Sonntag, 22. April 2012

Bericht von der Wallfahrt zum Hl. Rock nach Trier: 2. Teil

(Bitte lesen Sie zunächst den ersten Teil des Berichtes http://www.kreuzzeichen.blogspot.de/2012/04/bericht-von-der-wallfahrt-zum-hl-rock-1.html)
Ebensowenig hat sich bis heute ein Betrug beweisen lassen. Letztlich aber kommt es auch weniger auf einen eindeutigen Beleg der Echtheit an. Als Christen haben wir ein Sakrament, das noch viel mehr auf Christus verweist, als es ein Textil jemals könnte. „Nehmt und esst alle davon“ so hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt. Dieses Brot „ist mein Leib“. Wie sollte jemals ein Textil, das Christus getragen hat, bedeutungsvoller werden als dieses Zeichen seiner Gegenwart in unserem Leben. Dieser bedeutungsvolle Zusammenhang wurde auch dadurch unterstrichen, dass in vielen Kirchen rund um den Dom den ganzen Tag über die Hl. Eucharistie zur Anbetung ausgesetzt war.
Dennoch machte die Begegnung mit den vielen Christen aus aller Welt und die Begegnung mit diesem, seit Jahrtausenden verehrten Kleid die Pilger still und nachdenklich. In der Bibel wird berichtet, dass einmal eine kranke Frau das Gewand Jesu berührt hatte. Sofort spürte sie, dass sie geheilt war und Christus spürte, dass von ihm eine Kraft ausgegangen war. Er blickte die Frau an und sagte ihr „Dein Glaube hat Dir geholfen!“. Jeder Pilger wird eine innere Spannung, eine Krankheitserfahrung, eine innere Verletzung mit nach Trier getragen haben. Im Leben läuft es nicht immer rund. Mag vom Gewand Christi auch kein Wunder mehr ausgehen, trotzdem hinterläßt eine solche Wallfahrt Samenkörner des Glaubens und der Ermutigung in unserem Leben. Das haben die Pilger von heute vermutlich (oder auch hoffentlich) erfahren dürfen.
Im großen Pilgerzelt im Palastgarten gab es eine leckere, einfache Verpflegung. Anschließend bummelten alle zurück zum Dom, wo der Stadtführer, Herr Karl Mikolai uns mit der Geschichte der Stadt Trier und ihrer Bauten vertraut machte. Besonders die römische Vergangenheit hinter und in den heutigen Bauten ließ er immer wieder hindurchscheinen. Schließlich ist Trier die älteste Stadt Deutschlands und war zeitweise Residenz römischer Kaiser. Die Führung endete in der Konstantinsbasilika. Dort, wo einst dem römischen Kaiser gottgleiche Verehrung entgegengebracht wurde, feiern heute die evangelischen Christens Triers ihren Gottesdienst. Ein beeindruckendes Gebäude, heute der größte erhaltene römische Bau in ganz Europa.
Beim anschließenden Gang durch die Stadt wurde für aufmerksame Beobachter deutlich, dass Trier auch die Stadt zahlreicher Religionskritiker war. Einige Geschäfte trugen den Namen der Familie Marx, Karl Marx selbst stammte aus dieser Stadt. Ein Spötter hatte eine alte Unterhose in einem Triptychon als „Unterhose“ von Karl Marx ausgestellt. An vielen Denkmälern und prägnanten Orten hingen selbstgestrickte kleine Hl. Röcke mit einem Zettel dran: „lasst euch nicht aufziehen“. Zog man an diesem Zettel, so ribbelte sich der Strick auf und der winzige Hl. Rock verschwand. Die Botschaft konnte jeder für sich deuten und mit nach Hause nehmen. Leider hatten sich die meisten Kritiker nicht mit den Aussagen der Kirchenleute auseinandergesetzt, denn solche Kritik blieb so oberflächlich wie eh und je. Wohl kaum einer der Christen nahm das ausgestellte Gewand als wundertätige Reliquie. Wohl kaum einer zeigte sich als unkritisch und kirchenhörig, sondern jeder kam mit seiner eigenen Frömmigkeit, mit seinen Gedanken, Gebeten, Zweifeln und Hoffnungen. Anders als vor 500 Jahren nahm auch die Evangelische Kirche in diesem Jahr die Einladung zu der Wallfahrt an, ihr Präses Nikolaus Schneider - zugleich Ratsvorsitzender der EKD - sprach von einer "Gabe des Bistums Trier" auch an seine Kirche.
So blieben auch die punkigen Zaungäste eine Ausnahmeerscheinung, die sich mit ihren schwarzen Klamotten und den umgedrehten Kreuzen demonstrativ vor den Pilgerschlangen aufbauten. Die Freude an dieser Pilgerfahrt ließen sich die Pilger nicht nehmen, weder von äußeren Anregungen noch von ihren inneren Fragen.
Um 18.00 Uhr trafen sich die Voerder Pilger in einer kleinen, wunderschönen Kapelle. Sie gehörte zum bischöflichen Generalvikariat und war dem Hl. Banthus, einem der Trierer Bischöfe geweiht. Seine Gebeine ruhten in diesem Altar. Interessant ist (und nur wenige Menschen wissen das), dass in dieser Kapelle um das Jahr 1970 während der Domrenovierung der Hl. Rock aufbewahrt wurde, bevor er seinen angestammten Platz in der barocken Heiligtumskapelle wieder einnahm. Am 29. Oktober 1971 wurde er ausnahmsweise einem hohen Besuch aus Rußland gezeigt. Der orthodoxe Patriarch von Leningrad und Ladoga, Boris Nikodim war zu Gast. Seitdem gibt es im Trierer Dom auch eine orthodoxe Kapelle unter dem Aufbewahrungsort des Hl. Rocks. In der Banthuskapelle dagegen wurde auch an die selige Schwester Blandine Merten erinnert. Die gebürtige Triererin hatte einige Jahre ihr Studierzimmer neben dieser Kapelle.
Zufällig besuchte kurz vor unsererm Abschlußgebet der Künstler, der das Reliquiar von Sr. Blandine geschaffen hatte, die Kapelle. Den Weg in die Kapelle gefunden hatte auch Martin Mohr, langjähriger KAB-Bezirkssekretär aus unserer Region, der heute für die KAB im Bistum Trier tätig ist. Er begrüßte uns gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Bistums Trier „vor Ort“ und berichtete kurz, wie die Trierer die Wallfahrt erlebten. Nach dem Gebet stellten sich alle Pilger zu einem Erinnerungsfoto vor der Kapelle auf. Zufällig kam in diesem Moment der Leiter der diesjährigen Hl. - Rock – Wallfahrt, Monsignore Dr. Georg Bätzing vorbei und erkundigte sich interessiert nach unserer Pilgergruppe und verabschiedete uns per Handschlag aus Trier. Der Nachfolger von Bischof Felix Genn wird in Zukunft der neue Generalvikar des Bistums Trier sein.
Martin Mohr begleitete uns noch bis zum Bus und gegen 19.00 Uhr rollte unser Bus in Richtung Heimat. Erfüllt von den Tagesereignissen und müde kamen wir gegen 22.30 Uhr dort an.
Mehr:
Zum Pilgertag der KAB am 6. Mai 2012 fährt wohl auch ein Bus aus der Region. Mehr Informationen gibt es im KAB Büro in Wesel, Sandstr. 24, Tel.: 0281/164100

