentlichung des Prüfberichtes der DBK Ende März 2014 aus dem Netz entfernt). „LIMBURG. Psychogramm eines Problembistums, Zwischen der Burg Eltz und dem Georgsdom.“ 

Interessanterweise nimmt der Autor den recht originellen Aspekt auf, dass die Burg Eltz (als Stammsitz der Familie des Frankfurter Stadtdekans Johannes Eltz) den 500 – Mark – Schein zierte und der Limburger Georgsdom den 1.000 – Mark – Schein. Das ist aber auch schon der einzige Aspekt, der in dem Artikel aufmerken lässt. Ansonsten zeichnet der Autor ein erstaunliches Zerrbild der Pastoral in der Limburger Diözese, das der verzerrten Darstellung des Limburger Bischofs in manchen Presseartikeln der letzten Monate in nichts nachsteht. 
Zunächst aber beschäftigt er sich anhand der beiden inzwischen wertlosen Geldscheine mit den beiden Kirchenmännern, die der Limburger „Provinzposse“ ein Gesicht geben, nämlich Franz-Peter Tebartz-van Elst und Johannes Graf von und zu Eltz. Zwischen diesen lägen „mindestens Lichtjahre“. Das Stichwort nimmt er so ernst, dass er zunächst den Bischof über den grünen Klee lobt und vom Domkapitular offensichtlich weniger als „Wikipedia“ - Kenntnis hat. Letztlich aber muss der Domkapitular dann doch dafür herhalten, dem Artikel die „entscheidende Wende“ zu geben, denn in einem internen Brief des Frankfurter Stadtdekans schreibt dieser, dass es in der Auseinandersetzung auch um einen „Kampf um den Kurs der Kirche in Deutschland“ gehe, „in dem unserem Bischof eine wichtige Rolle zugedacht war“.
Diese Bemerkung schrieb der Limburger Domkapitular allerdings nieder, als sich schon zeigte, dass es interessierte Kreise gibt, die die Auseinandersetzungen in der hessischen Kleinstadt zu einem Kirchenkampf unter „Deutschkatholiken“ aufladen wollten.

Zunächst schildert der Text die jahrzehntelangen Pontifikate der Bischöfe Kempf und Kamphaus aus der sehr verengten Perspektive der „Affaire Bafile“, wo es um die synodalen Strukturen und die Beteiligung von Laien und Klerus an der Leitungs des Bistums ging und dann der „Streit“ um den Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung. Angesichts der Tatsache, dass er damit einen Zeitraum von 1949 bis 2007, also beinahe 60 Jahre beschreibt, erscheint diese Argumentation etwas dünn. „Das Bistum Limburg wirkte irgendwann wie das gallische Dorf in den Asterix-Heften. Als mit Tebartz-van Elst ein Statthalter Roms zum Häuptling gemacht wurde, begannen die unbeugsamen Bewohner schnell, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Aus vatikanischer Perspektive erscheint Limburg als problematisches, protestantisches, um nicht zu sagen: verwildertes Bistum. Vieles, was sich hier eingeschliffen hat, jagt Verteidigern der reinen römischkatholischen Lehre einen kalten Schauder über den Rücken.“ 