Bericht von der Wallfahrt zum Hl. Rock: 1. Teil

Um kräftige Worte war der Reformator Martin Luther nie verlegen. So schrieb er im Jahr 1530 „und war das nicht ein vortrefflicher Beschiss mit unseres Herren Rock zu Trier...“ und geißelte die ersten Hl. Rock-Wallfahrten der Geschichte als katholischen Betrug. In diesem Jahr 2012, genau 500 Jahre nach der ersten Ausstellung der sogenannten „Tunika“ Jesu Christi lud der Trierer Bischof Dr. Stefan Ackermann die Gläubigen wieder zur Wallfahrt zum Hl. Rock.
Offensichtlich war die Skepsis gegenüber diesem Ereignis auch diesmal recht groß. Nicht nur, dass zahlreiche kirchen-kritische Geister während der einen Monat dauernden Wallfahrtszeit kritische Aktionen starten oder sich ablehnend zu Wort meldeten, auch in den Voerder Gemeinden war die Resonanz eher zurückhaltend. So machten sich letztlich 24 Gemeindemitglieder aus St. Peter, St. Maria und St. Elisabeth am Samstag, 21.4.2012 in aller Frühe auf den Weg. Unter ihnen auch Pastoralreferent Markus Gehling, Pastoralassistent Torsten Ferge und Schwester Margoretta. Schon um 5.30 Uhr startete der Bus an der Elisabethkirche und sammelte an den verschiedenen Kirchen die Pilger ein. Vermutlich hatte auch der nachtschlafende Beginn einige Interessenten abgehalten.
Nach vier Stunden hatten wir Trier erreicht und wurden direkt von einer freundlichen Pilgerbegleiterin in Empfang genommen, die uns – als ortsunkundige – in die Innenstadt führte.
Pünktlich vor Beginn der Pilgermesse erreichten wir die Stadtpfarrkirche St. Gangolf, wo der Spiritual des Münchener Priesterseminars, Dr. Andreas Schmidt, ein junger Priester der Gemeinschaft Emmanuel, mit uns die Hl. Messe feierte. Ein sehr guter Chor aus Sängerinnen und Sängern aus vielen Ländern begleitete den Gottesdienst musikalisch. Nach dem eucharistischen Segen reihten wir uns in die lange Schlange von Pilgern ein, die trotz Kälte und Regen auf Einlass in den Trierer Dom warteten. Die wunderbare, romanische Fassade des Domes zog die Pilger in den Bann. Unter der Kirchturmuhr stand in goldenen Lettern die Inschrift: „nescitis qua hora dominus veniet“ (Ihr wisst nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird). Der Stadtführer, der uns am Nachmittag führte wußte davon zu erzählen, dass diese Inschrift ein Zeugnis eines frommen Wettstreits zwischen den Bürgern der Stadt und dem damaligen Bischof darstellt, so wie er manche Anekdote dieser Art zum Besten gab. Diese Haltung führte dazu, dass die Trierer Christen die Kirchtürme ungewöhnlich hoch in den Himmel wachsen ließen.
So standen wir – geschützt von Regenschirmen – in einer Schlange mit vielen Christen aus dem Bistum Trier und aus ganz Deutschland und Europa und erwarteten eine Begegnung mit Jesus Christus, auf den sein ungeteiltes Gewand im Trierer Dom verweist.
Ob der Heilige Rock als Textil echt ist oder nicht - für die katholische Kirche ist das nicht entscheidend. Er sei ein Christuszeichen, sagt Bischof Ackermann. "Wer anlässlich der Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier kommt", so der Bischof, "pilgert zu Jesus Christus." Das war schon 1996 so. Die damalige Wallfahrt stand denn auch unter dem Motto "Mit Jesus Christus auf dem Weg". Der damalige Leiter der Pilgerfahrt hieß Felix Genn. Heute ist er, der Priester des Bistums Trier der Bischof des Bistums Münster. Schritt für Schritt näherten wir uns langsam dieser besonderen Reliquie, die nur sehr selten sichtbar ausgestellt wird.
Es war eine gute Gelegenheit, den wunderbaren Innenraum des Doms zu betrachten, der trotz der unterschiedlichsten Baustile und Bauepochen einen beeindruckenden Gesamteindruck bot. Die Orgelbauer der Firma Klais hatten 1974 eine herrliche Schwalbennestorgel eingebaut, die den Pilgern immer wieder kleine Eindrücke ihrer musikalischen Möglichkeiten vermittelte. Für eine kurze Weile konnte man dann am eliptischen Schrein verweilen und das Gewand betrachten.
Auch wenn es uralt wirkte, so ist doch das eigentliche, antike Kleid nicht zu sehen. Die römische Kaiserin-Mutter Helena hatte es zwischen den Jahren 320 und 329 nach Trier gebracht. Bis zum Jahr 1512 waren die antiken Stoffreste nie öffentlich gezeigt worden, sondern in Altären und Schreinen verborgen geblieben. Als der deutsche Kaiser Maximilian I. den Trierer Erzbischof Richard von Greifenklau bedrängte, ihm das Gewand zu zeigen. Das sprach sich bald herum und so verlangten die Gläubigen ebenfalls dieses Erinnerungstück an Jesus Christus zu sehen. Zunächst wurde es nun jährlich gezeigt. Im Verlauf der Geschichte wurden die öffentlichen Ausstellungen immer seltener und das schon sehr in Mitleidenschaft gezogene Textil erhielt eine Hülle aus kostbaren Seidenstoffen. Diese Hülle ist auch das, was man heute sehen kann. Die antiken original – Textilien befinden sich unsichtbar zwischen einigen Lagen späterer Stoffe. Erhalten ist die äußere Form des antiken Rockes Christi.
In Martin Luther fanden diese ersten Hl. - Rock – Wallfahrten einen entschiedenen Kritiker. Sicher wollten die katholischen Autoritäten mit den Wallfahrten damals auch dem Wittenberger Reformator die Grenzen seiner rhetorischen Macht aufzeigen. Vermutete dieser damals einen katholischen Schwindel so hat die wissenschaftliche Forschung bis heute nicht belegen können, dass der Hl. Rock wirklich auf Jesus selbst zurückgeht. Recht gut belegt ist aber die Schenkung durch Kaiserin Helena. Was aber wirklich zwischen den Jahren 33 und 320 mit dem Gewand Jesu geschehen ist, darüber wissen wir nicht mehr als in der Bibel steht: „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.“ (Joh 19,23-24)