Von dieser Stelle an fragt man sich, ob der Artikel direkt von der Homepage der Piusbruderschaft (die manchmal genüsslich (und oft zu Recht) liturgische Fehlentwicklungen aufspießt) entnommen wurde, denn anhand von – nicht im Einzelnen belegten – Fehlentwicklungen zeichnet der Autor ein Bild des pastoralen Lebens im Bistum, dass selbst einem eher liberalen Kirchentreuen einen „kalten Schauer“ über den Rücken jagen müsste. Ich habe zunächst einmal nachgesehen, ob der Artikel als Polemik oder als Glosse zu lesen ist, aber nein, es ist völlig ernst gemeint, wenn es heißt: Tebartz-van Elst „sah sich offenbar vor die Aufgabe gestellt, wieder eine klare Struktur in den verwilderten Garten zu bringen“ ... doch „mit Belehrungen und Entscheidungen „von oben herab“ können die Limburger ganz und gar nicht umgehen.“
„Diese Schwäche“ habe „maßgeblich mit dem „Synodalen Weg“ zu tun, der das hierarchische Gefälle zwischen Klerikern und Laien nach knapp zweitausend Jahren Kirchengeschichte einebnete.“ In Limburg "schlurfen die Priester offensichtlich „in Jeans und Schlabberpulli herum“ und „fahren Motorrad“. „Neben dem Pfarrer steht heute vielerorts eine Pastoralreferentin am Altar, die im weißen Gewand mit bunter Stola sehr priesterlich wirkt und obendrein die Predigt hält. Wie Marianne und Michael durch eine Volksmusik-Show führen die beiden gemeinsam durch die Liturgie.“ In Limburg feiere man „eine Kartoffelmesse, in der nicht Brot und Wein, sondern zur Abwechslung mal die Kartoffel im Mittelpunkt stand...“ Dem folgen noch eine ganze Reihe liturgischer Fehlleistungen mit dem Fazit: „Eine von A bis Z ordnungsgemäß gefeierte Messe ist in Limburg eine Rarität.“ Und letztlich: „Christi Blut wird im Bistum Limburg voraussichtlich bis zum jüngsten Tag „für euch und für alle“ vergossen werden.“ Am Ende habe sich der „Limburger Reformeifer“ in „fragwürdigen Kirchenbauten niedergeschlagen“, in denen „die Gläubigen an halb gedeckten Tischen die Heilige Messe“ feierten und „dann werden Leberkäs’ und Kartoffelsalat aufgetragen.“ Der graue Beton dieser „Bauten aus den 1960 und 70er Jahren“ ersticke „jeden Anflug von Feierlichkeit im Keim.“

Weiter klingt es als sei unter den Bischöfen Kempf und Kamphaus eine Art Bildersturm von Zwinglis Gnaden durch das Bistum gefahren. Beichtstühle und Kniebänke seien abgeschafft worden, der Bischof (Kamphaus) sogar auf dem „offiziellen Bischofsportrait“ im Zivil zu sehen, mit einer „Baskenmütze à la Che Guevara auf dem Kopf“. Ich finde im Netz Kamphaus entweder im bischöflichen Ornat oder mit Priesterkragen. Eine „Baskenmütze“ wird hierzulande von so vielen älteren Priestern getragen, dass sie sich beinahe schon als Erkennungszeichen eines Priesters eignet. "Googeln" Sie doch mal selbst!
Am Ende kommt der Autor zu der Überzeugung, dass der Schaden nach den Auseinandersetzungen wohl irreparabel sei. Das „Etikett „Protzbischof“ würde Tebartz-van Elst wahrscheinlich "auch dann noch aufgeklebt, wenn er für den Rest seiner Tage barfuß und im Büßergewand herumliefe.“ Und auch Domkapitular zu Eltz sei wohl „am Ende der Karriereleiter angelangt“. 
Am Anfang des Artikel wollte ich – für einige Zeilen – dem Autor noch zustimmen. Am Ende seines Textes gibt er mir doch noch einmal die Möglichkeit in Ruhe Luft zu holen, wenn er über Versöhnung schreibt und Paulus zitiert: „Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat“ und „Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ Wie gut, wenn das Gotteswort unserem Menschenwort dann doch wieder etwas „frische Luft“ einhaucht. 