Sonntag, 15. April 2012

Kleider machen Leute - Herzlichen Glückwunsch Papst Benedikt!

Foto: CC Lic. Felici http://www.fotografiafelici.com/
„Hl. Vater, ich lach mich schief“, unter dieser Überschrift würdigt der bekennende Papst–Fan Matthias Matussek Papst Benedikt XVI. zu seinem heutigen 85. Geburtstag. Matussek, in den letzten Jahren zum Frontmann einer neuen Form der öffentlichkeitswirksamen Papst-Treue und einer selbsternannten katholischen-konservativen Avantgarde aufgestiegen, spitzt den Grund seiner „Papst-Begeisterung“ wie folgt zu: „Benedikt XVI. ist die unterhaltsamste Störung der Moderne, die sich der liebe Gott einfallen lassen konnte. Wie der Heilige Vater seine Kritiker ein ums andere Mal widerlegt, ist schon sehr amüsant.“
Leider gibt der ganze Artikel außer solchen um Aufmerksamheit heischenden Formulierungen wenig her. Natürlich mag ich dem Autor nicht widersprechen, dass unser Papst immer wieder überrascht und immer wieder wichtige und notwendige Dinge ins Stammbuch der Politiker, der Meinungsmacher, der Religionsführer und der Menschen guten Willens schreibt, im Gegenteil: Ich finde es persönlich oft sehr anregend, seinen Gedankengängen zu folgen und das möglichst „live“ oder über Datenleitung "direkt" aus seinem Munde. Das Internet macht vieles möglich, was vor Jahren noch undenkbar erschien.
Allerdings, darf man sich (auch als überzeugter Katholik) bei aller Papst-Begeisterung und bei aller intellektuellen Freude über diesen Papst, dem ich mindestens genauso herzlich wie Matthias Matussek zum Geburtstag gratuliere, auch das eine oder andere ärgern oder „sauer aufstoßen“.
Ein solches Beispiel bringt ja auch Matussek in seinem Artikel – allerdings bürstet er den alten Brokat für meinen Geschmack zu glänzend auf:
Und hier eine Bemerkung zu Ihrer Garderobe, Heiliger Vater. Sie sehen manchmal aus wie ein Weihnachtsbaum. Wie schön. Brokat und Ornat. Es funkelt. Ja, Sie schleppen die ganze Kirche mit, ihre Macht, ihre Tradition, ihren Schönheitssinn. Ihr heiliges Theater. Und das in einer Zeit der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung. Geiz ist geil? Ihre Roben sagen: in your face - hier kommt der heilige Geist! Wiederum zum Brüllen komisch all die verständnislosen Kommentare über die Geldverschwendung, die in dieser Schaustellung sichtbar würde. Der Wert liegt darin, dass Sie aussehen wie 2000 Jahre.“
Das ist wieder so ein typischer Matussek. Eigentlich müßte man erst mal hinterfragen, ob wir wirklich in einer Zeit „der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung...“ leben, ich sehe das nicht so. Aber dann würden ja die schönen Sätze von Matussek in sich zusammenbrechen. Und das mit den 2000 Jahren stimmt ja auch nicht, denn die Gewänder um die es geht, repräsentieren ja die Kirche der vergangenen 50 bis 200 Jahre. Viel älter sind die meisten Gewänder nicht. Es wäre auch zu empfindlich für den Gebrauch.
Aber, ich wollte auf das Phänomen an sich eingehen: Mein Problem ist weniger die Last und Lust der Geschichte, die in dieser – sagen wir es zurückhaltend – „neuen Wertschätzung“ alter textiler Schätze liegt. Selbstverständlich spricht wenig dagegen, alte Gewänder aus den Schränken der Sakristeien im Vatikan weiter wert zu schätzen. Vielleicht ist es auch gut, sie hin und wieder zu nutzen und es ist allemal preiswerter als ganz neue Kleider. Nicht alles, was damals zur höheren Ehre Gottes gefertigt wurde muss heute „pfui“ sein, weil es ein wenig nach höfischem Zeremoniell und einer Kirche von (vor-)gestern aussieht.
Aber es wäre wichtig, die rechte Balance zu wahren. Zumal die erhaltenen „Kleiderschätze“ nicht unbedingt aus einer sehr langen Tradition stammen, sondern nur eine bestimmte Zeit der Kirchengeschichte repräsentieren, eine Zeit, die sich auf der theologischen Ebene in Gestalt der traditionalistischen Gemeinschaften schon lange gegen das Zerfallen sträubt und – wie ihre textilen Relikte – zwar nicht oder nur wenig zunimmt, aber auch nicht vergeht. Im Moment sieht es auch so aus, als wenn diese Gemeinschaften sich in so vielfältige Untergruppen zerteilen wie das vorkonziliaren Messgewand Teile hatte. (Mal sehen, ob für Bischof Williamson und seinen radikaleren Teil der Piusbrüder noch ein altes Manipel übrig ist, mit dem die sich in eine Schmollecke zurückziehen können.)
Da kommt mir der Hl. Rock zu Trier in den Sinn, ein schlichtes Gewand ohne Naht, das am Anfang aller liturgischen Mode steht. Ich denke, dass bei allem Geschichtsbewußtsein gut wäre, wenn unsere Botschaft ist, dass gottesdienstliche Kleidung schlicht ist, weil der, der damit bekleidet wird, sich in den Dienst dessen stellt, dem die Kriegsknechte einst das Gewand vom Leibe rissen um später um dessen Besitz zu losen.
Nicht alles, was Benedikt trägt oder in der Liturgie neu akzentuiert, macht unmittelbar deutlich, dass es genau darum geht: die schlichte Nachfolge in den Spuren des Gottessohnes aus Nazareth.
Als einfachen Gläubigen irritiert es mich durchaus, wenn bei den päpstlichen Liturgien der Liturge neuerdings (wieder) hinter sechs goldenen, übermannshohen Leuchtern verschwindet, die teils sogar das Geschehen auf dem Altar verdecken, im Zweifel aber „überstrahlen“.
Leichtes Unbehagen empfinde ich auch bei der Vielfalt der Kleidungsstücke für höhere und „niedere“ Kleriker, angefangen von der Cappa Magna, der meterlangen Schleppe die sich einige Kardinäle und Bischöfe heute wieder nachtragen lassen, den „Pontifikalhandschuhen“ oder „Pontifikalpantoffeln“, die man auf dem ein oder anderen Bild einer liturgischen Feier bei der Piusbruderschaft noch sieht, oder einem hermelingefütterten Mützchen namens Camauro mit dem sich Papst Benedikt XVI. einmal vor der Frühjahrskälte schützte. Für all das gibt es sicher gute Gründe und teilweise sogar liturgisch-theologische Sinnhaftigkeiten. Aber all dies ereignet sich in einem „heutigen“ und weitgehend modernen „Bezugsrahmen“, der die Botschaft mit bestimmt. Und letztlich sollte unser ganzes Tun und auch unsere liturgische Kleidung (bzw. die angemessene Kleidung der kirchlichen Repräsentanten) Maß nehmen am Gewand Jesu und der Sandale Jesu Christi und weniger am farbenprächtigen „Putz“ des Hohenpriesters am Tempel zu Jerusalem. Wenn unser Gewand Zweifel daran nährt, dass es uns um die Sache Jesu geht, dann sollten wir notfalls bereit sein, wertvolle Textilien in Museen und Vitrinen bewundern zu lassen und uns intensiver der Botschaft des Evangeliums zuwenden.
Ich weiß durchaus, dass manche "modernen" Gewänder nicht gelungen sind. Aber es gibt trotzdem zahlreiche Beispiele moderner litugischer Gewandung in denen sich Schönheit, Schlichtheit und frohe Botschaft gut zusammenfügen. Jedes liturgische Gewand sollte Maß nehmen an der biblischen Botschaft, zum Beispiel der der Offenbarung des Johannes, wo es heißt: „Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Ich erwiderte ihm: Mein Herr, das musst du wissen. Und er sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. ... der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“

Matthias Matussek im Spiegel: 


Die Fülle liturgischer und außerliturgischer Kopfbedeckungen, u.a. dem Camauro und noch viel mehr präsentiert Dieter Philippi auf seiner Homepage, deren Besuch ich unbedingt empfehle:

Samstag, 31. März 2012

Kollektiver Kirchenaustritt zum „Hasenfest“?

Jetzt bekommt die Formulierung „Hasenfest“ aus der Werbung des Thalia-Buchhandels 2011 doch noch einen ernsteren Hintergrund. Aufgrund kirchlicher Intervention haben die Werbeleute im vergangenen Jahr den Begriff aus ihren Prospekten verbannt. Dezidiert antikirchlich wollten sie ihre Werbung nun doch nicht verstanden wissen. Man sei eher etwas arglos gewesen und wollte den Begriff augenzwinkernd verwenden. (Letztlich könnte es ja auch geschäftsschädigend sein, wenn die kirchlich gebundenen Kunden von der Diskussion ums Hasenfest irritiert würden.)
Dabei beschrieben die Thalia-Werber in Wirklichkeit nur das, was für viele Menschen in Deutschland seit Jahren Realität ist: Ostern ist zu einem fröhlichen Frühjahrsfest mutiert, wäre es nicht ehrlich, es in „Hasenfest“ umzubenennen? Der Karikaturist Thomas Plaßmann hat mich vor einiger Zeit schon herzlich lachen lassen, als er eine Frau und ein Kind vor einem Plakat mit „Frohe Ostern“ zeichnete. Die Frau sagt: „Ich glaub', da ist irgend so ein Hase geboren.“ (Es lässt mich hoffen, dass unsere Firmbewerber schmunzeln oder sogar lachen, wenn ich ihnen diese Karikatur zeige.)
Offensichtlich sind vielen Menschen – auch eingeschriebenen und "steuerzahlenden" Katholiken - die Grundlagen abhanden gekommen. Als Seelsorger beobachten wir schon länger besorgt, dass die Gottesdienste an Gründonnerstag und Karfreitag bei weitem nicht so gut besucht sind wie an Ostern und dass trotz gut besuchter Ostergottesdienste sicherlich 70 – 75 % aller Katholiken in Voerde Ostern ohne Gottesdienst zu feiern wissen.
Das stellt schon die Frage, was ihr Herz und ihre Seele mehr bewegt: das verheißene ewige Leben, der Sieg des Lebens über den Tod oder die Freude der Kinder und Enkel beim Eiersuchen oder beim beherzten Biß in den Schokohasen.
Diese schmerzliche Realität anzuerkennen stände der Kirche gut an. Und es reicht nicht aus, den Anhängern des Hasenfestes und den Frühlingsfestfeierern ihre Festfreude madig zu machen. Wir müssen als Christen auch die Botschaft entgegen setzten, warum wir der Meinung sind, dass es gute Gründe gibt, des Todes und der Auferstehung eines Menschen der Antike (für Christen natürlich viel mehr) noch heute zu gedenken. Ich persönlich kann mir ein Leben ohne diese Hoffnung nicht vorstellen.
Überzeugend finde ich – nicht nur als Christ, sondern auch als denkender Mensch - die Argumente der Kirchenaustrittswerber nicht. Es sind die immer wieder aufgekochten Einseitigkeiten der Diskussionen der vergangenen Jahre. Die Bibel (oder die „Anti-Bekenntnisschriften“) der organisierten Glaubensgegner dürfte gerade mal drei bis vier Seiten umfassen, deren magere Inhalte dann in zahlreichen Websites, Büchern und Magazinen rund um den Dunstkreis der Giordano – Bruno – Stiftung immer wieder aufgekocht und bunt dekoriert in spaßigen Variaten in die Presse und in die Medien gedrückt werden.
Giordano Bruno würde sich vermutlich ob der Oberflächlichkeit der Protagonisten der nach ihm benannten Stiftung beständig im Grabe umdrehen. Da hatte sein Denken und vermutlich auch sein Glaube ein ganz anderes Format. Anders als Denker wie Giordano Bruno geht es den heutigen Kirchengegenern nicht darum, kirchliches und gläubiges Denken zu beeinflussen und für eine Reform desselben zu streiten, sondern sie bekämpfen gleich den religiösen Glauben und die Kirche(n) im Paket. Im Namen der angeblichen „Aufklärung“ wird der Glaube lächerlich gemacht, die „Sünden“ der Kirche unreflektiert und ohne den historischen Kontext präsentiert und die humane, revolutionäre, menschenfreundliche Seite der Kirchengeschichte und ihrer vielen „Heiligen“ negiert. Ich würde gerne einmal hören, wie diese Leute über Persönlichkeiten wie Edith Stein, Franziskus von Assisi und Mutter Theresa denken. Vermutlich würden entsprechende Wortmeldungen von Karl-Heinz-Deschner oder Michael Schmidt-Salomon den Menschen die Augen öffnen, die aus einer gewissen Kirchendistanz oder Kritik heraus mit dem kämpferischen Atheismus sympathisieren.
Ich bin der festen Überzeugung, dass unserer Gesellschaft durch die Kritiker und Ablehner des religiösen Glaubens kein Gefallen getan wird. Die Gesellschaft wird davon nicht profitieren, denn im Windschatten der Glaubenslosigkeit verbreitet sich auch zutiefst inhumanes Gedankengut (Peter Singers „Praktische Ethik“, Wirtschaftsliberalität und „Raubtierkapitalismus“, Abtreibung als „Menschenrecht“, PID, Spätabtreibung und Behindertenfeindlichkeit...)
Was uns durchaus fehlt sind profilierte Kirchenkritiker, die als denkende und gläubige Menschen den Kirchenleuten auf Augenhöhe begegnen. Es würde der Kirche sicher gut tun, von klugen Köpfen auf ihre Widersprüchlichkeiten und Einseitigkeiten hingewiesen zu werden. Auseinandersetzung in der Sache hilft auch den gläubigen Menschen. Wir brauchen Leute, die die Kirche und ihre Geschichte, die den Glauben und die Theologie kennen und den Mut zeigen, ihre kritischen und berechtigten Anfragen entschlossen vorzutragen. So wie es Giordano Bruno getan hat. Leute, die dann trotzdem mit Freude Ostern feiern und den anderen ihr Hasenfest gönnen können.
Wer weiß, vielleicht reicht es denen eines Tages dann nicht mehr, zu feiern, weil irgendein Hase geboren wurde, sondern sie möchten feiern, weil sie erfahren haben, dass durch Gottes Wirken die Liebe und das Leben stärker sind als der Tod. So unwahrscheinlich ist das nicht, denn diese Botschaft "zündet" seit fast 2000 Jahren aus eigener Kraft.
Frohe und gesegnete Ostern! Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

Montag, 26. März 2012

Abtei Mariawald und die reformierte Liturgie...