Es erstaunt, dass im Vatikan - Magazin so in Bausch und Bogen die Priester und Kirchenverantwortlichen eines Bistums schlecht geschrieben werden. Man sollte eigentlich voraussetzen, dass man aus eigener Praxis zumindest bei den Recherchen gut gefeierte Liturgie erlebt hat... Ich will nicht bestreiten, dass es auch die andere Seite gibt, halt "liturgischer Schwachsinn", aus dem Gefühl heraus, auf gewisse/gefühlte Wünsche der Gläubigen eingehen zu müssen. 
Ich kann nur von wenigen eigenen Erfahrungen mit Gottesdiensten im Bistum Limburg berichten. Aber im Limburger Dom und in der Abtei Marienstatt habe ich eine sehr schöne würdige Liturgie erlebt. Bischof Kamphaus habe ich einige Male bei Katholikentagen als Zelebranten erlebt. Und von den Gottesdiensten in der Frankfurter Gemeinde in der Verantwortung des Domkapitulars Johannes zu Eltz ist von solchen liturgischen Fehlentwicklungen ebenfalls nichts zu hören, im Gegenteil. Daher fällt es mir schwer, einem solchen Zerrbild Glauben zu schenken. Und noch schwerer fällt es mir, in Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst eine Art Don Quichote zu sehen, der gegen die Windmühlenflügel des Liberalismus im Bistum kämpfte. 

Ich finde es ärgerlich, oder sogar schon perfide, wie in dem durchsichtigen Anliegen, den amtierenden Limburger Bischof zu entlasten, das Lebenswerk seiner Vorgänger in den Schmutz gezogen wird. Auch des noch lebenden Vorgängers übrigens, der bis heute treu seinen seelsorglichen Dienst im Bistum Limburg tut und der seinem Nachfolger, den er bisher mit keiner Silbe kritisiert hat, Loyalität entgegen bringt. Die Auseinandersetzung um den richtigen Weg, eine Frau von der Absicht abzubringen, das Leben des in ihr heranwachsenden Kindes zu beenden kann auch nicht als Indiz für eine pauschal romkritische Haltung des Limburger Bischofs missbraucht werden. Im Ziel, dem unbedingten Schutz des menschlichen Lebens im Mutterleib zu sichern, waren sich alle Beteiligten damals einig. Der Streit ging um die Frage, ob die Mitwirkung im staatlichen Beratungssystem in der Öffentlichkeit letztlich falsch verstanden werden könnte. Hier hatte der bodenständige Bauernsohn aus Westfalen die feste Überzeugung, dass das Leben der Kinder besser geschützt werden kann, wenn die Kirche ihre Stimme im Beratungssystem des Staates erheben kann. Wer will ihm das vorwerfen?

Ich halte es daher eher mit dem Limburger Generalvikar Wolfgang Rösch und bin froh, dass er in Rom sicher mehr Gehör findet als manche andere Stimme. Und ich bin sicher, dass das dem Menschen Franz-Peter Tebartz-van Elst und seinem zukünftigen Engagement mehr nutzt, als alle kirchenpolitische Verzweckung der Causa. Ich hielte es für fatal, würde man nun – im sicher ehrenwerten Bestreben dem Limburger Bischof „Gerechtigkeit erfahren zu lassen“ - die Fähigkeit der Gläubigen und Verantwortungsträger im Bistum zu Versöhnung und Vergebung - durch die Rückkehr des Bischofs quasi testen und erzwingen wollen. Es gibt im menschlichen Leben die Erfahrung, dass tiefe Wunden geschlagen wurden, die auch nach einem Neuanfang bluten und schmerzen und das Miteinander über Jahrzehnte schwer beeinträchtigen. Ich würde es auch Bischof Franz-Peter gönnen, dass man ihm einen echten Neuanfang ermöglicht. 