Diesen Text habe ich vor einiger Zeit auf "orden-online.de" geschrieben. Da gerade die Diskussion um eine volle Eingliederung der Piusbruderschaft wieder neu aufflammt passt er vielleicht auch in dieses Blog.
Mit Interesse verfolge ich die Diskussion um die "Tridentinische" Liturgie. Als 1967 geborener und getaufter Katholik bin ich ja Kind des Konzils. Ich kenne aus eigenem Erleben im Grunde nur die Liturgie der “Neuen Messe” und ich glaube, mit Herz und Seele, nach wie vor. Die Hl. Messe, die kath. Liturgie ist die Form, in der ich mit Gott in Kontakt komme. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass er darin zu mir spricht, dass er im Brot des Lebens, im Opfermahl der Eucharistie präsent ist, dass er sich hierin zu mir neigt, mit mir im tiefsten kommuniziert und ich spüre immer wieder, dass dies wahrhaft so ist.
Wie kann eine Liturgie schlecht sein, die nach wie vor Millionen von Katholiken Lebenskraft und Glauben schenkt? Ich erlebe dies Tag für Tag in der Gemeinde, in der ich lebe und mitarbeite. Mich erschreckt diese bösartige Polemik, die immer wieder anzutreffen ist wenn es um “Neue” und “Alte” Messe geht. Ich bin kein schlechterer Katholik, diesen Verdacht möchte ich von mir weisen. Letztlich richtet sie sich doch gegen zahllose Konzilsväter und einige Päpste und kann doch niemals unter dem Deckmantel der Kirchentreue geäußert werden. Auch die reformierte Liturgie hat ihr Recht.
Dennoch unterstütze ich inzwischen (nachdem ich die Diskussion schon länger verfolge) den Wunsch unseres Hl. Vaters Benedikt, den "alten lateinischen Ritus" als außerordentliche Form der Eucharistiefeier zuzulassen. Es stimmt, was sich über fast 1.900 Jahre liturgisch entwickelt hat, kann ja nicht schlecht sein und ist es auch nicht. Bei allem was ich weiß: es handelt sich doch nicht um eine Liturgie, die sich im Laufe dieser Jahre nicht gewandelt hätte. Und auch die neue Liturgie wurzelt in dieser Tradition.
Aber: die alte Liturgie kann nur dann wahrhaftig sein, wenn sie in gewisser Achtung vor der neuen Liturgie gefeiert wird. Sie verliert ihre Würde, ihren Rang, ihre tiefe Spiritualität, wo sie als allein richtig und seligmachend verzweckt (und gegen andere liturgische Traditionen gewendet) wird. Liturgie ist reiner Gottesdienst. Gott hat Geduld mit uns Sündern. Er kämpft nicht im Mantel von Gebet und Gottesdienst. Ich bin dankbar für das Experiment “Mariawald”.
Aber ich habe auch Sorgen. Das II. Vat. Konzil hat doch eindeutig festgestellt, dass die “Alte Messe” einer weiteren Entwicklung bedürfe. Ganz bestimmt ist man häufig hier über das Ziel hinweg geschossen, fehlte bei mancher Reform die notwendige Behutsamkeit. Für mich ist die “Alte Messe” auch ein Stück über Jahrzehnte konserviert worden, transportiert theologische Einsichten, die neuer sprachlicher Fassung und gedanklicher Durchdringung bedürfen. Wir haben das ja auch an der Diskussion über die Karfreitagsfürbitte gesehen. Ich würde mir eine sensible Reform im Sinne von Weiterentwicklung der “Alten Messe” und ihr dann mehr Raum in den Riten der Kirche (von denen es ja noch einige mehr gibt) wünschen.
Die Krise der Kirche, der Orden ist eine Folge gesellschaftlicher Entwicklung im Westen. Es ist dieselbe Krise, die schon in den 60er Jahren zu den Reformen des Konzils geführt hat. Sie ist nur tiefer geworden, die Reformen haben sie nicht bremsen können. Die reine Rückkehr in die Vergangenheit wird diese gesellschaftliche Krise nicht mindern. Im Gegenteil. Ich bin sicher, dass Mariawald einen gewissen, begrenzten Aufschwung nehmen wird. Hoffentlich mißt der Abt “Erfolg” nicht an Zahlen. Ich war gern in Mariawald. Der Orden, seine Regel, seine geistlichen Schriften haben meinen Glauben sehr bereichert. Sie haben durchaus erfolgreich gewirkt, nicht nur bei mir persönlich, die Trappisten.
Trappist zu sein, das erfordert eine tiefe geistliche Berufung. Da reicht die Freude an der “Alten Liturgie” nicht aus. Im Grunde ist es daher gut, dass auch die strengeren Bräuche wieder kehren, da werden evtl. Kandidaten gleich in die ganze Breite der Berufung der Berufung der Trappisten geführt. Der Aufschwung der Abtei wird aber nur begrenzt sein.