Zwei bedeutsame Stimmen aus dem Vatikan habe ich am Anfang des Artikels nicht zu Wort kommen lassen. Mancher Leser wird das schon vermißt haben. Ich hole es an dieser Stelle gerne nach, zumal ich die beiden Erzbischöfe Gerhard Ludwig Müller und Georg Gänswein ausgesprochen schätze. Der Glaubenspräfekt stellt sich – wiederholt – eindeutig hinter den Limburger Bischof und erklärt im FOCUS: „Wenn ihm in Bezug auf seine Pflichten als Bischof nichts vorzuwerfen sei, müsse „die Gerechtigkeit und nicht das Kalkül Vorfahrt“ bekommen. Es ist ja in der Tat so, dass dem Bischof in Bezug auf seine bischöflichen Pflichten nichts vorzuwerfen ist, im Gegenteil. Was immer man an Geistlichem von ihm zu lesen oder zu hören bekam war saubere Theologie. Im Bistum hat er geistlich anregende Prozesse angestoßen und mit persönlichem Einsatz begleitet. Seine Fehler lagen auf einer Ebene, die weniger mit den originären bischöflichen Pflichten zu tun hat. Und natürlich hat der Erzbischof absolut recht, wenn er sagt. „Kein Gremium könne sich anmaßen und sagen "der hängt von unserem Vertrauen ab, oder wir wollen ihn nicht mehr haben".“ 
In der Monatsschrift Cicero äußerte Erzbischof Georg Gänswein, dass die „Deutsche Bischofskonferenz kein Recht habe, den Rücktritt des umstrittenen Limburger Bischofs zu fordern. Die Bischofskonferenz habe keine Jurisdiktion über einen Diözesanbischof.“ Völlig richtig! Allerdings war mir bis dato auch noch nicht zu Ohren gekommen, dass ein deutscher Bischof einen Rücktritt gefordert habe. Was Georg Gänswein dazu bringt, sich auch in anderen Formulierungen ohne klaren Grund mit den deutschen Bischöfen über Kreuz zu legen, erschließt sich mir nicht. Sehr bedauerlich – auch in der Außendarstellung. 
Ich kann nur eine Motivation vermuten, er möchte wirklich gern in Rom bleiben und vermeiden, dass ein deutsches Domkapitel ihn auf einen vakakanten oder demnächst vakanten Bischofssitz in Freiburg oder Köln, Hamburg oder Passau – oder gar Limburg wählt. Cicero fasst die Meinung des Präfekten des päpstlichen Hauses so zusammen: „In Limburg „geht es, tiefer gesehen, um Glaubens- und Richtungsfragen. Führt Bischof Tebartz-van Elst seine Diözese als katholischer Bischof – oder will das Bistum einen Sonderweg beschreiten?“ Das „laute Geheul um die Ausgaben“ sei „nicht der wahre Grund für den Streit“. Es gebe in Limburg „Strömungen, die andere Ziele haben als eine Klärung finanzieller Verantwortlichkeiten“.“ Leider ist Cicero an hiesigen Kiosken nicht verfügbar, der genaue Kontext wäre sicher hilfreich. 

Aber da ist sie wieder, die Thematik, die zunehmend zur „Kulisse“ des Limburger Streits um Führungsstil, Baukosten und unwahrhaftige Aussagen eines Bischofs ausgebaut wird. 
Natürlich haben alle Verfechter dieser Position nicht unrecht. Es geht in Deutschland (und in anderen Ländern) auch um den „Kurs der Kirche“. Allerdings kann (und sollte) dieser Streit nicht stellvertretend anhand der Ereignisse auf dem Limburger Domberg ausgetragen werden. Dieser Streit, diese Auseinandersetzung sollte in einer brüderlichen und versöhnlichen Weise im Rahmen eines sinnvollen Dialogprozesses, im Rahmen der Diskussionen in der Bischofskonferenz geführt werden. Es sollte uns Katholiken doch gelingen einen gemeinsamen Weg zu finden, mit dem wir dem Aufruf Jesu „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ so nahe als möglich kommen. Nur so können wir der großen Aufgabe der neuen Evangelisierung gerecht werden, die der Hl. Vater Franziskus in seinem Schreiben Evangelii gaudium so anregend und überzeugend skizziert.