Die Liturgie allein macht es nicht. Meines Wissens blühen andere Trappistenabteien trotz reformierter Liturgie (siehe Sept Fons und Novy Dvur). Ich denke wegen der Eindeutigkeit, Strenge und Treue zur Berufung. Ich weiß nur wenig, aber dass Mariawald davon nicht profitieren konnte hat mit vielen Bedingungen in diesem Kloster zu tun. Soweit ich weiß ist auch der Kartäuserorden eine schrumpfende Gemeinschaft, trotz der Treue zur kartusianischen Liturgie, die die Reform des Konzils nicht nachvollzogen hat. Die so offensichtlich von einigen Schreibern vermutete Erfolgsorientierung der Klöster mit überlieferter Liturgie ist kein Selbstläufer. Möglicherweise war der Schritt von Abt Josef ein richtiger Schritt.
Ich würde mir wünschen, dass Mariawald wieder aufblüht und Bestand hat, als Insel des Glaubens in dieser Welt. Ich hoffe sehr, dass die Abtei sich nicht als Insel im Meer des Unglaubens präsentiert sondern als lebendiger Teil der einen heiligen römischen katholischen und apostolischen Kirche, die auch in Schleiden und Heimbach, in Abenden und Wolfgarten, in Aachen und Monschau lebendig ist. Und nach wie vor auch in meiner Stadt Voerde am Niederrhein. Allen Diskutanten wünschen ich Gottes Segen und seinen Frieden im Herzen.

Donnerstag, 22. März 2012

Manchmal ist es zum Haare-Raufen...

Foto von der Amtseinführung von
Stephan Ackermann als Bischof von Trier
Wem wollen Sie das eigentlich erklären; dass die Kath. Kirche einer Kindergartenleiterin in einem Kindergarten in Königswinter kündigt, weil diese nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe nun zu ihrem neuen Lebenspartner gezogen ist. Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche stünde damit auf dem Spiel, die Erzieherin habe schließlich einen Verkündigungsauftrag.

Gleichzeitig verteidigt der Trierer Bischof Stephan Ackermann die Situation, dass einige pädophile Priester, die als Missbrauchstäter in (weniger schweren) Fällen überführt worden sind, weiterhin als Priester in Diensten des Bischofs und der Kirche stehen. Man könne doch kein „Guantanamo“ für solche Priester (z.B. in einem Schweigekloster) einrichten, sondern sei hier weiterhin in der Verantwortung, solche Priester im Dienst zu behalten, so Bischof Ackermann. Damit seien sie doch auch unter Aufsicht.
Zweifellos ist das ein ehrenwertes Anliegen, schließlich gibt es sehr viele Pädophile außerhalb der Kirche, die als „tickende Zeitbomben“ mitten unter uns leben. Aber mal ehrlich gefragt, wie glaubwürdig kann ein solcher Priester seinen Dienst tun, predigen, das Wort Gottes verkünden, wenn er mit dieser Schuld leben muss?
Wenn die Kirche so viel Verantwortung gegenüber einer gescheiterten Existenz zeigt, müsste sie dies auch an anderen Stellen tun, um glaubwürdig und überzeugend zu bleiben.
Müsste dann nicht die barmherzige Haltung der Kirche nicht ebenso den Gescheiterten in einer Ehe und im Priestertum gelten? Die Kindergartenleiterin hat sicher ihren Anteil am Scheitern ihrer ersten Ehe, aber außerhalb dieser Beziehung (und vielleicht ihren eigenen Kindern gegenüber) hat sie keinerlei Schuld auf sich geladen. Man muss der Kirche zu Gute halten, dass man ihr zunächst eine andere Stelle in einer anderen Einrichtung angeboten hat.
Viele Menschen empfinden das als zwiespältig, als doppelbödig. Solche Nachrichten sind es, die die Glaubwürdigkeit der Kirche zutiefst untergraben. Für die Kirche in Königswinter hat das die Folge, dass der Jugendhilfeausschuss ihr die Trägerschaft der Einrichtung entziehen wird. Ob das die „Entweltlichung“ ist, die der Papst gemeint hat?
Natürlich müsste man in diesem Fällen mehr differenzieren, aber wer tut das schon? Solche Nachrichten bestätigen und manifestieren sich in den Hinterköpfen. Früher hieß ein beliebter Spruch „Gegen Gott habe ich nichts, aber eine Menge gegen sein Bodenpersonal.“ Solche Sprüche konnte man mit Humor, Freundlichkeit und gute Arbeit entkräften. Aber heutzutage wird in der Öffentlichkeit, nicht ohne unsere Schuld eine verbreitete öffentliche Meinung zementiert, die Kirche sei ein „Hort von Kinderschändern“. Nach wie vor wird der Lebensunterhalt dieser Menschen aus Kirchensteuermitteln bestritten. So viel „Fürsorge“ würde sich mancher, aus anderen Gründen verurteilte Straftäter auch wünschen.
Wenn dann als „Sahnehäubchen“ noch die Meldung dazu kommt, dass das Erzbistum München knapp 10 Millionen Euro für ein Gästehaus in Rom ausgeben kann, während allüberall der Rotstift regiert, fragt sich selbst der kirchentreue Pastoralreferent, was eigentlich los ist in seiner Kirche. Und flüchtet sich trotzdem in das Wissen, dass Kirche ja viel mehr ist als die drei folgenden Schlagzeilen.

„Kirche kündigt Erzieherin nach Partnertausch“
Eltern laufen dagegen Sturm. Kommune kündigt der Einrichtung die Trägerschaft.

Hauskauf der Erzdiözese München und Freising
Unser Palast in Rom

Katholische Kirche
Bistum Trier will pädophile Pfarrer weiter beschäftigen

Sonntag, 18. März 2012

Bis dass der Tod uns scheidet...

Ein ganz heißes Eisen ist der Umgang der katholischen Kirche mit den Geschiedenen, die sich wieder verheiratet haben oder eine neue feste Beziehung eingegangen sind. Rund um den Papstbesuch gab es einige Situationen, wo diese problematische Frage im kirchlichen Leben im Focus stand. Schon vor dem Papstbesuch nährte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Zollitsch im Gespräch mit der „Zeit“ die Hoffnung auf neue Wege im Umgang mit wiederverheirateten geschiedene Katholiken, die nach dem kirchlichen Recht vom Sakramentenempfang ausgeschlossen sind. Es gehe darum, Menschen zu helfen, "deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen ist", sagte der Freiburger Erzbischof. Als Beispiel nannte er den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, ein Katholik, der nach einer Scheidung zum zweiten Mal verheiratet ist. „Er ist für mich ein Katholik, der seinen Glauben lebt und darunter leidet, wie die Situation ist“, sagte Zollitsch. Auch Wulff selbst und der Bundestagspräsident Norbert Lammert wiesen in ihren Begrüßungsansprachen beim Besuch des Papstes in Deutschland auf diese Problematik hin.
(Bild: © pfarrbriefservice.de/Adelheid Weigl-Gosse, www.weigl-gosse.de)
Dennoch, das Thema schlug in Deutschland keine hohen Wellen. Einzig die betont konservativen Medien und Internetportale widmeten sich in negativer Weise den Personen, die den Finger in die Wunde gelegt hatten, dass die Kirche im Umgang mit Menschen aus gescheiterten Beziehungen ein Problem hat, das in den Augen der Gesellschaft ihre Glaubwürdigkeit und ihre Bedeutung als moralische Instanz tangiert, ja sogar beschädigt. Aber statt sich dem Thema selbst und seinen Lösungsmöglichkeiten zu widmen oder gar die neue Offenheit kirchlicher Kreise für seelsorgliche Lösungen zu betonen, bekamen Zollitsch, Lammert und Wulff von dort halt Prügel.
Ganz anders jetzt die Situation in der Schweiz, wo der Hirtenbrief von Bischof Vitus Huonder von Chur hohe Wellen schlägt, weil zahlreiche Priester sich weigern, diesen Hirtenbrief überhaupt zu Gehör zu bringen und viele kirchliche Gruppierungen ihrem Bischof offen widerstehen. All dies läßt sich vielleicht auch aus der besonderen jüngeren Geschichte des Bistums erklären und hat auch Gründe in der staatskirchenrechtlichen Verfasstheit der Schweizer Kirche. Ob der Bischof allerdings gut beraten war, in der – noch immer – angespannten Situation seines Bistums gerade ein gewisses Reizthema in den Mittelpunkt eines Fastenhirtenbriefs zu stellen – das sei einmal dahin gestellt. Verkündet hat er letztlich ganz wenig „Neues“, sondern nur die offizielle Lehre wiederholt. Und schon stellen sich die Christen an den bekannten Frontlinien munter gegeneinander.
Auf der Strecke bleiben – einmal mehr – die Betroffenen. Natürlich ist die „Lehre der Kirche“ eindeutig. Natürlich gibt es auch die 10 Gebote, die gleich zweimal vom „Ehebruch“ sprechen. Natürlich sind auch die Aussagen Jesu in dieser Frage eindeutig. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Ehe zur Zeit Jesu noch etwas ganz anderes bedeutete als heute, romantische Liebesbeziehungen, das gab es damals noch kaum. Silberne Hochzeiten wohl auch nicht, und die Verwiesenheit aufeinander für das wechselseitige Überleben und das der Kinder war viel größer als heute. Wer sich von seiner Frau trennte gefährdete deren Leben. Die Ehe hatte einen völlig anderen Stellenwert als heute. Und Jesus verurteilt mit scharfen Worten vor allem den Bruch einer Ehe und die damit verbundene prekäre Situation vor allem für die Frau und die Kinder.
Natürlich gibt es aber auch gute Gründe, warum man die biblischen Stellen und die Tradition heute anders deuten und interpretieren müßte. In diesem kirchenpolitischen und moraltheologischen Streit ist eigentlich alles gesagt. Auf Grundlage dieser – jahrzehntealten theologischen Auseinandersetzung, die ja auch Klärungen brachte, ließe sich sicherlich der ein oder andere mutmachende Schritt auf die Betroffenen hin tun. Es ist aber schade, dass in dem ganzen öffentlichen Wortgeklingel um eine barmherzige Kirche viel zu wenig klar wird, dass die Kirche doch eine menschliche Botschaft und eine Wegweisung zu vermitteln hätte.
Was mir fehlt, ist aber auch der Blick auf die Betroffenen? Während sich theologisch manches klar sagen läßt und klären ließe, ist es im konkreten Fall oft auch jenseits dieser Fragen schwierig und wenig klar und eindeutig. Schon das Beispiel des Erzbischofs – der damals noch populäre Bundespräsident Wulff – läßt nachdenklich werden. Wie war noch damals, als der Ministerpräsident Wulff sich von seiner Frau trennte? Die heile Wulff-Welt hatte schon damals (und auch vorher schon lange tiefe) Risse, aber nach außen spielte man das Spiel vom harmonischen Familienleben weiter. Manchen Beobachtern ging der Frauen-Tausch damals (lange vor der Bundespräsidentenwahl) denn auch reichlich fix.
Harald Schmidt brachte das im Spiegel-Gespräch kürzlich so auf den Punkt:
„SPIEGEL: Sie bewundern den Papst?
Schmidt: Er ist für mich durch den Besuch in Deutschland noch mal in eine andere Liga gerückt. Christian Wulff hat bei der Gelegenheit auch die Formulierung dieses Jahres geprägt: "Brüche in den Lebensgeschichten der Menschen". Für mich ein mittelständischer Euphemismus für: die Alte in die Wüste schicken.“
Ich denke, auch diese freche Bemerkung wird der komplexen Situation zweier Menschen, deren (Liebes-)beziehung gescheitert ist nicht gerecht. Aber, eben das ist es in der Regel, ein komplexes, schwer zu entwirrendes Geflecht von Liebe und Hass, Schuld und Sünde, Entfremdung und Anziehung, gemeinsamer Geschichte, Lüge, enttäuschten Gefühlen, Enttäuschungen, Schuldgefühlen und und und... Wenn dann noch Kinder dazwischen stecken, umso schlimmer. Trennung, das klingt leicht und ist doch so schwer. Und nach jeder Trennung braucht es eigentlich Zeit, die ganze „Trümmer-“Landschaft aufzuräumen, bei sich selbst und beim ehemaligen Partner. Mal mehr, mal weniger, ganz individuell, abhängig vom Naturell der Einzelnen, von der Dauer der Beziehung, dem, was gemeinsam aufgebaut und geschaffen und nun wieder „eingerissen“ wurde. Das ist doch eine Beschreibung der Wirklichkeit, die vermutlich recht viele Leser und Beobachter mitgehen können.
Kommt nun noch eine „neue Frau“, ein „neuer Mann“ hinzu wird es vollends unübersichtlich. Und das Aufräumen der Lebens- und Beziehungslandschaft wird gestört. Manche Klärung kann nicht erfolgen, manche Trauer nicht durchgestanden, manche Enttäuschung kann nicht aufgearbeitet werden. Die neue Beziehung „erbt“ in der Regel so manche Belastung. Das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten (zu denen auch der alte Partner (noch) gehört).
Und nach christlicher Auffassung ist auch Gott mit im Boot. Die Ehe ist nämlich, so die katholische Sakramententheologie, ein Spiegelbild der Liebe Gottes zu den Menschen. Und so wie die Liebe Gottes zu den Menschen beständig bleibt, durch alle Krisen hindurch, so soll auch der Mensch jede Krise der Beziehung durchstehen. Als christliche, katholische Eheleute haben sie versprochen, dass sie gute und schwere Zeiten miteinander durchstehen möchten, bis der Tod sie voneinander scheidet. Manch einer hört das in seiner Verliebtheit als freundliches Versprechen, als schöne Hoffnung, aber ohne den nötigen Ernst. In den meisten Fällen ist es auch eher eine Prophezeiung aus jahrhundertelanger Lebenserfahrung der Kirche als ein feierliches Versprechen. Es bedeutet: Dieser Ehe stehen noch schwierige Zeiten bevor, es wird vermutlich Beziehungskrisen geben, Krankheiten, wirtschaftliche Einbrüche und schwere Belastungen. Steht ihr die gemeinsam durch?
Die orthodoxe Kirche hat eine Lösung für Eheleute gefunden, die nach einer gescheiterten Beziehung eine neue Bindung beginnen. Liturgisch hat diese Zeremonie Aspekte einer Bußandacht. Und das ist sicher richtig so. Niemand geht schuldlos aus einer gescheiterten Beziehung. Jeder hat seine Anteile an einer Trennung. Natürlich gibt es auch Ehen, die auseinanderbrechen, in denen man klar den Schuldigen erkennt. Sicher gibt es die „Verlassenen“. Aber ganz so einfach ist es meistens ja nicht. Und nach kirchlicher Auffassung geht es bei der Buße und bei der Beichte nicht darum, sich selbst schuldig zu fühlen, sondern die Situation zu erkennen und diese Erkenntnis Gott hinzuhalten. Gott ist es der uns durch und durch erkennt. So kann eine Beichte, als Sakrament der Versöhnung dazu beitragen, dass ich mich auf Neues einlassen kann.
Und das finde ich in der ganzen Diskussion so verkehrt. Dass auf der einen Seite die kirchlichen Prinzipien hochgehalten und den neu verliebten Menschen vor die Nase gehalten werden. Und das auf der anderen Seite von kirchlicher Barmherzigkeit geschwärmt wird, ohne die konkrete Situation der betroffenen Menschen in den Blick zu nehmen. Gott ist barmherzig. Aber er sorgt auch dafür, dass der Mensch sich selbst erkennt und seine Schuld und seine Unschuld wahrnimmt, sich selbst sieht, so wie er oder sie ist.
Nur wenn das – einigermaßen – gelungen ist, sollten wir in die Diskussion eintreten, ob jemand in einer neuen Verbindung zu den Sakramenten zugelassen wird. In der orthodoxen Kirche sagt man ja. In meiner katholischen Kirche sagt man – zumindest öffentlich – eher nein, will das aber nicht als Ausschluß der wiederverheirateten Menschen begriffen wissen. Ich glaube, hier hat man sich ein wenig in moraltheologische Prinzipienreiterei verrannt. Damit nimmt sich die Kirche – so sehe ich es – die Möglichkeit, einen positiven Beitrag zum gelingenden Miteinander in einer Beziehung zu leisten. Wie heilsam könnte ein solcher Prozess der Zulassung zu einer zweiten Ehe sein, wenn er als Weg der Besinnung und der Heilung gegangen und schließlich gefeiert würde. Wie hilfreich könnte es für eine zweite Beziehung sein, wenn das „Vergangene“ wirklich abgeschlossen wäre. Und bei einem solchen Umgang mit einer gescheiterten Ehe könnte die Kirche wirklich deutlich machen, dass ihr das Anliegen Jesu, Menschen zu einer verläßlichen, sicheren Partnerschaft zu ermuntern etwas bedeutet.